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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Hctzpolitik -- Aufbaupolitik

gierungsgewalt, die sich auf ein anderes Recht stützte, als da? der gelungenen
Revolution, gehalten durch den persönlichen Mut eines Roste, der die Militär¬
gewalt handhabte. Der Pulses ist die revolutionäre Auflehnung gegen jenes
Unrecht gewesen und muß uns der Revolutionsphilosophie heraus in erster
Linie deshalb verdammt werden, weil er keinen Erfolg hatte, daS heißt, weil
er das Unrecht nicht zu beseitigen vermochte. In den? Vorhandenseil: der Re¬
gierung Ebert-Bauer-Erzberger liegen also die Wurzeln des Putsches. Er war
emporgewachsen auf dem Boden der Unzufriedenheit, die sich unter dem Druck
des Nevolutionsrechts wegen dessen Ungerechtigkeit angesammelt hat; er ist
daneben ein Protest aller jener Elemente, die von der demokratischen Regierung
dea-gwö'but, verfolgt, unterdrückt und verunglimpft wurden, weil sie ihren alten
Väterglauben nicht abschwören und weder in Herrn Erzberger noch Herrn Hirsch
vertrauenswürdige Staatslenker anerkennen können. Zu den Gefühlen dieser
gesellte sich die Wut und die Sorge jener, die nach der November-Revolution
von 1918 in den Osten des deutschen Vaterlandes, ins Baltikum und nach
Litauen geeilt waren, um unbekümmert um Staats- und Regierungsform,
vor allem das Deutschtum gegen die im Sturm des Bolschewismus heran¬
brausende slawische Flut zu erhalten. Sie, denen allerhand Existenzniöglich-
keiten vorgespiegelt worden waren, die die glorreiche Nevolutionsregicrung nicht
zu erfüllen vermochte, wurden für ihre Tapferkeit verleumdet und verunglimpft
als Landesverräter und Verräter am Deutschtum I Sollten die Machthaber
wirklich nicht geahnt haben, welches unheimliche Feuer sie schürten, als ihnen
keine Verdächtigung zu gemein war, an diese völlig unpolitischen Soldaten in
den Augen der Heimat herabzusetzen!? Solange wurden die sogenannten
Baltikumtruppen mit Dreck beworfen und denunziert, bis sie, in ihrer Loyalität
gegen die Heimat erschüttert, die Beute jener Desperados und verantwortungs¬
losen Auchpolitiker werden konnten, die am Freitag das Aufnchrzeichen ab¬
brannten. Und diese Desperados? Die gerichtliche Untersuchung wird zeigen,
was für Gestalten am Feuer der allgemeinen Unzufriedenheit ihre Suppen
kochten, von wem die politischen Kinder im Soldatenrock sich haben verführen
lassen, zu einer, wie sie glaubten, die Nation befreienden Tat. und vor wein
letzten Endes die Regierungsmänner im ersten Tagesgrauen des Sonnabends
ausgerissen sind.

Was im einzelnen während der "Diktatur Bauer-Kapp" geschehen ist.
mird weiter unten von sachkundiger Seite erzählt. Hier sei das Geschehen als
Ganzes betrachtet und beurteilt. Nur soviel zum Verständnis! am Freitag
berichtet B. Z. am Mittag die Verhaftung von Kapp, Hauptmann Pabst und
den Schriftstellern Schnitzler und Grabowski; am Sonnabend früh verlassen die
"Führer des deutschen Volks" Bauer, Roste, Müller e tutti qrmnti ihre Ämter
und flüchten zuerst zu ihrem Freunde Graduauer nach Dresden und dann schnell
weiter nach Stuttgart, weil -- die Döberitzer Truppen an der Peripherie von
Charlottenburg erschienen sind. Berlin ist in den Morgenstunden des Sonnabend


Hctzpolitik — Aufbaupolitik

gierungsgewalt, die sich auf ein anderes Recht stützte, als da? der gelungenen
Revolution, gehalten durch den persönlichen Mut eines Roste, der die Militär¬
gewalt handhabte. Der Pulses ist die revolutionäre Auflehnung gegen jenes
Unrecht gewesen und muß uns der Revolutionsphilosophie heraus in erster
Linie deshalb verdammt werden, weil er keinen Erfolg hatte, daS heißt, weil
er das Unrecht nicht zu beseitigen vermochte. In den? Vorhandenseil: der Re¬
gierung Ebert-Bauer-Erzberger liegen also die Wurzeln des Putsches. Er war
emporgewachsen auf dem Boden der Unzufriedenheit, die sich unter dem Druck
des Nevolutionsrechts wegen dessen Ungerechtigkeit angesammelt hat; er ist
daneben ein Protest aller jener Elemente, die von der demokratischen Regierung
dea-gwö'but, verfolgt, unterdrückt und verunglimpft wurden, weil sie ihren alten
Väterglauben nicht abschwören und weder in Herrn Erzberger noch Herrn Hirsch
vertrauenswürdige Staatslenker anerkennen können. Zu den Gefühlen dieser
gesellte sich die Wut und die Sorge jener, die nach der November-Revolution
von 1918 in den Osten des deutschen Vaterlandes, ins Baltikum und nach
Litauen geeilt waren, um unbekümmert um Staats- und Regierungsform,
vor allem das Deutschtum gegen die im Sturm des Bolschewismus heran¬
brausende slawische Flut zu erhalten. Sie, denen allerhand Existenzniöglich-
keiten vorgespiegelt worden waren, die die glorreiche Nevolutionsregicrung nicht
zu erfüllen vermochte, wurden für ihre Tapferkeit verleumdet und verunglimpft
als Landesverräter und Verräter am Deutschtum I Sollten die Machthaber
wirklich nicht geahnt haben, welches unheimliche Feuer sie schürten, als ihnen
keine Verdächtigung zu gemein war, an diese völlig unpolitischen Soldaten in
den Augen der Heimat herabzusetzen!? Solange wurden die sogenannten
Baltikumtruppen mit Dreck beworfen und denunziert, bis sie, in ihrer Loyalität
gegen die Heimat erschüttert, die Beute jener Desperados und verantwortungs¬
losen Auchpolitiker werden konnten, die am Freitag das Aufnchrzeichen ab¬
brannten. Und diese Desperados? Die gerichtliche Untersuchung wird zeigen,
was für Gestalten am Feuer der allgemeinen Unzufriedenheit ihre Suppen
kochten, von wem die politischen Kinder im Soldatenrock sich haben verführen
lassen, zu einer, wie sie glaubten, die Nation befreienden Tat. und vor wein
letzten Endes die Regierungsmänner im ersten Tagesgrauen des Sonnabends
ausgerissen sind.

Was im einzelnen während der „Diktatur Bauer-Kapp" geschehen ist.
mird weiter unten von sachkundiger Seite erzählt. Hier sei das Geschehen als
Ganzes betrachtet und beurteilt. Nur soviel zum Verständnis! am Freitag
berichtet B. Z. am Mittag die Verhaftung von Kapp, Hauptmann Pabst und
den Schriftstellern Schnitzler und Grabowski; am Sonnabend früh verlassen die
„Führer des deutschen Volks" Bauer, Roste, Müller e tutti qrmnti ihre Ämter
und flüchten zuerst zu ihrem Freunde Graduauer nach Dresden und dann schnell
weiter nach Stuttgart, weil — die Döberitzer Truppen an der Peripherie von
Charlottenburg erschienen sind. Berlin ist in den Morgenstunden des Sonnabend


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[0328] Hctzpolitik — Aufbaupolitik gierungsgewalt, die sich auf ein anderes Recht stützte, als da? der gelungenen Revolution, gehalten durch den persönlichen Mut eines Roste, der die Militär¬ gewalt handhabte. Der Pulses ist die revolutionäre Auflehnung gegen jenes Unrecht gewesen und muß uns der Revolutionsphilosophie heraus in erster Linie deshalb verdammt werden, weil er keinen Erfolg hatte, daS heißt, weil er das Unrecht nicht zu beseitigen vermochte. In den? Vorhandenseil: der Re¬ gierung Ebert-Bauer-Erzberger liegen also die Wurzeln des Putsches. Er war emporgewachsen auf dem Boden der Unzufriedenheit, die sich unter dem Druck des Nevolutionsrechts wegen dessen Ungerechtigkeit angesammelt hat; er ist daneben ein Protest aller jener Elemente, die von der demokratischen Regierung dea-gwö'but, verfolgt, unterdrückt und verunglimpft wurden, weil sie ihren alten Väterglauben nicht abschwören und weder in Herrn Erzberger noch Herrn Hirsch vertrauenswürdige Staatslenker anerkennen können. Zu den Gefühlen dieser gesellte sich die Wut und die Sorge jener, die nach der November-Revolution von 1918 in den Osten des deutschen Vaterlandes, ins Baltikum und nach Litauen geeilt waren, um unbekümmert um Staats- und Regierungsform, vor allem das Deutschtum gegen die im Sturm des Bolschewismus heran¬ brausende slawische Flut zu erhalten. Sie, denen allerhand Existenzniöglich- keiten vorgespiegelt worden waren, die die glorreiche Nevolutionsregicrung nicht zu erfüllen vermochte, wurden für ihre Tapferkeit verleumdet und verunglimpft als Landesverräter und Verräter am Deutschtum I Sollten die Machthaber wirklich nicht geahnt haben, welches unheimliche Feuer sie schürten, als ihnen keine Verdächtigung zu gemein war, an diese völlig unpolitischen Soldaten in den Augen der Heimat herabzusetzen!? Solange wurden die sogenannten Baltikumtruppen mit Dreck beworfen und denunziert, bis sie, in ihrer Loyalität gegen die Heimat erschüttert, die Beute jener Desperados und verantwortungs¬ losen Auchpolitiker werden konnten, die am Freitag das Aufnchrzeichen ab¬ brannten. Und diese Desperados? Die gerichtliche Untersuchung wird zeigen, was für Gestalten am Feuer der allgemeinen Unzufriedenheit ihre Suppen kochten, von wem die politischen Kinder im Soldatenrock sich haben verführen lassen, zu einer, wie sie glaubten, die Nation befreienden Tat. und vor wein letzten Endes die Regierungsmänner im ersten Tagesgrauen des Sonnabends ausgerissen sind. Was im einzelnen während der „Diktatur Bauer-Kapp" geschehen ist. mird weiter unten von sachkundiger Seite erzählt. Hier sei das Geschehen als Ganzes betrachtet und beurteilt. Nur soviel zum Verständnis! am Freitag berichtet B. Z. am Mittag die Verhaftung von Kapp, Hauptmann Pabst und den Schriftstellern Schnitzler und Grabowski; am Sonnabend früh verlassen die „Führer des deutschen Volks" Bauer, Roste, Müller e tutti qrmnti ihre Ämter und flüchten zuerst zu ihrem Freunde Graduauer nach Dresden und dann schnell weiter nach Stuttgart, weil — die Döberitzer Truppen an der Peripherie von Charlottenburg erschienen sind. Berlin ist in den Morgenstunden des Sonnabend

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/328>, abgerufen am 01.09.2024.