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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Pressestimmen

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dorn eines Bürgers zu sehen, der mit Liebe
jeden Schritt verfolgt, welcher auf dem Wege
des Wiederaufbaus des polnischen Staats-
wesens getan wird und gern seine Hand der
heiligen Sache bieten möchte, sie durch eigene
Arbeit und Lebenserfahrung stützen würde.

Die Abteilung für Gerichtswesen strebt
zur Organisierung des Gerichtswesens im
früheren preußischen Teilgebiet und müßte
vor allem darauf achten, daß außer der
Sicherung einer regelrechten und richtigen
Funktionierung desselben ihm auch ein aus¬
schlaggebender Polnischer Charakter gegeben
werde.

Man muß jedoch die schwierige Aufgabe
unserer organisierenden Behörden bedenken,
deren Bemühungen sich im großen Maße am
Mangel polnischer fachmännischer Kräfte zer¬
schlagen und dadurch die Notwendigkeit der
Einführung in die Gerichtsbarkeit eines nicht
fachmännischer Faktors bedingen.

Angesichts dieser riesengroßen, auf jedem
Schritte angetroffenen Schwierigkeiten wäre
eS da nicht besser, aus den Erfahrungen
anderer Gebiete Polens Nutzen zu ziehen,
welche dank den glücklicheren Bedingungen
schon früher das Werk der Staatsadministration
beginnen konnten? Es ist uns bekannt, daß
im gewesenen Kongreßpolen neben den Ge¬
richtsinstanzen, in welchen die Gerechtigkeit
ausschließlich Rechtsgelehrte ausüben, eine
ganze Reihe Gerichte niederer Instanzen
existiert, welche die sogenannten Friedens¬
gerichte sind, an deren Spitze man Orts-
bürger und zwar Nichtjuristen gestellt hat und
ihnen in Zivilsachen das Einleitungsverfahren
übergeben hat, welches zu einer Versöhnung
strebt. In Strafsachen jedoch, in weniger
wichtigen Sachen würde es das Niveau der
Gerichtsbarkeit in gar nichts verringern, wenn
wir unabhängig von den höheren Instanzen
dem nicht fachmännischer Richter (Laien) so¬
gar eine entscheidende Stimme geben und
ihm die Mitwirkung in der Gerichtsbarkeit
zuerkennen würden, weil dadurch das kern-
Polnifche Bürgerelement mit großem Nutzen
in die Gerichtsbarkeit hineingetragen wird.
Wir wollen es dahingestellt sein lassen, ob
man auf die Posten der Friedensrichter
Bürger berufen sollte im Wege ihrer Er¬
nennung oder Wahlen, klar ist es jedoch,

[Spaltenumbruch]

daß ein Mensch, dem man das Recht der
Ausübung der Gerechtigkeit anvertraut hat,
in unserem Lande vor allem neben einer
fleckenlosen Vergangenheit rücksichtsloses
Vertrauen der Ortsbevölkerung, sowie eine
große Lebenserfahrung besitzen muß. Die
Arbeit dieser Leute, welche gerade auf
diese Lebenskenntnis gestützt ist und durch
das allgemeine Vertrauen unterstützt wird,
würde zweifelsohne eine große Hilfe bei der
Ausübung der Gerechtigkeit darstellen.

Die Organisation der Friedensgerichte ist
für uns keine neue Sache. Es genügt,
sich die Geschichte der Gerichtsbarkeit aus den
Zeiten des Warschauer Fürstentums anzu¬
sehen, als die Institution der Friedensgerichte
mit Rücksicht auf ihre Nützlichkeit sich einer
besonderen Fürsorge erfreute. Der Warschauer
Prinz Friedrich August hatte sogar einen
speziellen Orden für die Friedensrichter ge¬
stiftet für Erledigung der größten Anzahl
von Gerichtssachen; eine von solchen Prämien
erhielt damals der Richter Wilczewski, welcher
aus einer Anzahl von über 1000 Gerichts¬
sachen, darunter viele Grenzstreitigkeiten, nur
vier nicht im versöhnlichen Sinne erledigte
den höheren Gerichtsinstanzen überwiesen hat.
Die Tätigkeit eines derartigen Bürgerrichters
kann unstreitig nur einen guten Einfluß
haben, indem es die Klagesucht ausrottet
und in der Bevölkerung eine große Achtung
für die Gerichtsbehörden weckt.

Im gewesenen Kongreßpolen haben sich
die Bürgerkräfte mit vollem Eifer an die
Arbeit gemacht -- dieses unser Gebiet "steht
in Hinsicht der Arbeitsfreudigkeit gewiß nicht
hinter anderen zurück. -- Werden wir keine
Leute finden, die einmütig zur Zufriedenheit
der Bevölkerung ihre richterliche Tätigkeit
ausüben könnten? Sollten nicht auch wir um
einen Anteil an der Gerichtsbarkeit bemüht
sein, welcher schon vom Bürgertum in anderen
Gebieten übernommen worden ist? Das ist
unser Projekt, vielleicht will sich die Allge¬
meinheit selbst darüber aussprechen.

"Dzicnnik Berlins"" (Berlin) Ur. 186 vom
17. August 1919.

Eil"e neue Spekulation,

Wir berichteten schon mehrmals über die
Spekulation mit deutschem Gelde. Jetzt

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Pressestimmen

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dorn eines Bürgers zu sehen, der mit Liebe
jeden Schritt verfolgt, welcher auf dem Wege
des Wiederaufbaus des polnischen Staats-
wesens getan wird und gern seine Hand der
heiligen Sache bieten möchte, sie durch eigene
Arbeit und Lebenserfahrung stützen würde.

Die Abteilung für Gerichtswesen strebt
zur Organisierung des Gerichtswesens im
früheren preußischen Teilgebiet und müßte
vor allem darauf achten, daß außer der
Sicherung einer regelrechten und richtigen
Funktionierung desselben ihm auch ein aus¬
schlaggebender Polnischer Charakter gegeben
werde.

Man muß jedoch die schwierige Aufgabe
unserer organisierenden Behörden bedenken,
deren Bemühungen sich im großen Maße am
Mangel polnischer fachmännischer Kräfte zer¬
schlagen und dadurch die Notwendigkeit der
Einführung in die Gerichtsbarkeit eines nicht
fachmännischer Faktors bedingen.

Angesichts dieser riesengroßen, auf jedem
Schritte angetroffenen Schwierigkeiten wäre
eS da nicht besser, aus den Erfahrungen
anderer Gebiete Polens Nutzen zu ziehen,
welche dank den glücklicheren Bedingungen
schon früher das Werk der Staatsadministration
beginnen konnten? Es ist uns bekannt, daß
im gewesenen Kongreßpolen neben den Ge¬
richtsinstanzen, in welchen die Gerechtigkeit
ausschließlich Rechtsgelehrte ausüben, eine
ganze Reihe Gerichte niederer Instanzen
existiert, welche die sogenannten Friedens¬
gerichte sind, an deren Spitze man Orts-
bürger und zwar Nichtjuristen gestellt hat und
ihnen in Zivilsachen das Einleitungsverfahren
übergeben hat, welches zu einer Versöhnung
strebt. In Strafsachen jedoch, in weniger
wichtigen Sachen würde es das Niveau der
Gerichtsbarkeit in gar nichts verringern, wenn
wir unabhängig von den höheren Instanzen
dem nicht fachmännischer Richter (Laien) so¬
gar eine entscheidende Stimme geben und
ihm die Mitwirkung in der Gerichtsbarkeit
zuerkennen würden, weil dadurch das kern-
Polnifche Bürgerelement mit großem Nutzen
in die Gerichtsbarkeit hineingetragen wird.
Wir wollen es dahingestellt sein lassen, ob
man auf die Posten der Friedensrichter
Bürger berufen sollte im Wege ihrer Er¬
nennung oder Wahlen, klar ist es jedoch,

[Spaltenumbruch]

daß ein Mensch, dem man das Recht der
Ausübung der Gerechtigkeit anvertraut hat,
in unserem Lande vor allem neben einer
fleckenlosen Vergangenheit rücksichtsloses
Vertrauen der Ortsbevölkerung, sowie eine
große Lebenserfahrung besitzen muß. Die
Arbeit dieser Leute, welche gerade auf
diese Lebenskenntnis gestützt ist und durch
das allgemeine Vertrauen unterstützt wird,
würde zweifelsohne eine große Hilfe bei der
Ausübung der Gerechtigkeit darstellen.

Die Organisation der Friedensgerichte ist
für uns keine neue Sache. Es genügt,
sich die Geschichte der Gerichtsbarkeit aus den
Zeiten des Warschauer Fürstentums anzu¬
sehen, als die Institution der Friedensgerichte
mit Rücksicht auf ihre Nützlichkeit sich einer
besonderen Fürsorge erfreute. Der Warschauer
Prinz Friedrich August hatte sogar einen
speziellen Orden für die Friedensrichter ge¬
stiftet für Erledigung der größten Anzahl
von Gerichtssachen; eine von solchen Prämien
erhielt damals der Richter Wilczewski, welcher
aus einer Anzahl von über 1000 Gerichts¬
sachen, darunter viele Grenzstreitigkeiten, nur
vier nicht im versöhnlichen Sinne erledigte
den höheren Gerichtsinstanzen überwiesen hat.
Die Tätigkeit eines derartigen Bürgerrichters
kann unstreitig nur einen guten Einfluß
haben, indem es die Klagesucht ausrottet
und in der Bevölkerung eine große Achtung
für die Gerichtsbehörden weckt.

Im gewesenen Kongreßpolen haben sich
die Bürgerkräfte mit vollem Eifer an die
Arbeit gemacht — dieses unser Gebiet "steht
in Hinsicht der Arbeitsfreudigkeit gewiß nicht
hinter anderen zurück. — Werden wir keine
Leute finden, die einmütig zur Zufriedenheit
der Bevölkerung ihre richterliche Tätigkeit
ausüben könnten? Sollten nicht auch wir um
einen Anteil an der Gerichtsbarkeit bemüht
sein, welcher schon vom Bürgertum in anderen
Gebieten übernommen worden ist? Das ist
unser Projekt, vielleicht will sich die Allge¬
meinheit selbst darüber aussprechen.

„Dzicnnik Berlins«" (Berlin) Ur. 186 vom
17. August 1919.

Eil»e neue Spekulation,

Wir berichteten schon mehrmals über die
Spekulation mit deutschem Gelde. Jetzt

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[0467] Pressestimmen dorn eines Bürgers zu sehen, der mit Liebe jeden Schritt verfolgt, welcher auf dem Wege des Wiederaufbaus des polnischen Staats- wesens getan wird und gern seine Hand der heiligen Sache bieten möchte, sie durch eigene Arbeit und Lebenserfahrung stützen würde. Die Abteilung für Gerichtswesen strebt zur Organisierung des Gerichtswesens im früheren preußischen Teilgebiet und müßte vor allem darauf achten, daß außer der Sicherung einer regelrechten und richtigen Funktionierung desselben ihm auch ein aus¬ schlaggebender Polnischer Charakter gegeben werde. Man muß jedoch die schwierige Aufgabe unserer organisierenden Behörden bedenken, deren Bemühungen sich im großen Maße am Mangel polnischer fachmännischer Kräfte zer¬ schlagen und dadurch die Notwendigkeit der Einführung in die Gerichtsbarkeit eines nicht fachmännischer Faktors bedingen. Angesichts dieser riesengroßen, auf jedem Schritte angetroffenen Schwierigkeiten wäre eS da nicht besser, aus den Erfahrungen anderer Gebiete Polens Nutzen zu ziehen, welche dank den glücklicheren Bedingungen schon früher das Werk der Staatsadministration beginnen konnten? Es ist uns bekannt, daß im gewesenen Kongreßpolen neben den Ge¬ richtsinstanzen, in welchen die Gerechtigkeit ausschließlich Rechtsgelehrte ausüben, eine ganze Reihe Gerichte niederer Instanzen existiert, welche die sogenannten Friedens¬ gerichte sind, an deren Spitze man Orts- bürger und zwar Nichtjuristen gestellt hat und ihnen in Zivilsachen das Einleitungsverfahren übergeben hat, welches zu einer Versöhnung strebt. In Strafsachen jedoch, in weniger wichtigen Sachen würde es das Niveau der Gerichtsbarkeit in gar nichts verringern, wenn wir unabhängig von den höheren Instanzen dem nicht fachmännischer Richter (Laien) so¬ gar eine entscheidende Stimme geben und ihm die Mitwirkung in der Gerichtsbarkeit zuerkennen würden, weil dadurch das kern- Polnifche Bürgerelement mit großem Nutzen in die Gerichtsbarkeit hineingetragen wird. Wir wollen es dahingestellt sein lassen, ob man auf die Posten der Friedensrichter Bürger berufen sollte im Wege ihrer Er¬ nennung oder Wahlen, klar ist es jedoch, daß ein Mensch, dem man das Recht der Ausübung der Gerechtigkeit anvertraut hat, in unserem Lande vor allem neben einer fleckenlosen Vergangenheit rücksichtsloses Vertrauen der Ortsbevölkerung, sowie eine große Lebenserfahrung besitzen muß. Die Arbeit dieser Leute, welche gerade auf diese Lebenskenntnis gestützt ist und durch das allgemeine Vertrauen unterstützt wird, würde zweifelsohne eine große Hilfe bei der Ausübung der Gerechtigkeit darstellen. Die Organisation der Friedensgerichte ist für uns keine neue Sache. Es genügt, sich die Geschichte der Gerichtsbarkeit aus den Zeiten des Warschauer Fürstentums anzu¬ sehen, als die Institution der Friedensgerichte mit Rücksicht auf ihre Nützlichkeit sich einer besonderen Fürsorge erfreute. Der Warschauer Prinz Friedrich August hatte sogar einen speziellen Orden für die Friedensrichter ge¬ stiftet für Erledigung der größten Anzahl von Gerichtssachen; eine von solchen Prämien erhielt damals der Richter Wilczewski, welcher aus einer Anzahl von über 1000 Gerichts¬ sachen, darunter viele Grenzstreitigkeiten, nur vier nicht im versöhnlichen Sinne erledigte den höheren Gerichtsinstanzen überwiesen hat. Die Tätigkeit eines derartigen Bürgerrichters kann unstreitig nur einen guten Einfluß haben, indem es die Klagesucht ausrottet und in der Bevölkerung eine große Achtung für die Gerichtsbehörden weckt. Im gewesenen Kongreßpolen haben sich die Bürgerkräfte mit vollem Eifer an die Arbeit gemacht — dieses unser Gebiet "steht in Hinsicht der Arbeitsfreudigkeit gewiß nicht hinter anderen zurück. — Werden wir keine Leute finden, die einmütig zur Zufriedenheit der Bevölkerung ihre richterliche Tätigkeit ausüben könnten? Sollten nicht auch wir um einen Anteil an der Gerichtsbarkeit bemüht sein, welcher schon vom Bürgertum in anderen Gebieten übernommen worden ist? Das ist unser Projekt, vielleicht will sich die Allge¬ meinheit selbst darüber aussprechen. „Dzicnnik Berlins«" (Berlin) Ur. 186 vom 17. August 1919. Eil»e neue Spekulation, Wir berichteten schon mehrmals über die Spekulation mit deutschem Gelde. Jetzt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/467>, abgerufen am 15.01.2025.