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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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(Um8abu!ung). In8be8onäers Vorbereitung sul als LinMKrigen-,
prima- unä Keikeprülung.Dr. NicdaeUs

Nach zehn Jahren

wischen zwei starken Polen, dem deutschen und dem polnischen,
hat sich mein ganzes Leben abgespielt; zwei starke Einflüsse haben
mich während der letzten zehn Jahre beherrscht, während deren
es mir vergönnt war, der ältesten deutschen Zeitschrift, den
Grenzboten, als deren Herausgeber und Verleger zu dienen.
Die unvergeßlich schönen zehn Jahre einer ungebundenen Kindheit verbrachte
ich auf dem väterlichen Gute in polnischer und kleinrussischer Umgebung
am Bug im Bezirk Chota. Die nächsten fünfzehn als Knabe und Jüngling
M der strengen Zucht preußischer Kadettenkorps und in der Kameradschaft
eines urpreußischen Offizierkorps. Von den folgenden zehn Jahren wurden
sieben durch Reisen in Rußland und Aufenthalt in Petersburg ausgefüllt;
in diese Jahre fiel als stärkstes Erlebnis die russische Revolution von 1905/7.
Weder die preußische Erziehung noch die russischen Erlebnisse haben vermocht,
die Eindrücke der Kindheit auszulöschen, im Gegenteil, beide haben gedrängt,
mich besonders mit den Stätten meiner Kindheit zu beschäftigen und so wurde
die Erforschung des polnischen Problems der Mittelpunkt aller meiner wissen¬
schaftlichen und politischen Arbeiten. 1908 stand es bei mir fest, daß die
Geschicke des deutschen und polnischen Volkes unlöslich miteinander verbunden
waren, daß die deutsch-polnische Feindschaft für beide Völker den Ruin bedeutete,
während die deutsch-russischen Wirtschaftsinteressen auf den zweiten Plan gegen¬
über den deutsch-polnischen völkischen Beziehungen rücken mußten, sofern das
Deutschtum die sich seit 1897 zusammenziehende Weltkrise überwinden sollte.
Die staatsrechtliche Einordnung der Beziehungen in die deutsche Gesamt¬
politik war und ist und bleibt eine Machtfrage. Ein von der Schrift¬
leitung der Grenzboten, deren Mitarbeiter seit 1904 ich war, abgelehnter
Aufsatz gegen die Formulierung des preußischen Enteignungsgesetzes für
die Ostmark ließ in mir den Wunsch entstehen, nach Berlin über¬
zusiedeln und mir ein eigenes Organ zu schaffen, in dem ich ungehindert meine


Grenzboten IV 191S 26


Vorbereitung auk »He KIa88en 6er verscnieäenen Lehnt8^8tems
(Um8abu!ung). In8be8onäers Vorbereitung sul als LinMKrigen-,
prima- unä Keikeprülung.Dr. NicdaeUs

Nach zehn Jahren

wischen zwei starken Polen, dem deutschen und dem polnischen,
hat sich mein ganzes Leben abgespielt; zwei starke Einflüsse haben
mich während der letzten zehn Jahre beherrscht, während deren
es mir vergönnt war, der ältesten deutschen Zeitschrift, den
Grenzboten, als deren Herausgeber und Verleger zu dienen.
Die unvergeßlich schönen zehn Jahre einer ungebundenen Kindheit verbrachte
ich auf dem väterlichen Gute in polnischer und kleinrussischer Umgebung
am Bug im Bezirk Chota. Die nächsten fünfzehn als Knabe und Jüngling
M der strengen Zucht preußischer Kadettenkorps und in der Kameradschaft
eines urpreußischen Offizierkorps. Von den folgenden zehn Jahren wurden
sieben durch Reisen in Rußland und Aufenthalt in Petersburg ausgefüllt;
in diese Jahre fiel als stärkstes Erlebnis die russische Revolution von 1905/7.
Weder die preußische Erziehung noch die russischen Erlebnisse haben vermocht,
die Eindrücke der Kindheit auszulöschen, im Gegenteil, beide haben gedrängt,
mich besonders mit den Stätten meiner Kindheit zu beschäftigen und so wurde
die Erforschung des polnischen Problems der Mittelpunkt aller meiner wissen¬
schaftlichen und politischen Arbeiten. 1908 stand es bei mir fest, daß die
Geschicke des deutschen und polnischen Volkes unlöslich miteinander verbunden
waren, daß die deutsch-polnische Feindschaft für beide Völker den Ruin bedeutete,
während die deutsch-russischen Wirtschaftsinteressen auf den zweiten Plan gegen¬
über den deutsch-polnischen völkischen Beziehungen rücken mußten, sofern das
Deutschtum die sich seit 1897 zusammenziehende Weltkrise überwinden sollte.
Die staatsrechtliche Einordnung der Beziehungen in die deutsche Gesamt¬
politik war und ist und bleibt eine Machtfrage. Ein von der Schrift¬
leitung der Grenzboten, deren Mitarbeiter seit 1904 ich war, abgelehnter
Aufsatz gegen die Formulierung des preußischen Enteignungsgesetzes für
die Ostmark ließ in mir den Wunsch entstehen, nach Berlin über¬
zusiedeln und mir ein eigenes Organ zu schaffen, in dem ich ungehindert meine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/325>, abgerufen am 15.01.2025.