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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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studentischer Standesgeist und Demago.zenverfolgung

Volksganze geistige Leistungen und Willenstaten zu vollbringen, die andere nicht
leisten können. Im gegenwärtigen Augenblick ist die deutsche Studentenschaft dazu
verurteilt, einen Kampf um ihre Existenz als Stand austragen zu müssen, den
sie mit Aussicht auf Erfolg nur aufzunehmen vermag, wenn sie sich mit Bewußt¬
sein zu dem ständischen Charakter ihres organisierten Lebens bekennt. Die feinste
Gewähr für eine innere Ablehnung der preußischen Anschlags läge in jener posi
tiven Richtung, in der die Erlanger Anträge auf tätige Einstimmung und Aus¬
wertung der bereits vorhandenen eigenen Macht laufen.

Vom Asta Erlangen wurde die äußere Abwehr ebenfalls vorbereitet, indem
er dein Verordnungsentwurf des preußischen Ministers einen selbständigen Ent¬
wurf "über die Bildung von Studentenschaften an den deutschen Hochschulen"
entgegengesetzt hat. Dieser Erlanger Entwurf bewahrt im wesentlichen die bis¬
herigen Einrichtungen, erkennt aber die Autorität der Staatsgewalt an und kommt
mit seiner Ausdrucksweise dem behördlichen Negelungsbedürfnis des "Obrigkeit'
fiaates" derzeitigen Stiles entgegen. Vom Verhalten des außerordentlichen
Studententages hierzu, falls dieser stattfindet, hängt die erste Entscheidung ab.
EL würde sich dabei zu bekunden haben, wieweit in der Studentenschaft über¬
haupt ständisches Lebensempfindcn und geistig-nationales Solidaritätsgefühl reichen.

Jene vaterländisch gearteten Kreise, gegen die sich der ministerielle Erlaß
dem Anschein nach richten möchte, lagern sich freilich weit genug. Es geht nicht
mehr allein um die Burschenschaft, wie zur Zeit der Karlsbader Beschlüsse. Neben
der Burschenschaft sind es heute die Vereine Deutscher Studenten, der Wmgolf
und der evangelische Schwarzburgbund, die Turner, Sänger und jungdeutschen
Wandervögel, kurz alles, was sich im "Hochschulring deutscher Art" zu sammeln
pflegt, ferner der große "Waffenring" der schlagenden Korporationen, die Mehr'
zahl der wissenschaftlichen Vereine und die katholischen Verbindungen, jawohl,
auch die katholischen Verbindungen, denen der Ekel vor der Erzbergerei längst
bis um den Hals gestiegen ist. Herr Hänisch hat sich viel vorgenommen. Nun
gewiß, außerdem gibt es eine sozialistisch-jüdisch-demokratische Minderheit, deren
Gewicht je nach den örtlichen Verhältnissen verschieden stark sein mag. Man
darf gespannt sein, was in dem Verhalten dieser Minderheiten den Ausschlag
hervorrufen wird, ob die regierungstreue Parteigesinnung oder eine akademische
Lebcnseinstellung und das Gefühl der Zusammengehörigkeit mit den Kommilitonen.




studentischer Standesgeist und Demago.zenverfolgung

Volksganze geistige Leistungen und Willenstaten zu vollbringen, die andere nicht
leisten können. Im gegenwärtigen Augenblick ist die deutsche Studentenschaft dazu
verurteilt, einen Kampf um ihre Existenz als Stand austragen zu müssen, den
sie mit Aussicht auf Erfolg nur aufzunehmen vermag, wenn sie sich mit Bewußt¬
sein zu dem ständischen Charakter ihres organisierten Lebens bekennt. Die feinste
Gewähr für eine innere Ablehnung der preußischen Anschlags läge in jener posi
tiven Richtung, in der die Erlanger Anträge auf tätige Einstimmung und Aus¬
wertung der bereits vorhandenen eigenen Macht laufen.

Vom Asta Erlangen wurde die äußere Abwehr ebenfalls vorbereitet, indem
er dein Verordnungsentwurf des preußischen Ministers einen selbständigen Ent¬
wurf „über die Bildung von Studentenschaften an den deutschen Hochschulen"
entgegengesetzt hat. Dieser Erlanger Entwurf bewahrt im wesentlichen die bis¬
herigen Einrichtungen, erkennt aber die Autorität der Staatsgewalt an und kommt
mit seiner Ausdrucksweise dem behördlichen Negelungsbedürfnis des „Obrigkeit'
fiaates" derzeitigen Stiles entgegen. Vom Verhalten des außerordentlichen
Studententages hierzu, falls dieser stattfindet, hängt die erste Entscheidung ab.
EL würde sich dabei zu bekunden haben, wieweit in der Studentenschaft über¬
haupt ständisches Lebensempfindcn und geistig-nationales Solidaritätsgefühl reichen.

Jene vaterländisch gearteten Kreise, gegen die sich der ministerielle Erlaß
dem Anschein nach richten möchte, lagern sich freilich weit genug. Es geht nicht
mehr allein um die Burschenschaft, wie zur Zeit der Karlsbader Beschlüsse. Neben
der Burschenschaft sind es heute die Vereine Deutscher Studenten, der Wmgolf
und der evangelische Schwarzburgbund, die Turner, Sänger und jungdeutschen
Wandervögel, kurz alles, was sich im „Hochschulring deutscher Art" zu sammeln
pflegt, ferner der große „Waffenring" der schlagenden Korporationen, die Mehr'
zahl der wissenschaftlichen Vereine und die katholischen Verbindungen, jawohl,
auch die katholischen Verbindungen, denen der Ekel vor der Erzbergerei längst
bis um den Hals gestiegen ist. Herr Hänisch hat sich viel vorgenommen. Nun
gewiß, außerdem gibt es eine sozialistisch-jüdisch-demokratische Minderheit, deren
Gewicht je nach den örtlichen Verhältnissen verschieden stark sein mag. Man
darf gespannt sein, was in dem Verhalten dieser Minderheiten den Ausschlag
hervorrufen wird, ob die regierungstreue Parteigesinnung oder eine akademische
Lebcnseinstellung und das Gefühl der Zusammengehörigkeit mit den Kommilitonen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/162>, abgerufen am 05.02.2025.