Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Aus den deutschen Volksräten Aus den Deutschen UolKsritten [Beginn Spaltensatz] Thor"-Land. Am 3. August fand eine Kartoffeln, Fleisch usw. wird in Polen auf¬ Aus den deutschen Volksräten Aus den Deutschen UolKsritten [Beginn Spaltensatz] Thor«-Land. Am 3. August fand eine Kartoffeln, Fleisch usw. wird in Polen auf¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0440" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336730"/> <fw type="header" place="top"> Aus den deutschen Volksräten</fw><lb/> </div> <div n="2"> <head> Aus den Deutschen UolKsritten</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_2021" next="#ID_2022"> Thor«-Land. Am 3. August fand eine<lb/> Ausschuß-Sitzung des Deutschen Volksrats<lb/> Thorn-Land statt. Herr Forstrat Loewe<lb/> sprach über seine Erfahrungen bei den Ver¬<lb/> handlungen mit den Polen in Posen. Die<lb/> Polen können das abgetretene Gebiet erst<lb/> übernehmen, wenn sie selbst den Friedens¬<lb/> vertrag neben den drei Großmächten ratifi¬<lb/> zierten. Das verzögert sich noch, so daß<lb/> bis zur Übernahme noch längere Zeit ver¬<lb/> gehen wird. Die Vorbedingungen für die<lb/> Übernahme werden durch die Verhandlungen<lb/> in Berlin zwischen der polnischen und<lb/> deutschen Regierung geschaffen. Eine<lb/> besondere Frage bildet das Währungswesen<lb/> in der Republik Polen. Sie will die Be¬<lb/> schaffung der Geldmittel schnell und einheit¬<lb/> lich durchführen. — Die Bürgerwehr soll<lb/> überall in der Provinz Paritätisch durchge¬<lb/> führt werden. — Die Eigentumsfrage für<lb/> Beamte und Ansiedler ist erst teilweise für<lb/> die nach dem 1. Januar 1S08 zugezogenen<lb/> erledigt. Die polnische Negierung wird sich<lb/> über die Anträge, erstens den nach dem<lb/> 1. Januar 1S08 zugezogenen Personen ein¬<lb/> schließlich der Ansiedler die Aufnahme in die<lb/> polnische Staatszugehörigkeit zu gewähren<lb/> und sie nur in gewissen Fällen abzulehnen<lb/> und zweitens nach dem 1. Januar 1921<lb/> keine Liquidationen mehr einzuleiten, noch<lb/> erklären. — Zugeständnisse sind auch betr.<lb/> der deutschen Sprache, der Kirche und<lb/> deutschen Schule gemacht worden. Auch<lb/> unsere gute deutsche Rechtsprechung werden<lb/> wir behalten, wenn unsere Richter hier<lb/> bleiben. Gehen sie aber fort, so müssen die<lb/> Polen galizische Richter hierher versetzen und<lb/> das galizische Recht einführen, womit ein<lb/> bedeutender Schaden für die Deutschen er¬<lb/> wächst. — Betr. der Militnrfrage hat der<lb/> polnische General Dowbor-Musnicki erklärt,<lb/> er denke nicht daran, in den nächsten fünf<lb/> Jahren die Deutschen einzuziehen, weil sie<lb/> ihm militärisch zu unsicher seien. Wenn erst<lb/> Ruhe und Frieden in Polen eingekehrt seien,<lb/> wird dieses laut Friedensvertrag auch nur<lb/> ein kleines Heer unterhalten. Sodann kam<lb/> Forstrat Loewe auf wirtschaftliche Fragen<lb/> zu sprechen. Die Zwangswirtschaft für</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_2022" prev="#ID_2021" next="#ID_2023"> Kartoffeln, Fleisch usw. wird in Polen auf¬<lb/> gehoben, sie bleibt nur für Getreide bestehen,<lb/> doch soll sie auch hier allmählich abgebaut<lb/> werden. Die Aussichten für Kohlenversorgung<lb/> in Industrie und Landwirtschaft sind sehr<lb/> schlecht. Die Entente hat sich die Oberauf¬<lb/> sicht über die galizischen und oberschlesischen<lb/> Kohlenbergwerke gesichert und wird die<lb/> Verteilung nach Gutdünken vornehmen. Auf<lb/> englische Kohlen ist wegen des zu hohen<lb/> Preises nicht zu rechnen. Besonderes Augen¬<lb/> merk richtet die polnische Regierung auf die<lb/> Arbeitsfrage. Durch die nasse Witterung<lb/> werden hier Roggen, Gerste und Hafer zu<lb/> gleicher Zeit reif. Unsere Arbeitslosen<lb/> stellen sich nicht derart, daß von ihnen viel<lb/> zu hoffen ist. Die polnische Regierung wird<lb/> deshalb nötigenfalls die Ernte durch eine<lb/> großzügige Organisation polnischer Ernte¬<lb/> arbeiter sichern. Herr Loewe schließt mit<lb/> der Mahnung, uns eng zusammenzuschließen,<lb/> Parteigezänk und Hader schwinden zu lassen.<lb/> Bleiben wir Politisch getrennt, so kann der<lb/> Pole mit uns machen, was er will. Sind<lb/> Wir aber in einer großen Partei geeinigt,<lb/> so muß die polnische Negierung mit uns<lb/> rechnen. — Hierauf bespricht Herr Rechts-<lb/> anwalt Butschkowski den Artikel in der<lb/> „Thorner Presse" gegen Geheimrat Cleinow.<lb/> Dieser Artikel geht von dem Volksrat<lb/> Danzig aus, der versucht, Uneinigkeit in die<lb/> Volksratsbewegung zu bringen und Brom¬<lb/> bergs Bedeutung und Führerschaft zu unter¬<lb/> binden. Das Danziger Vorgehen Wird<lb/> allseitig verurteilt. Herr Polzin berichtet,<lb/> daß der Südgau der Deutschen Volksräte<lb/> in Westpreußen sich in einer Sitzung am<lb/> 18. Juli, in der auch Herr Archivrat Dr.<lb/> Kaufmann und andere Danziger Herren<lb/> anwesend waren, mit überwiegender Mehr¬<lb/> heit sich für den Anschluß an Bromberg<lb/> erklärten. Der Arbeitsausschuß des Volks¬<lb/> rats Thorn-Land beschloß ebenfalls den<lb/> Anschluß an Broniberg, den schon vor acht<lb/> Tagen Herr Butschkowski bei einer Tagung<lb/> in Bromberg unter Vorbehalt ausgesprochen<lb/> hatte. — Hiernach folgte eine Rechnungs¬<lb/> legung. Darauf erfolgten Ergänzungswahlen<lb/> für den Arbeitsausschuß. Herr Rechtsanwalt</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0440]
Aus den deutschen Volksräten
Aus den Deutschen UolKsritten
Thor«-Land. Am 3. August fand eine
Ausschuß-Sitzung des Deutschen Volksrats
Thorn-Land statt. Herr Forstrat Loewe
sprach über seine Erfahrungen bei den Ver¬
handlungen mit den Polen in Posen. Die
Polen können das abgetretene Gebiet erst
übernehmen, wenn sie selbst den Friedens¬
vertrag neben den drei Großmächten ratifi¬
zierten. Das verzögert sich noch, so daß
bis zur Übernahme noch längere Zeit ver¬
gehen wird. Die Vorbedingungen für die
Übernahme werden durch die Verhandlungen
in Berlin zwischen der polnischen und
deutschen Regierung geschaffen. Eine
besondere Frage bildet das Währungswesen
in der Republik Polen. Sie will die Be¬
schaffung der Geldmittel schnell und einheit¬
lich durchführen. — Die Bürgerwehr soll
überall in der Provinz Paritätisch durchge¬
führt werden. — Die Eigentumsfrage für
Beamte und Ansiedler ist erst teilweise für
die nach dem 1. Januar 1S08 zugezogenen
erledigt. Die polnische Negierung wird sich
über die Anträge, erstens den nach dem
1. Januar 1S08 zugezogenen Personen ein¬
schließlich der Ansiedler die Aufnahme in die
polnische Staatszugehörigkeit zu gewähren
und sie nur in gewissen Fällen abzulehnen
und zweitens nach dem 1. Januar 1921
keine Liquidationen mehr einzuleiten, noch
erklären. — Zugeständnisse sind auch betr.
der deutschen Sprache, der Kirche und
deutschen Schule gemacht worden. Auch
unsere gute deutsche Rechtsprechung werden
wir behalten, wenn unsere Richter hier
bleiben. Gehen sie aber fort, so müssen die
Polen galizische Richter hierher versetzen und
das galizische Recht einführen, womit ein
bedeutender Schaden für die Deutschen er¬
wächst. — Betr. der Militnrfrage hat der
polnische General Dowbor-Musnicki erklärt,
er denke nicht daran, in den nächsten fünf
Jahren die Deutschen einzuziehen, weil sie
ihm militärisch zu unsicher seien. Wenn erst
Ruhe und Frieden in Polen eingekehrt seien,
wird dieses laut Friedensvertrag auch nur
ein kleines Heer unterhalten. Sodann kam
Forstrat Loewe auf wirtschaftliche Fragen
zu sprechen. Die Zwangswirtschaft für
Kartoffeln, Fleisch usw. wird in Polen auf¬
gehoben, sie bleibt nur für Getreide bestehen,
doch soll sie auch hier allmählich abgebaut
werden. Die Aussichten für Kohlenversorgung
in Industrie und Landwirtschaft sind sehr
schlecht. Die Entente hat sich die Oberauf¬
sicht über die galizischen und oberschlesischen
Kohlenbergwerke gesichert und wird die
Verteilung nach Gutdünken vornehmen. Auf
englische Kohlen ist wegen des zu hohen
Preises nicht zu rechnen. Besonderes Augen¬
merk richtet die polnische Regierung auf die
Arbeitsfrage. Durch die nasse Witterung
werden hier Roggen, Gerste und Hafer zu
gleicher Zeit reif. Unsere Arbeitslosen
stellen sich nicht derart, daß von ihnen viel
zu hoffen ist. Die polnische Regierung wird
deshalb nötigenfalls die Ernte durch eine
großzügige Organisation polnischer Ernte¬
arbeiter sichern. Herr Loewe schließt mit
der Mahnung, uns eng zusammenzuschließen,
Parteigezänk und Hader schwinden zu lassen.
Bleiben wir Politisch getrennt, so kann der
Pole mit uns machen, was er will. Sind
Wir aber in einer großen Partei geeinigt,
so muß die polnische Negierung mit uns
rechnen. — Hierauf bespricht Herr Rechts-
anwalt Butschkowski den Artikel in der
„Thorner Presse" gegen Geheimrat Cleinow.
Dieser Artikel geht von dem Volksrat
Danzig aus, der versucht, Uneinigkeit in die
Volksratsbewegung zu bringen und Brom¬
bergs Bedeutung und Führerschaft zu unter¬
binden. Das Danziger Vorgehen Wird
allseitig verurteilt. Herr Polzin berichtet,
daß der Südgau der Deutschen Volksräte
in Westpreußen sich in einer Sitzung am
18. Juli, in der auch Herr Archivrat Dr.
Kaufmann und andere Danziger Herren
anwesend waren, mit überwiegender Mehr¬
heit sich für den Anschluß an Bromberg
erklärten. Der Arbeitsausschuß des Volks¬
rats Thorn-Land beschloß ebenfalls den
Anschluß an Broniberg, den schon vor acht
Tagen Herr Butschkowski bei einer Tagung
in Bromberg unter Vorbehalt ausgesprochen
hatte. — Hiernach folgte eine Rechnungs¬
legung. Darauf erfolgten Ergänzungswahlen
für den Arbeitsausschuß. Herr Rechtsanwalt
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