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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Zu den neuen Reichssteuern auf das Einkommen

förderlich sind. Es ist deshalb verfehlt, die Grund- und Gewerbesteuer mit der
Kapitalertragssteuer in eine Linie zu setzen und die letztere aus einer inneren
Gleichartigkeit mit der ersteren zu begründen. Eine Gleichartigkeit besteht nur
insofern, als sie zwischen allen Steuerarten besteht. Alle, direkte wie indirekte,
haben nämlich das Gleichartige, dasz sie zuletzt irgendein Einkommen beschränken,
also auf ihm ruhen. Und bei direkten Steuern bleibt allemal die Beziehung zu
einem bestimmten Einkommen, das sie treffen, praktisch fühlbar. Das ist volks¬
wirtschaftlich nicht ohne Bedeutung, -- wir werden das weiter unten sehen. --
aber es berechtigt nicht, darum von gleichartigen Steuern zu sprechen. Zunächst
ist jedenfalls festzuhalten: Grundsteuer und Gewerbesteuer sind Wert- und Ab¬
geltungssteuern. Die Kapitalsrtragssteuer kann niemals etwas anderes sein als
Versteuerung des Zinsertrages, das heißt des Einkommens aus dem Kapital, also
eine Einkommensteuer. Wenn man das Einkommen aus dem Kapital "Ertrag"
nennen will, so ist das nichts weiter, als eine Wortänderung, die aber niemals
ein Recht zu einer erneuten Besteuerung geben kann. Es bleibt also immer nur
die Frage, warum soll das Einkommen aus Kapitalvermögen eine höhere Be¬
steuerung unter dem doch auch von der Begründung anerkannten Erfordernis der
steuerlichen Gerechtigkeit verlangen, als das Einkommen aus Arbeit. Der einzige
Grund, der hier angeführt werden kann, ist die sozialdemokratische Doktrin von der
Schädlichkeit oder Minderwertigkeit der Kapitalsrente gegenüber der Arbeitsrente.
Diese Doktrin hat ihren Grund aber ausschließlich in Ansichten des Klassenkampfes:
Weil nämlich der Arbeiter glaubt, er werde durch das Kapital vergewaltigt. Und diese
gefühlsmäßige Anschauung sucht er volkswirtschaftlich dahin zu begründen, die Arbeit
leiste für die Produktion mehr wie das Kapital. Dieser Zusammenhang darf
durch theoretische Erwägungen nicht verschleiert werden. Der Satz, daß die
Arbeit mehr wert sei für die Produktion, als das Kapital, ist aber unrichtig und
iride auch in der neueren sozialdelüokratischen Theorie wesentlich zurück. Für die
Produktion sind Arbeit und Kapital gleich wichtig. Die eine vermag nichts ohne
das andere, und umgekehrt; ohne das Kapital wird der Arbeiter brotlos, und
ohne die Arbeit des 'Arbeiters wird das Kapital wertlos. Nur durch den Haß
°eS Klassenkampfes ist dies Zusammengehörigkeitsverhältnis verschleiert, das der
geschlechtlichen Gemeinschaft vergleichbar ist, ohne welche die Produktion einer
Nachkommenschaft nicht möglich. Eine weitere gefühlsmäßige Stütze hat die
wzialdemokratische Doktrin in der Geringschätzung der geistigen Arbeit gegenüber
?er körperlichen. Die sozialdemokratische Partei ist keine volkswirtschaftliche Partei
"u alten Sinne, wie etwa Freihändler und Schutzzöllner volkswirtschaftliche
-Parteien waren. Sie ist und bleibt eine Klassenpartei des Arbeiterstandes. Ihre
dolkswirtschaftlichen Ziele sind nur Mittel zum Zweck der Durchsetzung der
^lasseninteressen. Der Arbeiter achtet nur seine, die Handarbeit als Arbeit im
^lgentlichen Sinne. Er verkennt, daß die geistige Arbeit im Wirtschaftsleben
durchaus gleichwertig der Handarbeit zur Seite tritt. Die Verwaltung und
Nutzbarmachung des Kapitals erfordert vorwiegend geistige Arbeit, und zwar oft
eine eminent intensivere, als sie im Achtstundentag zu leisten ist. Darum wird
°"s Kapitaleinkommen vom Arbeiter im gründe als Drohnenerwerb angesehen,
^ud die Knpitalertragssteuer erscheint ihm gerecht unter dem Gesichtspunkt: wenn
°er Kapitalist nicht arbeitet, so soll er dasür zahlen. Es ist wiederum nur ein
'"asseugesichtspunkt, der tendenziös verzerrt ist und vom objektiv wertenden volks-
5?utschaftlichen Standpunkt aus unhaltbar. Es ist daher unbedingt festzuhalten:
°'e Kapitalertragssteuer rechtfertigt sich nicht aus inneren Gründen, sondern nur
"Ah der sozialdemokratischen Doktrin. Diese Doktrin aber ist, wie in ihren
"ersten Hauptpunkten, auch hier nicht objektive Wirtschaftswissenschaft,
wildem ein einseitiges tendenziöses Kampfmittel im Dienste der Klasseninteressen,
oiektiv gesehen aber schief oder falsch.

y . Noch ans einem zweiten Gesichtspunkte ist eine besondere Belastung des
N^taleinkommens theoretisch verwerflich. Die Begründung des Entwurfs stellt
Kapitaleinkommen in einer Reihe mit dem Grund- und dein Gewerbe--


Zu den neuen Reichssteuern auf das Einkommen

förderlich sind. Es ist deshalb verfehlt, die Grund- und Gewerbesteuer mit der
Kapitalertragssteuer in eine Linie zu setzen und die letztere aus einer inneren
Gleichartigkeit mit der ersteren zu begründen. Eine Gleichartigkeit besteht nur
insofern, als sie zwischen allen Steuerarten besteht. Alle, direkte wie indirekte,
haben nämlich das Gleichartige, dasz sie zuletzt irgendein Einkommen beschränken,
also auf ihm ruhen. Und bei direkten Steuern bleibt allemal die Beziehung zu
einem bestimmten Einkommen, das sie treffen, praktisch fühlbar. Das ist volks¬
wirtschaftlich nicht ohne Bedeutung, — wir werden das weiter unten sehen. —
aber es berechtigt nicht, darum von gleichartigen Steuern zu sprechen. Zunächst
ist jedenfalls festzuhalten: Grundsteuer und Gewerbesteuer sind Wert- und Ab¬
geltungssteuern. Die Kapitalsrtragssteuer kann niemals etwas anderes sein als
Versteuerung des Zinsertrages, das heißt des Einkommens aus dem Kapital, also
eine Einkommensteuer. Wenn man das Einkommen aus dem Kapital „Ertrag"
nennen will, so ist das nichts weiter, als eine Wortänderung, die aber niemals
ein Recht zu einer erneuten Besteuerung geben kann. Es bleibt also immer nur
die Frage, warum soll das Einkommen aus Kapitalvermögen eine höhere Be¬
steuerung unter dem doch auch von der Begründung anerkannten Erfordernis der
steuerlichen Gerechtigkeit verlangen, als das Einkommen aus Arbeit. Der einzige
Grund, der hier angeführt werden kann, ist die sozialdemokratische Doktrin von der
Schädlichkeit oder Minderwertigkeit der Kapitalsrente gegenüber der Arbeitsrente.
Diese Doktrin hat ihren Grund aber ausschließlich in Ansichten des Klassenkampfes:
Weil nämlich der Arbeiter glaubt, er werde durch das Kapital vergewaltigt. Und diese
gefühlsmäßige Anschauung sucht er volkswirtschaftlich dahin zu begründen, die Arbeit
leiste für die Produktion mehr wie das Kapital. Dieser Zusammenhang darf
durch theoretische Erwägungen nicht verschleiert werden. Der Satz, daß die
Arbeit mehr wert sei für die Produktion, als das Kapital, ist aber unrichtig und
iride auch in der neueren sozialdelüokratischen Theorie wesentlich zurück. Für die
Produktion sind Arbeit und Kapital gleich wichtig. Die eine vermag nichts ohne
das andere, und umgekehrt; ohne das Kapital wird der Arbeiter brotlos, und
ohne die Arbeit des 'Arbeiters wird das Kapital wertlos. Nur durch den Haß
°eS Klassenkampfes ist dies Zusammengehörigkeitsverhältnis verschleiert, das der
geschlechtlichen Gemeinschaft vergleichbar ist, ohne welche die Produktion einer
Nachkommenschaft nicht möglich. Eine weitere gefühlsmäßige Stütze hat die
wzialdemokratische Doktrin in der Geringschätzung der geistigen Arbeit gegenüber
?er körperlichen. Die sozialdemokratische Partei ist keine volkswirtschaftliche Partei
"u alten Sinne, wie etwa Freihändler und Schutzzöllner volkswirtschaftliche
-Parteien waren. Sie ist und bleibt eine Klassenpartei des Arbeiterstandes. Ihre
dolkswirtschaftlichen Ziele sind nur Mittel zum Zweck der Durchsetzung der
^lasseninteressen. Der Arbeiter achtet nur seine, die Handarbeit als Arbeit im
^lgentlichen Sinne. Er verkennt, daß die geistige Arbeit im Wirtschaftsleben
durchaus gleichwertig der Handarbeit zur Seite tritt. Die Verwaltung und
Nutzbarmachung des Kapitals erfordert vorwiegend geistige Arbeit, und zwar oft
eine eminent intensivere, als sie im Achtstundentag zu leisten ist. Darum wird
°"s Kapitaleinkommen vom Arbeiter im gründe als Drohnenerwerb angesehen,
^ud die Knpitalertragssteuer erscheint ihm gerecht unter dem Gesichtspunkt: wenn
°er Kapitalist nicht arbeitet, so soll er dasür zahlen. Es ist wiederum nur ein
'"asseugesichtspunkt, der tendenziös verzerrt ist und vom objektiv wertenden volks-
5?utschaftlichen Standpunkt aus unhaltbar. Es ist daher unbedingt festzuhalten:
°'e Kapitalertragssteuer rechtfertigt sich nicht aus inneren Gründen, sondern nur
"Ah der sozialdemokratischen Doktrin. Diese Doktrin aber ist, wie in ihren
«ersten Hauptpunkten, auch hier nicht objektive Wirtschaftswissenschaft,
wildem ein einseitiges tendenziöses Kampfmittel im Dienste der Klasseninteressen,
oiektiv gesehen aber schief oder falsch.

y . Noch ans einem zweiten Gesichtspunkte ist eine besondere Belastung des
N^taleinkommens theoretisch verwerflich. Die Begründung des Entwurfs stellt
Kapitaleinkommen in einer Reihe mit dem Grund- und dein Gewerbe--


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[0329] Zu den neuen Reichssteuern auf das Einkommen förderlich sind. Es ist deshalb verfehlt, die Grund- und Gewerbesteuer mit der Kapitalertragssteuer in eine Linie zu setzen und die letztere aus einer inneren Gleichartigkeit mit der ersteren zu begründen. Eine Gleichartigkeit besteht nur insofern, als sie zwischen allen Steuerarten besteht. Alle, direkte wie indirekte, haben nämlich das Gleichartige, dasz sie zuletzt irgendein Einkommen beschränken, also auf ihm ruhen. Und bei direkten Steuern bleibt allemal die Beziehung zu einem bestimmten Einkommen, das sie treffen, praktisch fühlbar. Das ist volks¬ wirtschaftlich nicht ohne Bedeutung, — wir werden das weiter unten sehen. — aber es berechtigt nicht, darum von gleichartigen Steuern zu sprechen. Zunächst ist jedenfalls festzuhalten: Grundsteuer und Gewerbesteuer sind Wert- und Ab¬ geltungssteuern. Die Kapitalsrtragssteuer kann niemals etwas anderes sein als Versteuerung des Zinsertrages, das heißt des Einkommens aus dem Kapital, also eine Einkommensteuer. Wenn man das Einkommen aus dem Kapital „Ertrag" nennen will, so ist das nichts weiter, als eine Wortänderung, die aber niemals ein Recht zu einer erneuten Besteuerung geben kann. Es bleibt also immer nur die Frage, warum soll das Einkommen aus Kapitalvermögen eine höhere Be¬ steuerung unter dem doch auch von der Begründung anerkannten Erfordernis der steuerlichen Gerechtigkeit verlangen, als das Einkommen aus Arbeit. Der einzige Grund, der hier angeführt werden kann, ist die sozialdemokratische Doktrin von der Schädlichkeit oder Minderwertigkeit der Kapitalsrente gegenüber der Arbeitsrente. Diese Doktrin hat ihren Grund aber ausschließlich in Ansichten des Klassenkampfes: Weil nämlich der Arbeiter glaubt, er werde durch das Kapital vergewaltigt. Und diese gefühlsmäßige Anschauung sucht er volkswirtschaftlich dahin zu begründen, die Arbeit leiste für die Produktion mehr wie das Kapital. Dieser Zusammenhang darf durch theoretische Erwägungen nicht verschleiert werden. Der Satz, daß die Arbeit mehr wert sei für die Produktion, als das Kapital, ist aber unrichtig und iride auch in der neueren sozialdelüokratischen Theorie wesentlich zurück. Für die Produktion sind Arbeit und Kapital gleich wichtig. Die eine vermag nichts ohne das andere, und umgekehrt; ohne das Kapital wird der Arbeiter brotlos, und ohne die Arbeit des 'Arbeiters wird das Kapital wertlos. Nur durch den Haß °eS Klassenkampfes ist dies Zusammengehörigkeitsverhältnis verschleiert, das der geschlechtlichen Gemeinschaft vergleichbar ist, ohne welche die Produktion einer Nachkommenschaft nicht möglich. Eine weitere gefühlsmäßige Stütze hat die wzialdemokratische Doktrin in der Geringschätzung der geistigen Arbeit gegenüber ?er körperlichen. Die sozialdemokratische Partei ist keine volkswirtschaftliche Partei "u alten Sinne, wie etwa Freihändler und Schutzzöllner volkswirtschaftliche -Parteien waren. Sie ist und bleibt eine Klassenpartei des Arbeiterstandes. Ihre dolkswirtschaftlichen Ziele sind nur Mittel zum Zweck der Durchsetzung der ^lasseninteressen. Der Arbeiter achtet nur seine, die Handarbeit als Arbeit im ^lgentlichen Sinne. Er verkennt, daß die geistige Arbeit im Wirtschaftsleben durchaus gleichwertig der Handarbeit zur Seite tritt. Die Verwaltung und Nutzbarmachung des Kapitals erfordert vorwiegend geistige Arbeit, und zwar oft eine eminent intensivere, als sie im Achtstundentag zu leisten ist. Darum wird °"s Kapitaleinkommen vom Arbeiter im gründe als Drohnenerwerb angesehen, ^ud die Knpitalertragssteuer erscheint ihm gerecht unter dem Gesichtspunkt: wenn °er Kapitalist nicht arbeitet, so soll er dasür zahlen. Es ist wiederum nur ein '"asseugesichtspunkt, der tendenziös verzerrt ist und vom objektiv wertenden volks- 5?utschaftlichen Standpunkt aus unhaltbar. Es ist daher unbedingt festzuhalten: °'e Kapitalertragssteuer rechtfertigt sich nicht aus inneren Gründen, sondern nur "Ah der sozialdemokratischen Doktrin. Diese Doktrin aber ist, wie in ihren «ersten Hauptpunkten, auch hier nicht objektive Wirtschaftswissenschaft, wildem ein einseitiges tendenziöses Kampfmittel im Dienste der Klasseninteressen, oiektiv gesehen aber schief oder falsch. y . Noch ans einem zweiten Gesichtspunkte ist eine besondere Belastung des N^taleinkommens theoretisch verwerflich. Die Begründung des Entwurfs stellt Kapitaleinkommen in einer Reihe mit dem Grund- und dein Gewerbe--

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/329>, abgerufen am 15.01.2025.