Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.Vffenherzigkeiten Bayern bat das Postgeheimnis für Schieber, Schleichhändler und Wucherer Alle Reichsministerien seit 1915 bekämpfen die Wucherbanden mit äußerster Ihr Maß ist voll, was man im Dunst der Münchener Bierkeller ja aller¬ Aünstliche Diamanten Die großen deutschen Dynamitwerke, die infolge des Friedensvertrages ihre Es ist den Engländern und Franzosen sehr peinlich, auf ihren wissenschaftlichen Vffenherzigkeiten Bayern bat das Postgeheimnis für Schieber, Schleichhändler und Wucherer Alle Reichsministerien seit 1915 bekämpfen die Wucherbanden mit äußerster Ihr Maß ist voll, was man im Dunst der Münchener Bierkeller ja aller¬ Aünstliche Diamanten Die großen deutschen Dynamitwerke, die infolge des Friedensvertrages ihre Es ist den Engländern und Franzosen sehr peinlich, auf ihren wissenschaftlichen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0145" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338168"/> <fw type="header" place="top"> Vffenherzigkeiten</fw><lb/> <p xml:id="ID_522"> Bayern bat das Postgeheimnis für Schieber, Schleichhändler und Wucherer<lb/> einfach aufgehoben. «Verstoß gegen Art. 117 RV., der Ausnahmen von der<lb/> Unverletzlichkeit besagten Geheimnisses einem feierlichen Reichsgesetze vorbehält.)<lb/> Die verbrecherischen Kräfte, die das Volk vollends aussaugen, sollen sich nach<lb/> Auffassung der bayerischen Regierung nicht der öffentlichen Telegraphen- und<lb/> Fernsprecheinrichtungen bedienen dürfen,' für Schädlinge und Schufte seien diese<lb/> Einrichtungen nicht da, ebensowenig das sonst so ängstlich gedul'te Geheimnis.<lb/> Jesuitisch-reaktionär, wie sie einmal ist, beruft sich die Kasr-Cbque dabei auf<lb/> Art. 48, 4 N.-V., wobei bei Gefahr um Verzüge die Landesregierung für ihr<lb/> Gebiet einstweilige Maßnahmen, also auch Aushebung des Art. 117, treffen kann.<lb/> Als ob beim Schieber- und Wuchertum, das seil sechs bis sieben Jahren<lb/> ungehemmt arbeitet, von einer Gefahr im Verzüge die Rede fein könnte!</p><lb/> <p xml:id="ID_523"> Alle Reichsministerien seit 1915 bekämpfen die Wucherbanden mit äußerster<lb/> und unerbittlicher Entschlossenheit. Kein neuer Mann hat es an den allerschärssten,<lb/> rücksichtslosesten Worten fehlen lassen. Und da erdreistet sich die Münchener<lb/> Regierung zu Taten!</p><lb/> <p xml:id="ID_524"> Ihr Maß ist voll, was man im Dunst der Münchener Bierkeller ja aller¬<lb/> dings zu den Annehmlichkeiten des Daseins rechnet.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Aünstliche Diamanten</head><lb/> <p xml:id="ID_525"> Die großen deutschen Dynamitwerke, die infolge des Friedensvertrages ihre<lb/> Erzeugung von Kriegsmaterial aufgeben mußten, haben sich auf die Erzeugung<lb/> von künstlichen Diamanten geworfen. Die Versuche sind so weit vorgeschritten, daß<lb/> man erwarten darf, in absehbarer Zeit aus Deutschland schönere und billigere<lb/> Diamanten zu erhalten als aus Südafrika. Das ist der deutsche Revanchekrieg.<lb/> Man hat uns die Welt genommen, und wir sollen auf unserem mageren kleinen<lb/> Stück Deutschland verkümmern und verhungern, aber die deutschen Laboratorien<lb/> erobern sich neue Provinzen. Hat man uns Südwest-Afrika mit den schönsten<lb/> Diamanten der Erde geraubt, so machen wir jetzt eben dem südafrikanischen<lb/> Diamantenmarkt mit unseren Fabriken Konkurenz, wie einst die Anilinfarben aus<lb/> Lugwigshaken den indischen Indigo aus dem Feld schlugen.</p><lb/> <p xml:id="ID_526"> Es ist den Engländern und Franzosen sehr peinlich, auf ihren wissenschaftlichen<lb/> Vorträgen immer auf die wissenschaftlich-technischen Fortschritte des geschlagenen<lb/> Deutschlands hinweisen zu müssen. Jeder Redner, der dies tut, entschuldigt sich<lb/> damit. Natürlich entsteht bei den Feinden dann sofort der praktische Wunsch, dem<lb/> geschlagenen, ohnmächtigen Gegner die Früchte seiner Erfindungsgabe soso>t auch<lb/> wieder zu rauben. Machen wir uns deshalb keine allzu großen Hoffnungen, daß<lb/> unsere Laboratorien allein die an uns verüble Plünderung wieder gutmachen können!<lb/> Künstliche Diamanten sind gut, o^er sie können uns nicht retten, solange zu den<lb/> künstlichen Produkten nicht eine natürliche Wiedergeburt des deutschen Naiional-<lb/> geistes hinzugetreten ist. Alles, was wir materiell erzeugen, ist vogelfrei. Kurz¬<lb/> sich ig wäre, wer darauf unsere Zukunft gründen wollte. Aber derselbe Geist, der<lb/> auf dem materiellen Gebiet Diamanten hervorbringt, kann unsere Zukunft begründen,<lb/><note type="byline"> Verrina.</note> wenn er auf dem idealen Gebiet ebenso schöpferisch bleibt. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0145]
Vffenherzigkeiten
Bayern bat das Postgeheimnis für Schieber, Schleichhändler und Wucherer
einfach aufgehoben. «Verstoß gegen Art. 117 RV., der Ausnahmen von der
Unverletzlichkeit besagten Geheimnisses einem feierlichen Reichsgesetze vorbehält.)
Die verbrecherischen Kräfte, die das Volk vollends aussaugen, sollen sich nach
Auffassung der bayerischen Regierung nicht der öffentlichen Telegraphen- und
Fernsprecheinrichtungen bedienen dürfen,' für Schädlinge und Schufte seien diese
Einrichtungen nicht da, ebensowenig das sonst so ängstlich gedul'te Geheimnis.
Jesuitisch-reaktionär, wie sie einmal ist, beruft sich die Kasr-Cbque dabei auf
Art. 48, 4 N.-V., wobei bei Gefahr um Verzüge die Landesregierung für ihr
Gebiet einstweilige Maßnahmen, also auch Aushebung des Art. 117, treffen kann.
Als ob beim Schieber- und Wuchertum, das seil sechs bis sieben Jahren
ungehemmt arbeitet, von einer Gefahr im Verzüge die Rede fein könnte!
Alle Reichsministerien seit 1915 bekämpfen die Wucherbanden mit äußerster
und unerbittlicher Entschlossenheit. Kein neuer Mann hat es an den allerschärssten,
rücksichtslosesten Worten fehlen lassen. Und da erdreistet sich die Münchener
Regierung zu Taten!
Ihr Maß ist voll, was man im Dunst der Münchener Bierkeller ja aller¬
dings zu den Annehmlichkeiten des Daseins rechnet.
Aünstliche Diamanten
Die großen deutschen Dynamitwerke, die infolge des Friedensvertrages ihre
Erzeugung von Kriegsmaterial aufgeben mußten, haben sich auf die Erzeugung
von künstlichen Diamanten geworfen. Die Versuche sind so weit vorgeschritten, daß
man erwarten darf, in absehbarer Zeit aus Deutschland schönere und billigere
Diamanten zu erhalten als aus Südafrika. Das ist der deutsche Revanchekrieg.
Man hat uns die Welt genommen, und wir sollen auf unserem mageren kleinen
Stück Deutschland verkümmern und verhungern, aber die deutschen Laboratorien
erobern sich neue Provinzen. Hat man uns Südwest-Afrika mit den schönsten
Diamanten der Erde geraubt, so machen wir jetzt eben dem südafrikanischen
Diamantenmarkt mit unseren Fabriken Konkurenz, wie einst die Anilinfarben aus
Lugwigshaken den indischen Indigo aus dem Feld schlugen.
Es ist den Engländern und Franzosen sehr peinlich, auf ihren wissenschaftlichen
Vorträgen immer auf die wissenschaftlich-technischen Fortschritte des geschlagenen
Deutschlands hinweisen zu müssen. Jeder Redner, der dies tut, entschuldigt sich
damit. Natürlich entsteht bei den Feinden dann sofort der praktische Wunsch, dem
geschlagenen, ohnmächtigen Gegner die Früchte seiner Erfindungsgabe soso>t auch
wieder zu rauben. Machen wir uns deshalb keine allzu großen Hoffnungen, daß
unsere Laboratorien allein die an uns verüble Plünderung wieder gutmachen können!
Künstliche Diamanten sind gut, o^er sie können uns nicht retten, solange zu den
künstlichen Produkten nicht eine natürliche Wiedergeburt des deutschen Naiional-
geistes hinzugetreten ist. Alles, was wir materiell erzeugen, ist vogelfrei. Kurz¬
sich ig wäre, wer darauf unsere Zukunft gründen wollte. Aber derselbe Geist, der
auf dem materiellen Gebiet Diamanten hervorbringt, kann unsere Zukunft begründen,
Verrina. wenn er auf dem idealen Gebiet ebenso schöpferisch bleibt.
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