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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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min, munkeln Eingeweihte in Paris, Um aber nicht in letzter Stunde wieder
plötzlich über einen unerwarteten Knüppel zu stolpern, muß erst "die Schlange
Simons" weg.

Herrn Burzew ist der ehrenvolle Auftrag zuteil geworden, diesen Minister¬
sturz durchzuführen. Einmal ist es günstig, einen Nichtfranzosen vorzuschieben, und
dann muß natürlich der wirksamste Strick, der für Herrn Simons gedreht werden
kann, der sein, ihn als verkappten Volschewisten zu entlarven. Dem gilt ja schon
seit Wochen und Monaten das heiße Bemühen der französischen Militärmission in
Berlin. Leider ohne Erfolg, trotzdem man so. tüchtige Kräfte dorthin geschickt hat
und den Franken rollen ließ. Aber es muß gelingen, denn dann muß auch England
verstummen, wenn man womöglich nachweisen könnte, daß Herr Simons Enver
Pascha nach Moskau geschmuggelt hat, um die Brandfackel nach Indien Z"
schleudern! Was der eigenen Militärmission bisher nicht gelang, sollte nun Herr
Burzew versuchen. Er kann sich vielleicht leichter anbiedern, kann sich je nach Lage
als Bolschewist oder als Monarchist einführen.

Mitte September ist Herr Burzew triumphierend nach Paris zurück¬
gekommen und hat Dokumente mitgebracht, die er durch Be¬
stechung von einer deutschen Behörde erhalten hat und die
die verbrecherischen Pläne Deutschlands und Sowjetrußlands entlarven. Hoffent¬
lich hat Herr Burzew keine ack usum vsIMmi angefertigten Akten erwischt! Auch
eine sehr bekannte Berliner bürgerliche Zeitung ist durch Burzew mit gewichtigen
Mitteln zum Sprachrohr gewonnen für die nunmehr ein setz ende Fehde
gegen den Gleißner Simons. Hauptsache ist, daß England nicht hinter
die Kulissen kommt. Dann geht es hoffentlich in zwölfter Stunde noch nach
Wunsch. Der Besetznngsplan f ur das Ruhrgebiet ist fix und
fertig. Alles, vom General bis zum Rat der Ruhrarbeiter in Mainz, der
Streikbrecherorganisationen schaffen soll, ist arenipröt,. Der Marsch
kann beginnen, der Frankreich endlich in die gebührende Stellung der kontinen¬
talen Vormacht führen soll, der die französische Macht über Ruhrgebiet, Süddeutsch¬
land, die Tschecho-Slovakei, Polen, Deutsch-Österreich, Ungarn, Rumänien und das
Schwarze Meer in lückenlosen Zusammenhang ausdehnt, die Donau und den Rhein
zu französischen Schiffahrtstraßen, die Kohlen- und Erzlager, die Ölquellen und
Getreidekammern des Kontinents zu Kraftquellen Frankreichs macht. -- Nur auf
England blickt man hier in Paris mit mißtrauischer Sorge.




Soweit unser Gewährsmann. Unsere Ausführungen werden gewissen Kreisen
nicht passen. Wir sind aber bereit, mit weiteren Angaben zu dienen, wenn es
nötig ist. Zum deutsch-französischen Problem geben wir zunächst auch in den
beiden folgenden Artikeln zwei ausgezeichneten Kennern das Wort.


Die Schriftleitung der "Grenzboten".


min, munkeln Eingeweihte in Paris, Um aber nicht in letzter Stunde wieder
plötzlich über einen unerwarteten Knüppel zu stolpern, muß erst „die Schlange
Simons" weg.

Herrn Burzew ist der ehrenvolle Auftrag zuteil geworden, diesen Minister¬
sturz durchzuführen. Einmal ist es günstig, einen Nichtfranzosen vorzuschieben, und
dann muß natürlich der wirksamste Strick, der für Herrn Simons gedreht werden
kann, der sein, ihn als verkappten Volschewisten zu entlarven. Dem gilt ja schon
seit Wochen und Monaten das heiße Bemühen der französischen Militärmission in
Berlin. Leider ohne Erfolg, trotzdem man so. tüchtige Kräfte dorthin geschickt hat
und den Franken rollen ließ. Aber es muß gelingen, denn dann muß auch England
verstummen, wenn man womöglich nachweisen könnte, daß Herr Simons Enver
Pascha nach Moskau geschmuggelt hat, um die Brandfackel nach Indien Z»
schleudern! Was der eigenen Militärmission bisher nicht gelang, sollte nun Herr
Burzew versuchen. Er kann sich vielleicht leichter anbiedern, kann sich je nach Lage
als Bolschewist oder als Monarchist einführen.

Mitte September ist Herr Burzew triumphierend nach Paris zurück¬
gekommen und hat Dokumente mitgebracht, die er durch Be¬
stechung von einer deutschen Behörde erhalten hat und die
die verbrecherischen Pläne Deutschlands und Sowjetrußlands entlarven. Hoffent¬
lich hat Herr Burzew keine ack usum vsIMmi angefertigten Akten erwischt! Auch
eine sehr bekannte Berliner bürgerliche Zeitung ist durch Burzew mit gewichtigen
Mitteln zum Sprachrohr gewonnen für die nunmehr ein setz ende Fehde
gegen den Gleißner Simons. Hauptsache ist, daß England nicht hinter
die Kulissen kommt. Dann geht es hoffentlich in zwölfter Stunde noch nach
Wunsch. Der Besetznngsplan f ur das Ruhrgebiet ist fix und
fertig. Alles, vom General bis zum Rat der Ruhrarbeiter in Mainz, der
Streikbrecherorganisationen schaffen soll, ist arenipröt,. Der Marsch
kann beginnen, der Frankreich endlich in die gebührende Stellung der kontinen¬
talen Vormacht führen soll, der die französische Macht über Ruhrgebiet, Süddeutsch¬
land, die Tschecho-Slovakei, Polen, Deutsch-Österreich, Ungarn, Rumänien und das
Schwarze Meer in lückenlosen Zusammenhang ausdehnt, die Donau und den Rhein
zu französischen Schiffahrtstraßen, die Kohlen- und Erzlager, die Ölquellen und
Getreidekammern des Kontinents zu Kraftquellen Frankreichs macht. — Nur auf
England blickt man hier in Paris mit mißtrauischer Sorge.




Soweit unser Gewährsmann. Unsere Ausführungen werden gewissen Kreisen
nicht passen. Wir sind aber bereit, mit weiteren Angaben zu dienen, wenn es
nötig ist. Zum deutsch-französischen Problem geben wir zunächst auch in den
beiden folgenden Artikeln zwei ausgezeichneten Kennern das Wort.


Die Schriftleitung der „Grenzboten".


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/348>, abgerufen am 01.07.2024.