Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.wirtschciftsspicgel Bei der Sechsfluudenschicht bleibt dann noch zu beachten, daß die reine In den Kreisen der Bergarbeiterschaft wird nun ständig auf die Arbeitszeit Wiederholt ist von den Bergarbeitern die zurückgehende Leistung unter . Nicht die mindeste Möglichkeit, die Förderung zu steigern, darf ungenutzt Grenzboten I 1920 12
wirtschciftsspicgel Bei der Sechsfluudenschicht bleibt dann noch zu beachten, daß die reine In den Kreisen der Bergarbeiterschaft wird nun ständig auf die Arbeitszeit Wiederholt ist von den Bergarbeitern die zurückgehende Leistung unter . Nicht die mindeste Möglichkeit, die Förderung zu steigern, darf ungenutzt Grenzboten I 1920 12
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0191" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337036"/> <fw type="header" place="top"> wirtschciftsspicgel</fw><lb/> <p xml:id="ID_1740"> Bei der Sechsfluudenschicht bleibt dann noch zu beachten, daß die reine<lb/> Arbciiszcit bedeutend niedriger ist, und zwar kommen in Abzug der Weg zum<lb/> Schacht und zur Arbeitsstelle und zurück, der Aufenthalt für Empfang des Werk¬<lb/> zeugs und der Sprengstoffe, die „Butterpause", die Aussetzung der Arbeit aus<lb/> Bet'riebsrücksichten (beim Sprengen und Schießen), so daß schließlich nur noch<lb/> 4V- Stunden übrig sind. Im Vergleich zur Vorkriegsschicht von 8V2 Stunden<lb/> reiner Arbeitszeit bedeutet dies aber einen Ausfall von 35 Prozent.</p><lb/> <p xml:id="ID_1741"> In den Kreisen der Bergarbeiterschaft wird nun ständig auf die Arbeitszeit<lb/> im englischen Bergbau hingewiesen. Die Kohlenwirtschaft in diesem Lande ist<lb/> jedoch ganz anders geartet als bei uns. England hat die weitaus vorteilhafterer<lb/> wirtschaftlichen Lebensbedingungen und in seinem Bergbau Abbauverhäitnisse, die<lb/> wesentlich günstiger sind als die deutschen. Hierzu kommt, daß es als Sieger<lb/> gilt. Wie liegen nun die wirklichen Verhältnisse in England? Zurzeit arbeiten<lb/> dort die Bergleute Stunden länger als die deutschen. Der englische Berg¬<lb/> mann ist 7°/» Stunden unter Tage, der Nuhrbergmann nach den zurzeit geltenden<lb/> Bestimmungen 7 Stunden. Von Anfang 1921 ab will die englische Bergarbeiter¬<lb/> schaft die Sechsstundcnschicht eingeführt wissen, vorausgesetzt, daß die internationale<lb/> Wirtschaftslage es gestattet! Die geplante englische Sechsfluudenschicht ist aber<lb/> keineswegs identisch mit der von unseren Bergleuten so nachdrücklich verlangten<lb/> SechLstnn)enschicht, Die Engländer nehmen nämlich in Aussicht, daß die Kohlen-<lb/> fürderzeit von 1921 ab 6 Stunden betragen soll. Die Personenförderung ist also<lb/> in die Schicht nicht einbegriffen. Bei den englischen Förderverhältnissen dauert<lb/> die Personenförderung im Durchschnitt je Schicht rund °/4 Stunden. Demnach<lb/> würde also, wenn wirklich von 1921 ab die Schichtverkürzung im englischen Berg¬<lb/> bau Platz griffe, der englische Bergmann bei der gleichen Reihenfolge für Ein-<lb/> und Auffahrt durchschnittlich 0'/« Stunden unter Tage sein. Er würde sich dann<lb/> also nur wenig besser stehen, als der deutsche Bergmann sich schon jetzt bei der<lb/> Siebenstundenschicht steht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1742"> Wiederholt ist von den Bergarbeitern die zurückgehende Leistung unter<lb/> anderem auch auf eine Verminderung der körperlichen Leistungsfähigkeit des<lb/> Einzelnen zurückgeführt worden. Dies ist nur bis zu einem gewissen Grade<lb/> richtig, denn immer mehr machte sich bei der mustergültigen Fürsorge der Zechen<lb/> die Gepflogenheit geltend, nach Beendigung der Schicht in anderen Betrieben<lb/> Arbeit zu suchen und als Konkurrent der anderen Arbeiter aufzutreten. Es wäre<lb/> also ein Hohn auf den Wiederaufbau unserer Volkswirtschaft, wollte man die<lb/> Hand zur Einführung der Sechsstnndenschicht reichen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1743" next="#ID_1744"> . Nicht die mindeste Möglichkeit, die Förderung zu steigern, darf ungenutzt<lb/> bleiben, zumal die Vermehrung der Gesamtbelegschaft in absehbarer Zeit nur<lb/> langsam vor sich gehen kann. Seit Kriegsende hat diese im Ruhrbergbau eine<lb/> Zunahme um etwa 65000 Mann erfahren. Weitere Neueinstellungen veibietet<lb/> rndesfen vorerst die außerordentlich schwierige Wohnungsbeschaffung. Die finanziellen<lb/> Mittel, ihr zu steuern, sind allerdings unlängst durch einen Sonderzuschlag auf<lb/> den Kostenpreis von fünf Mark pro Tonne sicher gestellt worden. Bei der<lb/> trostlosen Lage unseres Baugewerbes wird es indessen noch lange Zeit dauern,<lb/> ins die erforderlichen Neubauten für Arbeiterwohnungen in genügender Zahl<lb/> zur Verfügung stehen. Am 11. Juli 1919 veranstaltete der Bergbauliche Verein<lb/> in Essen bei den ihm angeschlossenen Zechen eine Rundfrage über die Arbeiter-<lb/> Wohnungsverhältnisse. Diese Rundfrage beansprucht besondere Beachtung, da sie<lb/> für 95 Prozent der Gesamtbelegschaft wertvolle Angaben liefert. Die Zahl der<lb/> den Werken zur Verfügung stehenden Wohnungen belief sich in 36592 Häusern<lb/> auf 112826 Wohnungen. Zum Veraleich sei das Ergebnis der Ermittlungen in<lb/> Mlheren Jahren hinzugefügt: 1874: 6045. 1893: 10525. 1900: 26245.<lb/> 1907: 52899. 1912: 81780, 1. März 1914: 94027, 1. Juni 1919: 112326<lb/> Wohnungen. Obwohl in den letzten Jahren die Bautätigkeit fast ganz unter¬<lb/> bunden war. ist demnach doch seit 1. März 1914 noch eine Zunahme um<lb/> 18 800 Wohnungen zu verzeichnen. In den Werkswohnungen waren am</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1920 12</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0191]
wirtschciftsspicgel
Bei der Sechsfluudenschicht bleibt dann noch zu beachten, daß die reine
Arbciiszcit bedeutend niedriger ist, und zwar kommen in Abzug der Weg zum
Schacht und zur Arbeitsstelle und zurück, der Aufenthalt für Empfang des Werk¬
zeugs und der Sprengstoffe, die „Butterpause", die Aussetzung der Arbeit aus
Bet'riebsrücksichten (beim Sprengen und Schießen), so daß schließlich nur noch
4V- Stunden übrig sind. Im Vergleich zur Vorkriegsschicht von 8V2 Stunden
reiner Arbeitszeit bedeutet dies aber einen Ausfall von 35 Prozent.
In den Kreisen der Bergarbeiterschaft wird nun ständig auf die Arbeitszeit
im englischen Bergbau hingewiesen. Die Kohlenwirtschaft in diesem Lande ist
jedoch ganz anders geartet als bei uns. England hat die weitaus vorteilhafterer
wirtschaftlichen Lebensbedingungen und in seinem Bergbau Abbauverhäitnisse, die
wesentlich günstiger sind als die deutschen. Hierzu kommt, daß es als Sieger
gilt. Wie liegen nun die wirklichen Verhältnisse in England? Zurzeit arbeiten
dort die Bergleute Stunden länger als die deutschen. Der englische Berg¬
mann ist 7°/» Stunden unter Tage, der Nuhrbergmann nach den zurzeit geltenden
Bestimmungen 7 Stunden. Von Anfang 1921 ab will die englische Bergarbeiter¬
schaft die Sechsstundcnschicht eingeführt wissen, vorausgesetzt, daß die internationale
Wirtschaftslage es gestattet! Die geplante englische Sechsfluudenschicht ist aber
keineswegs identisch mit der von unseren Bergleuten so nachdrücklich verlangten
SechLstnn)enschicht, Die Engländer nehmen nämlich in Aussicht, daß die Kohlen-
fürderzeit von 1921 ab 6 Stunden betragen soll. Die Personenförderung ist also
in die Schicht nicht einbegriffen. Bei den englischen Förderverhältnissen dauert
die Personenförderung im Durchschnitt je Schicht rund °/4 Stunden. Demnach
würde also, wenn wirklich von 1921 ab die Schichtverkürzung im englischen Berg¬
bau Platz griffe, der englische Bergmann bei der gleichen Reihenfolge für Ein-
und Auffahrt durchschnittlich 0'/« Stunden unter Tage sein. Er würde sich dann
also nur wenig besser stehen, als der deutsche Bergmann sich schon jetzt bei der
Siebenstundenschicht steht.
Wiederholt ist von den Bergarbeitern die zurückgehende Leistung unter
anderem auch auf eine Verminderung der körperlichen Leistungsfähigkeit des
Einzelnen zurückgeführt worden. Dies ist nur bis zu einem gewissen Grade
richtig, denn immer mehr machte sich bei der mustergültigen Fürsorge der Zechen
die Gepflogenheit geltend, nach Beendigung der Schicht in anderen Betrieben
Arbeit zu suchen und als Konkurrent der anderen Arbeiter aufzutreten. Es wäre
also ein Hohn auf den Wiederaufbau unserer Volkswirtschaft, wollte man die
Hand zur Einführung der Sechsstnndenschicht reichen.
. Nicht die mindeste Möglichkeit, die Förderung zu steigern, darf ungenutzt
bleiben, zumal die Vermehrung der Gesamtbelegschaft in absehbarer Zeit nur
langsam vor sich gehen kann. Seit Kriegsende hat diese im Ruhrbergbau eine
Zunahme um etwa 65000 Mann erfahren. Weitere Neueinstellungen veibietet
rndesfen vorerst die außerordentlich schwierige Wohnungsbeschaffung. Die finanziellen
Mittel, ihr zu steuern, sind allerdings unlängst durch einen Sonderzuschlag auf
den Kostenpreis von fünf Mark pro Tonne sicher gestellt worden. Bei der
trostlosen Lage unseres Baugewerbes wird es indessen noch lange Zeit dauern,
ins die erforderlichen Neubauten für Arbeiterwohnungen in genügender Zahl
zur Verfügung stehen. Am 11. Juli 1919 veranstaltete der Bergbauliche Verein
in Essen bei den ihm angeschlossenen Zechen eine Rundfrage über die Arbeiter-
Wohnungsverhältnisse. Diese Rundfrage beansprucht besondere Beachtung, da sie
für 95 Prozent der Gesamtbelegschaft wertvolle Angaben liefert. Die Zahl der
den Werken zur Verfügung stehenden Wohnungen belief sich in 36592 Häusern
auf 112826 Wohnungen. Zum Veraleich sei das Ergebnis der Ermittlungen in
Mlheren Jahren hinzugefügt: 1874: 6045. 1893: 10525. 1900: 26245.
1907: 52899. 1912: 81780, 1. März 1914: 94027, 1. Juni 1919: 112326
Wohnungen. Obwohl in den letzten Jahren die Bautätigkeit fast ganz unter¬
bunden war. ist demnach doch seit 1. März 1914 noch eine Zunahme um
18 800 Wohnungen zu verzeichnen. In den Werkswohnungen waren am
Grenzboten I 1920 12
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