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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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Offenherzigkeiten

Das Auto ist eine ganz undemokratische Erfindung. Zumal jetzt, wo die
sieben- bis neunfache Taxe herrscht und Brennstoff nur den Leuten mit glänzenden
Verbindungen zufließt. Keiner von den Tausend, die statt der erhofften Wald-
und Wasserlust giftige Abdämpfe zu schlucken bekommen, darf daran denken,
jemals selbst in solch einer Prachtkarosse des Weges zu sulzen. Leichter erwerben
napoleonische Grenadiere den Marschallstab, den nach des Kaisers Rattenfänger¬
wort jeder von ihnen im Tornister trug, als diese tüchtigen Bürger der freien
Republik zu einem Fünfzigpferdigen gelangen können. Sie wissen daneben, daß
in den lackglänzenden Säufern, vor denen sie wie freisinnige Jndier vorm
Dschaganath flüchten, heute kein ministrabler Genosse, kein vergötterter Volks¬
staatsmann und dergleichen sitzt. (Wenigstens ist es amtlich für unzulässig erklärt
worden, private Lustfahrten in Staatsautos zu unternehmen. Dafür bekommt
nicht jeder dieser Herren einen teuren Wagen zur Verfügung gestellt, während in
des altfränkischen Bismarck Zeit das ganze Auswärtige Amt sich mit einem
einzigen ärmlichen Einspänner begnügen mußte.) Das Aufscheuchen der geduldigen
Hammelherde am Havelborde besorgen heut ausschließlich frisch begüterte
Gesellschaftsspitzen, gegen die alle Zeitungen tagtäglich erbittert schreiben und die
in ihrer Abwesenheit stets mit dem Ekelnamen des Schiebers belegt werden.
Doch der Umstand, daß sie eben im Auto daherspritzen, feit sie. Das Auto adelt
ohne weiteres jeden, der darin sitzt, es macht vornehm, und der wahren Vornehm¬
heit beugt sich im Jahre 182V so gut wie anno 1910 unterm fluchbeladenen und
verrotteten alten Regiment in ehrlichem Respekt die Menge.

Weshalb schart sich noch immer, obgleich der Anblick jedem Säugling als
gewöhnlich und "Auto" so ungefähr der erste wonnesame, traute Mutterland des
Einjährigen ist, weshalb schart sich noch immer das Straßenpublikum andächtig
um jeden Kraftwagen, der durchaus nach 300 000 oder 250 000 ^ aussieht? Er
muß einem Reichen gehören, und Reichtum ist Aristokratie) vorm echten Aristo¬
kraten aber fühlt sich der entschlossenste Bolschewist unsagbar klein. Nur das
durchbohrende Gefühl seines Nichts ist es, das ihn mitunter zu wutschnaubenden
Gewalttaten Peitsche) wäre er von seiner Gleichwertigkeit innerlich überzeugt, dann
lächelte er, wo er jetzt mordet. Unglückliche Liebe, unbeachtete Verehrung schlägt
gern vorübergehend in tödlichen Haß um. Manche großstädtische Blätter leben
nur davon, daß sie für fünfzehn Pfennig ihren gierigen Lesern lakaienhafte
Schilderungen von Autorennen und Festlichkeiten im Autoklub vorsetzen. Der
Leser, der pünktlich alle Zahlabende der U. S. P. D. besucht und auf jeden Fall
fortgeschritten radikal denkt, erschauert vor Lust, wenn ihm von der Aut-volSe
erzählt wird und wenn er wenigstens im Geiste (sozusagen) in ihrer erlauchten
Mitte weilen darf. An sich geht ihn das Ganze nichts an, denn er hat nie Aus¬
sicht, an den fernen Gestaden zu landen. Und ist doch abgrundtief verliebt in sie
und sichert, wenn er von ihnen hört. Wie das schlichte Weib sichert, wenn es in
volkstümlichen Zeitungen die bildgeschmückten Mvdcberichte liest und sinnend bei
20 000Kostümen verweilt.

Die deutsche Politik ist noch weit zurück. Unsere Politiker haben noch
immer nicht begriffen, was wahre Demokratie bedeutet. Weshalb gibt es in
England seit den Tagen der Eisenfeilen keine Revolution mehr? Weshalb teilen
sich dort heute noch ein paar adlige Familien in die Herrschaft und können außer
ihrer eigenen Nation die ganze Welt glauben machen, daß Großbritannien aller
Freiheit, aller Volkswohlfahrt Hort und Erfüllung sei? (Trotz Irland und
Whitechapcl.) Weil die M. P. ihre Karte bei jedem treuen Wähler abgeben,
weit die Herzoginnen im Wahlkmnpfe die niedere Hütte des schlichten Bürgers
aussuchen, weil der feine Boß oder Parteiführer im Kreis alljährlich einmal
jeden erprobten Abstimmer mitsamt seinem Eheweibe zu einer sommerlichen
Mrcten part^y und einem winterlichen Empfang einlädt. Wird es so behandelt
dann zeigt das Volk sich recht, auch in Fahrten und Nöten. ,

Hierzulande hat man es zurückgestoßen und seine redlichen Instinkte mi߬
achtet. Dabei beweist das Verhältnis der unerschütterlich demokratischen Welle


Offenherzigkeiten

Das Auto ist eine ganz undemokratische Erfindung. Zumal jetzt, wo die
sieben- bis neunfache Taxe herrscht und Brennstoff nur den Leuten mit glänzenden
Verbindungen zufließt. Keiner von den Tausend, die statt der erhofften Wald-
und Wasserlust giftige Abdämpfe zu schlucken bekommen, darf daran denken,
jemals selbst in solch einer Prachtkarosse des Weges zu sulzen. Leichter erwerben
napoleonische Grenadiere den Marschallstab, den nach des Kaisers Rattenfänger¬
wort jeder von ihnen im Tornister trug, als diese tüchtigen Bürger der freien
Republik zu einem Fünfzigpferdigen gelangen können. Sie wissen daneben, daß
in den lackglänzenden Säufern, vor denen sie wie freisinnige Jndier vorm
Dschaganath flüchten, heute kein ministrabler Genosse, kein vergötterter Volks¬
staatsmann und dergleichen sitzt. (Wenigstens ist es amtlich für unzulässig erklärt
worden, private Lustfahrten in Staatsautos zu unternehmen. Dafür bekommt
nicht jeder dieser Herren einen teuren Wagen zur Verfügung gestellt, während in
des altfränkischen Bismarck Zeit das ganze Auswärtige Amt sich mit einem
einzigen ärmlichen Einspänner begnügen mußte.) Das Aufscheuchen der geduldigen
Hammelherde am Havelborde besorgen heut ausschließlich frisch begüterte
Gesellschaftsspitzen, gegen die alle Zeitungen tagtäglich erbittert schreiben und die
in ihrer Abwesenheit stets mit dem Ekelnamen des Schiebers belegt werden.
Doch der Umstand, daß sie eben im Auto daherspritzen, feit sie. Das Auto adelt
ohne weiteres jeden, der darin sitzt, es macht vornehm, und der wahren Vornehm¬
heit beugt sich im Jahre 182V so gut wie anno 1910 unterm fluchbeladenen und
verrotteten alten Regiment in ehrlichem Respekt die Menge.

Weshalb schart sich noch immer, obgleich der Anblick jedem Säugling als
gewöhnlich und „Auto" so ungefähr der erste wonnesame, traute Mutterland des
Einjährigen ist, weshalb schart sich noch immer das Straßenpublikum andächtig
um jeden Kraftwagen, der durchaus nach 300 000 oder 250 000 ^ aussieht? Er
muß einem Reichen gehören, und Reichtum ist Aristokratie) vorm echten Aristo¬
kraten aber fühlt sich der entschlossenste Bolschewist unsagbar klein. Nur das
durchbohrende Gefühl seines Nichts ist es, das ihn mitunter zu wutschnaubenden
Gewalttaten Peitsche) wäre er von seiner Gleichwertigkeit innerlich überzeugt, dann
lächelte er, wo er jetzt mordet. Unglückliche Liebe, unbeachtete Verehrung schlägt
gern vorübergehend in tödlichen Haß um. Manche großstädtische Blätter leben
nur davon, daß sie für fünfzehn Pfennig ihren gierigen Lesern lakaienhafte
Schilderungen von Autorennen und Festlichkeiten im Autoklub vorsetzen. Der
Leser, der pünktlich alle Zahlabende der U. S. P. D. besucht und auf jeden Fall
fortgeschritten radikal denkt, erschauert vor Lust, wenn ihm von der Aut-volSe
erzählt wird und wenn er wenigstens im Geiste (sozusagen) in ihrer erlauchten
Mitte weilen darf. An sich geht ihn das Ganze nichts an, denn er hat nie Aus¬
sicht, an den fernen Gestaden zu landen. Und ist doch abgrundtief verliebt in sie
und sichert, wenn er von ihnen hört. Wie das schlichte Weib sichert, wenn es in
volkstümlichen Zeitungen die bildgeschmückten Mvdcberichte liest und sinnend bei
20 000Kostümen verweilt.

Die deutsche Politik ist noch weit zurück. Unsere Politiker haben noch
immer nicht begriffen, was wahre Demokratie bedeutet. Weshalb gibt es in
England seit den Tagen der Eisenfeilen keine Revolution mehr? Weshalb teilen
sich dort heute noch ein paar adlige Familien in die Herrschaft und können außer
ihrer eigenen Nation die ganze Welt glauben machen, daß Großbritannien aller
Freiheit, aller Volkswohlfahrt Hort und Erfüllung sei? (Trotz Irland und
Whitechapcl.) Weil die M. P. ihre Karte bei jedem treuen Wähler abgeben,
weit die Herzoginnen im Wahlkmnpfe die niedere Hütte des schlichten Bürgers
aussuchen, weil der feine Boß oder Parteiführer im Kreis alljährlich einmal
jeden erprobten Abstimmer mitsamt seinem Eheweibe zu einer sommerlichen
Mrcten part^y und einem winterlichen Empfang einlädt. Wird es so behandelt
dann zeigt das Volk sich recht, auch in Fahrten und Nöten. ,

Hierzulande hat man es zurückgestoßen und seine redlichen Instinkte mi߬
achtet. Dabei beweist das Verhältnis der unerschütterlich demokratischen Welle


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[0163] Offenherzigkeiten Das Auto ist eine ganz undemokratische Erfindung. Zumal jetzt, wo die sieben- bis neunfache Taxe herrscht und Brennstoff nur den Leuten mit glänzenden Verbindungen zufließt. Keiner von den Tausend, die statt der erhofften Wald- und Wasserlust giftige Abdämpfe zu schlucken bekommen, darf daran denken, jemals selbst in solch einer Prachtkarosse des Weges zu sulzen. Leichter erwerben napoleonische Grenadiere den Marschallstab, den nach des Kaisers Rattenfänger¬ wort jeder von ihnen im Tornister trug, als diese tüchtigen Bürger der freien Republik zu einem Fünfzigpferdigen gelangen können. Sie wissen daneben, daß in den lackglänzenden Säufern, vor denen sie wie freisinnige Jndier vorm Dschaganath flüchten, heute kein ministrabler Genosse, kein vergötterter Volks¬ staatsmann und dergleichen sitzt. (Wenigstens ist es amtlich für unzulässig erklärt worden, private Lustfahrten in Staatsautos zu unternehmen. Dafür bekommt nicht jeder dieser Herren einen teuren Wagen zur Verfügung gestellt, während in des altfränkischen Bismarck Zeit das ganze Auswärtige Amt sich mit einem einzigen ärmlichen Einspänner begnügen mußte.) Das Aufscheuchen der geduldigen Hammelherde am Havelborde besorgen heut ausschließlich frisch begüterte Gesellschaftsspitzen, gegen die alle Zeitungen tagtäglich erbittert schreiben und die in ihrer Abwesenheit stets mit dem Ekelnamen des Schiebers belegt werden. Doch der Umstand, daß sie eben im Auto daherspritzen, feit sie. Das Auto adelt ohne weiteres jeden, der darin sitzt, es macht vornehm, und der wahren Vornehm¬ heit beugt sich im Jahre 182V so gut wie anno 1910 unterm fluchbeladenen und verrotteten alten Regiment in ehrlichem Respekt die Menge. Weshalb schart sich noch immer, obgleich der Anblick jedem Säugling als gewöhnlich und „Auto" so ungefähr der erste wonnesame, traute Mutterland des Einjährigen ist, weshalb schart sich noch immer das Straßenpublikum andächtig um jeden Kraftwagen, der durchaus nach 300 000 oder 250 000 ^ aussieht? Er muß einem Reichen gehören, und Reichtum ist Aristokratie) vorm echten Aristo¬ kraten aber fühlt sich der entschlossenste Bolschewist unsagbar klein. Nur das durchbohrende Gefühl seines Nichts ist es, das ihn mitunter zu wutschnaubenden Gewalttaten Peitsche) wäre er von seiner Gleichwertigkeit innerlich überzeugt, dann lächelte er, wo er jetzt mordet. Unglückliche Liebe, unbeachtete Verehrung schlägt gern vorübergehend in tödlichen Haß um. Manche großstädtische Blätter leben nur davon, daß sie für fünfzehn Pfennig ihren gierigen Lesern lakaienhafte Schilderungen von Autorennen und Festlichkeiten im Autoklub vorsetzen. Der Leser, der pünktlich alle Zahlabende der U. S. P. D. besucht und auf jeden Fall fortgeschritten radikal denkt, erschauert vor Lust, wenn ihm von der Aut-volSe erzählt wird und wenn er wenigstens im Geiste (sozusagen) in ihrer erlauchten Mitte weilen darf. An sich geht ihn das Ganze nichts an, denn er hat nie Aus¬ sicht, an den fernen Gestaden zu landen. Und ist doch abgrundtief verliebt in sie und sichert, wenn er von ihnen hört. Wie das schlichte Weib sichert, wenn es in volkstümlichen Zeitungen die bildgeschmückten Mvdcberichte liest und sinnend bei 20 000Kostümen verweilt. Die deutsche Politik ist noch weit zurück. Unsere Politiker haben noch immer nicht begriffen, was wahre Demokratie bedeutet. Weshalb gibt es in England seit den Tagen der Eisenfeilen keine Revolution mehr? Weshalb teilen sich dort heute noch ein paar adlige Familien in die Herrschaft und können außer ihrer eigenen Nation die ganze Welt glauben machen, daß Großbritannien aller Freiheit, aller Volkswohlfahrt Hort und Erfüllung sei? (Trotz Irland und Whitechapcl.) Weil die M. P. ihre Karte bei jedem treuen Wähler abgeben, weit die Herzoginnen im Wahlkmnpfe die niedere Hütte des schlichten Bürgers aussuchen, weil der feine Boß oder Parteiführer im Kreis alljährlich einmal jeden erprobten Abstimmer mitsamt seinem Eheweibe zu einer sommerlichen Mrcten part^y und einem winterlichen Empfang einlädt. Wird es so behandelt dann zeigt das Volk sich recht, auch in Fahrten und Nöten. , Hierzulande hat man es zurückgestoßen und seine redlichen Instinkte mi߬ achtet. Dabei beweist das Verhältnis der unerschütterlich demokratischen Welle

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/163>, abgerufen am 24.08.2024.