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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Aus den deutschen Volksräten

[Beginn Spaltensatz]

Da schien es, als ob die Regierung hier die
Stimmung des deutschen Volkes unterstützte.
Der Redner wies hin auf die oft von ihm
betonte Notwendigkeit einer Armee, wenn
wir hier Ordnung und Selbstbestimmung
haben wollen -- eines pflichtbewußten
Offizierkorps, pflichtbewußter Mannschaften
und Unteroffiziere. Mit großer Sorgfalt
hätten sich diese alle an das schwere Werk
gemacht- "Wir haben heute eine große
Armee hier im Osten, die bereit ist, auch
heute noch unser Vaterland und unsere Heimat
zu verteidigen (Bravo I), und die Negierung
dankt in diesem schwersten Augenblick ab.
Hinter der Kulisse kamen die Männer hervor,
die bisher gehindert haben, zu tun, was wir
konnten. Und nun fühlen wir uns verraten
und verkauft. Zuerst durch gewisse Gewerk¬
schaftsführer der Sozialdemokratie, heute
durch die Minister aus der Sozialdemokratie,
die uns alle in allen Volksschichten preisgeben
einem Feinde, von dem wir nur wissen
können, daß er heute in einem gewaltigen
Siegesrausch die Früchte seines Sieges auch
ernten will. In dieser Stunde tritt die Frage
an uns heran, ob wir heute noch irgend
einen Zusammenhang mit dieser Regierung
haben. (Stürmische Rufe: Nein, 'nein!)
Auch ich sage: Wir haben mit den Männern
in Berlin, die uns in diese Stunde geführt
haben, keine Gemeinschaft! (Nochmals Zu¬
rufe: Nein, nein!) Die Deutsche Vereinigung,
gebildet und darauf hin arbeitend, daß die
Selbstbestimmung in der Provinz gewahrt
bleibe, umfaßt heute über 2 Millionen Männer
in Ost- und Westpreußen und im Netze¬
distrikt, und ihre Organe sind die Deutschen
Volksräte. Und nun sollen wir entscheiden.
Als ich vor acht Tagen hier in Bromberg
den Gedanken erörterte, daß wir unter Um¬
ständen gefaßt sein müßten, unsere eigenen
Wege zu gehen, und für unser Deutschtum
zu retten, was zu retten ist, da wurde in
Weimar beschlossen, mich als Landesverräter
zu verhaften (Pfuirufe), beschlossen von den¬
selben Leuten, die unser Vaterland so schmäh¬
lich verraten haben. Ich bin nicht verhaftet
worden, es haben sich Männer gefunden, die
dagegen Protestierten. (Bravo!) Es handelt
sich darum, über unser Geschick, unser eigenes
und das unserer Kinder zu entscheiden. In

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Danzig tagen heute und morgen Männer,
um die Bildung einer Gemeinschaft im Osten
durchzuführen und Freunde von uns haben
Fühlung genommen mit den Polnischen
Landsleuten, um einen friedlichen Weg für
die Zukunft zu finden. Ob es gelingen wird
oder nicht, wir müssen heute alle Wege, die
noch da sind, versuchen und betreten, um das
Deutschtum, um unsere Heimat vor Ver¬
wüstung, Untergang, Vernichtung und völliger
Auslieferung an die Polnische Nationalität
zu retten. Das ist die Lage. Und nun, in
dieser Lage, haben wir hier eine gewaltige
Kraft angesammelt: die Armee, die mit allem
Enthusiasmus, mit aller Liebe und Glut zu
den Waffen greifen möchte, um doch noch
den Frieden zu korrigieren, der uns zugedacht
ist. Wenn die ungeheure Kraft, die in dieser
Armee heute liegt, nicht genutzt wird, muß
sie sich einen Ausweg suchen, der sich in die
nächste Umgebung richtet, und wahllos,
ziellos und planlos um sich greift. (Bolsche¬
wismus! Sehr richtig!) Die Regierung in
Berlin hat keine Autorität in dieser Armee.
So haben wir auf der einen Seite ein zu¬
sammenbrechendes Regierungssystem, auf der
anderen eine kraftvolle Armee und auf der
dritten den Feind, der uns heute noch die
Hand bieten kann, um das Vaterland, die
engere Heimat vor dem Äußersten zu bewahren.
Nur ein Staatsweson, das geeignet ist, die
nationalen Kräfte und vor allen Dingen die
Kräfte der Armee hinzusetzen an den Ort,
wo es richtig ist, kann uns heute halten
(sehr richtig!), und dieses Staatswesen kann
bei dem Zustande, in dem sich heute die
Berliner Negierung befindet, leider das
Deutsche Reich nicht sein. Wir können in
dieser Lage im Osten nur zusammen mit
den Polen ein Staatswesen bilden, das die
Kräfte beider Nationalitäten für das Wohl der
Gesamtheit und jedes einzelnen von uns ver¬
wertenkann. DasistderWeisheit letzter Schluß
nach der Arbeit, die wir geleistet haben/

Geheimrat Cleinow ging dann des
näheren darauf ein, wie sich ein friedliches
Verhältnis zu und mit den Polen herstellen
ließe: Achtung unseres Selbstbestimmungs¬
rechtes, kulturelle Freiheit, Gleichberechtigung
in der Regierung, gemeinschaftliche Ent¬
scheidung über die Geschicke der Provinz-

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Aus den deutschen Volksräten

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Da schien es, als ob die Regierung hier die
Stimmung des deutschen Volkes unterstützte.
Der Redner wies hin auf die oft von ihm
betonte Notwendigkeit einer Armee, wenn
wir hier Ordnung und Selbstbestimmung
haben wollen — eines pflichtbewußten
Offizierkorps, pflichtbewußter Mannschaften
und Unteroffiziere. Mit großer Sorgfalt
hätten sich diese alle an das schwere Werk
gemacht- „Wir haben heute eine große
Armee hier im Osten, die bereit ist, auch
heute noch unser Vaterland und unsere Heimat
zu verteidigen (Bravo I), und die Negierung
dankt in diesem schwersten Augenblick ab.
Hinter der Kulisse kamen die Männer hervor,
die bisher gehindert haben, zu tun, was wir
konnten. Und nun fühlen wir uns verraten
und verkauft. Zuerst durch gewisse Gewerk¬
schaftsführer der Sozialdemokratie, heute
durch die Minister aus der Sozialdemokratie,
die uns alle in allen Volksschichten preisgeben
einem Feinde, von dem wir nur wissen
können, daß er heute in einem gewaltigen
Siegesrausch die Früchte seines Sieges auch
ernten will. In dieser Stunde tritt die Frage
an uns heran, ob wir heute noch irgend
einen Zusammenhang mit dieser Regierung
haben. (Stürmische Rufe: Nein, 'nein!)
Auch ich sage: Wir haben mit den Männern
in Berlin, die uns in diese Stunde geführt
haben, keine Gemeinschaft! (Nochmals Zu¬
rufe: Nein, nein!) Die Deutsche Vereinigung,
gebildet und darauf hin arbeitend, daß die
Selbstbestimmung in der Provinz gewahrt
bleibe, umfaßt heute über 2 Millionen Männer
in Ost- und Westpreußen und im Netze¬
distrikt, und ihre Organe sind die Deutschen
Volksräte. Und nun sollen wir entscheiden.
Als ich vor acht Tagen hier in Bromberg
den Gedanken erörterte, daß wir unter Um¬
ständen gefaßt sein müßten, unsere eigenen
Wege zu gehen, und für unser Deutschtum
zu retten, was zu retten ist, da wurde in
Weimar beschlossen, mich als Landesverräter
zu verhaften (Pfuirufe), beschlossen von den¬
selben Leuten, die unser Vaterland so schmäh¬
lich verraten haben. Ich bin nicht verhaftet
worden, es haben sich Männer gefunden, die
dagegen Protestierten. (Bravo!) Es handelt
sich darum, über unser Geschick, unser eigenes
und das unserer Kinder zu entscheiden. In

[Spaltenumbruch]

Danzig tagen heute und morgen Männer,
um die Bildung einer Gemeinschaft im Osten
durchzuführen und Freunde von uns haben
Fühlung genommen mit den Polnischen
Landsleuten, um einen friedlichen Weg für
die Zukunft zu finden. Ob es gelingen wird
oder nicht, wir müssen heute alle Wege, die
noch da sind, versuchen und betreten, um das
Deutschtum, um unsere Heimat vor Ver¬
wüstung, Untergang, Vernichtung und völliger
Auslieferung an die Polnische Nationalität
zu retten. Das ist die Lage. Und nun, in
dieser Lage, haben wir hier eine gewaltige
Kraft angesammelt: die Armee, die mit allem
Enthusiasmus, mit aller Liebe und Glut zu
den Waffen greifen möchte, um doch noch
den Frieden zu korrigieren, der uns zugedacht
ist. Wenn die ungeheure Kraft, die in dieser
Armee heute liegt, nicht genutzt wird, muß
sie sich einen Ausweg suchen, der sich in die
nächste Umgebung richtet, und wahllos,
ziellos und planlos um sich greift. (Bolsche¬
wismus! Sehr richtig!) Die Regierung in
Berlin hat keine Autorität in dieser Armee.
So haben wir auf der einen Seite ein zu¬
sammenbrechendes Regierungssystem, auf der
anderen eine kraftvolle Armee und auf der
dritten den Feind, der uns heute noch die
Hand bieten kann, um das Vaterland, die
engere Heimat vor dem Äußersten zu bewahren.
Nur ein Staatsweson, das geeignet ist, die
nationalen Kräfte und vor allen Dingen die
Kräfte der Armee hinzusetzen an den Ort,
wo es richtig ist, kann uns heute halten
(sehr richtig!), und dieses Staatswesen kann
bei dem Zustande, in dem sich heute die
Berliner Negierung befindet, leider das
Deutsche Reich nicht sein. Wir können in
dieser Lage im Osten nur zusammen mit
den Polen ein Staatswesen bilden, das die
Kräfte beider Nationalitäten für das Wohl der
Gesamtheit und jedes einzelnen von uns ver¬
wertenkann. DasistderWeisheit letzter Schluß
nach der Arbeit, die wir geleistet haben/

Geheimrat Cleinow ging dann des
näheren darauf ein, wie sich ein friedliches
Verhältnis zu und mit den Polen herstellen
ließe: Achtung unseres Selbstbestimmungs¬
rechtes, kulturelle Freiheit, Gleichberechtigung
in der Regierung, gemeinschaftliche Ent¬
scheidung über die Geschicke der Provinz-

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[0390] Aus den deutschen Volksräten Da schien es, als ob die Regierung hier die Stimmung des deutschen Volkes unterstützte. Der Redner wies hin auf die oft von ihm betonte Notwendigkeit einer Armee, wenn wir hier Ordnung und Selbstbestimmung haben wollen — eines pflichtbewußten Offizierkorps, pflichtbewußter Mannschaften und Unteroffiziere. Mit großer Sorgfalt hätten sich diese alle an das schwere Werk gemacht- „Wir haben heute eine große Armee hier im Osten, die bereit ist, auch heute noch unser Vaterland und unsere Heimat zu verteidigen (Bravo I), und die Negierung dankt in diesem schwersten Augenblick ab. Hinter der Kulisse kamen die Männer hervor, die bisher gehindert haben, zu tun, was wir konnten. Und nun fühlen wir uns verraten und verkauft. Zuerst durch gewisse Gewerk¬ schaftsführer der Sozialdemokratie, heute durch die Minister aus der Sozialdemokratie, die uns alle in allen Volksschichten preisgeben einem Feinde, von dem wir nur wissen können, daß er heute in einem gewaltigen Siegesrausch die Früchte seines Sieges auch ernten will. In dieser Stunde tritt die Frage an uns heran, ob wir heute noch irgend einen Zusammenhang mit dieser Regierung haben. (Stürmische Rufe: Nein, 'nein!) Auch ich sage: Wir haben mit den Männern in Berlin, die uns in diese Stunde geführt haben, keine Gemeinschaft! (Nochmals Zu¬ rufe: Nein, nein!) Die Deutsche Vereinigung, gebildet und darauf hin arbeitend, daß die Selbstbestimmung in der Provinz gewahrt bleibe, umfaßt heute über 2 Millionen Männer in Ost- und Westpreußen und im Netze¬ distrikt, und ihre Organe sind die Deutschen Volksräte. Und nun sollen wir entscheiden. Als ich vor acht Tagen hier in Bromberg den Gedanken erörterte, daß wir unter Um¬ ständen gefaßt sein müßten, unsere eigenen Wege zu gehen, und für unser Deutschtum zu retten, was zu retten ist, da wurde in Weimar beschlossen, mich als Landesverräter zu verhaften (Pfuirufe), beschlossen von den¬ selben Leuten, die unser Vaterland so schmäh¬ lich verraten haben. Ich bin nicht verhaftet worden, es haben sich Männer gefunden, die dagegen Protestierten. (Bravo!) Es handelt sich darum, über unser Geschick, unser eigenes und das unserer Kinder zu entscheiden. In Danzig tagen heute und morgen Männer, um die Bildung einer Gemeinschaft im Osten durchzuführen und Freunde von uns haben Fühlung genommen mit den Polnischen Landsleuten, um einen friedlichen Weg für die Zukunft zu finden. Ob es gelingen wird oder nicht, wir müssen heute alle Wege, die noch da sind, versuchen und betreten, um das Deutschtum, um unsere Heimat vor Ver¬ wüstung, Untergang, Vernichtung und völliger Auslieferung an die Polnische Nationalität zu retten. Das ist die Lage. Und nun, in dieser Lage, haben wir hier eine gewaltige Kraft angesammelt: die Armee, die mit allem Enthusiasmus, mit aller Liebe und Glut zu den Waffen greifen möchte, um doch noch den Frieden zu korrigieren, der uns zugedacht ist. Wenn die ungeheure Kraft, die in dieser Armee heute liegt, nicht genutzt wird, muß sie sich einen Ausweg suchen, der sich in die nächste Umgebung richtet, und wahllos, ziellos und planlos um sich greift. (Bolsche¬ wismus! Sehr richtig!) Die Regierung in Berlin hat keine Autorität in dieser Armee. So haben wir auf der einen Seite ein zu¬ sammenbrechendes Regierungssystem, auf der anderen eine kraftvolle Armee und auf der dritten den Feind, der uns heute noch die Hand bieten kann, um das Vaterland, die engere Heimat vor dem Äußersten zu bewahren. Nur ein Staatsweson, das geeignet ist, die nationalen Kräfte und vor allen Dingen die Kräfte der Armee hinzusetzen an den Ort, wo es richtig ist, kann uns heute halten (sehr richtig!), und dieses Staatswesen kann bei dem Zustande, in dem sich heute die Berliner Negierung befindet, leider das Deutsche Reich nicht sein. Wir können in dieser Lage im Osten nur zusammen mit den Polen ein Staatswesen bilden, das die Kräfte beider Nationalitäten für das Wohl der Gesamtheit und jedes einzelnen von uns ver¬ wertenkann. DasistderWeisheit letzter Schluß nach der Arbeit, die wir geleistet haben/ Geheimrat Cleinow ging dann des näheren darauf ein, wie sich ein friedliches Verhältnis zu und mit den Polen herstellen ließe: Achtung unseres Selbstbestimmungs¬ rechtes, kulturelle Freiheit, Gleichberechtigung in der Regierung, gemeinschaftliche Ent¬ scheidung über die Geschicke der Provinz-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/390>, abgerufen am 15.01.2025.