Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Gin Brief aus Böhmen Der springende Punkt ist, das; nach der Auffassung der Bewohner Deutsch¬ ^ Schon daß Menenius es für selbstverständlich zu halten scheint, daß der Menenius wendet sich ziemlich ausgesprochen gegen Deutschböhmens Gin Brief aus Böhmen Der springende Punkt ist, das; nach der Auffassung der Bewohner Deutsch¬ ^ Schon daß Menenius es für selbstverständlich zu halten scheint, daß der Menenius wendet sich ziemlich ausgesprochen gegen Deutschböhmens <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0303" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336593"/> <fw type="header" place="top"> Gin Brief aus Böhmen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1114"> Der springende Punkt ist, das; nach der Auffassung der Bewohner Deutsch¬<lb/> böhmens dieses Land, von dem Menenius als Land me spricht, ein Bestandteil<lb/> Deutschlands ist, der von den Tschechen militärisch besetzt und dann gegen den<lb/> Grundsatz vom SelbstbcstimmungLrccbt der Völker in der Hand behalten worden<lb/> ist. Die tschechische Auffassung und auch die von Menenius ist, daß der tschechische<lb/> Staat, wenn er auch nur von Tschechen errichtet und bis heute nur von solchen<lb/> Agiert wird, sich von Natur aus auch über Deutschböhmen und den deutschen<lb/> Teil Mährens und Schlesiens erstrecke, und dasz der Wunsch der meisten Deutsch¬<lb/> böhmen, bzw. Nordmährcr, Südmöhrer und Deutschlesier, sich von diesem Staate<lb/> Abzulösen, die Existenz des neuen Gebildes in seinen ursprünglichen Grenzen be¬<lb/> drohe und daher das Werk der Befreiung um seine Vollständigkeit bringe. Das-<lb/> 'elbe gilt von den Selbstäudigkeitsbestrebungen der Slowakei und des ukrainischen<lb/> Teiles des tschechischen Reiches. Alles, was Menenius sagt, mehr noch woran er<lb/> Mehl denkt, zeigt die in bester Absicht vorgebrachte tschechische Auffassung. Nicht<lb/> darin besteht sie, daß Menenius den Demstyböhmen rät, sich auf den Boden der<lb/> vollzogenen Tatsachen zu stellen, sondern in spezifischen Begriffsumfängen und<lb/> Voraussetzungen der politischen Erwägung, wie sie ein Deutschböhme aus<lb/> ^eutschböhmen seiner ganzen Erziehung nach nicht hat. Dem Tschechen ist seine<lb/> dem Deutschböhmeu eigentlich uuvelständliche Auffassung der tschechischen Rechte<lb/> ebenfalls durch Schule und Erziehung beigebracht. Sie ist sehr ähnlich der<lb/> Magyarischen über den alten ungarischen Staat und dessen „Nationalitäten", welche<lb/> von Gott dazu bestimmt schienen, im Schoße der ungarischen „Nation" magyirisiert<lb/> SU werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1115"> ^ Schon daß Menenius es für selbstverständlich zu halten scheint, daß der<lb/> ^urchschm'ttsdemsche den Zusammenbruch Österreich-Ungarns bedauert und die<lb/> ^M'.neben als Hochverräter bezeichnet, macht auf mich einen ausländerhaften Ein-<lb/> vNlck. Die Reichsdeutschen aller Klassen sind vielmehr, sogar mit seltener Ein-<lb/> ??,^lichten, des für minderwertig gehaltenen Bundesgenossen Österreich-Ungarn"ochse überdrüssig, dessen Odium hier und da auch Deutsch-Österreich wie so manches<lb/> andere zu Unrecht geerbt hat. Ab-r wer den Zusammenbruch der alten Donau-<lb/> "wnarchie auch nicht bedauert, kann deswegen doch im Serbentum, welches das<lb/> keineswegs allen Südslawen genehme Königtum der Karegzorgjewitsch auf Kroatien<lb/> und Bosnien ausdehnte und dem kroatischen Element viel zu wenig politische<lb/> Geltung läßt, einen Imperialismus erblicken, kann die Gründung des tschechi-<lb/> icyen Natwnaliiälenreiches für ein Unrecht halten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1116" next="#ID_1117"> Menenius wendet sich ziemlich ausgesprochen gegen Deutschböhmens<lb/> ^utonvuuebestrebung. Er mag recht haben, wenn er glaubt, daß der Zank der<lb/> s^'oren durch sie zunächst befeuert werde. Für die Deutschböhmen handelt es<lb/> ' ^> dabei um die alte Frage, ob man mit Versöhnlichkeit oder mit beharrlicher<lb/> . Meguenz weiterkomme. Wenn die. deutschböhmischen Politiker dennoch ein-<lb/> ^?^-ug und strikt auf die Autonomie hinarbeiten, liegt das daran, daß!die Er¬<lb/> füllung der Autonomie erst die Minimalforderung eines jeden Volkes verwirklicht<lb/> A,.^Änlich die, überhaupt zu existieren. Würde auf tschechischer Seite eine<lb/> ^usfassung herrschen, welche den Deutschen eine gewisse Abgrenzung in ihrem<lb/> al>5 ^ ^sendet, sowie sie die Kroaten im alten Ungarn, die Polen im<lb/> 2>en Österreich, die Finnen im alten Rußland hatten, wäre die Forderung der<lb/> d„„ L°,urie keine Minimalforderung. Es ist aber weniger bei der Regierung als bei<lb/> Kien ^"llionen der Masse des tschechischen Volkes die Auffassung, daß die Deutschen<lb/> gewanderte, zum Teil zu Unrecht im Lande sitzende Fremde seien, so ein-<lb/> TerV > das Interesse für die Verrückung der Sprachgrenze, für nationalen<lb/> "° und Machtgewinn so groß, daß die Deutschböhmen furchtbare Angst<lb/> vuoen ^__- ._______ ...!. ^______...5^.4 r__0^>,^^K.^^<lb/> Und l. ^ U'ehe jungen, wie Menenius sagt, sondern viele Jahrzehnte alten<lb/> le,x^durch Methoden und Wirksamkeit wohlbekannten und gefürchteten und nun-<lb/> ?g ungehemmten Bestrebung. Deutschböhmen künstlich — das heißt mehr als<lb/> es^pW. natürlichen Bevölkerungsstrom in die Industriegebiete entspricht — zu<lb/> ^cyyieren. Dies beherrscht alle politischen Entschlüsse der Dcutschböhmcn. so</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0303]
Gin Brief aus Böhmen
Der springende Punkt ist, das; nach der Auffassung der Bewohner Deutsch¬
böhmens dieses Land, von dem Menenius als Land me spricht, ein Bestandteil
Deutschlands ist, der von den Tschechen militärisch besetzt und dann gegen den
Grundsatz vom SelbstbcstimmungLrccbt der Völker in der Hand behalten worden
ist. Die tschechische Auffassung und auch die von Menenius ist, daß der tschechische
Staat, wenn er auch nur von Tschechen errichtet und bis heute nur von solchen
Agiert wird, sich von Natur aus auch über Deutschböhmen und den deutschen
Teil Mährens und Schlesiens erstrecke, und dasz der Wunsch der meisten Deutsch¬
böhmen, bzw. Nordmährcr, Südmöhrer und Deutschlesier, sich von diesem Staate
Abzulösen, die Existenz des neuen Gebildes in seinen ursprünglichen Grenzen be¬
drohe und daher das Werk der Befreiung um seine Vollständigkeit bringe. Das-
'elbe gilt von den Selbstäudigkeitsbestrebungen der Slowakei und des ukrainischen
Teiles des tschechischen Reiches. Alles, was Menenius sagt, mehr noch woran er
Mehl denkt, zeigt die in bester Absicht vorgebrachte tschechische Auffassung. Nicht
darin besteht sie, daß Menenius den Demstyböhmen rät, sich auf den Boden der
vollzogenen Tatsachen zu stellen, sondern in spezifischen Begriffsumfängen und
Voraussetzungen der politischen Erwägung, wie sie ein Deutschböhme aus
^eutschböhmen seiner ganzen Erziehung nach nicht hat. Dem Tschechen ist seine
dem Deutschböhmeu eigentlich uuvelständliche Auffassung der tschechischen Rechte
ebenfalls durch Schule und Erziehung beigebracht. Sie ist sehr ähnlich der
Magyarischen über den alten ungarischen Staat und dessen „Nationalitäten", welche
von Gott dazu bestimmt schienen, im Schoße der ungarischen „Nation" magyirisiert
SU werden.
^ Schon daß Menenius es für selbstverständlich zu halten scheint, daß der
^urchschm'ttsdemsche den Zusammenbruch Österreich-Ungarns bedauert und die
^M'.neben als Hochverräter bezeichnet, macht auf mich einen ausländerhaften Ein-
vNlck. Die Reichsdeutschen aller Klassen sind vielmehr, sogar mit seltener Ein-
??,^lichten, des für minderwertig gehaltenen Bundesgenossen Österreich-Ungarn"ochse überdrüssig, dessen Odium hier und da auch Deutsch-Österreich wie so manches
andere zu Unrecht geerbt hat. Ab-r wer den Zusammenbruch der alten Donau-
"wnarchie auch nicht bedauert, kann deswegen doch im Serbentum, welches das
keineswegs allen Südslawen genehme Königtum der Karegzorgjewitsch auf Kroatien
und Bosnien ausdehnte und dem kroatischen Element viel zu wenig politische
Geltung läßt, einen Imperialismus erblicken, kann die Gründung des tschechi-
icyen Natwnaliiälenreiches für ein Unrecht halten.
Menenius wendet sich ziemlich ausgesprochen gegen Deutschböhmens
^utonvuuebestrebung. Er mag recht haben, wenn er glaubt, daß der Zank der
s^'oren durch sie zunächst befeuert werde. Für die Deutschböhmen handelt es
' ^> dabei um die alte Frage, ob man mit Versöhnlichkeit oder mit beharrlicher
. Meguenz weiterkomme. Wenn die. deutschböhmischen Politiker dennoch ein-
^?^-ug und strikt auf die Autonomie hinarbeiten, liegt das daran, daß!die Er¬
füllung der Autonomie erst die Minimalforderung eines jeden Volkes verwirklicht
A,.^Änlich die, überhaupt zu existieren. Würde auf tschechischer Seite eine
^usfassung herrschen, welche den Deutschen eine gewisse Abgrenzung in ihrem
al>5 ^ ^sendet, sowie sie die Kroaten im alten Ungarn, die Polen im
2>en Österreich, die Finnen im alten Rußland hatten, wäre die Forderung der
d„„ L°,urie keine Minimalforderung. Es ist aber weniger bei der Regierung als bei
Kien ^"llionen der Masse des tschechischen Volkes die Auffassung, daß die Deutschen
gewanderte, zum Teil zu Unrecht im Lande sitzende Fremde seien, so ein-
TerV > das Interesse für die Verrückung der Sprachgrenze, für nationalen
"° und Machtgewinn so groß, daß die Deutschböhmen furchtbare Angst
vuoen ^__- ._______ ...!. ^______...5^.4 r__0^>,^^K.^^
Und l. ^ U'ehe jungen, wie Menenius sagt, sondern viele Jahrzehnte alten
le,x^durch Methoden und Wirksamkeit wohlbekannten und gefürchteten und nun-
?g ungehemmten Bestrebung. Deutschböhmen künstlich — das heißt mehr als
es^pW. natürlichen Bevölkerungsstrom in die Industriegebiete entspricht — zu
^cyyieren. Dies beherrscht alle politischen Entschlüsse der Dcutschböhmcn. so
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