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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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llritik des Weltkrieges

Antik des Weltkrieges
Generalleutnant a. D. von lvinterfeldt von

me der ersten militärischen Bedingungen des Schandfriedens von
Versailles ist die Forderung der vollständigen Auflösung des deutschen
Generalstabes. Keine Institution, welche mit dem, was man im
Heere allgemein als die "große Bude" bezeichnete, Ähnlichkeit
haben könnte, durfte nach dem Willen unserer Feinde in Deutsch¬
land weiter bestehen. Man kann zweifelhaft sein, ob dies für den alten General-
staö als Strafe oder als VorbeugungSmaßregel gedacht war. Jedenfalls be¬
zweckt es, wie alle die planmäßigen, wohlüberlegten Bedingungen, die uns auferlegt
wurden, dasselbe, nämlich die W.hrlosmachung Deutschlands.

Daß diese Bedingung unseren Pazifisten und denjenigen Deutschen, die am
allgemeinen dauernden Völkerfrieden glauben oder zu glauben vorgeben, aus der
Seele gesprochen ist, kann man verstehen. Allen denjenigen aber, die ein Herz
für die Größe Deutschlands haben, aber dennoch in dem "fluchbeladenen alten
System" den Grund unseres Unglücks sehen, sollte diese Tatsache zu denken geben.

Wer den deutschen Generalstab kannte, wußte, was man an ihm hatte,
kannte auch seinen Wert. Wieviele Deutsche warm das aber in dem "Lande
des Militarismus?" Die große Menge dachte sich dabei eine Einrichtung voller
Geheinnvissenschast, Streberei und Überhebung, welcher jetzt weiter keine Träne
nachzuweinen sein würde.

Da erscheint denn jetzt aus der Feder eines "Generalstäblers", wie sich der
ungenannte Verfasser nennt, das unter dem Titel "Kritik des Weltkrieges" be¬
zeichnete Buch, welches man wohl als eine Grabschrift für den gefallenen Helden,
Generalstab genannt, bezeichnen kann, verfaßt von einem Berufenen, von einem,
der ein F:eunt des zu Grabe Getragenen war, weil er ihn kannte mit seinen
großen Vorzügen mW seinen kleinen Schwächen, die keiner menschlichen Ein¬
richtung fehlen können.

So will der Verfasser das Wirken des deutschen Generalstabes im Frieden
und im Kriege schildern, nicht um es zu verteioiM, sondern um seinen Lands¬
leuten zu Gemüte zu führen, was sie verloren haben, seinen Gegnern aber, welches
Kunstwerk sie in barbarischer Weise zerstört haben. Aber darüber hinaus hat das
Buch noch ganz besondere Bedeutung und ist bisher einzig dastehend in seiner
Art. Neben der klaren und großzügigen Schilderung der kriegerischen Ereignisse
ist eine operative Betrachtung über die Auswirkung oder Nichicmswirkung der
Operationen gegeben. Diesen Betrachtungen ist eine hohe wissenschaftliche Be¬
deutung beizumessen; aber auch für den Nichtfachmann, den Nichisoldaten besitzen
sie infolge der klaren, kurzen Schreibweise den besonderen Wert, ihm die Möglich¬
keit zu geben, sich über das Wesen der Strategie und operativer Maßnahmen
selber einen Begriff zu bilden.

Die bisher nach dieser Richtung gemachten Versuche, zum Beispiel von
Stegemanu, sind eben nur Versuche gewesen, denen zur Vollendung der scharfe,
klare Verstand des Kenners militärischer Kriegführung und ihrer Ziele fehlte.

Die Aufgaben des GeneralstabeS im Frieden und Krieg, die Schaffung und
Erhaltung der Kampfkraft des Heeres, die Vorbereitung der Kriegshandlung selbst


llritik des Weltkrieges

Antik des Weltkrieges
Generalleutnant a. D. von lvinterfeldt von

me der ersten militärischen Bedingungen des Schandfriedens von
Versailles ist die Forderung der vollständigen Auflösung des deutschen
Generalstabes. Keine Institution, welche mit dem, was man im
Heere allgemein als die „große Bude" bezeichnete, Ähnlichkeit
haben könnte, durfte nach dem Willen unserer Feinde in Deutsch¬
land weiter bestehen. Man kann zweifelhaft sein, ob dies für den alten General-
staö als Strafe oder als VorbeugungSmaßregel gedacht war. Jedenfalls be¬
zweckt es, wie alle die planmäßigen, wohlüberlegten Bedingungen, die uns auferlegt
wurden, dasselbe, nämlich die W.hrlosmachung Deutschlands.

Daß diese Bedingung unseren Pazifisten und denjenigen Deutschen, die am
allgemeinen dauernden Völkerfrieden glauben oder zu glauben vorgeben, aus der
Seele gesprochen ist, kann man verstehen. Allen denjenigen aber, die ein Herz
für die Größe Deutschlands haben, aber dennoch in dem „fluchbeladenen alten
System" den Grund unseres Unglücks sehen, sollte diese Tatsache zu denken geben.

Wer den deutschen Generalstab kannte, wußte, was man an ihm hatte,
kannte auch seinen Wert. Wieviele Deutsche warm das aber in dem „Lande
des Militarismus?" Die große Menge dachte sich dabei eine Einrichtung voller
Geheinnvissenschast, Streberei und Überhebung, welcher jetzt weiter keine Träne
nachzuweinen sein würde.

Da erscheint denn jetzt aus der Feder eines „Generalstäblers", wie sich der
ungenannte Verfasser nennt, das unter dem Titel „Kritik des Weltkrieges" be¬
zeichnete Buch, welches man wohl als eine Grabschrift für den gefallenen Helden,
Generalstab genannt, bezeichnen kann, verfaßt von einem Berufenen, von einem,
der ein F:eunt des zu Grabe Getragenen war, weil er ihn kannte mit seinen
großen Vorzügen mW seinen kleinen Schwächen, die keiner menschlichen Ein¬
richtung fehlen können.

So will der Verfasser das Wirken des deutschen Generalstabes im Frieden
und im Kriege schildern, nicht um es zu verteioiM, sondern um seinen Lands¬
leuten zu Gemüte zu führen, was sie verloren haben, seinen Gegnern aber, welches
Kunstwerk sie in barbarischer Weise zerstört haben. Aber darüber hinaus hat das
Buch noch ganz besondere Bedeutung und ist bisher einzig dastehend in seiner
Art. Neben der klaren und großzügigen Schilderung der kriegerischen Ereignisse
ist eine operative Betrachtung über die Auswirkung oder Nichicmswirkung der
Operationen gegeben. Diesen Betrachtungen ist eine hohe wissenschaftliche Be¬
deutung beizumessen; aber auch für den Nichtfachmann, den Nichisoldaten besitzen
sie infolge der klaren, kurzen Schreibweise den besonderen Wert, ihm die Möglich¬
keit zu geben, sich über das Wesen der Strategie und operativer Maßnahmen
selber einen Begriff zu bilden.

Die bisher nach dieser Richtung gemachten Versuche, zum Beispiel von
Stegemanu, sind eben nur Versuche gewesen, denen zur Vollendung der scharfe,
klare Verstand des Kenners militärischer Kriegführung und ihrer Ziele fehlte.

Die Aufgaben des GeneralstabeS im Frieden und Krieg, die Schaffung und
Erhaltung der Kampfkraft des Heeres, die Vorbereitung der Kriegshandlung selbst


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[0315] llritik des Weltkrieges Antik des Weltkrieges Generalleutnant a. D. von lvinterfeldt von me der ersten militärischen Bedingungen des Schandfriedens von Versailles ist die Forderung der vollständigen Auflösung des deutschen Generalstabes. Keine Institution, welche mit dem, was man im Heere allgemein als die „große Bude" bezeichnete, Ähnlichkeit haben könnte, durfte nach dem Willen unserer Feinde in Deutsch¬ land weiter bestehen. Man kann zweifelhaft sein, ob dies für den alten General- staö als Strafe oder als VorbeugungSmaßregel gedacht war. Jedenfalls be¬ zweckt es, wie alle die planmäßigen, wohlüberlegten Bedingungen, die uns auferlegt wurden, dasselbe, nämlich die W.hrlosmachung Deutschlands. Daß diese Bedingung unseren Pazifisten und denjenigen Deutschen, die am allgemeinen dauernden Völkerfrieden glauben oder zu glauben vorgeben, aus der Seele gesprochen ist, kann man verstehen. Allen denjenigen aber, die ein Herz für die Größe Deutschlands haben, aber dennoch in dem „fluchbeladenen alten System" den Grund unseres Unglücks sehen, sollte diese Tatsache zu denken geben. Wer den deutschen Generalstab kannte, wußte, was man an ihm hatte, kannte auch seinen Wert. Wieviele Deutsche warm das aber in dem „Lande des Militarismus?" Die große Menge dachte sich dabei eine Einrichtung voller Geheinnvissenschast, Streberei und Überhebung, welcher jetzt weiter keine Träne nachzuweinen sein würde. Da erscheint denn jetzt aus der Feder eines „Generalstäblers", wie sich der ungenannte Verfasser nennt, das unter dem Titel „Kritik des Weltkrieges" be¬ zeichnete Buch, welches man wohl als eine Grabschrift für den gefallenen Helden, Generalstab genannt, bezeichnen kann, verfaßt von einem Berufenen, von einem, der ein F:eunt des zu Grabe Getragenen war, weil er ihn kannte mit seinen großen Vorzügen mW seinen kleinen Schwächen, die keiner menschlichen Ein¬ richtung fehlen können. So will der Verfasser das Wirken des deutschen Generalstabes im Frieden und im Kriege schildern, nicht um es zu verteioiM, sondern um seinen Lands¬ leuten zu Gemüte zu führen, was sie verloren haben, seinen Gegnern aber, welches Kunstwerk sie in barbarischer Weise zerstört haben. Aber darüber hinaus hat das Buch noch ganz besondere Bedeutung und ist bisher einzig dastehend in seiner Art. Neben der klaren und großzügigen Schilderung der kriegerischen Ereignisse ist eine operative Betrachtung über die Auswirkung oder Nichicmswirkung der Operationen gegeben. Diesen Betrachtungen ist eine hohe wissenschaftliche Be¬ deutung beizumessen; aber auch für den Nichtfachmann, den Nichisoldaten besitzen sie infolge der klaren, kurzen Schreibweise den besonderen Wert, ihm die Möglich¬ keit zu geben, sich über das Wesen der Strategie und operativer Maßnahmen selber einen Begriff zu bilden. Die bisher nach dieser Richtung gemachten Versuche, zum Beispiel von Stegemanu, sind eben nur Versuche gewesen, denen zur Vollendung der scharfe, klare Verstand des Kenners militärischer Kriegführung und ihrer Ziele fehlte. Die Aufgaben des GeneralstabeS im Frieden und Krieg, die Schaffung und Erhaltung der Kampfkraft des Heeres, die Vorbereitung der Kriegshandlung selbst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/315>, abgerufen am 26.08.2024.