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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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ziere und Beamten sowie der altrumänische Großgrundbesitz standen ihm zuerst
als heimliche, später als offene Gegner gegenüber. Die Nachgiebigkeit Vaidcr
Woevods gegenüber der Entente, die Unterzeichnung des Friedens von Se. Ger¬
main, wogegen Bratianu sich lange gesträubt hattet) gaben den Liberalen wirk¬
same Ngitationswaffen in die Hände. Dazu kam, daß das Parlament, die Stütze
Vaidci Woevods, selbst auf schwachen Füßen stand. Die Parteien, die Wahl¬
enthaltung geübt hatten, stritten ihm jegliche Existenzberechtigung ab.

Während der Ministerpräsidentschaft Vaida Woevods hat sich die wirschaft-
liche Lage des Landes zusehends verschlechtert. Die Versuche, im Auslande die
für die Ordnung der Staatsfinanzen nötigen Gelder zu finden, führten zu keinem
Ergebnis, da die Gegenforderungen auf Entnationalisierung der rumänischen In¬
dustrie hinausliefen. Amerikanische Geldgeber verlangten, daß die Ausbeutung
der Bodenschätze, insbesondere die ganze rumänische Petrvleumerzcugung einem
amerikanischen Finanzkonzern übertragen werde. Die rumänische Valuta ist noch
tiefer gefallen. Die Valutaspekulation sowie die in ausgedehntem Umfange be¬
triebene heimliche Ausfuhr von Lei-Noten ins Ausland haben zum Kurssturz
wesentlich beigetragen. Der Lei hat jetzt kaum ein Zehntel des Fciedenswertes.
Die Handelsbilanz hat sich stark zuungunsten Rumäniens verschoben. Die
Produktion liegt danieder. Die Unzufriedenheit ist allgemein. Die Teuerung
ruiniert den schon an sich in Rumänien recht schwach vertretenen Mittelstand.
Arbeitsnnlust und die Unmöglichkeit, in ausreichender Weise Rohstoffe zu impor¬
tieren, lassen die Industrie nicht emporkommen. Streiks folgen aus Streiks. Die
Arbeiterschaft wird radikalisiert. Der Aufbau der Verkehrsstraßen, die der Krieg
vernichtete, schreitet nur langsam vorwärts. Das Eisenbahnwesen ist vollständig
zusammengebrochen. Es fehlt zwar nicht an Material, aber die Eisenbahnange-
stellten arbeiten nnr gegen Sonderbezahlung. In Siebenbürgen, wo die Eisen¬
bahner zum großen Teil Magyaren sind, wird der Verkehr von diesen sabotiert.
Die Güterzüge bleiben voll beladen monatelang auf den Bahnhöfen stehen-
Kommen sie endlich am Bestimmungsort an, so sind sie zum großen Teil aus¬
geplündert. Größere industrielle Werke haben sich eigene Lokomotiven und Züge
gekauft, um ihre Waren und Rohstoffe zu befördern und ihren Betrieb aufrecht¬
zuerhalten. Das Vermieter von Lokomotiven und Waggons ist gang und gäbe.
Heizmaterial muß auf Schiebungswegen besorgt werden. Die Regierung steht
den Verhältnissen machtlos gegenüber. Sie versucht deshalb einen neuen. Weg
zu gehen. Sie hat sich an Osterreich gewandt, wo bekanntlich ein großer Über¬
fluß an Eisenbahnangestellten herrscht. Österreich soll sichj bereit erklärt haben,
500 Eisenbahner Rumänien zu leihen. Die Verkeh'.suol wirkt auf Lebensmitiel-
vcrteilung und -Erzeugung ein. In den Städten Alt-Rumäniens herrscht Leben!"
mittelnot. Siebenbürgisches Getreide kommt nur langsam dorthin. Auf den
Straßen nach Bukarest und anderen größeren Städten sieht man lange Züge von
Bauemfuhrwerteu, die den Güter- und Personentransport übernommen haben
und die Eisenbahn ersetzen. An und für sich scheint es ja sehr erfreulich, da"
man sich auf diese Weise hilft. Der Nutzen wird jedoch durch den Schaden mcyr
nur aufgewogen, sondern bei weitem überboten. Wenn die Bauern neben dem
Transport ihre gewöhnliche Tätigkeit fortsetzten! In Rumänien liegen wer
Fünftel des Bodens unbestellt. Die Aussaat des Wintergetreides ist unterblieben.
Die Bauern haben nur soviel Sommergetreide angebaut, um ihren eigenen ^
darf zu decken. Der Herbst wird für Alt-Rumänien eine geradezu furchtbare
Ernährungskrise mit sich bringen, wenn bis dahin nicht umfassende Gegenma߬
nahmen getroffen sind. Ein Schicksal, das Rumänien schon jetzt hätte erleiden
müssen, wenn nicht deutsche Soldaten vor ihrem Rückzüge 1918 den Boden be¬
stellt hätten. Diese Erscheinung beschränkt sich glücklicherweise auf Alt-Rumänien
In Siebenbürgen und den übrigen neugewonnenen Landesteilen ist das Lano
wie gewöhnlich bebaut.



i) Siehe Rumänien von Menemus, Grenzboien Ur. 48 vom 28. Mai t919.
Weltspiegel

ziere und Beamten sowie der altrumänische Großgrundbesitz standen ihm zuerst
als heimliche, später als offene Gegner gegenüber. Die Nachgiebigkeit Vaidcr
Woevods gegenüber der Entente, die Unterzeichnung des Friedens von Se. Ger¬
main, wogegen Bratianu sich lange gesträubt hattet) gaben den Liberalen wirk¬
same Ngitationswaffen in die Hände. Dazu kam, daß das Parlament, die Stütze
Vaidci Woevods, selbst auf schwachen Füßen stand. Die Parteien, die Wahl¬
enthaltung geübt hatten, stritten ihm jegliche Existenzberechtigung ab.

Während der Ministerpräsidentschaft Vaida Woevods hat sich die wirschaft-
liche Lage des Landes zusehends verschlechtert. Die Versuche, im Auslande die
für die Ordnung der Staatsfinanzen nötigen Gelder zu finden, führten zu keinem
Ergebnis, da die Gegenforderungen auf Entnationalisierung der rumänischen In¬
dustrie hinausliefen. Amerikanische Geldgeber verlangten, daß die Ausbeutung
der Bodenschätze, insbesondere die ganze rumänische Petrvleumerzcugung einem
amerikanischen Finanzkonzern übertragen werde. Die rumänische Valuta ist noch
tiefer gefallen. Die Valutaspekulation sowie die in ausgedehntem Umfange be¬
triebene heimliche Ausfuhr von Lei-Noten ins Ausland haben zum Kurssturz
wesentlich beigetragen. Der Lei hat jetzt kaum ein Zehntel des Fciedenswertes.
Die Handelsbilanz hat sich stark zuungunsten Rumäniens verschoben. Die
Produktion liegt danieder. Die Unzufriedenheit ist allgemein. Die Teuerung
ruiniert den schon an sich in Rumänien recht schwach vertretenen Mittelstand.
Arbeitsnnlust und die Unmöglichkeit, in ausreichender Weise Rohstoffe zu impor¬
tieren, lassen die Industrie nicht emporkommen. Streiks folgen aus Streiks. Die
Arbeiterschaft wird radikalisiert. Der Aufbau der Verkehrsstraßen, die der Krieg
vernichtete, schreitet nur langsam vorwärts. Das Eisenbahnwesen ist vollständig
zusammengebrochen. Es fehlt zwar nicht an Material, aber die Eisenbahnange-
stellten arbeiten nnr gegen Sonderbezahlung. In Siebenbürgen, wo die Eisen¬
bahner zum großen Teil Magyaren sind, wird der Verkehr von diesen sabotiert.
Die Güterzüge bleiben voll beladen monatelang auf den Bahnhöfen stehen-
Kommen sie endlich am Bestimmungsort an, so sind sie zum großen Teil aus¬
geplündert. Größere industrielle Werke haben sich eigene Lokomotiven und Züge
gekauft, um ihre Waren und Rohstoffe zu befördern und ihren Betrieb aufrecht¬
zuerhalten. Das Vermieter von Lokomotiven und Waggons ist gang und gäbe.
Heizmaterial muß auf Schiebungswegen besorgt werden. Die Regierung steht
den Verhältnissen machtlos gegenüber. Sie versucht deshalb einen neuen. Weg
zu gehen. Sie hat sich an Osterreich gewandt, wo bekanntlich ein großer Über¬
fluß an Eisenbahnangestellten herrscht. Österreich soll sichj bereit erklärt haben,
500 Eisenbahner Rumänien zu leihen. Die Verkeh'.suol wirkt auf Lebensmitiel-
vcrteilung und -Erzeugung ein. In den Städten Alt-Rumäniens herrscht Leben!"
mittelnot. Siebenbürgisches Getreide kommt nur langsam dorthin. Auf den
Straßen nach Bukarest und anderen größeren Städten sieht man lange Züge von
Bauemfuhrwerteu, die den Güter- und Personentransport übernommen haben
und die Eisenbahn ersetzen. An und für sich scheint es ja sehr erfreulich, da»
man sich auf diese Weise hilft. Der Nutzen wird jedoch durch den Schaden mcyr
nur aufgewogen, sondern bei weitem überboten. Wenn die Bauern neben dem
Transport ihre gewöhnliche Tätigkeit fortsetzten! In Rumänien liegen wer
Fünftel des Bodens unbestellt. Die Aussaat des Wintergetreides ist unterblieben.
Die Bauern haben nur soviel Sommergetreide angebaut, um ihren eigenen ^
darf zu decken. Der Herbst wird für Alt-Rumänien eine geradezu furchtbare
Ernährungskrise mit sich bringen, wenn bis dahin nicht umfassende Gegenma߬
nahmen getroffen sind. Ein Schicksal, das Rumänien schon jetzt hätte erleiden
müssen, wenn nicht deutsche Soldaten vor ihrem Rückzüge 1918 den Boden be¬
stellt hätten. Diese Erscheinung beschränkt sich glücklicherweise auf Alt-Rumänien
In Siebenbürgen und den übrigen neugewonnenen Landesteilen ist das Lano
wie gewöhnlich bebaut.



i) Siehe Rumänien von Menemus, Grenzboien Ur. 48 vom 28. Mai t919.
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[0112] Weltspiegel ziere und Beamten sowie der altrumänische Großgrundbesitz standen ihm zuerst als heimliche, später als offene Gegner gegenüber. Die Nachgiebigkeit Vaidcr Woevods gegenüber der Entente, die Unterzeichnung des Friedens von Se. Ger¬ main, wogegen Bratianu sich lange gesträubt hattet) gaben den Liberalen wirk¬ same Ngitationswaffen in die Hände. Dazu kam, daß das Parlament, die Stütze Vaidci Woevods, selbst auf schwachen Füßen stand. Die Parteien, die Wahl¬ enthaltung geübt hatten, stritten ihm jegliche Existenzberechtigung ab. Während der Ministerpräsidentschaft Vaida Woevods hat sich die wirschaft- liche Lage des Landes zusehends verschlechtert. Die Versuche, im Auslande die für die Ordnung der Staatsfinanzen nötigen Gelder zu finden, führten zu keinem Ergebnis, da die Gegenforderungen auf Entnationalisierung der rumänischen In¬ dustrie hinausliefen. Amerikanische Geldgeber verlangten, daß die Ausbeutung der Bodenschätze, insbesondere die ganze rumänische Petrvleumerzcugung einem amerikanischen Finanzkonzern übertragen werde. Die rumänische Valuta ist noch tiefer gefallen. Die Valutaspekulation sowie die in ausgedehntem Umfange be¬ triebene heimliche Ausfuhr von Lei-Noten ins Ausland haben zum Kurssturz wesentlich beigetragen. Der Lei hat jetzt kaum ein Zehntel des Fciedenswertes. Die Handelsbilanz hat sich stark zuungunsten Rumäniens verschoben. Die Produktion liegt danieder. Die Unzufriedenheit ist allgemein. Die Teuerung ruiniert den schon an sich in Rumänien recht schwach vertretenen Mittelstand. Arbeitsnnlust und die Unmöglichkeit, in ausreichender Weise Rohstoffe zu impor¬ tieren, lassen die Industrie nicht emporkommen. Streiks folgen aus Streiks. Die Arbeiterschaft wird radikalisiert. Der Aufbau der Verkehrsstraßen, die der Krieg vernichtete, schreitet nur langsam vorwärts. Das Eisenbahnwesen ist vollständig zusammengebrochen. Es fehlt zwar nicht an Material, aber die Eisenbahnange- stellten arbeiten nnr gegen Sonderbezahlung. In Siebenbürgen, wo die Eisen¬ bahner zum großen Teil Magyaren sind, wird der Verkehr von diesen sabotiert. Die Güterzüge bleiben voll beladen monatelang auf den Bahnhöfen stehen- Kommen sie endlich am Bestimmungsort an, so sind sie zum großen Teil aus¬ geplündert. Größere industrielle Werke haben sich eigene Lokomotiven und Züge gekauft, um ihre Waren und Rohstoffe zu befördern und ihren Betrieb aufrecht¬ zuerhalten. Das Vermieter von Lokomotiven und Waggons ist gang und gäbe. Heizmaterial muß auf Schiebungswegen besorgt werden. Die Regierung steht den Verhältnissen machtlos gegenüber. Sie versucht deshalb einen neuen. Weg zu gehen. Sie hat sich an Osterreich gewandt, wo bekanntlich ein großer Über¬ fluß an Eisenbahnangestellten herrscht. Österreich soll sichj bereit erklärt haben, 500 Eisenbahner Rumänien zu leihen. Die Verkeh'.suol wirkt auf Lebensmitiel- vcrteilung und -Erzeugung ein. In den Städten Alt-Rumäniens herrscht Leben!" mittelnot. Siebenbürgisches Getreide kommt nur langsam dorthin. Auf den Straßen nach Bukarest und anderen größeren Städten sieht man lange Züge von Bauemfuhrwerteu, die den Güter- und Personentransport übernommen haben und die Eisenbahn ersetzen. An und für sich scheint es ja sehr erfreulich, da» man sich auf diese Weise hilft. Der Nutzen wird jedoch durch den Schaden mcyr nur aufgewogen, sondern bei weitem überboten. Wenn die Bauern neben dem Transport ihre gewöhnliche Tätigkeit fortsetzten! In Rumänien liegen wer Fünftel des Bodens unbestellt. Die Aussaat des Wintergetreides ist unterblieben. Die Bauern haben nur soviel Sommergetreide angebaut, um ihren eigenen ^ darf zu decken. Der Herbst wird für Alt-Rumänien eine geradezu furchtbare Ernährungskrise mit sich bringen, wenn bis dahin nicht umfassende Gegenma߬ nahmen getroffen sind. Ein Schicksal, das Rumänien schon jetzt hätte erleiden müssen, wenn nicht deutsche Soldaten vor ihrem Rückzüge 1918 den Boden be¬ stellt hätten. Diese Erscheinung beschränkt sich glücklicherweise auf Alt-Rumänien In Siebenbürgen und den übrigen neugewonnenen Landesteilen ist das Lano wie gewöhnlich bebaut. i) Siehe Rumänien von Menemus, Grenzboien Ur. 48 vom 28. Mai t919.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/112>, abgerufen am 22.07.2024.