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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Das Rappsche Abenteuer

Anwesenden pflichteten Seeckt bei. Nur General Reinhardt wünschte an seinem
im Laufe des Tages ergangenen strengen Befehl, daß auf die Aufrührer ge¬
schossen werden müsse, festzuhalten. Ihm stimmte der Pressechef in der Reichs¬
kanzlei, Ulrich Rauscher, zu. Major v. Gilsa, vom persönlichen Stäbe Rostes,
meinte zwar auch, daß es zum Kampf nicht kommen könnte. Er empfahl
aber, auf alle Fülle das Ultimatum abzulehnen, in der Hoffnung, daß die
Schwere der Entscheidung die Verschwörer doch noch zurückschrecken würde.
Roste selbst schwankte zwischen widerstreitenden Empfindungen, Er äußerte,
heute bräche bei ihm der Respekt zusammen, den er vor dem Offizierskorps
gehabt hätte. Zum zweiten Male stürze die Marine Deutschland ins Unglück,
Trotha erwiderte: Die Sache wäre den Weg gegangen, den er befürchtet hätte,
als jener Befehl gegeben wurde. Roste rief aus: Am liebsten würde er den
Revolver gegen sich selber kehren, so fühle er sich in seinein Vertrauen betrogen.
Er trat dem Standpunkt Reinhardts und v. Gilsas bei,, uicht zu verhandeln;
denn das würde einen Vorgang schaffen, der schließlich jedem Brigade-General
das Recht verliehe, mit der Negierung auf gleichem Fuß zu verkehren, ähnlich
wie das die Gewerkschaften usw. tun oder doch tun mochten. (Die Revolution
hatte zwar die Köpfe etwas verwirrt und außerdem allen Deutschen das
Koalitionsrecht verliehen; jedoch denen, welche der Staat zu seinem eigenen
Schlitz mit Waffen ausstattete. waren notwendige Grenzen gezogen.)
Es sollte nun über diese Frage in der Reichskanzlei ein Entschluß gefaßt
werden. Um ^/->4 Uhr kamen Ebert und der Reichskanzler Bauer mit Roste
in der Reichskanzlei zusammen. Ebert erklärte, daß es seinem persönlichen
Empfinden widerstrebte, mit Aufrührern zu verhandeln, bemerkte jedoch, daß
die Entscheidung nicht seine, sondern Sache des Kabinetts wäre. Die Forde¬
rungen der Aufrührer hatten zwar inhaltlich an sich nichts Ungeheuerliches; es
sind vielleicht die bescheidensten Forderungen, die Umstürzler jemals gestellt
habend) Aber die Form des bewaffneten Ultimatums trieb den tief beleidigten
und in der Nacht aus den Betten gejagten Ministern das Blut in die Schläfe-
Das um 4 Uhr nachts zusammengerufene Kabinett entschied sich ohne ernsthafte
Meinungsverschiedenheit augenblicklich gegen irgendwelches Verhandeln mit den
Aufrührern, und angesichts der Unwahrscheinlichkett eines erfolgreichen Wider¬
standes für ein sofortiges Verlassen Berlins. Damit war der Schießerlab
gegenstandslos geworden. Er wurde aufgehoben und die Berliner Militär¬
behörden angewiesen, keinen Widerstand zu leisten. Man befahl, daß die
Truppen sich sämtlich in die Kasernen zurückzögen. Als die Brigade Ehrhardt
einmarschierte, waren die Regierungsmitglieder mit Ausnahme von Schiffer.
Schlicke und Schmidt schon im Auto auf dem Wege ucich Dresdens. Dieses




-) Das "Berliner Tageblatt" vom 24, März schreibt: "Es ergab sich, daß di-
Mehlheitsparteien in den Politischen Forderungen, die die Putschisten als Vorwand der
Retwlte ausgegeben hatten, tatsächlich übereinstimmten,"
2) Koch und Gehler benutzten den Schnellzug.
Das Rappsche Abenteuer

Anwesenden pflichteten Seeckt bei. Nur General Reinhardt wünschte an seinem
im Laufe des Tages ergangenen strengen Befehl, daß auf die Aufrührer ge¬
schossen werden müsse, festzuhalten. Ihm stimmte der Pressechef in der Reichs¬
kanzlei, Ulrich Rauscher, zu. Major v. Gilsa, vom persönlichen Stäbe Rostes,
meinte zwar auch, daß es zum Kampf nicht kommen könnte. Er empfahl
aber, auf alle Fülle das Ultimatum abzulehnen, in der Hoffnung, daß die
Schwere der Entscheidung die Verschwörer doch noch zurückschrecken würde.
Roste selbst schwankte zwischen widerstreitenden Empfindungen, Er äußerte,
heute bräche bei ihm der Respekt zusammen, den er vor dem Offizierskorps
gehabt hätte. Zum zweiten Male stürze die Marine Deutschland ins Unglück,
Trotha erwiderte: Die Sache wäre den Weg gegangen, den er befürchtet hätte,
als jener Befehl gegeben wurde. Roste rief aus: Am liebsten würde er den
Revolver gegen sich selber kehren, so fühle er sich in seinein Vertrauen betrogen.
Er trat dem Standpunkt Reinhardts und v. Gilsas bei,, uicht zu verhandeln;
denn das würde einen Vorgang schaffen, der schließlich jedem Brigade-General
das Recht verliehe, mit der Negierung auf gleichem Fuß zu verkehren, ähnlich
wie das die Gewerkschaften usw. tun oder doch tun mochten. (Die Revolution
hatte zwar die Köpfe etwas verwirrt und außerdem allen Deutschen das
Koalitionsrecht verliehen; jedoch denen, welche der Staat zu seinem eigenen
Schlitz mit Waffen ausstattete. waren notwendige Grenzen gezogen.)
Es sollte nun über diese Frage in der Reichskanzlei ein Entschluß gefaßt
werden. Um ^/->4 Uhr kamen Ebert und der Reichskanzler Bauer mit Roste
in der Reichskanzlei zusammen. Ebert erklärte, daß es seinem persönlichen
Empfinden widerstrebte, mit Aufrührern zu verhandeln, bemerkte jedoch, daß
die Entscheidung nicht seine, sondern Sache des Kabinetts wäre. Die Forde¬
rungen der Aufrührer hatten zwar inhaltlich an sich nichts Ungeheuerliches; es
sind vielleicht die bescheidensten Forderungen, die Umstürzler jemals gestellt
habend) Aber die Form des bewaffneten Ultimatums trieb den tief beleidigten
und in der Nacht aus den Betten gejagten Ministern das Blut in die Schläfe-
Das um 4 Uhr nachts zusammengerufene Kabinett entschied sich ohne ernsthafte
Meinungsverschiedenheit augenblicklich gegen irgendwelches Verhandeln mit den
Aufrührern, und angesichts der Unwahrscheinlichkett eines erfolgreichen Wider¬
standes für ein sofortiges Verlassen Berlins. Damit war der Schießerlab
gegenstandslos geworden. Er wurde aufgehoben und die Berliner Militär¬
behörden angewiesen, keinen Widerstand zu leisten. Man befahl, daß die
Truppen sich sämtlich in die Kasernen zurückzögen. Als die Brigade Ehrhardt
einmarschierte, waren die Regierungsmitglieder mit Ausnahme von Schiffer.
Schlicke und Schmidt schon im Auto auf dem Wege ucich Dresdens. Dieses




-) Das „Berliner Tageblatt" vom 24, März schreibt: „Es ergab sich, daß di-
Mehlheitsparteien in den Politischen Forderungen, die die Putschisten als Vorwand der
Retwlte ausgegeben hatten, tatsächlich übereinstimmten,"
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/340>, abgerufen am 28.07.2024.