Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Pressestimmen [Beginn Spaltensatz] auch nicht der kampfbereiten Bevölkerung Auf diese Weise haben wir den Versailler Die Deutschen saulenzten nämlich nicht. In diesem Sinne geht der Artikel weiter, die Polen damals die Gelegenheit verschlafen Der Schlesische Aufstand, sagen wir Pro¬ Im Januar hatten wir nicht genug po¬ Wenn die Politik eine Sache der Vor¬ Das schreibt der ernste "Dziennik Poz¬ vom 3. Oktober 1919. Zeichen und Aussichten. Die allgemeine Aufmerksamkeit der ganzen Nachdem der Artikel weiter bemerkt, daß Verschiedene Anzeichen sprechen dafür Pressestimmen [Beginn Spaltensatz] auch nicht der kampfbereiten Bevölkerung Auf diese Weise haben wir den Versailler Die Deutschen saulenzten nämlich nicht. In diesem Sinne geht der Artikel weiter, die Polen damals die Gelegenheit verschlafen Der Schlesische Aufstand, sagen wir Pro¬ Im Januar hatten wir nicht genug po¬ Wenn die Politik eine Sache der Vor¬ Das schreibt der ernste „Dziennik Poz¬ vom 3. Oktober 1919. Zeichen und Aussichten. Die allgemeine Aufmerksamkeit der ganzen Nachdem der Artikel weiter bemerkt, daß Verschiedene Anzeichen sprechen dafür <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0513" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336803"/> <fw type="header" place="top"> Pressestimmen</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_2593" prev="#ID_2592"> auch nicht der kampfbereiten Bevölkerung<lb/> Pommerns und Schlesiens zu den Waffen<lb/> zu greifen.</p> <p xml:id="ID_2594"> Auf diese Weise haben wir den Versailler<lb/> Friedensvertrag, sowie die Entreißung Dan-<lb/> zigs, die Volksabstimmung in Schlesien, Erm-<lb/> lnnd und preußisch Masovien erlebt. Und<lb/> was noch schlimmer ist, das ist der Umstand,<lb/> daß der Grenzschutz auch heute noch sich an<lb/> der polnischen Bevölkerung weiden kann, so¬<lb/> wie, daß die Teutschen straflos Pommern<lb/> und Schlesien ausrauben können und den<lb/> Schlostschen Aufstand Provoziert haben.</p> <p xml:id="ID_2595"> Die Deutschen saulenzten nämlich nicht.<lb/> Im Januar waren sie den Polen gegenüber<lb/> fast wehrlos. Der Grenzschutz war kaum in<lb/> seinem Anfangsstadium begriffen. Die Reichs¬<lb/> wehr existierte noch gar nicht. In Berlin<lb/> gährte der Aufstand der Spartakisten. Da¬<lb/> mals erklärte Minister Hirsch, daß die Re¬<lb/> gierung nicht imstande sei, auch eine einzige<lb/> Division gegen die Polen aufzustellen. Wer<lb/> zur damaligen Zeit in Westpreußen war, der<lb/> weiß, mit welcher Angst die Deutschen den<lb/> Einmarsch der Polen erwarteten. In Brom¬<lb/> berg beschloß der Arbeiterrat Cleinow zu ver¬<lb/> haften, um die Polen zu besänftigen. Thorn<lb/> war voll Polnischer Soldaten, die nur auf<lb/> die Parole warteten, um den demoralisierten<lb/> kleinen Haufen deutsche Garnison zu ent¬<lb/> waffnen und die Festung zu besetzen. Die<lb/> PvsenerOffensive gegen Schlesienund Preußen<lb/> Hütte den Polen die oberschlesischen Berg¬<lb/> werke, riesengroße Munitionsvorräte und<lb/> Fabriken in den Weichselfestnngen ausgeliefert,<lb/> hadje die Polnischen Wehrkräfte verdreifacht<lb/> und in Sachen Danzigs, Schlesiens und wahr¬<lb/> scheinlich auch Masoviens zu unsern Gunsten<lb/> entschieden. Schwierigkeiten stellte die Ver¬<lb/> teidigung einer dreimal so langen Front<lb/> bar und zwar in Preußen auch vom Osten<lb/> aus, von der vorgehenden deutschen Armee<lb/> ^is der Ukraine und dem sich organisieren¬<lb/> den Grenzschutz. Es ist jedoch möglich, daß<lb/> damals die Verteidigung in solchem Falle<lb/> größere Aussichten gehabt hätte, als die Ver¬<lb/> eidigung des Posenschen Gebietes allein, an¬<lb/> gesichts dessen, daß die ganze oberMesische<lb/> Kohle den Polen zurVerfügung gestanden hätte.</p> <p xml:id="ID_2596" next="#ID_2597"> In diesem Sinne geht der Artikel weiter,<lb/> indem darin Bedauern ausgedrückt wird, daß</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_2597" prev="#ID_2596"> die Polen damals die Gelegenheit verschlafen<lb/> hätten, einen guten Fang zu machen und<lb/> endet mit folgendem Schlußpassus:</p> <p xml:id="ID_2598"> Der Schlesische Aufstand, sagen wir Pro¬<lb/> vozierung des Aufstandes von deutscher Seite,<lb/> ist nichts anderes, als die Folge und ein<lb/> systematischer Punkt der deutschen Aktion<lb/> gegen die Polen. Der endgültige Zweck be¬<lb/> ruht in einem Krieg gegen die Polen —<lb/> und dieser Krieg kommt, wenn nicht heute,<lb/> dann nach einem Jahre, nach 10 oder<lb/> ö0 Jahren.</p> <p xml:id="ID_2599"> Im Januar hatten wir nicht genug po¬<lb/> litische Übersicht, um die polnischen Waffen<lb/> nach dem Norden und Süden, nach Schlesien<lb/> und Pommern zu tragen. Heute müssen wir<lb/> unter bedeutend schwereren Bedingungen in<lb/> Schlesien kämpfen. Die Polnische Regierung<lb/> hat nicht genug Mut, um die Oberschlesier<lb/> mit aller Macht zu unterstützen; vielleicht<lb/> deshalb, weil sie einen Krieg mit Deutsch¬<lb/> land für hoffnungslos ansieht? Aber wenn<lb/> dem so ist, so ist es wert festzustellen, ob<lb/> Polen eher imstande sein wird den Krieg<lb/> zu führen, wenn die Deutschen den Krieg<lb/> bereits unwiderruflich provoziert haben werden.</p> <p xml:id="ID_2600"> Wenn die Politik eine Sache der Vor¬<lb/> aussehung ist, so haben wir diese Kunst im<lb/> Januar nicht verstanden — werden wir sie<lb/> jetzt verstehen?</p> <p xml:id="ID_2601"> Das schreibt der ernste „Dziennik Poz¬<lb/> nanski".</p> <note type="bibl"> „Nadwislanin" (Culm) Ur. 82<lb/> vom 3. Oktober 1919.</note> <p xml:id="ID_2602"> Zeichen und Aussichten.</p> <p xml:id="ID_2603"> Die allgemeine Aufmerksamkeit der ganzen<lb/> Welt hat die letzte Rede des französischen<lb/> Ministerpräsidenten Clemenceau wachgerufen,<lb/> in der er sagte, daß er bestimmt darauf<lb/> rechnet, daß der Friedensvsrtrag von Amerika<lb/> unterzeichnet werde.</p> <p xml:id="ID_2604"> Nachdem der Artikel weiter bemerkt, daß<lb/> auch die Polen in Posen wie in Warschau<lb/> mit einer Ratifizierung in der zweiten Hälfte<lb/> des laufenden Monats rechnen, sagt er:</p> <p xml:id="ID_2605" next="#ID_2606"> Verschiedene Anzeichen sprechen dafür<lb/> auch deutscherseits. Diejenigen, die unsere<lb/> Gegenden verlassen wollen oder müssen,<lb/> haben schon allen Ernstes begonnen ihre<lb/> Siebensachen zu Packen. Die preußisch-</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0513]
Pressestimmen
auch nicht der kampfbereiten Bevölkerung
Pommerns und Schlesiens zu den Waffen
zu greifen.
Auf diese Weise haben wir den Versailler
Friedensvertrag, sowie die Entreißung Dan-
zigs, die Volksabstimmung in Schlesien, Erm-
lnnd und preußisch Masovien erlebt. Und
was noch schlimmer ist, das ist der Umstand,
daß der Grenzschutz auch heute noch sich an
der polnischen Bevölkerung weiden kann, so¬
wie, daß die Teutschen straflos Pommern
und Schlesien ausrauben können und den
Schlostschen Aufstand Provoziert haben.
Die Deutschen saulenzten nämlich nicht.
Im Januar waren sie den Polen gegenüber
fast wehrlos. Der Grenzschutz war kaum in
seinem Anfangsstadium begriffen. Die Reichs¬
wehr existierte noch gar nicht. In Berlin
gährte der Aufstand der Spartakisten. Da¬
mals erklärte Minister Hirsch, daß die Re¬
gierung nicht imstande sei, auch eine einzige
Division gegen die Polen aufzustellen. Wer
zur damaligen Zeit in Westpreußen war, der
weiß, mit welcher Angst die Deutschen den
Einmarsch der Polen erwarteten. In Brom¬
berg beschloß der Arbeiterrat Cleinow zu ver¬
haften, um die Polen zu besänftigen. Thorn
war voll Polnischer Soldaten, die nur auf
die Parole warteten, um den demoralisierten
kleinen Haufen deutsche Garnison zu ent¬
waffnen und die Festung zu besetzen. Die
PvsenerOffensive gegen Schlesienund Preußen
Hütte den Polen die oberschlesischen Berg¬
werke, riesengroße Munitionsvorräte und
Fabriken in den Weichselfestnngen ausgeliefert,
hadje die Polnischen Wehrkräfte verdreifacht
und in Sachen Danzigs, Schlesiens und wahr¬
scheinlich auch Masoviens zu unsern Gunsten
entschieden. Schwierigkeiten stellte die Ver¬
teidigung einer dreimal so langen Front
bar und zwar in Preußen auch vom Osten
aus, von der vorgehenden deutschen Armee
^is der Ukraine und dem sich organisieren¬
den Grenzschutz. Es ist jedoch möglich, daß
damals die Verteidigung in solchem Falle
größere Aussichten gehabt hätte, als die Ver¬
eidigung des Posenschen Gebietes allein, an¬
gesichts dessen, daß die ganze oberMesische
Kohle den Polen zurVerfügung gestanden hätte.
In diesem Sinne geht der Artikel weiter,
indem darin Bedauern ausgedrückt wird, daß
die Polen damals die Gelegenheit verschlafen
hätten, einen guten Fang zu machen und
endet mit folgendem Schlußpassus:
Der Schlesische Aufstand, sagen wir Pro¬
vozierung des Aufstandes von deutscher Seite,
ist nichts anderes, als die Folge und ein
systematischer Punkt der deutschen Aktion
gegen die Polen. Der endgültige Zweck be¬
ruht in einem Krieg gegen die Polen —
und dieser Krieg kommt, wenn nicht heute,
dann nach einem Jahre, nach 10 oder
ö0 Jahren.
Im Januar hatten wir nicht genug po¬
litische Übersicht, um die polnischen Waffen
nach dem Norden und Süden, nach Schlesien
und Pommern zu tragen. Heute müssen wir
unter bedeutend schwereren Bedingungen in
Schlesien kämpfen. Die Polnische Regierung
hat nicht genug Mut, um die Oberschlesier
mit aller Macht zu unterstützen; vielleicht
deshalb, weil sie einen Krieg mit Deutsch¬
land für hoffnungslos ansieht? Aber wenn
dem so ist, so ist es wert festzustellen, ob
Polen eher imstande sein wird den Krieg
zu führen, wenn die Deutschen den Krieg
bereits unwiderruflich provoziert haben werden.
Wenn die Politik eine Sache der Vor¬
aussehung ist, so haben wir diese Kunst im
Januar nicht verstanden — werden wir sie
jetzt verstehen?
Das schreibt der ernste „Dziennik Poz¬
nanski".
„Nadwislanin" (Culm) Ur. 82
vom 3. Oktober 1919. Zeichen und Aussichten.
Die allgemeine Aufmerksamkeit der ganzen
Welt hat die letzte Rede des französischen
Ministerpräsidenten Clemenceau wachgerufen,
in der er sagte, daß er bestimmt darauf
rechnet, daß der Friedensvsrtrag von Amerika
unterzeichnet werde.
Nachdem der Artikel weiter bemerkt, daß
auch die Polen in Posen wie in Warschau
mit einer Ratifizierung in der zweiten Hälfte
des laufenden Monats rechnen, sagt er:
Verschiedene Anzeichen sprechen dafür
auch deutscherseits. Diejenigen, die unsere
Gegenden verlassen wollen oder müssen,
haben schon allen Ernstes begonnen ihre
Siebensachen zu Packen. Die preußisch-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |