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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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Reichsspiegel

den radikalen Willen zur Volksgemeinschaft. Wehe aber der Partei, die
sie nur benutzen, die sie "erfassen" und "organisieren", die sie als
Stimmvieh einfangen wollie. Sie kann richiungspolitisch, sie darf nicht
parteipolitisch erlogen werden. Das glänzende Referat über die Jugend¬
frage auf der Tagung des Hauptvorstandes zeigte das aufrichtige Verständnis
gerade der führenden Grellen der Partei für diese zart und Pfleglich zu
behandelnden Din e, und die weise Zurückhaltung hierin, die Anerkennung der
aus eigener Kraft emporwachsenden un> nicht am Gängelbande der Alten zu
leitenden jungoeutschen Bewegung wird der Partei bessere F richte tragen als
der Ave>eifer aller anderen Parteien, die Ju end für sich einzuheimsen.

Viel wesentlicher, dasz sie sich selbst immer wieder verjüngt durch diesen
Geist hoffender und strebender Jugend. Und sie tat es, indem sie von den vier
Hauptreferaten zweie ausgesprochenen Führern der Jugend übertrug und deren
Lensätze einstimmig gutgeheißen wurden. Die starke, ja leidenschaftliche Betonung
des sozialen Gedanken?, wie sie schon die Haupivo>standssitzung gerade auch aus
dem Munde des Parteiführers Hergt selbst brachte, wie er auf dem Reichs-
arbeiierausschuß klare Gestalt gewann, fand ihre Krönung in der großen Rede
Walther Lambachs über den Weg zur deutschen Volksgemeinschaft, deren Schluß
ich nächstes ab im Wortlaut gebe, weil in diesen Leitsätzen ein Glied ins andere
greift und damit der allgemeine Plan deutschncitianaler Sozialpolitik festliegt:

"Der Friede von Versailles und das Abkommen von Spa haben Deutschland der
Produktionsmittel beraubt, deren es zur Bctäbgung einer selbständigen und von fremden
Völkern unabhängigen W res.. äst bedarf. Das deutsche Volk ist zum Arbcitnehmervvlk unter
den Weltvölkern geworden.

Wir Deutschnat oralen sehen dieser Tatsache nüchtern und klar ins Auge. Die Not
aber soll uns zum Lehrmeister werden, der den Weg nach oben zeigt.

Sie lehrt uns vor allem, mit den Rohstoffen, den Schätzen deutschen Bodens, die uns
verblieben sind, bauslialten als mit einem heiligen, vom Schicksal anvertraute > Pfunde. Indem
wir höchstes Arbeitskönnen an ihnen betätigen, wollen wir Verschwendung auf allen Gebieten
unterhandelt und durch höchste Mehrleistung dafür sorgen, daß sie sich von neuem mehren,
statt dahinzuschwinden, wie es zur Zeit in der deutschen Nevolutionswirischaft geschieht.

Die Not lehrt uns auch, an tue Produkte, die wir einzuführen gezwungen sind, höchste
Arbeitsleistung binden und sie durch Einsetzung all des Wissens und Könnens, dessen nur der
deuische Kopf- und Hauda beiter fähig ist, zu Ausfuhrgütern umgestalten, die höchsten Wert
Verkörpern und uns daher für die hineingesteckte Arbeit höchsten Lohn hereinbringen.

Diesen Weg lehrt "us die Not und verweist uns damit zugleich auf die Menschen, die
solcher "ufgabe auf allen Wirischaftsgebieten gerecht werden sollen.

Fast scheint es, als seien die Deutschen unserer Tage der Aufgabe nicht gewachsen.
Die Volkssolidarität, die Voraussetzung ihrer Erfüllung ist, scheint restlos zerstört. Klassen¬
kampf und Lvhnstreit zerreißen, was schicksalsvcrbunden zusammengehört.

Wir aber wissen, daß Kapitalisten, Unternehmer, Arbeitgeber, Angestellte und Arbeiter
gleich notwendige Glieder der deutschen Wirtschaft sind, die nach dem Frieden von Versailles
den Arbeitgebervölkern der Entente als einheitliches geschlossenes Aebeitnehmervolk solidarisch
gegenüberzuireten haben, wenn sie nicht allesamt in Sklaverei versinken wollen.

Darum wollen wir dem deutschen Arbeitnehmer, der im modernen Großbetriebe vielfach
den lebendigen Zusammenbang mit dem Sinn und Ergebnis seiner Arbeit und damit
das Gefühl des eigenen Mitinteresses und der Mitverantwortlichkeit verlor und sich als aus¬
gebeutetes und unterdrücktes Werkzeug des Kapitalismus vorkam, das Bewußtsein gleich¬
berechtigter Mitarbeit schaffen und damit Arbeitsfreude und Mitverantwortlichkeitsgesühl
wiedergeben. Seine volle Gleichberechtigung als Mensch wie als wirtschaftliche Vertragspartei
ist zu unumwundener praktischer Anerkennung zu bringen. Der Dienstvertrag soll sich zuo
Gesellschaftsvertrag emporentwickeln. Unser Ziel ist: Nicht Herrschaft des Kapitals, sondern
gleichberechtigte Gesellschaftsaibtit, Die Sozialdemokratie will die Herrschaft des Kapitalismus
durch sogenannte Sozialisi, rung beseitigen. In Wirklichkeit wird dabei nur eine büreaukratische
Fiskalisierung der Wirtscha't erreicht, die keineswegs den seelischen Zusammenhang zwischen
dem Arbeiter und dem Unternehmen herstellt, sondern den einzelnen nur noch weiter vom
Sinne seiner Arbeit abrückt, zugleich aber die Produktii nskraft der Wirtschaft vermindert und
damit auch die Existenzgrundlage des Arbeiters untergräbt. Dieser bureaukratischen fiskalischen
Sozialisierung stellen wir den Gedanken der sozialen Werkgemeinschaft gegenüber.


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den radikalen Willen zur Volksgemeinschaft. Wehe aber der Partei, die
sie nur benutzen, die sie „erfassen" und „organisieren", die sie als
Stimmvieh einfangen wollie. Sie kann richiungspolitisch, sie darf nicht
parteipolitisch erlogen werden. Das glänzende Referat über die Jugend¬
frage auf der Tagung des Hauptvorstandes zeigte das aufrichtige Verständnis
gerade der führenden Grellen der Partei für diese zart und Pfleglich zu
behandelnden Din e, und die weise Zurückhaltung hierin, die Anerkennung der
aus eigener Kraft emporwachsenden un> nicht am Gängelbande der Alten zu
leitenden jungoeutschen Bewegung wird der Partei bessere F richte tragen als
der Ave>eifer aller anderen Parteien, die Ju end für sich einzuheimsen.

Viel wesentlicher, dasz sie sich selbst immer wieder verjüngt durch diesen
Geist hoffender und strebender Jugend. Und sie tat es, indem sie von den vier
Hauptreferaten zweie ausgesprochenen Führern der Jugend übertrug und deren
Lensätze einstimmig gutgeheißen wurden. Die starke, ja leidenschaftliche Betonung
des sozialen Gedanken?, wie sie schon die Haupivo>standssitzung gerade auch aus
dem Munde des Parteiführers Hergt selbst brachte, wie er auf dem Reichs-
arbeiierausschuß klare Gestalt gewann, fand ihre Krönung in der großen Rede
Walther Lambachs über den Weg zur deutschen Volksgemeinschaft, deren Schluß
ich nächstes ab im Wortlaut gebe, weil in diesen Leitsätzen ein Glied ins andere
greift und damit der allgemeine Plan deutschncitianaler Sozialpolitik festliegt:

„Der Friede von Versailles und das Abkommen von Spa haben Deutschland der
Produktionsmittel beraubt, deren es zur Bctäbgung einer selbständigen und von fremden
Völkern unabhängigen W res.. äst bedarf. Das deutsche Volk ist zum Arbcitnehmervvlk unter
den Weltvölkern geworden.

Wir Deutschnat oralen sehen dieser Tatsache nüchtern und klar ins Auge. Die Not
aber soll uns zum Lehrmeister werden, der den Weg nach oben zeigt.

Sie lehrt uns vor allem, mit den Rohstoffen, den Schätzen deutschen Bodens, die uns
verblieben sind, bauslialten als mit einem heiligen, vom Schicksal anvertraute > Pfunde. Indem
wir höchstes Arbeitskönnen an ihnen betätigen, wollen wir Verschwendung auf allen Gebieten
unterhandelt und durch höchste Mehrleistung dafür sorgen, daß sie sich von neuem mehren,
statt dahinzuschwinden, wie es zur Zeit in der deutschen Nevolutionswirischaft geschieht.

Die Not lehrt uns auch, an tue Produkte, die wir einzuführen gezwungen sind, höchste
Arbeitsleistung binden und sie durch Einsetzung all des Wissens und Könnens, dessen nur der
deuische Kopf- und Hauda beiter fähig ist, zu Ausfuhrgütern umgestalten, die höchsten Wert
Verkörpern und uns daher für die hineingesteckte Arbeit höchsten Lohn hereinbringen.

Diesen Weg lehrt »us die Not und verweist uns damit zugleich auf die Menschen, die
solcher »ufgabe auf allen Wirischaftsgebieten gerecht werden sollen.

Fast scheint es, als seien die Deutschen unserer Tage der Aufgabe nicht gewachsen.
Die Volkssolidarität, die Voraussetzung ihrer Erfüllung ist, scheint restlos zerstört. Klassen¬
kampf und Lvhnstreit zerreißen, was schicksalsvcrbunden zusammengehört.

Wir aber wissen, daß Kapitalisten, Unternehmer, Arbeitgeber, Angestellte und Arbeiter
gleich notwendige Glieder der deutschen Wirtschaft sind, die nach dem Frieden von Versailles
den Arbeitgebervölkern der Entente als einheitliches geschlossenes Aebeitnehmervolk solidarisch
gegenüberzuireten haben, wenn sie nicht allesamt in Sklaverei versinken wollen.

Darum wollen wir dem deutschen Arbeitnehmer, der im modernen Großbetriebe vielfach
den lebendigen Zusammenbang mit dem Sinn und Ergebnis seiner Arbeit und damit
das Gefühl des eigenen Mitinteresses und der Mitverantwortlichkeit verlor und sich als aus¬
gebeutetes und unterdrücktes Werkzeug des Kapitalismus vorkam, das Bewußtsein gleich¬
berechtigter Mitarbeit schaffen und damit Arbeitsfreude und Mitverantwortlichkeitsgesühl
wiedergeben. Seine volle Gleichberechtigung als Mensch wie als wirtschaftliche Vertragspartei
ist zu unumwundener praktischer Anerkennung zu bringen. Der Dienstvertrag soll sich zuo
Gesellschaftsvertrag emporentwickeln. Unser Ziel ist: Nicht Herrschaft des Kapitals, sondern
gleichberechtigte Gesellschaftsaibtit, Die Sozialdemokratie will die Herrschaft des Kapitalismus
durch sogenannte Sozialisi, rung beseitigen. In Wirklichkeit wird dabei nur eine büreaukratische
Fiskalisierung der Wirtscha't erreicht, die keineswegs den seelischen Zusammenhang zwischen
dem Arbeiter und dem Unternehmen herstellt, sondern den einzelnen nur noch weiter vom
Sinne seiner Arbeit abrückt, zugleich aber die Produktii nskraft der Wirtschaft vermindert und
damit auch die Existenzgrundlage des Arbeiters untergräbt. Dieser bureaukratischen fiskalischen
Sozialisierung stellen wir den Gedanken der sozialen Werkgemeinschaft gegenüber.


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[0140] Reichsspiegel den radikalen Willen zur Volksgemeinschaft. Wehe aber der Partei, die sie nur benutzen, die sie „erfassen" und „organisieren", die sie als Stimmvieh einfangen wollie. Sie kann richiungspolitisch, sie darf nicht parteipolitisch erlogen werden. Das glänzende Referat über die Jugend¬ frage auf der Tagung des Hauptvorstandes zeigte das aufrichtige Verständnis gerade der führenden Grellen der Partei für diese zart und Pfleglich zu behandelnden Din e, und die weise Zurückhaltung hierin, die Anerkennung der aus eigener Kraft emporwachsenden un> nicht am Gängelbande der Alten zu leitenden jungoeutschen Bewegung wird der Partei bessere F richte tragen als der Ave>eifer aller anderen Parteien, die Ju end für sich einzuheimsen. Viel wesentlicher, dasz sie sich selbst immer wieder verjüngt durch diesen Geist hoffender und strebender Jugend. Und sie tat es, indem sie von den vier Hauptreferaten zweie ausgesprochenen Führern der Jugend übertrug und deren Lensätze einstimmig gutgeheißen wurden. Die starke, ja leidenschaftliche Betonung des sozialen Gedanken?, wie sie schon die Haupivo>standssitzung gerade auch aus dem Munde des Parteiführers Hergt selbst brachte, wie er auf dem Reichs- arbeiierausschuß klare Gestalt gewann, fand ihre Krönung in der großen Rede Walther Lambachs über den Weg zur deutschen Volksgemeinschaft, deren Schluß ich nächstes ab im Wortlaut gebe, weil in diesen Leitsätzen ein Glied ins andere greift und damit der allgemeine Plan deutschncitianaler Sozialpolitik festliegt: „Der Friede von Versailles und das Abkommen von Spa haben Deutschland der Produktionsmittel beraubt, deren es zur Bctäbgung einer selbständigen und von fremden Völkern unabhängigen W res.. äst bedarf. Das deutsche Volk ist zum Arbcitnehmervvlk unter den Weltvölkern geworden. Wir Deutschnat oralen sehen dieser Tatsache nüchtern und klar ins Auge. Die Not aber soll uns zum Lehrmeister werden, der den Weg nach oben zeigt. Sie lehrt uns vor allem, mit den Rohstoffen, den Schätzen deutschen Bodens, die uns verblieben sind, bauslialten als mit einem heiligen, vom Schicksal anvertraute > Pfunde. Indem wir höchstes Arbeitskönnen an ihnen betätigen, wollen wir Verschwendung auf allen Gebieten unterhandelt und durch höchste Mehrleistung dafür sorgen, daß sie sich von neuem mehren, statt dahinzuschwinden, wie es zur Zeit in der deutschen Nevolutionswirischaft geschieht. Die Not lehrt uns auch, an tue Produkte, die wir einzuführen gezwungen sind, höchste Arbeitsleistung binden und sie durch Einsetzung all des Wissens und Könnens, dessen nur der deuische Kopf- und Hauda beiter fähig ist, zu Ausfuhrgütern umgestalten, die höchsten Wert Verkörpern und uns daher für die hineingesteckte Arbeit höchsten Lohn hereinbringen. Diesen Weg lehrt »us die Not und verweist uns damit zugleich auf die Menschen, die solcher »ufgabe auf allen Wirischaftsgebieten gerecht werden sollen. Fast scheint es, als seien die Deutschen unserer Tage der Aufgabe nicht gewachsen. Die Volkssolidarität, die Voraussetzung ihrer Erfüllung ist, scheint restlos zerstört. Klassen¬ kampf und Lvhnstreit zerreißen, was schicksalsvcrbunden zusammengehört. Wir aber wissen, daß Kapitalisten, Unternehmer, Arbeitgeber, Angestellte und Arbeiter gleich notwendige Glieder der deutschen Wirtschaft sind, die nach dem Frieden von Versailles den Arbeitgebervölkern der Entente als einheitliches geschlossenes Aebeitnehmervolk solidarisch gegenüberzuireten haben, wenn sie nicht allesamt in Sklaverei versinken wollen. Darum wollen wir dem deutschen Arbeitnehmer, der im modernen Großbetriebe vielfach den lebendigen Zusammenbang mit dem Sinn und Ergebnis seiner Arbeit und damit das Gefühl des eigenen Mitinteresses und der Mitverantwortlichkeit verlor und sich als aus¬ gebeutetes und unterdrücktes Werkzeug des Kapitalismus vorkam, das Bewußtsein gleich¬ berechtigter Mitarbeit schaffen und damit Arbeitsfreude und Mitverantwortlichkeitsgesühl wiedergeben. Seine volle Gleichberechtigung als Mensch wie als wirtschaftliche Vertragspartei ist zu unumwundener praktischer Anerkennung zu bringen. Der Dienstvertrag soll sich zuo Gesellschaftsvertrag emporentwickeln. Unser Ziel ist: Nicht Herrschaft des Kapitals, sondern gleichberechtigte Gesellschaftsaibtit, Die Sozialdemokratie will die Herrschaft des Kapitalismus durch sogenannte Sozialisi, rung beseitigen. In Wirklichkeit wird dabei nur eine büreaukratische Fiskalisierung der Wirtscha't erreicht, die keineswegs den seelischen Zusammenhang zwischen dem Arbeiter und dem Unternehmen herstellt, sondern den einzelnen nur noch weiter vom Sinne seiner Arbeit abrückt, zugleich aber die Produktii nskraft der Wirtschaft vermindert und damit auch die Existenzgrundlage des Arbeiters untergräbt. Dieser bureaukratischen fiskalischen Sozialisierung stellen wir den Gedanken der sozialen Werkgemeinschaft gegenüber.

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/140>, abgerufen am 22.07.2024.