Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Die künftigen Grenzen Deutsch-Gesterreichs in den vier Komitaten umfaßt aber 5379 Quadratkilometer mit 491000 Seelen, Niederösterreich sollte die March an die Tschechen verlieren und damit Das führt uns auf die größte Einbuße Deutsch-Österreichs zurück, den Die künftigen Grenzen Deutsch-Gesterreichs in den vier Komitaten umfaßt aber 5379 Quadratkilometer mit 491000 Seelen, Niederösterreich sollte die March an die Tschechen verlieren und damit Das führt uns auf die größte Einbuße Deutsch-Österreichs zurück, den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0089" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336379"/> <fw type="header" place="top"> Die künftigen Grenzen Deutsch-Gesterreichs</fw><lb/> <p xml:id="ID_286" prev="#ID_285"> in den vier Komitaten umfaßt aber 5379 Quadratkilometer mit 491000 Seelen,<lb/> davon 314 000 Deutschen, 66 000 Kroaten, 98 000 Magyaren. Eine fast<lb/> nirgends an natürliche Linien gebundene, durch einzelne Fixpunkte bestimmte<lb/> Grenze weist den Größten des deutschen Gebiets an Österreich, von dem Rest<lb/> zunächst einige Randgebiete — in allzugroßer Rücksichtnahme auf<lb/> die magyarisiexten Städte und auf gewisse Verkehrswege doch mehr,<lb/> als erwünscht — an Jugoslawien und Ungarn. Ferner fällt Pre߬<lb/> burg an die Tschechen, die aus ihm einen Verkehrsmittelpunkt<lb/> machen wollen. Da sie auch eine nur durch Ungarn gehende Ver¬<lb/> bindung mit Jugoslawien, als Ersatz für den früher erstrebten<lb/> slawischen Korridor zur Adria wünschen, soll auch der wertvolle<lb/> deutsche Osten der Wieselburger Gespanschaft bei Ungarn bleiben.<lb/> Dadurch verliert das von Österreich neu erworbene Gebiet die Möglichkeit, ein<lb/> selbständiges Land zu bilden. Der Süden des schmalen Streifens wird zur<lb/> Steiermark, der Norden zu Niederösterreich gelangen müssen — ein Umstand,<lb/> den die magyarische Gegenagitatiön ausbeutet. Die neue Grenze, die im<lb/> einzelnen noch festgelegt werden muß, ist bis auf kleine Kamm- und Sumpf¬<lb/> strecken durchaus offen. Auch der Vorteil, daß die Staatsgrenze etwas weiter<lb/> von der Hauptstadt entfernt wird, ist gerade an der wichtigsten Stelle, eben<lb/> bei Preßburg, durch das Eingreifen der Tschechen nicht erreicht worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_287"> Niederösterreich sollte die March an die Tschechen verlieren und damit<lb/> jede Beteiligung an einem Donau—Oderkanal. Die widersinnige Grenze, die<lb/> man am 2. Juni zwischen Fluß und Bahn zog. wurde dann fallen gelassen.<lb/> Die Grenze folgt dem Fluß. Auch im Norte» Niederösterreichs verlangten die<lb/> Tschechen wegen kleiner Minderheiten große deutsche Gebiete. Diese Forderung<lb/> wurde zum größten Teile fallen gelassen und es blieben sogar recht unregulierte<lb/> und gewundene Grenzstrecken bestehen. Aber die Tschechen brachten neben ihren<lb/> Sprachinseln und Minderheiten in jenen Gegenden doch auch die demsche Stadt<lb/> Feldsberg und die Querbahn, an der sie liegt, ferner den Bahnhof und die<lb/> Werkstätten des uns verbleibenden Gmünd in ihre Hand, sie legten auch die<lb/> Grenze an diesen Stellen auf günstige Höhen und beherrschen zum Beispiel die<lb/> von Gmünd ausgehende Lokalbahn. Sie haben aber mit dieser ziemlich un¬<lb/> erwarteten Forderung wohl in erster Linie nicht den Zweck verfolgt, die Beute<lb/> zu machen, die ihnen dabei nebenher zufiel, sondern durch eine Gegenforderung<lb/> das Verlangen Deutsch-Österreichs nach dem Böhmerwaldgebiet, Neubistritz und<lb/> Deutschsüdmähren rasch zu Fall zu bringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_288" next="#ID_289"> Das führt uns auf die größte Einbuße Deutsch-Österreichs zurück, den<lb/> Verlust der Sudetenländer. Geographisch hängen sie mit den Ostalpen- und<lb/> Donauländern so wenig zusammen, daß das Kartenbild des jungen Staates<lb/> geradezu phantastisch aussah. Die geographischen und historischen Argumente<lb/> der Tschechen mußten bei der Entente, die nicht Völkerfriedens-, sondern Kriegs-<lb/> gedanken im Auge hat und Wert auf „gute Grenzen" ihrer Freunde legt, um<lb/> so durchschlagender fein, als die Sprachgrenze an sich offen und gewunden<lb/> genug ist. Ein schlagender Einwand hätte sich nur dann ergeben, wenn die<lb/> Vertreter der deutschen Randgebiete der Lehre von der hydrographischen, geo¬<lb/> graphischen und wirtschaftlichen Einheit der Böhmischen Krone ihre engen<lb/> nationalen, kulturellen, verkehrsgeographischen und wirtschaftlichen Beziehungen<lb/> ZU den deutschen Nachbarländern Bayern. Sachsen. Schlesien entgegengestellt<lb/> Hütten — und nicht theoretisch, sondern durch die Tat. Der Anschluß Deutsch-<lb/> Österreichs in getrennten Teilen an das Deutsche Reich hätte — das erkennen<lb/> wir leider erst jetzt mit voller Deutlichkeit — allein den Verlust dieser Gebiete</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0089]
Die künftigen Grenzen Deutsch-Gesterreichs
in den vier Komitaten umfaßt aber 5379 Quadratkilometer mit 491000 Seelen,
davon 314 000 Deutschen, 66 000 Kroaten, 98 000 Magyaren. Eine fast
nirgends an natürliche Linien gebundene, durch einzelne Fixpunkte bestimmte
Grenze weist den Größten des deutschen Gebiets an Österreich, von dem Rest
zunächst einige Randgebiete — in allzugroßer Rücksichtnahme auf
die magyarisiexten Städte und auf gewisse Verkehrswege doch mehr,
als erwünscht — an Jugoslawien und Ungarn. Ferner fällt Pre߬
burg an die Tschechen, die aus ihm einen Verkehrsmittelpunkt
machen wollen. Da sie auch eine nur durch Ungarn gehende Ver¬
bindung mit Jugoslawien, als Ersatz für den früher erstrebten
slawischen Korridor zur Adria wünschen, soll auch der wertvolle
deutsche Osten der Wieselburger Gespanschaft bei Ungarn bleiben.
Dadurch verliert das von Österreich neu erworbene Gebiet die Möglichkeit, ein
selbständiges Land zu bilden. Der Süden des schmalen Streifens wird zur
Steiermark, der Norden zu Niederösterreich gelangen müssen — ein Umstand,
den die magyarische Gegenagitatiön ausbeutet. Die neue Grenze, die im
einzelnen noch festgelegt werden muß, ist bis auf kleine Kamm- und Sumpf¬
strecken durchaus offen. Auch der Vorteil, daß die Staatsgrenze etwas weiter
von der Hauptstadt entfernt wird, ist gerade an der wichtigsten Stelle, eben
bei Preßburg, durch das Eingreifen der Tschechen nicht erreicht worden.
Niederösterreich sollte die March an die Tschechen verlieren und damit
jede Beteiligung an einem Donau—Oderkanal. Die widersinnige Grenze, die
man am 2. Juni zwischen Fluß und Bahn zog. wurde dann fallen gelassen.
Die Grenze folgt dem Fluß. Auch im Norte» Niederösterreichs verlangten die
Tschechen wegen kleiner Minderheiten große deutsche Gebiete. Diese Forderung
wurde zum größten Teile fallen gelassen und es blieben sogar recht unregulierte
und gewundene Grenzstrecken bestehen. Aber die Tschechen brachten neben ihren
Sprachinseln und Minderheiten in jenen Gegenden doch auch die demsche Stadt
Feldsberg und die Querbahn, an der sie liegt, ferner den Bahnhof und die
Werkstätten des uns verbleibenden Gmünd in ihre Hand, sie legten auch die
Grenze an diesen Stellen auf günstige Höhen und beherrschen zum Beispiel die
von Gmünd ausgehende Lokalbahn. Sie haben aber mit dieser ziemlich un¬
erwarteten Forderung wohl in erster Linie nicht den Zweck verfolgt, die Beute
zu machen, die ihnen dabei nebenher zufiel, sondern durch eine Gegenforderung
das Verlangen Deutsch-Österreichs nach dem Böhmerwaldgebiet, Neubistritz und
Deutschsüdmähren rasch zu Fall zu bringen.
Das führt uns auf die größte Einbuße Deutsch-Österreichs zurück, den
Verlust der Sudetenländer. Geographisch hängen sie mit den Ostalpen- und
Donauländern so wenig zusammen, daß das Kartenbild des jungen Staates
geradezu phantastisch aussah. Die geographischen und historischen Argumente
der Tschechen mußten bei der Entente, die nicht Völkerfriedens-, sondern Kriegs-
gedanken im Auge hat und Wert auf „gute Grenzen" ihrer Freunde legt, um
so durchschlagender fein, als die Sprachgrenze an sich offen und gewunden
genug ist. Ein schlagender Einwand hätte sich nur dann ergeben, wenn die
Vertreter der deutschen Randgebiete der Lehre von der hydrographischen, geo¬
graphischen und wirtschaftlichen Einheit der Böhmischen Krone ihre engen
nationalen, kulturellen, verkehrsgeographischen und wirtschaftlichen Beziehungen
ZU den deutschen Nachbarländern Bayern. Sachsen. Schlesien entgegengestellt
Hütten — und nicht theoretisch, sondern durch die Tat. Der Anschluß Deutsch-
Österreichs in getrennten Teilen an das Deutsche Reich hätte — das erkennen
wir leider erst jetzt mit voller Deutlichkeit — allein den Verlust dieser Gebiete
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