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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Dos Raxxsche Abenteuer

Wäre, worauf Karmann erwiderte: diese Autoritäten verfügten doch wohl nicht
über das amtliche Nachrichtenmaterial. Auf die weiteren Einwände, der
.Reichskanzler" wäre zurzeit zu sehr beschäftigt, usw.. erinnere ich mich im
höchsten Zorn ausgerufen zu haben: Wenn der "Reichskanzler" nicht binnen
Mei Minuten die Karmannsche Meldung erhielte, so wäre das ein Verbrechen,
"ut wenn sich niemand fände, den Haupimann anzumelden, so müsse er eben
unangemeldet eintreten. Karmann verlangte sofort dienstliche Anmeldung und
entfernte sich dann selbständig in der Richtung auf die Kapvschen Gemächer.

Erst einen Tag später habe ich erfahren, daß es dem Erzverschwb'rer
Pabst doch noch gelungen ist. den Hauptmann Karmann an diesem Sonntag
Kbend vom "Reichskanzler" und damit den "Reichskanzler" von der Wahrheit
abzusperren. Als Kapp an jenem Sonntag abend einige Zeit nach Karmauns
Verschwinden den Saal betrat, in dem wir uns befanden, versuchte ich an
Kapp heranzutreten. Dazu ermutigte mich die Bemerkung, die mir Trotha
drin Verlassen der "Kabinettssitzung" machte, er hätte in der Sitzung alle
Einwände zwar veroeblich vorgebracht- hielte aber Kapp sür Vorstellungen nicht
tur unzugänglich. Indes vertrat mir Schiele den Weg und ermahnte mich,
d-n überlasteten "Reichskanzler" zu schonen. Um mich als Privatperson mcyt
an'Zudrängen. unterließ ich diesen Schritt in der Annahme, daß Kapp durch
Karmann ja vollständig aufgeklärt wäre. Jedoch glaubte ich mich verpflichtet.
Offiziere der Sicherheitswehr, welche sich in der Reichskanzlei befanden,
lofort davon zu unterrichten, daß die Sache Kapps. zu welcher sie verführt
worden wären, eine verlorene wäre. Ich stellt- den Herren anheim, dem Chef der
Berlin Sicherheitswehr Meldung zu erstatten, damit diese möglichst bald zur alten
Regierung zurückkehre. Ich hoffte hierdurch, einen entsprechenden Druck "uf
die Kappleute auszuüben. Danach suchte ich Fühlung mit den Unterstaatt-
sekretären verschiedener Reichsämter, die sich einige Stunden vorher dahin ver¬
eidigt hatten, die Kappregierung abzulehnen. Auch von dieser Seite erhoffte
^1 einen schleunigen Druck auf die Kappregierung. In die Reichskanzler
ö"ückgekchrt. würd- ich wegen meiner "aufwieglerischen" Betätigung unter der
Sich,'rheitswehr zur Rede gestellt, ebenso wie die aufgeregten Herren des der¬
jenigen Lüitwitzstabes. lauter verabschiedete Offiziere, gegen Hauptmann Kac-
wo-um die Drohung der Snspendiemng und Verhaftung ansstteßen. ^edocy
blieb es bei bloßen Worten. Ich konnte nicht umhin, die mich verhörenden
Herren darauf hinzuweisen, daß eine richtige Nevolutionsregierung much una
l'em Vorgefallenen zweifellos an die Wand stellen würde, wahrend ihre
dankenswert verbindliche Umgangöform mir zeigte, daß sie zwar sehr nette
Mensch-n, aber keine Negierung wären.

In der Tat war der hervorstechendste Eindruck, den man in der Reichs¬
kanzlei empfing, das Vorwalten von Elementen von guter Kinderstube und
vornehmer Gesinnung, denen nur ihre ohnehin geringe Kenntnis der wirklichen
Verhältnisse noch durch die Verbitterung über vermeintlich erlittenes Unrecht


Dos Raxxsche Abenteuer

Wäre, worauf Karmann erwiderte: diese Autoritäten verfügten doch wohl nicht
über das amtliche Nachrichtenmaterial. Auf die weiteren Einwände, der
.Reichskanzler" wäre zurzeit zu sehr beschäftigt, usw.. erinnere ich mich im
höchsten Zorn ausgerufen zu haben: Wenn der „Reichskanzler" nicht binnen
Mei Minuten die Karmannsche Meldung erhielte, so wäre das ein Verbrechen,
"ut wenn sich niemand fände, den Haupimann anzumelden, so müsse er eben
unangemeldet eintreten. Karmann verlangte sofort dienstliche Anmeldung und
entfernte sich dann selbständig in der Richtung auf die Kapvschen Gemächer.

Erst einen Tag später habe ich erfahren, daß es dem Erzverschwb'rer
Pabst doch noch gelungen ist. den Hauptmann Karmann an diesem Sonntag
Kbend vom „Reichskanzler" und damit den „Reichskanzler" von der Wahrheit
abzusperren. Als Kapp an jenem Sonntag abend einige Zeit nach Karmauns
Verschwinden den Saal betrat, in dem wir uns befanden, versuchte ich an
Kapp heranzutreten. Dazu ermutigte mich die Bemerkung, die mir Trotha
drin Verlassen der „Kabinettssitzung" machte, er hätte in der Sitzung alle
Einwände zwar veroeblich vorgebracht- hielte aber Kapp sür Vorstellungen nicht
tur unzugänglich. Indes vertrat mir Schiele den Weg und ermahnte mich,
d-n überlasteten „Reichskanzler" zu schonen. Um mich als Privatperson mcyt
an'Zudrängen. unterließ ich diesen Schritt in der Annahme, daß Kapp durch
Karmann ja vollständig aufgeklärt wäre. Jedoch glaubte ich mich verpflichtet.
Offiziere der Sicherheitswehr, welche sich in der Reichskanzlei befanden,
lofort davon zu unterrichten, daß die Sache Kapps. zu welcher sie verführt
worden wären, eine verlorene wäre. Ich stellt- den Herren anheim, dem Chef der
Berlin Sicherheitswehr Meldung zu erstatten, damit diese möglichst bald zur alten
Regierung zurückkehre. Ich hoffte hierdurch, einen entsprechenden Druck «uf
die Kappleute auszuüben. Danach suchte ich Fühlung mit den Unterstaatt-
sekretären verschiedener Reichsämter, die sich einige Stunden vorher dahin ver¬
eidigt hatten, die Kappregierung abzulehnen. Auch von dieser Seite erhoffte
^1 einen schleunigen Druck auf die Kappregierung. In die Reichskanzler
ö"ückgekchrt. würd- ich wegen meiner „aufwieglerischen" Betätigung unter der
Sich,'rheitswehr zur Rede gestellt, ebenso wie die aufgeregten Herren des der¬
jenigen Lüitwitzstabes. lauter verabschiedete Offiziere, gegen Hauptmann Kac-
wo-um die Drohung der Snspendiemng und Verhaftung ansstteßen. ^edocy
blieb es bei bloßen Worten. Ich konnte nicht umhin, die mich verhörenden
Herren darauf hinzuweisen, daß eine richtige Nevolutionsregierung much una
l'em Vorgefallenen zweifellos an die Wand stellen würde, wahrend ihre
dankenswert verbindliche Umgangöform mir zeigte, daß sie zwar sehr nette
Mensch-n, aber keine Negierung wären.

In der Tat war der hervorstechendste Eindruck, den man in der Reichs¬
kanzlei empfing, das Vorwalten von Elementen von guter Kinderstube und
vornehmer Gesinnung, denen nur ihre ohnehin geringe Kenntnis der wirklichen
Verhältnisse noch durch die Verbitterung über vermeintlich erlittenes Unrecht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/351>, abgerufen am 21.12.2024.