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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Pressestimmen

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b) Die Abgeordneten der Gemeinden --
je einer auf jedes volle und an¬
gefangene Hundert Einwohner,
c) Die Abgeordneten der im Kreise be¬
stehenden Vereine -- je einer auf die
volle und angefangene Gruppe von
fünfhundert Mitgliedern.

Die Wahl der Mitglieder des polnischen
Kreisvolksrates ist geheim und Proportionen.

4. Die Vorsitzenden der Polnischen Be¬
zirksvolksräte und die Kreisabgeordneten
bilden einen polnischen Woywodschaftsrat.
Jeder Bezirk wählt während der Kreis¬
zusammenkunft zwei Abgeordnete nach dem
Proportionellen System.

In der Warschauer Zeitung "Kurjer Po-
ranny" vom 7. August findet sich ein Brief
aus Posen "Von unserem Spezialkorre-
spondenten", in dem u. a. folgendes zu
lesen ist:

Heute, bei einem Aufenthalt von einigen
Tagen in der Hauptstadt Posen hatte ich die
Gelegenheit, Vergleiche anzustellen und einen ge¬
wissen Abschluß des Aufbaues und der Organi¬
sation des Staatslebens in dieser Provinz rück¬
schauend zu überblicken. Und man muß an¬
erkennen, daß der Strom des Lebens dort
in einem sehr zweckmäßig regulierten Bett
dahinströmt, daß das frühere System der
deutschen Ordnung noch in den Adern der¬
jenigen verblieben ist, die berufen wurden,
die Gesamtheit gewisser Probleme des gegen¬
wärtigen Lebens zu lösen, sowie auch in den
Adern der Gesellschaft selbst, die schon die
nötige Achtung vor den Anordnungen der
Behörden hat und die nötige Disziplin zu
der Bildung der Normen für das tägliche
Leben zeigt. Daher dort diese Verhältnisse,
die unter allen großen Städten Polens
einzig dastehen. Als Beispiel führe ich an,
daß nirgend wo anders Droschken und elek¬
trische Bahnverbindungen mit einer so Pe¬
dantischen Pünktlichkeit funktionieren und so
unglaublich billig sind. Und dabei bildet
Posen eine Ausnahme unter den Städten,
da der Preis einer Droschkenfahrt vom Bahn¬
hof nach der Stadt durch den Taxameter
festgesetzt zwei Mark kostet, während ein
Fahrschein für die Elektrische 12'/2 Pfennig
kostet. Man kann zweifellos Wohl verdiente

[Spaltenumbruch]

Hymnen zu Ehren dieser starken Ordnungs¬
momente schreiben, die bewirkt haben, daß
der Warschauer sich in Posen etwas fremd
fühlt, als ob er sich Plötzlich mitten in einer
anderen Welt befände, in anderer Kultur
und unter anderen Sitten und Gewohn¬
heiten. Und dieses hier ist vielleicht der
Ausgangspunkt des Problems, das zu der
Zeit, als ich in Posen weilte, fast im Munde
aller war: Die Frage der Autonomie Posens,
die Frage der Absonderung Posens durch
einen neuen Grenzkordon, der dieser Pro¬
vinz eine von den Einflüssen der benach¬
barten Teile ungetrübte wirtschaftliche Ent¬
wicklung gestatten würde. Denn diese Frage
ist heute das Problem, welches am meisten
in Groß-Polen überlegt wird, dies ist nicht
nur ein von diesem oder jenem politischen
Jongleur aufgeworfener Gedanke, der ihn
als einen Versuchsballon in unvollkommenem
Zustande losgelassen hätte. Nein, dieser Ge¬
danke bohrt und sitzt tief in den Herzen der
hiesigen Patrioten, dieses Problem hier ist
nicht unter dem Gesichtswinkel eines Kräh¬
winkeler Partikularismus entstanden, der sich
des zweifellos auf gewissen Gebieten höheren
Fortschritts der wirtschaftlichen Kultur und
Organisation dieser Provinz im Verhältnis
zu anderen Teilen Polens bewußt ist.

(Eine bessere Anerkennung der Überlegen¬
heit der deutschen Kultur über die polnische
kann man sich kaum denken).

über das Ministerium für das "frühere
preußische Teilgebiet" bringt "Dziennik
Gdanski" (Danzig) einen längeren Leitartikel,
in welchem Betrachtungen über die Bildung
des neuen Ministeriums für das frühere
Preußische Teilgebiet angestellt werden. Es
wird darin unter anderem gesagt, daß damit
endlich der Streit zwischen Posen und Warschau
gewissermaßen aus der Welt geschafft sei.
Das Blatt führt in dem Artikel ferner Stimmen
PosenerZeitungen an, besonders des "Dziennik
Poznanski", welcher bei Gelegenheit einer
Besprechung der Ernennung Seydas diesen
rühmte und scheinbar sehr erfreut ist, daß
er eben diesen Posten erhalten hat, da er
ein Mann sei, der in seinen sämtlichen
Handlungen sich nicht nur stritte um das Wohl
seiner Partei (der nationalen demokratischen

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Pressestimmen

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b) Die Abgeordneten der Gemeinden —
je einer auf jedes volle und an¬
gefangene Hundert Einwohner,
c) Die Abgeordneten der im Kreise be¬
stehenden Vereine — je einer auf die
volle und angefangene Gruppe von
fünfhundert Mitgliedern.

Die Wahl der Mitglieder des polnischen
Kreisvolksrates ist geheim und Proportionen.

4. Die Vorsitzenden der Polnischen Be¬
zirksvolksräte und die Kreisabgeordneten
bilden einen polnischen Woywodschaftsrat.
Jeder Bezirk wählt während der Kreis¬
zusammenkunft zwei Abgeordnete nach dem
Proportionellen System.

In der Warschauer Zeitung „Kurjer Po-
ranny" vom 7. August findet sich ein Brief
aus Posen „Von unserem Spezialkorre-
spondenten", in dem u. a. folgendes zu
lesen ist:

Heute, bei einem Aufenthalt von einigen
Tagen in der Hauptstadt Posen hatte ich die
Gelegenheit, Vergleiche anzustellen und einen ge¬
wissen Abschluß des Aufbaues und der Organi¬
sation des Staatslebens in dieser Provinz rück¬
schauend zu überblicken. Und man muß an¬
erkennen, daß der Strom des Lebens dort
in einem sehr zweckmäßig regulierten Bett
dahinströmt, daß das frühere System der
deutschen Ordnung noch in den Adern der¬
jenigen verblieben ist, die berufen wurden,
die Gesamtheit gewisser Probleme des gegen¬
wärtigen Lebens zu lösen, sowie auch in den
Adern der Gesellschaft selbst, die schon die
nötige Achtung vor den Anordnungen der
Behörden hat und die nötige Disziplin zu
der Bildung der Normen für das tägliche
Leben zeigt. Daher dort diese Verhältnisse,
die unter allen großen Städten Polens
einzig dastehen. Als Beispiel führe ich an,
daß nirgend wo anders Droschken und elek¬
trische Bahnverbindungen mit einer so Pe¬
dantischen Pünktlichkeit funktionieren und so
unglaublich billig sind. Und dabei bildet
Posen eine Ausnahme unter den Städten,
da der Preis einer Droschkenfahrt vom Bahn¬
hof nach der Stadt durch den Taxameter
festgesetzt zwei Mark kostet, während ein
Fahrschein für die Elektrische 12'/2 Pfennig
kostet. Man kann zweifellos Wohl verdiente

[Spaltenumbruch]

Hymnen zu Ehren dieser starken Ordnungs¬
momente schreiben, die bewirkt haben, daß
der Warschauer sich in Posen etwas fremd
fühlt, als ob er sich Plötzlich mitten in einer
anderen Welt befände, in anderer Kultur
und unter anderen Sitten und Gewohn¬
heiten. Und dieses hier ist vielleicht der
Ausgangspunkt des Problems, das zu der
Zeit, als ich in Posen weilte, fast im Munde
aller war: Die Frage der Autonomie Posens,
die Frage der Absonderung Posens durch
einen neuen Grenzkordon, der dieser Pro¬
vinz eine von den Einflüssen der benach¬
barten Teile ungetrübte wirtschaftliche Ent¬
wicklung gestatten würde. Denn diese Frage
ist heute das Problem, welches am meisten
in Groß-Polen überlegt wird, dies ist nicht
nur ein von diesem oder jenem politischen
Jongleur aufgeworfener Gedanke, der ihn
als einen Versuchsballon in unvollkommenem
Zustande losgelassen hätte. Nein, dieser Ge¬
danke bohrt und sitzt tief in den Herzen der
hiesigen Patrioten, dieses Problem hier ist
nicht unter dem Gesichtswinkel eines Kräh¬
winkeler Partikularismus entstanden, der sich
des zweifellos auf gewissen Gebieten höheren
Fortschritts der wirtschaftlichen Kultur und
Organisation dieser Provinz im Verhältnis
zu anderen Teilen Polens bewußt ist.

(Eine bessere Anerkennung der Überlegen¬
heit der deutschen Kultur über die polnische
kann man sich kaum denken).

über das Ministerium für das „frühere
preußische Teilgebiet" bringt „Dziennik
Gdanski" (Danzig) einen längeren Leitartikel,
in welchem Betrachtungen über die Bildung
des neuen Ministeriums für das frühere
Preußische Teilgebiet angestellt werden. Es
wird darin unter anderem gesagt, daß damit
endlich der Streit zwischen Posen und Warschau
gewissermaßen aus der Welt geschafft sei.
Das Blatt führt in dem Artikel ferner Stimmen
PosenerZeitungen an, besonders des „Dziennik
Poznanski", welcher bei Gelegenheit einer
Besprechung der Ernennung Seydas diesen
rühmte und scheinbar sehr erfreut ist, daß
er eben diesen Posten erhalten hat, da er
ein Mann sei, der in seinen sämtlichen
Handlungen sich nicht nur stritte um das Wohl
seiner Partei (der nationalen demokratischen

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[0474] Pressestimmen b) Die Abgeordneten der Gemeinden — je einer auf jedes volle und an¬ gefangene Hundert Einwohner, c) Die Abgeordneten der im Kreise be¬ stehenden Vereine — je einer auf die volle und angefangene Gruppe von fünfhundert Mitgliedern. Die Wahl der Mitglieder des polnischen Kreisvolksrates ist geheim und Proportionen. 4. Die Vorsitzenden der Polnischen Be¬ zirksvolksräte und die Kreisabgeordneten bilden einen polnischen Woywodschaftsrat. Jeder Bezirk wählt während der Kreis¬ zusammenkunft zwei Abgeordnete nach dem Proportionellen System. In der Warschauer Zeitung „Kurjer Po- ranny" vom 7. August findet sich ein Brief aus Posen „Von unserem Spezialkorre- spondenten", in dem u. a. folgendes zu lesen ist: Heute, bei einem Aufenthalt von einigen Tagen in der Hauptstadt Posen hatte ich die Gelegenheit, Vergleiche anzustellen und einen ge¬ wissen Abschluß des Aufbaues und der Organi¬ sation des Staatslebens in dieser Provinz rück¬ schauend zu überblicken. Und man muß an¬ erkennen, daß der Strom des Lebens dort in einem sehr zweckmäßig regulierten Bett dahinströmt, daß das frühere System der deutschen Ordnung noch in den Adern der¬ jenigen verblieben ist, die berufen wurden, die Gesamtheit gewisser Probleme des gegen¬ wärtigen Lebens zu lösen, sowie auch in den Adern der Gesellschaft selbst, die schon die nötige Achtung vor den Anordnungen der Behörden hat und die nötige Disziplin zu der Bildung der Normen für das tägliche Leben zeigt. Daher dort diese Verhältnisse, die unter allen großen Städten Polens einzig dastehen. Als Beispiel führe ich an, daß nirgend wo anders Droschken und elek¬ trische Bahnverbindungen mit einer so Pe¬ dantischen Pünktlichkeit funktionieren und so unglaublich billig sind. Und dabei bildet Posen eine Ausnahme unter den Städten, da der Preis einer Droschkenfahrt vom Bahn¬ hof nach der Stadt durch den Taxameter festgesetzt zwei Mark kostet, während ein Fahrschein für die Elektrische 12'/2 Pfennig kostet. Man kann zweifellos Wohl verdiente Hymnen zu Ehren dieser starken Ordnungs¬ momente schreiben, die bewirkt haben, daß der Warschauer sich in Posen etwas fremd fühlt, als ob er sich Plötzlich mitten in einer anderen Welt befände, in anderer Kultur und unter anderen Sitten und Gewohn¬ heiten. Und dieses hier ist vielleicht der Ausgangspunkt des Problems, das zu der Zeit, als ich in Posen weilte, fast im Munde aller war: Die Frage der Autonomie Posens, die Frage der Absonderung Posens durch einen neuen Grenzkordon, der dieser Pro¬ vinz eine von den Einflüssen der benach¬ barten Teile ungetrübte wirtschaftliche Ent¬ wicklung gestatten würde. Denn diese Frage ist heute das Problem, welches am meisten in Groß-Polen überlegt wird, dies ist nicht nur ein von diesem oder jenem politischen Jongleur aufgeworfener Gedanke, der ihn als einen Versuchsballon in unvollkommenem Zustande losgelassen hätte. Nein, dieser Ge¬ danke bohrt und sitzt tief in den Herzen der hiesigen Patrioten, dieses Problem hier ist nicht unter dem Gesichtswinkel eines Kräh¬ winkeler Partikularismus entstanden, der sich des zweifellos auf gewissen Gebieten höheren Fortschritts der wirtschaftlichen Kultur und Organisation dieser Provinz im Verhältnis zu anderen Teilen Polens bewußt ist. (Eine bessere Anerkennung der Überlegen¬ heit der deutschen Kultur über die polnische kann man sich kaum denken). über das Ministerium für das „frühere preußische Teilgebiet" bringt „Dziennik Gdanski" (Danzig) einen längeren Leitartikel, in welchem Betrachtungen über die Bildung des neuen Ministeriums für das frühere Preußische Teilgebiet angestellt werden. Es wird darin unter anderem gesagt, daß damit endlich der Streit zwischen Posen und Warschau gewissermaßen aus der Welt geschafft sei. Das Blatt führt in dem Artikel ferner Stimmen PosenerZeitungen an, besonders des „Dziennik Poznanski", welcher bei Gelegenheit einer Besprechung der Ernennung Seydas diesen rühmte und scheinbar sehr erfreut ist, daß er eben diesen Posten erhalten hat, da er ein Mann sei, der in seinen sämtlichen Handlungen sich nicht nur stritte um das Wohl seiner Partei (der nationalen demokratischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/474>, abgerufen am 15.01.2025.