Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Frankreichs deutsche Politik nicht ins Reich rosiger Phantasien entgleiten, ist ausgesprochen deutschfeindlich. Versuchen wir, um ganz klar zu sehen, eine Betrachtung der französischen Frankreichs deutsche Politik nicht ins Reich rosiger Phantasien entgleiten, ist ausgesprochen deutschfeindlich. Versuchen wir, um ganz klar zu sehen, eine Betrachtung der französischen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0315" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336605"/> <fw type="header" place="top"> Frankreichs deutsche Politik</fw><lb/> <p xml:id="ID_1158" prev="#ID_1157"> nicht ins Reich rosiger Phantasien entgleiten, ist ausgesprochen deutschfeindlich.<lb/> Sie begnügt sich nicht damit gesiegt zu haben, sie setzt den Krieg fort. Oder<lb/> will man die rheinischen Loslösungsbestrebungen anders nennen? Man nennt<lb/> das in Frankreich zwar, den Sieg sichern. Aber ein Sieg, der fortwährend<lb/> gesichert werden muß, ist kein Sieg. Den Sieg sichern, heißt hier eine gute<lb/> Konjunktur weiter ausnutzen, und wo dies auf Kosten des Gegners geschieht,<lb/> kommt das ganz ohne Frage eben auf Fortsetzung des .Krieges und deutschfeindliche<lb/> Politik hinaus.</p><lb/> <p xml:id="ID_1159" next="#ID_1160"> Versuchen wir, um ganz klar zu sehen, eine Betrachtung der französischen<lb/> Politik sine ira et stuclio. Welches waren die Kriegsziele Frankreichs? Die<lb/> Wiedergewinnung von Elsaß-Lothringen, die Rheingrenze und die dauernde<lb/> Schwächung des Gegners. Diese Ziele stehen nicht gleichwertig nebeneinander.<lb/> Die ersten beiden sind alte Ideale, der Geographie/ dem inneren Charakter des<lb/> französischen Staates natürlich. Es liegt im Wesen jedes aufstrebenden Staates,<lb/> daß er seine Mitbewerber überflügeln und wenn nötig mattsetzen will, eine<lb/> Wahrheit, die zwar die Pazifisten nicht anerkennen wollen, die aber in der Natur<lb/> der Dinge liegt und sich so wenig aus der Welt schaffen läßt, wie die, daß der Tiger<lb/> als fleischfressender Organismus andere Tiere töten, ja selbst das sanfte Lamm, wenn<lb/> es sich erhalten will, andere Organismen zerstören muß. Eine Machtstellung<lb/> Frankreichs ist nicht möglich ohne Elsaß-Lothringen, es ist aber schön,<lb/> wenn auch noch die Rheingrenze dazu kommt. Die Elsaß-Lothringenfrage,<lb/> die sich rein völkisch anscheinend nicht lösen läßt und die wenigstens für Frank¬<lb/> reich alles andere ist als ein Jrredentaprvblcm, ist demnach eine Frage der politischen<lb/> Macht. Wer die Macht hat, wird Elsaß-Loihringen haben. 1871 wurde die Macht¬<lb/> frage gegen Frankreich entschieden und Deutschland nahm das Elsaß zurück. Es ist<lb/> nun der geschichtliche und politische Fehler Frankreichs, diesen reinen Machlcharakter<lb/> des Elsaßbesitzes verkannt zu haben und seinen Besitz zu erstreben, trotzdem die natür¬<lb/> lichen Machtverhältnisse dagegen sprechen. Das Bündnis mit Rußland, von dem<lb/> niemand vernünftigerweise behaupten kann, daß es für Frankreich ein Defensiv¬<lb/> bündnis war, das vielmehr unbestreitbar mit der Hoffnung aus Wiedergewinnung<lb/> des Elsas? geschlossen wurde, bedeutete nichts weniger als das Eingeständnis, daß<lb/> man allein zu schwach war, es zurückzugewinnen, baß man sich aber nicht dabei<lb/> bescheiden wollte, sondern gesonnen war, gegen die Natur der Dinge anzugehen.<lb/> Damit war aber zugleich die Tatsache gegeben, daß man im Falle eines Sieges<lb/> bon dem Bundesgenossen abhängig blieb. Es konnte gelingen, daß man mit<lb/> Hilfe des Sieges die französisch-deutschen Machtverhältnisse umkehrte und sich des<lb/> Elsaß glücklich bemächtigte, sowie aber der Bundesgenosse seine eigenen Wege<lb/> ging und etwa nach dem Siege durch Einhaltung einer nur deutschfreundlichen<lb/> oder auch nur neutralen Politik Deutschland entlastete, mußte der Kampf um die<lb/> Macht aufs neue beginnen. Die Unuwstößlichkcit dieser Grundtatsache zeigte sich<lb/> bei Friedensschluß in voller Klarheit. Nicht aus eigener Kraft war Frankreich<lb/> Sieger geworden, sondern nur mit Hilfe der Bundesgenossen. Sowie sich diese<lb/> zurückzogen, mußte die perverse Unnatürlichkeit, daß Frankreich, das durch den<lb/> Sieg obendrein bedrohlich entkräftete, und nicht Deutschland, daß zwar auch durch<lb/> den Krieg gelitten, aber von Hau? aus, und dadurch, daß es den Krieg vom<lb/> eigenen Gebiet hatte fernhalten können, über ganz andere und raschere Ge¬<lb/> sundungsmöglichkeiten verfügte, der Besitzer des Elsaß war, augenfällig werden.<lb/> Frankreich wußte und fühlte, daß dieser Besitz, daß der Sieg Nur von Dauer<lb/> sein konnte, wenn er militärisch gesichert war und auch dann nur, wenn der<lb/> Gegner dauernd im Zustand der Schwäche blieb.' Darum verlangte man die<lb/> Rheingrenze, Entschädigung, die man höher benmß, als der Gegner sie ohne Ruin<lb/> leisten konnte und Entwaffnung des Gegners. Da man. gleichviel aus welchen<lb/> Gründen, die Rheingrenze nicht bekam, suchte man wenigstens die Bundesgenossen<lb/> auch weiterhin auf eine deutschfeindliche Politik festzulegen, und schloß, bis der<lb/> Völkerbund zustcmdeküme, an den man, wie immer deutlicher wird, mit Recht<lb/> nicht glauben wollte, das Bündnis mit England und Amerika, um wenigstens</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0315]
Frankreichs deutsche Politik
nicht ins Reich rosiger Phantasien entgleiten, ist ausgesprochen deutschfeindlich.
Sie begnügt sich nicht damit gesiegt zu haben, sie setzt den Krieg fort. Oder
will man die rheinischen Loslösungsbestrebungen anders nennen? Man nennt
das in Frankreich zwar, den Sieg sichern. Aber ein Sieg, der fortwährend
gesichert werden muß, ist kein Sieg. Den Sieg sichern, heißt hier eine gute
Konjunktur weiter ausnutzen, und wo dies auf Kosten des Gegners geschieht,
kommt das ganz ohne Frage eben auf Fortsetzung des .Krieges und deutschfeindliche
Politik hinaus.
Versuchen wir, um ganz klar zu sehen, eine Betrachtung der französischen
Politik sine ira et stuclio. Welches waren die Kriegsziele Frankreichs? Die
Wiedergewinnung von Elsaß-Lothringen, die Rheingrenze und die dauernde
Schwächung des Gegners. Diese Ziele stehen nicht gleichwertig nebeneinander.
Die ersten beiden sind alte Ideale, der Geographie/ dem inneren Charakter des
französischen Staates natürlich. Es liegt im Wesen jedes aufstrebenden Staates,
daß er seine Mitbewerber überflügeln und wenn nötig mattsetzen will, eine
Wahrheit, die zwar die Pazifisten nicht anerkennen wollen, die aber in der Natur
der Dinge liegt und sich so wenig aus der Welt schaffen läßt, wie die, daß der Tiger
als fleischfressender Organismus andere Tiere töten, ja selbst das sanfte Lamm, wenn
es sich erhalten will, andere Organismen zerstören muß. Eine Machtstellung
Frankreichs ist nicht möglich ohne Elsaß-Lothringen, es ist aber schön,
wenn auch noch die Rheingrenze dazu kommt. Die Elsaß-Lothringenfrage,
die sich rein völkisch anscheinend nicht lösen läßt und die wenigstens für Frank¬
reich alles andere ist als ein Jrredentaprvblcm, ist demnach eine Frage der politischen
Macht. Wer die Macht hat, wird Elsaß-Loihringen haben. 1871 wurde die Macht¬
frage gegen Frankreich entschieden und Deutschland nahm das Elsaß zurück. Es ist
nun der geschichtliche und politische Fehler Frankreichs, diesen reinen Machlcharakter
des Elsaßbesitzes verkannt zu haben und seinen Besitz zu erstreben, trotzdem die natür¬
lichen Machtverhältnisse dagegen sprechen. Das Bündnis mit Rußland, von dem
niemand vernünftigerweise behaupten kann, daß es für Frankreich ein Defensiv¬
bündnis war, das vielmehr unbestreitbar mit der Hoffnung aus Wiedergewinnung
des Elsas? geschlossen wurde, bedeutete nichts weniger als das Eingeständnis, daß
man allein zu schwach war, es zurückzugewinnen, baß man sich aber nicht dabei
bescheiden wollte, sondern gesonnen war, gegen die Natur der Dinge anzugehen.
Damit war aber zugleich die Tatsache gegeben, daß man im Falle eines Sieges
bon dem Bundesgenossen abhängig blieb. Es konnte gelingen, daß man mit
Hilfe des Sieges die französisch-deutschen Machtverhältnisse umkehrte und sich des
Elsaß glücklich bemächtigte, sowie aber der Bundesgenosse seine eigenen Wege
ging und etwa nach dem Siege durch Einhaltung einer nur deutschfreundlichen
oder auch nur neutralen Politik Deutschland entlastete, mußte der Kampf um die
Macht aufs neue beginnen. Die Unuwstößlichkcit dieser Grundtatsache zeigte sich
bei Friedensschluß in voller Klarheit. Nicht aus eigener Kraft war Frankreich
Sieger geworden, sondern nur mit Hilfe der Bundesgenossen. Sowie sich diese
zurückzogen, mußte die perverse Unnatürlichkeit, daß Frankreich, das durch den
Sieg obendrein bedrohlich entkräftete, und nicht Deutschland, daß zwar auch durch
den Krieg gelitten, aber von Hau? aus, und dadurch, daß es den Krieg vom
eigenen Gebiet hatte fernhalten können, über ganz andere und raschere Ge¬
sundungsmöglichkeiten verfügte, der Besitzer des Elsaß war, augenfällig werden.
Frankreich wußte und fühlte, daß dieser Besitz, daß der Sieg Nur von Dauer
sein konnte, wenn er militärisch gesichert war und auch dann nur, wenn der
Gegner dauernd im Zustand der Schwäche blieb.' Darum verlangte man die
Rheingrenze, Entschädigung, die man höher benmß, als der Gegner sie ohne Ruin
leisten konnte und Entwaffnung des Gegners. Da man. gleichviel aus welchen
Gründen, die Rheingrenze nicht bekam, suchte man wenigstens die Bundesgenossen
auch weiterhin auf eine deutschfeindliche Politik festzulegen, und schloß, bis der
Völkerbund zustcmdeküme, an den man, wie immer deutlicher wird, mit Recht
nicht glauben wollte, das Bündnis mit England und Amerika, um wenigstens
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