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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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Verhandlungen und Tatsachen

ihn herangeworfen hätte? Einem solchen Volk gegenüber braucht das Wort
nicht gehalten zu werden. Das Versprechen der 14 Punkte Wilsons hatte im
November 1918 vielmehr seine Schuldigkeit getan.

Wie kann aber nach so furchtbaren Erfahrungen ein Deutscher glauben,
daß die Denkweise unserer Feinde sich seitdem geändert hätte? England und
Frankreich haben seit 1904 auf den Krieg ja gerade deshalb hingearbeitet, um
die wirtschaftliche Blüte und die politische Kraft unseres Volkes zu vernichten.
Weshalb sollten sie jetzt, um im Laufe langer Jahre Milliarden von uns zu
bekommen, eifrig dabei sein, uns wieder emporzuhelfen? Das Emporsteigen
des deutschen Volkes kann nur aus seiner eigenen Willenskraft heraus erfolgen,
seien die augenblicklichen Verhältnisse auch noch so furchtbar und schwer. Wenn
bei den Feinden der Wille besteht, die Vernichtung unseres Volkes fortzusetzen,
so werden wir weder mit Selbftbezichtigung noch mit Darlegungen, noch mit
Liebedienerei daran etwas ändern. Sollten die wahnwitzigen Friedensbedingungen
bestehen bleiben und wegen ihrer Unerfüllbarkeit auch noch weitere Teile Deutsch¬
lands besetzt werden, so wird trotz alledem für die Zukunft sichtbar die Frage
offenbleiben, ob 80 Millionen Deutsche an Rhein und Weichsel, Nordsee und
Donau wirklich auf die Dauer in Sklavenketten gehalten werden können. Ich
Persönlich will an der Hoffnung festhalten, daß unserem Volk einmal die Binde
von den Augen fallen und sowohl der utopische Wahnsinn als die Partei-egoistische
Niedertracht, welche uns zum Abgrund führten, einst von allen Deutschen abgelehnt
werden. Von diesem Augenblick an wird aufhören die unnatürliche Zerrissenheit
unseres Volkes in Teile, die sich nicht mehr verstehen, von denen jeder eine andere
Sprache spricht. Ist dann die nationale Einheitsfront und die deutsche Arbeits¬
gemeinschaft wiederhergestellt, so werden die Sklavenketten, mit denen das
deutsche Volk vom internationalen Kapitalismus und von Räubern jetzt gefesselt
wird, zerbrechen wie Glas, und eine spätere Generation wird die Mission Deutsch¬
lands erfüllen, deren die jetzige nicht würdig war. Ich selbst rechne nicht darauf,
den Aufgang der Sonne am deutschen Horizont noch zu erleben, vielleicht wird
die ganze jetzige Generation ihn nicht mehr sehen. Was wir aber jetzt leisten
können und müssen, auch bei dem Schlimmsten, das wir von unseren Feinden noch
zu erwarten haben, und was, weil unvergänglich, höher zu bewerten ist als aller
Materieller Schaden, der uns treffen kann, das ist das Wiederfinden unserer
Würde in äußerster Not. Daran allein werden kommende Geschlechter sich auf¬
richten und den Fluch lösen können, den unsere heutige Generation sich zugezogen
hat. Dann wird das ewig wahre, heute nicht mehr verstandene Wort unseres
großen volkstümlichen Dichters wieder Geltung finden:

"nichtswürdig ist die Nation, die nicht ihr Alles setzt an ihre Ehre."




Verhandlungen und Tatsachen

ihn herangeworfen hätte? Einem solchen Volk gegenüber braucht das Wort
nicht gehalten zu werden. Das Versprechen der 14 Punkte Wilsons hatte im
November 1918 vielmehr seine Schuldigkeit getan.

Wie kann aber nach so furchtbaren Erfahrungen ein Deutscher glauben,
daß die Denkweise unserer Feinde sich seitdem geändert hätte? England und
Frankreich haben seit 1904 auf den Krieg ja gerade deshalb hingearbeitet, um
die wirtschaftliche Blüte und die politische Kraft unseres Volkes zu vernichten.
Weshalb sollten sie jetzt, um im Laufe langer Jahre Milliarden von uns zu
bekommen, eifrig dabei sein, uns wieder emporzuhelfen? Das Emporsteigen
des deutschen Volkes kann nur aus seiner eigenen Willenskraft heraus erfolgen,
seien die augenblicklichen Verhältnisse auch noch so furchtbar und schwer. Wenn
bei den Feinden der Wille besteht, die Vernichtung unseres Volkes fortzusetzen,
so werden wir weder mit Selbftbezichtigung noch mit Darlegungen, noch mit
Liebedienerei daran etwas ändern. Sollten die wahnwitzigen Friedensbedingungen
bestehen bleiben und wegen ihrer Unerfüllbarkeit auch noch weitere Teile Deutsch¬
lands besetzt werden, so wird trotz alledem für die Zukunft sichtbar die Frage
offenbleiben, ob 80 Millionen Deutsche an Rhein und Weichsel, Nordsee und
Donau wirklich auf die Dauer in Sklavenketten gehalten werden können. Ich
Persönlich will an der Hoffnung festhalten, daß unserem Volk einmal die Binde
von den Augen fallen und sowohl der utopische Wahnsinn als die Partei-egoistische
Niedertracht, welche uns zum Abgrund führten, einst von allen Deutschen abgelehnt
werden. Von diesem Augenblick an wird aufhören die unnatürliche Zerrissenheit
unseres Volkes in Teile, die sich nicht mehr verstehen, von denen jeder eine andere
Sprache spricht. Ist dann die nationale Einheitsfront und die deutsche Arbeits¬
gemeinschaft wiederhergestellt, so werden die Sklavenketten, mit denen das
deutsche Volk vom internationalen Kapitalismus und von Räubern jetzt gefesselt
wird, zerbrechen wie Glas, und eine spätere Generation wird die Mission Deutsch¬
lands erfüllen, deren die jetzige nicht würdig war. Ich selbst rechne nicht darauf,
den Aufgang der Sonne am deutschen Horizont noch zu erleben, vielleicht wird
die ganze jetzige Generation ihn nicht mehr sehen. Was wir aber jetzt leisten
können und müssen, auch bei dem Schlimmsten, das wir von unseren Feinden noch
zu erwarten haben, und was, weil unvergänglich, höher zu bewerten ist als aller
Materieller Schaden, der uns treffen kann, das ist das Wiederfinden unserer
Würde in äußerster Not. Daran allein werden kommende Geschlechter sich auf¬
richten und den Fluch lösen können, den unsere heutige Generation sich zugezogen
hat. Dann wird das ewig wahre, heute nicht mehr verstandene Wort unseres
großen volkstümlichen Dichters wieder Geltung finden:

„nichtswürdig ist die Nation, die nicht ihr Alles setzt an ihre Ehre."




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/59>, abgerufen am 22.07.2024.