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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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Die neueste Entwicklung der Rohlenfrage in den modernen Kulturstaaten

Kohlenmarken zeigt die nachstehende der "Wiener Neuen Freien Presse" ent¬
nommene Übersicht:

Preise in österr. Kronen pro Tonne
Anfang Ende 1. Mai
1913 1919 1914 1920
Ostrauer Kohle............. 10,75 99,00 317,00 1150,00
Oberschlesische Kohle ....... 11,35 99,64 751,00 1385,00
Böhmische Braunkohle...... 6,00 38,50 150,00 335,00
Trifuiler Kohle............. 9,90 , 88,20 257,00 507,00
Köflacher Kohle .......... 7,70 60,00 130,00 631,00

Die Preise verstehen sich ab Zeche, zu ihnen kommt also noch die Fracht.

Die Zunahme der Kohlenförderung in der letzten Zeit ist nur zum kleinen
Teile der Steigerung der Arbeitslust der hier in Frage kommenden Arbeiter¬
kategorien zuzuschreiben. In erster Linie wurde die Produktionssteigerung
durch die massenhafte Einstellung von Arbeitskräften bedingt. Man nehme
nur beispielsweise den deutschen Steinkohlenbergbau. Hier sind im 1. Viertel¬
jahr 1920 gegen das 1. Vierteljahr 1919 77 696 Arbeiter mehr beschäftigt worden.
Auf die einzelnen Reviere verteilt sich die Zunahme: Oberbergwerksbezirk-
Dortmund : 52 405, bei Aachen 243, am linken Niederrhein 2243, in Ober¬
schlesien 18 867 und in Niederschlesien 3938 Arbeiter. In allen anderen Berg¬
baugebieten Deutschlands liegt die Sache nicht anders. Nach einem Bericht
des Deutschen Braunkohlen-Jndustrievereins in Halle a. S. stieg im mittel¬
deutschen Brannkohlengebiet die Belegschaft von 98 600 Mann im Jahre 1919
auf 130 000 Mann im Juni 1920. Die Leistung pro Kopf und Schicht betrug:

Tonnen Kohle Tonnen Briketts
1914 4,7 1,50
1919 2,2 0,46
1920 1,8 0,37

Nach Mitteilungen von "Le ?seit Journal" betrug die Gesamtförderung
^ Kohlen in Frankreich im Jahre 1915 bei einer Belegschaft von 105 675 Berg¬
arbeitern 19 533 000 Tonnen und 1919 bei 157 374 Arbeitern nur 19 996 000
Tonnen; sie ist also trotz einer Erhöhung der Belegschaft um 50°/° die gleiche
geblieben. Der Grund liegt darin, daß im Jahre 1915 und 1916 8 bis 9 Stunden
und während dieser Monate von 1916 sogar 10 Stunden tatsächlich gearbeitet
^urbe. Heute ist die reine Arbeitszeit nur 6 Stunden 17 Minuten. Bei einer
Mehrarbeit der Bergarbeiter von nur einer Stunde täglich würde die Jahres-
sörderung um 4 Millionen Tonnen steigen. In Belgien stieg die in der Kohlen-
sörderung beschäftigte Arbeiterzahl von 157 635 im Januar auf 154 116 im
Februar, 159 230 im März, 160 126 im April und 160 307 im Mai 1920. Ähn¬
lich liegen die Verhältnisse in allen anderen Ländern.




Die neueste Entwicklung der Rohlenfrage in den modernen Kulturstaaten

Kohlenmarken zeigt die nachstehende der „Wiener Neuen Freien Presse" ent¬
nommene Übersicht:

Preise in österr. Kronen pro Tonne
Anfang Ende 1. Mai
1913 1919 1914 1920
Ostrauer Kohle............. 10,75 99,00 317,00 1150,00
Oberschlesische Kohle ....... 11,35 99,64 751,00 1385,00
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Trifuiler Kohle............. 9,90 , 88,20 257,00 507,00
Köflacher Kohle .......... 7,70 60,00 130,00 631,00

Die Preise verstehen sich ab Zeche, zu ihnen kommt also noch die Fracht.

Die Zunahme der Kohlenförderung in der letzten Zeit ist nur zum kleinen
Teile der Steigerung der Arbeitslust der hier in Frage kommenden Arbeiter¬
kategorien zuzuschreiben. In erster Linie wurde die Produktionssteigerung
durch die massenhafte Einstellung von Arbeitskräften bedingt. Man nehme
nur beispielsweise den deutschen Steinkohlenbergbau. Hier sind im 1. Viertel¬
jahr 1920 gegen das 1. Vierteljahr 1919 77 696 Arbeiter mehr beschäftigt worden.
Auf die einzelnen Reviere verteilt sich die Zunahme: Oberbergwerksbezirk-
Dortmund : 52 405, bei Aachen 243, am linken Niederrhein 2243, in Ober¬
schlesien 18 867 und in Niederschlesien 3938 Arbeiter. In allen anderen Berg¬
baugebieten Deutschlands liegt die Sache nicht anders. Nach einem Bericht
des Deutschen Braunkohlen-Jndustrievereins in Halle a. S. stieg im mittel¬
deutschen Brannkohlengebiet die Belegschaft von 98 600 Mann im Jahre 1919
auf 130 000 Mann im Juni 1920. Die Leistung pro Kopf und Schicht betrug:

Tonnen Kohle Tonnen Briketts
1914 4,7 1,50
1919 2,2 0,46
1920 1,8 0,37

Nach Mitteilungen von „Le ?seit Journal" betrug die Gesamtförderung
^ Kohlen in Frankreich im Jahre 1915 bei einer Belegschaft von 105 675 Berg¬
arbeitern 19 533 000 Tonnen und 1919 bei 157 374 Arbeitern nur 19 996 000
Tonnen; sie ist also trotz einer Erhöhung der Belegschaft um 50°/° die gleiche
geblieben. Der Grund liegt darin, daß im Jahre 1915 und 1916 8 bis 9 Stunden
und während dieser Monate von 1916 sogar 10 Stunden tatsächlich gearbeitet
^urbe. Heute ist die reine Arbeitszeit nur 6 Stunden 17 Minuten. Bei einer
Mehrarbeit der Bergarbeiter von nur einer Stunde täglich würde die Jahres-
sörderung um 4 Millionen Tonnen steigen. In Belgien stieg die in der Kohlen-
sörderung beschäftigte Arbeiterzahl von 157 635 im Januar auf 154 116 im
Februar, 159 230 im März, 160 126 im April und 160 307 im Mai 1920. Ähn¬
lich liegen die Verhältnisse in allen anderen Ländern.




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[0035] Die neueste Entwicklung der Rohlenfrage in den modernen Kulturstaaten Kohlenmarken zeigt die nachstehende der „Wiener Neuen Freien Presse" ent¬ nommene Übersicht: Preise in österr. Kronen pro Tonne Anfang Ende 1. Mai 1913 1919 1914 1920 Ostrauer Kohle............. 10,75 99,00 317,00 1150,00 Oberschlesische Kohle ....... 11,35 99,64 751,00 1385,00 Böhmische Braunkohle...... 6,00 38,50 150,00 335,00 Trifuiler Kohle............. 9,90 , 88,20 257,00 507,00 Köflacher Kohle .......... 7,70 60,00 130,00 631,00 Die Preise verstehen sich ab Zeche, zu ihnen kommt also noch die Fracht. Die Zunahme der Kohlenförderung in der letzten Zeit ist nur zum kleinen Teile der Steigerung der Arbeitslust der hier in Frage kommenden Arbeiter¬ kategorien zuzuschreiben. In erster Linie wurde die Produktionssteigerung durch die massenhafte Einstellung von Arbeitskräften bedingt. Man nehme nur beispielsweise den deutschen Steinkohlenbergbau. Hier sind im 1. Viertel¬ jahr 1920 gegen das 1. Vierteljahr 1919 77 696 Arbeiter mehr beschäftigt worden. Auf die einzelnen Reviere verteilt sich die Zunahme: Oberbergwerksbezirk- Dortmund : 52 405, bei Aachen 243, am linken Niederrhein 2243, in Ober¬ schlesien 18 867 und in Niederschlesien 3938 Arbeiter. In allen anderen Berg¬ baugebieten Deutschlands liegt die Sache nicht anders. Nach einem Bericht des Deutschen Braunkohlen-Jndustrievereins in Halle a. S. stieg im mittel¬ deutschen Brannkohlengebiet die Belegschaft von 98 600 Mann im Jahre 1919 auf 130 000 Mann im Juni 1920. Die Leistung pro Kopf und Schicht betrug: Tonnen Kohle Tonnen Briketts 1914 4,7 1,50 1919 2,2 0,46 1920 1,8 0,37 Nach Mitteilungen von „Le ?seit Journal" betrug die Gesamtförderung ^ Kohlen in Frankreich im Jahre 1915 bei einer Belegschaft von 105 675 Berg¬ arbeitern 19 533 000 Tonnen und 1919 bei 157 374 Arbeitern nur 19 996 000 Tonnen; sie ist also trotz einer Erhöhung der Belegschaft um 50°/° die gleiche geblieben. Der Grund liegt darin, daß im Jahre 1915 und 1916 8 bis 9 Stunden und während dieser Monate von 1916 sogar 10 Stunden tatsächlich gearbeitet ^urbe. Heute ist die reine Arbeitszeit nur 6 Stunden 17 Minuten. Bei einer Mehrarbeit der Bergarbeiter von nur einer Stunde täglich würde die Jahres- sörderung um 4 Millionen Tonnen steigen. In Belgien stieg die in der Kohlen- sörderung beschäftigte Arbeiterzahl von 157 635 im Januar auf 154 116 im Februar, 159 230 im März, 160 126 im April und 160 307 im Mai 1920. Ähn¬ lich liegen die Verhältnisse in allen anderen Ländern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/35>, abgerufen am 24.08.2024.