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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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Drinnen und draußen

[Beginn Spaltensatz]

Als Schiedsrichter wollen wir nun Serben
selbst aufrufen, und zwar den serbischen Ge¬
lehrten I. Zwijitsch und den bekannten Leibarzt
und Minister König Milans W. G e o r g e w i t s es.
Ersterer -- er ist ordentliches Mitglied der
Akademie in Belgrad -- sagt in seiner
Schrift "Die Annexion Bosniens und der
Herzegowina" "Belgrad 1903" über seine Lands¬
leute: "Der Unabhängigkeilsinstinkt ist so
stark, daß er bei einzelnen Personen manchmal
antisozial erscheint" "Wenn diesem Volke
nationales Unrecht geschieht, dann fühlt es
etwas in sich, was stärker ist als seine
Kraft, und alle die Gründe, welche ihm
Enthaltsamkeit empfehlen." Dann an anderer
Stelle: "Die orthodoxen Serben sind also
störrische unversöhnliche Vertreter einer
nationalen unabhängigen Kultur." DaS
Mund vollständig mit der obigen Schilderung.

Dazu vergleiche man einzelne geschichtliche
Episoden, die Georgewitsch in seiner Schrift
"Die serbische Frage" (Stuttgart 1909) er¬
zählt. Die folgenden Zitate sind wörtlich
seiner Darstellung entnommen.

Im Jahre 1737 forderte Osterreich die
Serben unter günstigen Bedingungen zum
Kampf gegen die Türken auf: "Ja, aber die
Serben Montenegros wollen nicht den Katholiken
bei!en, Bischof Peter I., derselbe, der aus
Petersburg vertrieben worden ist, will jetzt
nicht einmal die Knochen eines Montenegriners
wagen, solange ihm der orthodoxe Kaiser nicht
sagt, daß er in den Kampf ziehen soll. Und
"rst, als der russische Oberst Tutolmin mit
einem Heiligenbildchen, das man an der Brust
trägt, und mit einem Mainfest des russischen
Kaisers, in welchem die Montenegriner an s-
gefordert wurden, in den heiligen Krieg zu
ziehen, nach Montenegro gekommen war, erst
i>ann stürzten sich die Montenegriner auch in
diesen Krieg."

Oder man vergleiche die Art und Weise,
wie der russische Konsul das sei bische Volk
gegen seinen König Milan mit allerlei
Plumpen Lügen aufsetzte und Glauben fand:
"Rußland möchte Serbien eine Verfassung
geben, damit das Volk es leichter und besser
habe, aber der Fürst will diese Verfassung
nicht, er will auch weiter, anstatt nach dem
Gesetze, nach seiner Willkür herrschen, und
sann er dem Drängen Rußlands widerstehen

[Spaltenumbruch]

kann, ist er mit England für eine gewisse
Summe einig geworden, damit England den
Fürsten gegen das Volk halten soll, und so
werden die Serben ihr Vieh den Engländern
um einen Spottpreis verkaufen müssen, und
selbst diesen Preis wird England nicht in
barem Gelde, sondern mit seinen Waren be¬
zahlen Der Fürst hat alle serbischen Wälder
den Engländern verkauft, damit sie mit
serbischen Holz ihre Schiffe bauen sollen, er
hat ihnen sogar alle Bergwerke des Landes
ausgeliefert, und das Volk wird gezwungen
werden, seine eignen Waldungen zu fällen
und das Bauholz den Engländern hinunter¬
zutragen. Wer weiß, vielleicht wird es nicht
lange dauern, und Serbien wird von
lutherischen Geistlichen überschwemmt werden,
die gegen unsern heiligen orthodoxen Glauben
kämpfen werden. Nachdem das serbische Volk
auch ohnedem schon in seinem Glaubenseifer
ziemlich stark nachgelassen hat und die Kirchen
beinahe leer sind, so wird es dem Fürsten
nicht schwerfallen, ganz Serbien dem katholischen
und lutherischen Glauben zuzuführen .. ."
Wenn Waschtschenko (der russische Konsul)
bei Gelegenheit dieser Agitationsreisen gegen
den Fürsten gar solche Bauern traf, welche
einen persönlichen Grund hatten, mit dem
Fürsten Milosch unzufrieden zu sein, dann
flüsterte er ihnen ins Ohr: "Es ist aus, der
Fürst Milosch hat Serbien an England ver¬
kauft." Georgewitsch fügt hinzu: "Es i
leicht zu denken, wie solche Worte des amt¬
lichen Vertreters des großen Bruderreiches,
das für alle Serben heiligen Rußlands, auf
die Masse des Volkes wirken mußten."

Wie die Russen, so machten sich
diese Gcsinnungsart der Serbien auch die
Parteien im Innern selbst zunutze.
Georgewisch schildert den Aufruhr der
Radikalen gegen Milan: "Aber wie war es
ihnen gelungen, 15 000 Serben dazu za be¬
wegen, ihre Gewehre gegen denjenigen zu
richten, der ihnen noch gestellt die Unabhängig¬
keit und Vergrößerung Serbiens gebracht, und der
nach so vielen Jahrhunderten die serbische
Königskrone aufstehen ließ? Sehr einfach
Außer dem Handelsverträge war mit Oster
reich-Ungarn auch eine Veterinmkonvention
abgeschlossen, welche die serbischen Radikalen
heute für ein großes Glück für Serbien an-

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Drinnen und draußen

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Als Schiedsrichter wollen wir nun Serben
selbst aufrufen, und zwar den serbischen Ge¬
lehrten I. Zwijitsch und den bekannten Leibarzt
und Minister König Milans W. G e o r g e w i t s es.
Ersterer — er ist ordentliches Mitglied der
Akademie in Belgrad — sagt in seiner
Schrift „Die Annexion Bosniens und der
Herzegowina" «Belgrad 1903» über seine Lands¬
leute: „Der Unabhängigkeilsinstinkt ist so
stark, daß er bei einzelnen Personen manchmal
antisozial erscheint" „Wenn diesem Volke
nationales Unrecht geschieht, dann fühlt es
etwas in sich, was stärker ist als seine
Kraft, und alle die Gründe, welche ihm
Enthaltsamkeit empfehlen." Dann an anderer
Stelle: „Die orthodoxen Serben sind also
störrische unversöhnliche Vertreter einer
nationalen unabhängigen Kultur." DaS
Mund vollständig mit der obigen Schilderung.

Dazu vergleiche man einzelne geschichtliche
Episoden, die Georgewitsch in seiner Schrift
„Die serbische Frage" (Stuttgart 1909) er¬
zählt. Die folgenden Zitate sind wörtlich
seiner Darstellung entnommen.

Im Jahre 1737 forderte Osterreich die
Serben unter günstigen Bedingungen zum
Kampf gegen die Türken auf: „Ja, aber die
Serben Montenegros wollen nicht den Katholiken
bei!en, Bischof Peter I., derselbe, der aus
Petersburg vertrieben worden ist, will jetzt
nicht einmal die Knochen eines Montenegriners
wagen, solange ihm der orthodoxe Kaiser nicht
sagt, daß er in den Kampf ziehen soll. Und
«rst, als der russische Oberst Tutolmin mit
einem Heiligenbildchen, das man an der Brust
trägt, und mit einem Mainfest des russischen
Kaisers, in welchem die Montenegriner an s-
gefordert wurden, in den heiligen Krieg zu
ziehen, nach Montenegro gekommen war, erst
i>ann stürzten sich die Montenegriner auch in
diesen Krieg."

Oder man vergleiche die Art und Weise,
wie der russische Konsul das sei bische Volk
gegen seinen König Milan mit allerlei
Plumpen Lügen aufsetzte und Glauben fand:
„Rußland möchte Serbien eine Verfassung
geben, damit das Volk es leichter und besser
habe, aber der Fürst will diese Verfassung
nicht, er will auch weiter, anstatt nach dem
Gesetze, nach seiner Willkür herrschen, und
sann er dem Drängen Rußlands widerstehen

[Spaltenumbruch]

kann, ist er mit England für eine gewisse
Summe einig geworden, damit England den
Fürsten gegen das Volk halten soll, und so
werden die Serben ihr Vieh den Engländern
um einen Spottpreis verkaufen müssen, und
selbst diesen Preis wird England nicht in
barem Gelde, sondern mit seinen Waren be¬
zahlen Der Fürst hat alle serbischen Wälder
den Engländern verkauft, damit sie mit
serbischen Holz ihre Schiffe bauen sollen, er
hat ihnen sogar alle Bergwerke des Landes
ausgeliefert, und das Volk wird gezwungen
werden, seine eignen Waldungen zu fällen
und das Bauholz den Engländern hinunter¬
zutragen. Wer weiß, vielleicht wird es nicht
lange dauern, und Serbien wird von
lutherischen Geistlichen überschwemmt werden,
die gegen unsern heiligen orthodoxen Glauben
kämpfen werden. Nachdem das serbische Volk
auch ohnedem schon in seinem Glaubenseifer
ziemlich stark nachgelassen hat und die Kirchen
beinahe leer sind, so wird es dem Fürsten
nicht schwerfallen, ganz Serbien dem katholischen
und lutherischen Glauben zuzuführen .. ."
Wenn Waschtschenko (der russische Konsul)
bei Gelegenheit dieser Agitationsreisen gegen
den Fürsten gar solche Bauern traf, welche
einen persönlichen Grund hatten, mit dem
Fürsten Milosch unzufrieden zu sein, dann
flüsterte er ihnen ins Ohr: „Es ist aus, der
Fürst Milosch hat Serbien an England ver¬
kauft." Georgewitsch fügt hinzu: „Es i
leicht zu denken, wie solche Worte des amt¬
lichen Vertreters des großen Bruderreiches,
das für alle Serben heiligen Rußlands, auf
die Masse des Volkes wirken mußten."

Wie die Russen, so machten sich
diese Gcsinnungsart der Serbien auch die
Parteien im Innern selbst zunutze.
Georgewisch schildert den Aufruhr der
Radikalen gegen Milan: „Aber wie war es
ihnen gelungen, 15 000 Serben dazu za be¬
wegen, ihre Gewehre gegen denjenigen zu
richten, der ihnen noch gestellt die Unabhängig¬
keit und Vergrößerung Serbiens gebracht, und der
nach so vielen Jahrhunderten die serbische
Königskrone aufstehen ließ? Sehr einfach
Außer dem Handelsverträge war mit Oster
reich-Ungarn auch eine Veterinmkonvention
abgeschlossen, welche die serbischen Radikalen
heute für ein großes Glück für Serbien an-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/147>, abgerufen am 20.06.2024.