Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Materialien zur ostdeutschen Frage können nur diejenigen Besitzer, welche schon irgendeinen, wenn auch unbedeuten- Die Agitation der Kommunisten hat die sich bietende Gelegenheit im Fluge Aber dieser deutliche nationale Verrat seitens der Sozialisten entfernt nun II. Diese schweren Gefahren für den polnischen Staat hier besprechen, heißt 31*
Materialien zur ostdeutschen Frage können nur diejenigen Besitzer, welche schon irgendeinen, wenn auch unbedeuten- Die Agitation der Kommunisten hat die sich bietende Gelegenheit im Fluge Aber dieser deutliche nationale Verrat seitens der Sozialisten entfernt nun II. Diese schweren Gefahren für den polnischen Staat hier besprechen, heißt 31*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0519" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336809"/> <fw type="header" place="top"> Materialien zur ostdeutschen Frage</fw><lb/> <p xml:id="ID_2640" prev="#ID_2639"> können nur diejenigen Besitzer, welche schon irgendeinen, wenn auch unbedeuten-<lb/> den Landbesitz haben, ihre Besitztümer vergrößern. Aber auch das besitzlose Volk<lb/> die Landarbeiter und die Vorwerksdienerschaft, würden bei dieser Methode der<lb/> Bodenverteilung auf dem grauen Ende bleiben. Wozu also die Parzellierung,<lb/> wozu die schwierige Prozedur der Enteignung und Entschädigung der Besitzer!<lb/> Die einfache Parole: „Nimm, was da ist!" ist eher nach dem Geschmack der durch<lb/> die Agitation verführten Gemüter. Die sofortige Bodenverteilung ohne Ent><lb/> schüdigung — das ist das neueste Programm „der Agrarreform", welches von<lb/> den dunklen Aposteln des Umsturzes unter der Bevölkerung im Königreich ver¬<lb/> breitet wird. Die Vorwerksdienerschaft sieht sich sogar schon als Mitbesitzer des<lb/> Vermögens an, sie erlaubt schon nicht mehr, Parzellen oder Inventar zu ver¬<lb/> kaufen, ja, sie erlaubt nicht mal, neue Leute zur Arbeit anzunehmen, da sie die¬<lb/> selben als unerwünschte „Konkurrenten" bei der Bodenverteilung ansieht.</p><lb/> <p xml:id="ID_2641"> Die Agitation der Kommunisten hat die sich bietende Gelegenheit im Fluge<lb/> aufgegriffen und nährt die Gärung ganz und gar nach den bolschewistischen<lb/> Methoden. Hunderte von umstürzlerischen Agitatoren durcheilen das Land und<lb/> säen Haß zum Staate, zur Armee, zu den besitzenden Klassen und verkünden<lb/> die Parole eines Landwirtschaftsstreiks gerade jetzt zurzeit des Kartoffelnbuddelns.<lb/> Es unterliegt keinem Zweifel — es geht ein großer Angriff des internationalen<lb/> Kommunismus, der von Moskau und Berlin unterstützt wird, gegen Polen los.<lb/> Die Siege der polnischen Armee über die Horden der Bolschewismen sind in den<lb/> Augen der roten Internationale eine Todsünde Polens. Als Wiedervergeltung<lb/> dafür soll das „reaktionäre Polen" anarchisiert und von innen heraus zum Um¬<lb/> sturz gebracht werden. Das traurigste dabei ist aber, daß die polnische sozialistische<lb/> Partei, die es liebt, sich Feiertags mit Nationalfarben zu schmücken, mit offenem<lb/> Zynismus deu umstürzlerischen Elementen in die Hände arbeitet. Die Beschlüsse<lb/> der letzten Zusammenkunft des Hauptrates der P, P. S., welche das Volk zum<lb/> Widerstande gegen einen weiteren Krieg im Osten und zum Sturz der „Bourgeoisie-<lb/> Regierung" auffordern, sowie die Resolution, welche die Streikagitation des<lb/> Fachverbandes der Landarbeiter unterstützt, sind Dammöffnungen für die bolsche¬<lb/> wistische Flut.</p><lb/> <p xml:id="ID_2642"> Aber dieser deutliche nationale Verrat seitens der Sozialisten entfernt nun<lb/> auch jegliche Unklarheiten. Das polnische Volk hat in den Abgrund gesehen,<lb/> welcher von ihm geöffnet ist und — ist aus seiner Erstarrung erwacht, unter den<lb/> Piaster —. und sogar unter den Thuguttanhängern, die bisher Hand in Hand<lb/> mit den Sozialisten gingen, ist eine Ernüchterung eingetreten. Das Gefühl der<lb/> nationalen Gefahr muß sämtliche Elemente zusammenziehen, die unter der Standarte<lb/> der Verteidigung gemeinsamer größter Interessen polnisch fühlen. Trotz seines<lb/> Leichtsinns, seiner Sorglosigkeit und Ungereimtheit der Begriffe besitzt das polnische<lb/> Volk jedoch einen mächtigen Lebensbedürfnisinstinkt, welcher in gefährlichen<lb/> Momenten seine Energie und seinen Kräftevorrat verdoppelt. Wir glauben daran,<lb/> daß auch diesmal eine derartige instinktive Bewegung eintreten wird. Polen<lb/> wird seinen Feinden nicht erlauben, zu frohlocken."</p><lb/> </div> <div n="4"> <head> II.</head><lb/> <p xml:id="ID_2643" next="#ID_2644"> Diese schweren Gefahren für den polnischen Staat hier besprechen, heißt<lb/> nicht Frende oder Genugtuung über ihr Kommen zeigen. Wir müssen die Dinge<lb/> hier schildern, wie sie liegen, nicht aus Freude darüber, daß das Gebäude des<lb/> Nachbarn brennt, sondern in der Erkenntnis, daß das Haus dieses Nachbarn jetzt<lb/> auch unser Haus ist. in dem zu wohnen wir nun einmal gezwungen sind. Die<lb/> Flammen, die das noch keimende polnische Staatswesen zu vernichten drohen,<lb/> sind eine gleich große Gefahr für uns, für die an Polen fallenden deutschen Ge-<lb/> biete, die Leben und Hab und Gut von zwei Millionen Deutschen bergen. Und<lb/> darum erwächst uns die Pflicht, unsere deutschen Volksgenossen auf tue Große<lb/> und den Ernst dieser Gefahren hinzuweisen. Wir Deutschen hier Stro auf uns<lb/> selbst gestellt und müssen uns selbst helfen. Das Chaos, den Zusammenbruch</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 31*</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0519]
Materialien zur ostdeutschen Frage
können nur diejenigen Besitzer, welche schon irgendeinen, wenn auch unbedeuten-
den Landbesitz haben, ihre Besitztümer vergrößern. Aber auch das besitzlose Volk
die Landarbeiter und die Vorwerksdienerschaft, würden bei dieser Methode der
Bodenverteilung auf dem grauen Ende bleiben. Wozu also die Parzellierung,
wozu die schwierige Prozedur der Enteignung und Entschädigung der Besitzer!
Die einfache Parole: „Nimm, was da ist!" ist eher nach dem Geschmack der durch
die Agitation verführten Gemüter. Die sofortige Bodenverteilung ohne Ent>
schüdigung — das ist das neueste Programm „der Agrarreform", welches von
den dunklen Aposteln des Umsturzes unter der Bevölkerung im Königreich ver¬
breitet wird. Die Vorwerksdienerschaft sieht sich sogar schon als Mitbesitzer des
Vermögens an, sie erlaubt schon nicht mehr, Parzellen oder Inventar zu ver¬
kaufen, ja, sie erlaubt nicht mal, neue Leute zur Arbeit anzunehmen, da sie die¬
selben als unerwünschte „Konkurrenten" bei der Bodenverteilung ansieht.
Die Agitation der Kommunisten hat die sich bietende Gelegenheit im Fluge
aufgegriffen und nährt die Gärung ganz und gar nach den bolschewistischen
Methoden. Hunderte von umstürzlerischen Agitatoren durcheilen das Land und
säen Haß zum Staate, zur Armee, zu den besitzenden Klassen und verkünden
die Parole eines Landwirtschaftsstreiks gerade jetzt zurzeit des Kartoffelnbuddelns.
Es unterliegt keinem Zweifel — es geht ein großer Angriff des internationalen
Kommunismus, der von Moskau und Berlin unterstützt wird, gegen Polen los.
Die Siege der polnischen Armee über die Horden der Bolschewismen sind in den
Augen der roten Internationale eine Todsünde Polens. Als Wiedervergeltung
dafür soll das „reaktionäre Polen" anarchisiert und von innen heraus zum Um¬
sturz gebracht werden. Das traurigste dabei ist aber, daß die polnische sozialistische
Partei, die es liebt, sich Feiertags mit Nationalfarben zu schmücken, mit offenem
Zynismus deu umstürzlerischen Elementen in die Hände arbeitet. Die Beschlüsse
der letzten Zusammenkunft des Hauptrates der P, P. S., welche das Volk zum
Widerstande gegen einen weiteren Krieg im Osten und zum Sturz der „Bourgeoisie-
Regierung" auffordern, sowie die Resolution, welche die Streikagitation des
Fachverbandes der Landarbeiter unterstützt, sind Dammöffnungen für die bolsche¬
wistische Flut.
Aber dieser deutliche nationale Verrat seitens der Sozialisten entfernt nun
auch jegliche Unklarheiten. Das polnische Volk hat in den Abgrund gesehen,
welcher von ihm geöffnet ist und — ist aus seiner Erstarrung erwacht, unter den
Piaster —. und sogar unter den Thuguttanhängern, die bisher Hand in Hand
mit den Sozialisten gingen, ist eine Ernüchterung eingetreten. Das Gefühl der
nationalen Gefahr muß sämtliche Elemente zusammenziehen, die unter der Standarte
der Verteidigung gemeinsamer größter Interessen polnisch fühlen. Trotz seines
Leichtsinns, seiner Sorglosigkeit und Ungereimtheit der Begriffe besitzt das polnische
Volk jedoch einen mächtigen Lebensbedürfnisinstinkt, welcher in gefährlichen
Momenten seine Energie und seinen Kräftevorrat verdoppelt. Wir glauben daran,
daß auch diesmal eine derartige instinktive Bewegung eintreten wird. Polen
wird seinen Feinden nicht erlauben, zu frohlocken."
II.
Diese schweren Gefahren für den polnischen Staat hier besprechen, heißt
nicht Frende oder Genugtuung über ihr Kommen zeigen. Wir müssen die Dinge
hier schildern, wie sie liegen, nicht aus Freude darüber, daß das Gebäude des
Nachbarn brennt, sondern in der Erkenntnis, daß das Haus dieses Nachbarn jetzt
auch unser Haus ist. in dem zu wohnen wir nun einmal gezwungen sind. Die
Flammen, die das noch keimende polnische Staatswesen zu vernichten drohen,
sind eine gleich große Gefahr für uns, für die an Polen fallenden deutschen Ge-
biete, die Leben und Hab und Gut von zwei Millionen Deutschen bergen. Und
darum erwächst uns die Pflicht, unsere deutschen Volksgenossen auf tue Große
und den Ernst dieser Gefahren hinzuweisen. Wir Deutschen hier Stro auf uns
selbst gestellt und müssen uns selbst helfen. Das Chaos, den Zusammenbruch
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