Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Zum Betriebsrätegesetz Interessen und ihrer Mitwirkung an der Hebung der Produktion in den Betrieben Die Arbeitgebermitglieder der Kommission bedauern unter diesen Umständen Sehr warm nimmt sich die sozialdemokratische Partei des Betriebsräte¬ Blicken wir nun nach Nußland, wo die Betriebsräte zum Zusammenbruch Der sozialpolitische Ausschuß der Nationalversammlung, dem das Betriebs- Zum Betriebsrätegesetz Interessen und ihrer Mitwirkung an der Hebung der Produktion in den Betrieben Die Arbeitgebermitglieder der Kommission bedauern unter diesen Umständen Sehr warm nimmt sich die sozialdemokratische Partei des Betriebsräte¬ Blicken wir nun nach Nußland, wo die Betriebsräte zum Zusammenbruch Der sozialpolitische Ausschuß der Nationalversammlung, dem das Betriebs- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0069" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336359"/> <fw type="header" place="top"> Zum Betriebsrätegesetz</fw><lb/> <p xml:id="ID_223" prev="#ID_222"> Interessen und ihrer Mitwirkung an der Hebung der Produktion in den Betrieben<lb/> verwirklichen sollte, um dadurch die Arbeitslust zu heben und den augenblicklichen<lb/> niedrigen Stand der produktiven Leistungen der Beiriebe wieder auf eine normale<lb/> Höhe zu bringen, in der vorliegenden Fassung das erflehte Ziel nicht erreichen,<lb/> sondern im Gegenteil die Beunruhigung und die Kämpfe in den Betrieben noch<lb/> weiter vermehren wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_224"> Die Arbeitgebermitglieder der Kommission bedauern unter diesen Umständen<lb/> eine Verantwortung für den Inhalt des so gefaßten Entwurfs ihrerseits nicht<lb/> übernehmen zu können, und müssen sich die Stellungnahme zu der demnächstigen<lb/> Vorlage an die Nationalversammlung nach jeder Richtung vorbehalten."</p><lb/> <p xml:id="ID_225"> Sehr warm nimmt sich die sozialdemokratische Partei des Betriebsräte¬<lb/> gesetzes an. In einer Entschließung, die kürzlich in verschiedenen Versammlungen<lb/> der Groß-Berliner sozialdemokratischen Fraktion vorgelegt wurde, kam folgendes<lb/> zum Ausdruck: „Wir erblicken in dem Betriebsrütegesetz den ersten Schritt zur<lb/> Befreiung der Arbeitsleistung von der dienstherrlichen Untertänigkeit des Kapitals.<lb/> Die Betriebsräte bilden den erstenSchritt, um dasWirtschaftslebenzudemotratisieren."</p><lb/> <p xml:id="ID_226"> Blicken wir nun nach Nußland, wo die Betriebsräte zum Zusammenbruch<lb/> der Wirtschaftsverhältnisse geführt haben. Dort strengen sich die führenden Organe<lb/> an, um Maßregeln zu treffen, die es ermöglichen, eine gewisse Ordnung in den<lb/> Fabrikbetrieb hineinzubringen, um die Arbeitsdisziplin und Produktivität zu heben.<lb/> Es führen diese Maßregeln jedoch nicht zum Ziel, da die Hausordnung in den<lb/> Fabriken seitens der Betriebsräte festgesetzt wird, die Verantwortung für den<lb/> regelrechten Gang des Betriebes aber auf den Direktionen lastet, die machtlos<lb/> sind, die Vorschriften in die Praxis umzusetzen. Hierdurch entsteht die große Un¬<lb/> ordnung, die allmählich mit tätlicher Sicherheit das Unternehmen dem Starrkrampfe<lb/> zutreibt. Klar und deutlich kann man in Rußland erkennen, daß die Betriebsräte<lb/> lediglich .Mrchturmspolitik treiben und nur bestrebt sind, ihre eigene Stellung zu<lb/> halten. Sie sind deshalb stets den Arbeitern gegenüber zum Nachgeben bereit,<lb/> ihre Entscheidungen fallen daher immer nur einseitig aus und da eine Berufung<lb/> dagegen nicht möglich ist, so wird die Organisation des Betriebes durch die<lb/> Tätigkeit des Betriebsrats unterwühlt. In all den Füllen, in denen der Be¬<lb/> triebsrat den Standpunkt ändert, kaufmännisch vorgeht, von den Arbeitern Pflicht¬<lb/> erfüllung zu verlangen beginnt, sind seine Stunden gezählt. Ähnliche Gefahren<lb/> drohen uns von dem vorliegenden Gesetzentwurf.</p><lb/> <p xml:id="ID_227"> Der sozialpolitische Ausschuß der Nationalversammlung, dem das Betriebs-<lb/> rätegcsetz überwiesen ist, hat seine Arbeiten bereits aufgenommen. Eine schwere<lb/> Verantwortung lastet auf ihm. Wenn Reichsarbeitsminister Schlicke glaubt, daß<lb/> der Wiederaufbau unserer Volkswirtschaft auf dem neuen Wege möglich sei, so<lb/> soll dem entgegengehalten werden, daß es zweckmäßiger gewesen wäre, die Arbeits¬<lb/> gemeinschaft der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer<lb/> Deutschlands zum Ausgangspunkt der Lösung der gewaltigen uns harrenden<lb/> volkswirtschaftlichen Probleme zu machen. Karl Friedrich v. Siemers wies<lb/> kürzlich darauf hin, daß die deutsche Industrie aufs schwerste enttäuscht worden<lb/> sei. Die deutsche Wirtschaft ruhte bis heute auf der starken Säule „Industrie".<lb/> Die deutsche Wirtschaft war stark, und weil sie so stark war, hat sie die Ansturme<lb/> vertragen können. Sie ist aber am Ende ihrer Kraft, am Ende ihrer Kraft send<lb/> auch die Betriebsleiter. Das bisherige Gequatsche können sie nicht mehr aus-<lb/> halten, sie wollen endlich wieder zur wirtschaftlichen nützlichen Arbeit kommen.<lb/> Mögen diese Worte eines der größten Führer unseres Wirtschaftslebens bei den<lb/> Mitgliedern der Nationalversammlung nicht ungehört verhallen Mögen sie noch<lb/> w zwölfter Stunde die Bestimmungen ausmerzen, die ein Krebsschaden unseres<lb/> Wirtschaftslebens send.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0069]
Zum Betriebsrätegesetz
Interessen und ihrer Mitwirkung an der Hebung der Produktion in den Betrieben
verwirklichen sollte, um dadurch die Arbeitslust zu heben und den augenblicklichen
niedrigen Stand der produktiven Leistungen der Beiriebe wieder auf eine normale
Höhe zu bringen, in der vorliegenden Fassung das erflehte Ziel nicht erreichen,
sondern im Gegenteil die Beunruhigung und die Kämpfe in den Betrieben noch
weiter vermehren wird.
Die Arbeitgebermitglieder der Kommission bedauern unter diesen Umständen
eine Verantwortung für den Inhalt des so gefaßten Entwurfs ihrerseits nicht
übernehmen zu können, und müssen sich die Stellungnahme zu der demnächstigen
Vorlage an die Nationalversammlung nach jeder Richtung vorbehalten."
Sehr warm nimmt sich die sozialdemokratische Partei des Betriebsräte¬
gesetzes an. In einer Entschließung, die kürzlich in verschiedenen Versammlungen
der Groß-Berliner sozialdemokratischen Fraktion vorgelegt wurde, kam folgendes
zum Ausdruck: „Wir erblicken in dem Betriebsrütegesetz den ersten Schritt zur
Befreiung der Arbeitsleistung von der dienstherrlichen Untertänigkeit des Kapitals.
Die Betriebsräte bilden den erstenSchritt, um dasWirtschaftslebenzudemotratisieren."
Blicken wir nun nach Nußland, wo die Betriebsräte zum Zusammenbruch
der Wirtschaftsverhältnisse geführt haben. Dort strengen sich die führenden Organe
an, um Maßregeln zu treffen, die es ermöglichen, eine gewisse Ordnung in den
Fabrikbetrieb hineinzubringen, um die Arbeitsdisziplin und Produktivität zu heben.
Es führen diese Maßregeln jedoch nicht zum Ziel, da die Hausordnung in den
Fabriken seitens der Betriebsräte festgesetzt wird, die Verantwortung für den
regelrechten Gang des Betriebes aber auf den Direktionen lastet, die machtlos
sind, die Vorschriften in die Praxis umzusetzen. Hierdurch entsteht die große Un¬
ordnung, die allmählich mit tätlicher Sicherheit das Unternehmen dem Starrkrampfe
zutreibt. Klar und deutlich kann man in Rußland erkennen, daß die Betriebsräte
lediglich .Mrchturmspolitik treiben und nur bestrebt sind, ihre eigene Stellung zu
halten. Sie sind deshalb stets den Arbeitern gegenüber zum Nachgeben bereit,
ihre Entscheidungen fallen daher immer nur einseitig aus und da eine Berufung
dagegen nicht möglich ist, so wird die Organisation des Betriebes durch die
Tätigkeit des Betriebsrats unterwühlt. In all den Füllen, in denen der Be¬
triebsrat den Standpunkt ändert, kaufmännisch vorgeht, von den Arbeitern Pflicht¬
erfüllung zu verlangen beginnt, sind seine Stunden gezählt. Ähnliche Gefahren
drohen uns von dem vorliegenden Gesetzentwurf.
Der sozialpolitische Ausschuß der Nationalversammlung, dem das Betriebs-
rätegcsetz überwiesen ist, hat seine Arbeiten bereits aufgenommen. Eine schwere
Verantwortung lastet auf ihm. Wenn Reichsarbeitsminister Schlicke glaubt, daß
der Wiederaufbau unserer Volkswirtschaft auf dem neuen Wege möglich sei, so
soll dem entgegengehalten werden, daß es zweckmäßiger gewesen wäre, die Arbeits¬
gemeinschaft der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Deutschlands zum Ausgangspunkt der Lösung der gewaltigen uns harrenden
volkswirtschaftlichen Probleme zu machen. Karl Friedrich v. Siemers wies
kürzlich darauf hin, daß die deutsche Industrie aufs schwerste enttäuscht worden
sei. Die deutsche Wirtschaft ruhte bis heute auf der starken Säule „Industrie".
Die deutsche Wirtschaft war stark, und weil sie so stark war, hat sie die Ansturme
vertragen können. Sie ist aber am Ende ihrer Kraft, am Ende ihrer Kraft send
auch die Betriebsleiter. Das bisherige Gequatsche können sie nicht mehr aus-
halten, sie wollen endlich wieder zur wirtschaftlichen nützlichen Arbeit kommen.
Mögen diese Worte eines der größten Führer unseres Wirtschaftslebens bei den
Mitgliedern der Nationalversammlung nicht ungehört verhallen Mögen sie noch
w zwölfter Stunde die Bestimmungen ausmerzen, die ein Krebsschaden unseres
Wirtschaftslebens send.
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