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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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einer regelmäßigen Überschichtarbeit und vor allen Dingen in der Steigerung der
Förderung und Erleichterung des Abtransports durch Verteilung der Überschichten
auf die einzelnen Tage; nicht minder aber auch in der Vermehrung der Bergarbeiter,
d. h. in der umfassenden Erstellung von neuen Wohnungen. Ich hatte schon im
vorigen Jahre vorgeschlagen, mit allen Kräften an die Siedelung in den Bergbau¬
bezirken für Steinkohle und Braunkohle heranzugehen. Im ganzen vorigen Jahre
ist nichts geschehen. Dann ist schließlich das Siedelungsgesetz herausgekommen.
Es sind auch Aufschläge auf die Kohlenpreise genommen worden, und zwar ent¬
sprechend der Preissteigerung aller anderen Waren. Trotz aller Warnungen hat
man aber die Aufschläge nur gering bemessen. Auf dem Gebiete des Siedelungs-
wesens muß das bisher Versäumte schnellstens gutgemacht werden. Man darf Wohl
annehmen, daß jetzt, wo es uns ans Leben geht, die vorhandenen Baustoffe aller
Art in wirkliche Bauten umgesetzt werden. An Stelle der geplanten 30 000 bis
40 000 Wohnungen für Bergarbeiter werden allerdings infolge dieser Versäumnis,
in Verbindung mit dem Mangel an Baumaterial, zunächst kaum 3000 bis 4000
Wohnungen fertig werden. Hier muß also der Hebel angesetzt werden.

In der Lebensmittelversorgung der Bergarbeiter sind große Fehler gemacht
worden. Vor allen Dingen muß durch reichliche Nahrung die Leistungsfähigkeit
jedes einzelnen gehoben werden. Der Bergmann lebt unter Tag meist nur von
Brot und Fett. Hat er dies nicht, so kann er nicht arbeiten- Auf diese Eigenart
muß man Rücksicht nehmen. Das ist aber lange nicht genügend geschehen. Im
Gegenteil hat man den Bergleuten ein Brot gegeben, das als Schweinefutter hätte
dienen können. Unter solchen Umständen wird man begreifen können, weshalb das
Mißtrauen der Bergleute so groß ist. Man kann es den Bergarbeitern wahrhaftig
nicht verdenken, daß sie jede Überarbeit von einer besseren Ernährung abhängig
machen. Eine wirkliche Abhilfe verspreche ich mir noch durch die Siedelung, die in
einem Ausmaß vorgenommen werden muß, daß 10 bis 12 Millionen Tonnen mehr
gefördert werden. Neben der Siedelungsfrage müssen wir uns auch intensiv Mit
dem Versuch befassen, die Steinkohlenwirtschaft zu entlasten, und Betriebe, in denen
dies technisch möglich ist, auf Braunkohlenheizung umzustellen.

Was die Belieferungsquote betrifft, so verlangt ein wirtschaftlich arbeitender
Industriebetrieb 100 Prozent Belieferung. Wird weniger geliefert, so verringern
sich die Einnahmen weit stärker als die Ausgaben, und es entsteht im steigenden
Maße eine Leerlaufsarbeit, die jede wirtschaftliche Betriebsführung unmöglich macht.
Man bedenke, SO Prozent Kohlen bedeuten nicht SO Prozent Produktion, sondern
weit weniger. Wir brauchen in Deutschland vor allem genügend Kohle, um im
Interesse Europas die Kohlenförderung zu heben. Eine Mehrlieferung von einer
Million an die Entente würde zwei Millionen mehr für uns erfordern, und eine
solche Mehrförderung setzt den Neubau von Wohnungen im jetzigen Wert von 6 Mil¬
liarden Mark voraus, eine ungeheure Aufgabe also, die sich mit dem Wiederaufbau
Frankreichs überschneidet. ^ , ^ ^ .

Das Ziel, das erreicht werden muß, ist die Versorgung der Industrie mit
WO Prozent. Ich glaube, daß dieses Ziel im wesentlichen erreicht werden wurde,
wenn neben der Mehrleistung an die Entente noch zwei Millionen Tonnen monatlich
sur die Industrie zur Verfügung stehen würden. Es ergibt sich etwa die Zahl: eine
Monatstonne mehr gleich einem Arbeitslosen weniger. ^ - --

"^^
Was die Braunkohle anbetrifft, deren Heizwert zu dem der Steinkohle sich
wie 1 4 verhält, so läßt sich die Braunkohlenforderung viel schneller steigern Ah
die Steinkohlenförderung Aber auch im Braunkohlenbergbau erfordert die Ent¬
wicklung eines Tagebaues mindestens zwei bis drei Jahre also eme Frist die uns
gegenwärtig nicht zur Verfügung steht. Das Braunkohlenbrikett ist heute schon viel¬
fach ein Ersatzmittel für die Steinkohle. Man wird unbedingt dazu übergehen
Müssen, zu untersuchen, ob und wie sich die wirtschaftliche Auswertung dieser Kohle
schnellstens verbessern läßt. Man wird diejenigen Betriebe die sich praktisch um¬
stellen lassen, zweifellos umstellen müssen. Den umgebauten Betrieben muß die
Sicherheit gegeben werden, daß auch in verkehrsstarken Zeiten die Rohbraunkohlen-


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einer regelmäßigen Überschichtarbeit und vor allen Dingen in der Steigerung der
Förderung und Erleichterung des Abtransports durch Verteilung der Überschichten
auf die einzelnen Tage; nicht minder aber auch in der Vermehrung der Bergarbeiter,
d. h. in der umfassenden Erstellung von neuen Wohnungen. Ich hatte schon im
vorigen Jahre vorgeschlagen, mit allen Kräften an die Siedelung in den Bergbau¬
bezirken für Steinkohle und Braunkohle heranzugehen. Im ganzen vorigen Jahre
ist nichts geschehen. Dann ist schließlich das Siedelungsgesetz herausgekommen.
Es sind auch Aufschläge auf die Kohlenpreise genommen worden, und zwar ent¬
sprechend der Preissteigerung aller anderen Waren. Trotz aller Warnungen hat
man aber die Aufschläge nur gering bemessen. Auf dem Gebiete des Siedelungs-
wesens muß das bisher Versäumte schnellstens gutgemacht werden. Man darf Wohl
annehmen, daß jetzt, wo es uns ans Leben geht, die vorhandenen Baustoffe aller
Art in wirkliche Bauten umgesetzt werden. An Stelle der geplanten 30 000 bis
40 000 Wohnungen für Bergarbeiter werden allerdings infolge dieser Versäumnis,
in Verbindung mit dem Mangel an Baumaterial, zunächst kaum 3000 bis 4000
Wohnungen fertig werden. Hier muß also der Hebel angesetzt werden.

In der Lebensmittelversorgung der Bergarbeiter sind große Fehler gemacht
worden. Vor allen Dingen muß durch reichliche Nahrung die Leistungsfähigkeit
jedes einzelnen gehoben werden. Der Bergmann lebt unter Tag meist nur von
Brot und Fett. Hat er dies nicht, so kann er nicht arbeiten- Auf diese Eigenart
muß man Rücksicht nehmen. Das ist aber lange nicht genügend geschehen. Im
Gegenteil hat man den Bergleuten ein Brot gegeben, das als Schweinefutter hätte
dienen können. Unter solchen Umständen wird man begreifen können, weshalb das
Mißtrauen der Bergleute so groß ist. Man kann es den Bergarbeitern wahrhaftig
nicht verdenken, daß sie jede Überarbeit von einer besseren Ernährung abhängig
machen. Eine wirkliche Abhilfe verspreche ich mir noch durch die Siedelung, die in
einem Ausmaß vorgenommen werden muß, daß 10 bis 12 Millionen Tonnen mehr
gefördert werden. Neben der Siedelungsfrage müssen wir uns auch intensiv Mit
dem Versuch befassen, die Steinkohlenwirtschaft zu entlasten, und Betriebe, in denen
dies technisch möglich ist, auf Braunkohlenheizung umzustellen.

Was die Belieferungsquote betrifft, so verlangt ein wirtschaftlich arbeitender
Industriebetrieb 100 Prozent Belieferung. Wird weniger geliefert, so verringern
sich die Einnahmen weit stärker als die Ausgaben, und es entsteht im steigenden
Maße eine Leerlaufsarbeit, die jede wirtschaftliche Betriebsführung unmöglich macht.
Man bedenke, SO Prozent Kohlen bedeuten nicht SO Prozent Produktion, sondern
weit weniger. Wir brauchen in Deutschland vor allem genügend Kohle, um im
Interesse Europas die Kohlenförderung zu heben. Eine Mehrlieferung von einer
Million an die Entente würde zwei Millionen mehr für uns erfordern, und eine
solche Mehrförderung setzt den Neubau von Wohnungen im jetzigen Wert von 6 Mil¬
liarden Mark voraus, eine ungeheure Aufgabe also, die sich mit dem Wiederaufbau
Frankreichs überschneidet. ^ , ^ ^ .

Das Ziel, das erreicht werden muß, ist die Versorgung der Industrie mit
WO Prozent. Ich glaube, daß dieses Ziel im wesentlichen erreicht werden wurde,
wenn neben der Mehrleistung an die Entente noch zwei Millionen Tonnen monatlich
sur die Industrie zur Verfügung stehen würden. Es ergibt sich etwa die Zahl: eine
Monatstonne mehr gleich einem Arbeitslosen weniger. ^ - --

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Was die Braunkohle anbetrifft, deren Heizwert zu dem der Steinkohle sich
wie 1 4 verhält, so läßt sich die Braunkohlenforderung viel schneller steigern Ah
die Steinkohlenförderung Aber auch im Braunkohlenbergbau erfordert die Ent¬
wicklung eines Tagebaues mindestens zwei bis drei Jahre also eme Frist die uns
gegenwärtig nicht zur Verfügung steht. Das Braunkohlenbrikett ist heute schon viel¬
fach ein Ersatzmittel für die Steinkohle. Man wird unbedingt dazu übergehen
Müssen, zu untersuchen, ob und wie sich die wirtschaftliche Auswertung dieser Kohle
schnellstens verbessern läßt. Man wird diejenigen Betriebe die sich praktisch um¬
stellen lassen, zweifellos umstellen müssen. Den umgebauten Betrieben muß die
Sicherheit gegeben werden, daß auch in verkehrsstarken Zeiten die Rohbraunkohlen-


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[0197] Reichsspiegel einer regelmäßigen Überschichtarbeit und vor allen Dingen in der Steigerung der Förderung und Erleichterung des Abtransports durch Verteilung der Überschichten auf die einzelnen Tage; nicht minder aber auch in der Vermehrung der Bergarbeiter, d. h. in der umfassenden Erstellung von neuen Wohnungen. Ich hatte schon im vorigen Jahre vorgeschlagen, mit allen Kräften an die Siedelung in den Bergbau¬ bezirken für Steinkohle und Braunkohle heranzugehen. Im ganzen vorigen Jahre ist nichts geschehen. Dann ist schließlich das Siedelungsgesetz herausgekommen. Es sind auch Aufschläge auf die Kohlenpreise genommen worden, und zwar ent¬ sprechend der Preissteigerung aller anderen Waren. Trotz aller Warnungen hat man aber die Aufschläge nur gering bemessen. Auf dem Gebiete des Siedelungs- wesens muß das bisher Versäumte schnellstens gutgemacht werden. Man darf Wohl annehmen, daß jetzt, wo es uns ans Leben geht, die vorhandenen Baustoffe aller Art in wirkliche Bauten umgesetzt werden. An Stelle der geplanten 30 000 bis 40 000 Wohnungen für Bergarbeiter werden allerdings infolge dieser Versäumnis, in Verbindung mit dem Mangel an Baumaterial, zunächst kaum 3000 bis 4000 Wohnungen fertig werden. Hier muß also der Hebel angesetzt werden. In der Lebensmittelversorgung der Bergarbeiter sind große Fehler gemacht worden. Vor allen Dingen muß durch reichliche Nahrung die Leistungsfähigkeit jedes einzelnen gehoben werden. Der Bergmann lebt unter Tag meist nur von Brot und Fett. Hat er dies nicht, so kann er nicht arbeiten- Auf diese Eigenart muß man Rücksicht nehmen. Das ist aber lange nicht genügend geschehen. Im Gegenteil hat man den Bergleuten ein Brot gegeben, das als Schweinefutter hätte dienen können. Unter solchen Umständen wird man begreifen können, weshalb das Mißtrauen der Bergleute so groß ist. Man kann es den Bergarbeitern wahrhaftig nicht verdenken, daß sie jede Überarbeit von einer besseren Ernährung abhängig machen. Eine wirkliche Abhilfe verspreche ich mir noch durch die Siedelung, die in einem Ausmaß vorgenommen werden muß, daß 10 bis 12 Millionen Tonnen mehr gefördert werden. Neben der Siedelungsfrage müssen wir uns auch intensiv Mit dem Versuch befassen, die Steinkohlenwirtschaft zu entlasten, und Betriebe, in denen dies technisch möglich ist, auf Braunkohlenheizung umzustellen. Was die Belieferungsquote betrifft, so verlangt ein wirtschaftlich arbeitender Industriebetrieb 100 Prozent Belieferung. Wird weniger geliefert, so verringern sich die Einnahmen weit stärker als die Ausgaben, und es entsteht im steigenden Maße eine Leerlaufsarbeit, die jede wirtschaftliche Betriebsführung unmöglich macht. Man bedenke, SO Prozent Kohlen bedeuten nicht SO Prozent Produktion, sondern weit weniger. Wir brauchen in Deutschland vor allem genügend Kohle, um im Interesse Europas die Kohlenförderung zu heben. Eine Mehrlieferung von einer Million an die Entente würde zwei Millionen mehr für uns erfordern, und eine solche Mehrförderung setzt den Neubau von Wohnungen im jetzigen Wert von 6 Mil¬ liarden Mark voraus, eine ungeheure Aufgabe also, die sich mit dem Wiederaufbau Frankreichs überschneidet. ^ , ^ ^ . Das Ziel, das erreicht werden muß, ist die Versorgung der Industrie mit WO Prozent. Ich glaube, daß dieses Ziel im wesentlichen erreicht werden wurde, wenn neben der Mehrleistung an die Entente noch zwei Millionen Tonnen monatlich sur die Industrie zur Verfügung stehen würden. Es ergibt sich etwa die Zahl: eine Monatstonne mehr gleich einem Arbeitslosen weniger. ^ - -- «^^ Was die Braunkohle anbetrifft, deren Heizwert zu dem der Steinkohle sich wie 1 4 verhält, so läßt sich die Braunkohlenforderung viel schneller steigern Ah die Steinkohlenförderung Aber auch im Braunkohlenbergbau erfordert die Ent¬ wicklung eines Tagebaues mindestens zwei bis drei Jahre also eme Frist die uns gegenwärtig nicht zur Verfügung steht. Das Braunkohlenbrikett ist heute schon viel¬ fach ein Ersatzmittel für die Steinkohle. Man wird unbedingt dazu übergehen Müssen, zu untersuchen, ob und wie sich die wirtschaftliche Auswertung dieser Kohle schnellstens verbessern läßt. Man wird diejenigen Betriebe die sich praktisch um¬ stellen lassen, zweifellos umstellen müssen. Den umgebauten Betrieben muß die Sicherheit gegeben werden, daß auch in verkehrsstarken Zeiten die Rohbraunkohlen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/197>, abgerufen am 03.07.2024.