Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Zu den geplanten Reichssteuern auf das Einkommen wirtschaft zu geben, waren die gesamten in Betracht kommenden Schulden von Qver die Einzelheiten des Einkommensteuergesetzes mag folgendes bemerkt Der Entwurf bricht mit dem herkömmlichen Einkommensbegriff, wie er stet) Zu den geplanten Reichssteuern auf das Einkommen wirtschaft zu geben, waren die gesamten in Betracht kommenden Schulden von Qver die Einzelheiten des Einkommensteuergesetzes mag folgendes bemerkt Der Entwurf bricht mit dem herkömmlichen Einkommensbegriff, wie er stet) <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0294" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336584"/> <fw type="header" place="top"> Zu den geplanten Reichssteuern auf das Einkommen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1082" prev="#ID_1081"> wirtschaft zu geben, waren die gesamten in Betracht kommenden Schulden von<lb/> Reich, Einzelstaaten und Gemeinden klarzulegen, die Aktiva zu ermitteln, die im<lb/> Nationalvermögen diesen Schulden gegenüberstehen, und waren dann an der Hand<lb/> der Zahlen früherer Steuerergebnisss die praktischen Wirkungen der geplanten<lb/> Steuern durch Vergleich bis ins einzelne zu durchleuchten. Von all dem gibt<lb/> die Begründung der neuen Gesetze nichts. Der Herr Reichssinanzminister hat in<lb/> seiner Einleitungsrede hervorgehoben, dasz die jetzige Steuerreform die steuerliche<lb/> Leistungsfähigkeit des deutschen Volkes bis zu ihrer Grenze ausschöpfen wollte.<lb/> Wie soll den Parlamenten ohne eine solche Begründung die Möglichkeit gegeben<lb/> werden, auch nur die Hauptfrage, die doch über allen anderen steht, nachzuprüfen,<lb/> ob nicht die von weitesten Kreisen (nicht nur der Opposition) gehegte Besorgnis<lb/> begründet ist, daß die jetzigen Steuergesetze über die Leistungsfähigkeit unserer<lb/> Volkswirtschaft Hinausgehen und sie vernichten? Um so notwendiger war eine<lb/> solche Begründung, da es sich ja um Material handelt, das der Öffentlichkeit nur<lb/> ganz beschränkt zugänglich ist. Soweit Material vorhanden ist, ist es durch die<lb/> völlige Umgestaltung unseres Wirtschaftslebens veraltet, und ein Eingehen auf<lb/> dasselbe hat für die Kritik der Steuer kaum einen Sinn. Es ist möglich, daß<lb/> dieses Material der Regierung teilweise selbst nicht zu Gebote stand. Dann war<lb/> es durch eingehende Erhebungen zu beschaffen. Unsere an dem Kern der Dinge<lb/> häufig vorbeigehende öffentliche Statistik ist ja während des Krieges schon mehrfach<lb/> in ähnlichen Lagen gewesen. So fehlte uns beim Eintritt in die Zwangswirt¬<lb/> schaft z. V. eine brauchbare Anbaustatistik. Es kann doch nicht angenommen<lb/> werden, daß die Regierung aus Zeitersparnis sich selbst nicht die gehörigen Ein¬<lb/> blicke verschafft habe, das wäre doch Vabcmquespiel. Wir stehen schon längst im<lb/> praktischen Staatsbankerott mitten drin. Wie soll ein Bankerottenr aus seiner<lb/> furchtbaren Lage anders herauskommen, als daß zunächst einmal eine wahrheits¬<lb/> getreue Bilanz der Aktiva und Passiva gelegt wird und die verschiedenen Möglich-<lb/> keiten zur Sanierung sorgfältig gegeneinander abgewogen werden, und daß unter¬<lb/> sucht wird, ob überhaupt noch Saniernngsmöglichkeiten gangbar sind, oder ob die<lb/> geplanten Wege nur dazu dienen, den Bankerott noch etwas hinauszuschieben und<lb/> dann um so furchtbarer zu machen? Ein Privatmann, der diese Prüfung unter¬<lb/> läßt, wird strafbar, hier aber handelt es sich um das Wohl und Wehe des<lb/> deutschen Volkes. Es gibt weite Kreise, die heute schon glauben, daß ein Staats-<lb/> bcnUerott in begrenztem Umfange für die Allgemeinheit weniger schädlich sei, als<lb/> unsere jetzige Steuerreform. Auch dem Auslande gegenüber kann uns eine solche<lb/> Klarlegung nur förderlich sein. scheut man aber vor einer Veröffentlichung zurück,<lb/> so bleiben ja die Kommissionen. Es ist möglich, daß beabsichtigt wird, diesen die<lb/> erforderlichen Aufschlüsse zu geben. Wir haben seit der Revolution den Parla¬<lb/> mentarismus in seiner weitgehendsten Form. D. h. die Volksvertretung ist für<lb/> die getroffenen Entscheidungen verantwortlich, sie macht die Gesetze, sie lehnt es<lb/> ab. auf die Autorität und das Vertrauen hin, das die Negierung bei der Mehrheu<lb/> genießt. Regierungsvorlagen lediglich zuzustimmen, sie will sachlich prüfen und<lb/> entscheiden. Darum vollkommene Klarheit und Offenheit bis in die letzten Konse¬<lb/> quenzen I Mit sogenannten politischen Gründen für die Entscheidung ist in der<lb/> verzweifelten Lage, in der wir uns befinden, nichts getan. Nur ernste, sachliche<lb/> Arbeit kann n.us nutzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1083"> Qver die Einzelheiten des Einkommensteuergesetzes mag folgendes bemerkt<lb/> werden. ^</p><lb/> <p xml:id="ID_1084" next="#ID_1085"> Der Entwurf bricht mit dem herkömmlichen Einkommensbegriff, wie er stet)<lb/> in der früheren Gesetzgebung durchgesetzt hat. Danach gelten als Einkommen<lb/> nur die aus dauernden Quellen regelmäßig fließenden Einnahmen. Der Entwurf<lb/> stellt grundsätzlich jede, auch die einmalige größere Einnahme unter die Steuer,<lb/> auch die Gewinneinnahmen aus der Veräußerung von Grundstücken, von Wert¬<lb/> papieren, Patenten. Firmenrechten, verkaufter Praxis, Lotteriegewinnen und ähnliches^-<lb/> Das Bedenkliche bei dieser Erweiterung des Einkommensbegriffs ist, daß es few<lb/> bei solchen Rechtsgeschäften vielfach um Änderung lediglich in der Vermögens-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0294]
Zu den geplanten Reichssteuern auf das Einkommen
wirtschaft zu geben, waren die gesamten in Betracht kommenden Schulden von
Reich, Einzelstaaten und Gemeinden klarzulegen, die Aktiva zu ermitteln, die im
Nationalvermögen diesen Schulden gegenüberstehen, und waren dann an der Hand
der Zahlen früherer Steuerergebnisss die praktischen Wirkungen der geplanten
Steuern durch Vergleich bis ins einzelne zu durchleuchten. Von all dem gibt
die Begründung der neuen Gesetze nichts. Der Herr Reichssinanzminister hat in
seiner Einleitungsrede hervorgehoben, dasz die jetzige Steuerreform die steuerliche
Leistungsfähigkeit des deutschen Volkes bis zu ihrer Grenze ausschöpfen wollte.
Wie soll den Parlamenten ohne eine solche Begründung die Möglichkeit gegeben
werden, auch nur die Hauptfrage, die doch über allen anderen steht, nachzuprüfen,
ob nicht die von weitesten Kreisen (nicht nur der Opposition) gehegte Besorgnis
begründet ist, daß die jetzigen Steuergesetze über die Leistungsfähigkeit unserer
Volkswirtschaft Hinausgehen und sie vernichten? Um so notwendiger war eine
solche Begründung, da es sich ja um Material handelt, das der Öffentlichkeit nur
ganz beschränkt zugänglich ist. Soweit Material vorhanden ist, ist es durch die
völlige Umgestaltung unseres Wirtschaftslebens veraltet, und ein Eingehen auf
dasselbe hat für die Kritik der Steuer kaum einen Sinn. Es ist möglich, daß
dieses Material der Regierung teilweise selbst nicht zu Gebote stand. Dann war
es durch eingehende Erhebungen zu beschaffen. Unsere an dem Kern der Dinge
häufig vorbeigehende öffentliche Statistik ist ja während des Krieges schon mehrfach
in ähnlichen Lagen gewesen. So fehlte uns beim Eintritt in die Zwangswirt¬
schaft z. V. eine brauchbare Anbaustatistik. Es kann doch nicht angenommen
werden, daß die Regierung aus Zeitersparnis sich selbst nicht die gehörigen Ein¬
blicke verschafft habe, das wäre doch Vabcmquespiel. Wir stehen schon längst im
praktischen Staatsbankerott mitten drin. Wie soll ein Bankerottenr aus seiner
furchtbaren Lage anders herauskommen, als daß zunächst einmal eine wahrheits¬
getreue Bilanz der Aktiva und Passiva gelegt wird und die verschiedenen Möglich-
keiten zur Sanierung sorgfältig gegeneinander abgewogen werden, und daß unter¬
sucht wird, ob überhaupt noch Saniernngsmöglichkeiten gangbar sind, oder ob die
geplanten Wege nur dazu dienen, den Bankerott noch etwas hinauszuschieben und
dann um so furchtbarer zu machen? Ein Privatmann, der diese Prüfung unter¬
läßt, wird strafbar, hier aber handelt es sich um das Wohl und Wehe des
deutschen Volkes. Es gibt weite Kreise, die heute schon glauben, daß ein Staats-
bcnUerott in begrenztem Umfange für die Allgemeinheit weniger schädlich sei, als
unsere jetzige Steuerreform. Auch dem Auslande gegenüber kann uns eine solche
Klarlegung nur förderlich sein. scheut man aber vor einer Veröffentlichung zurück,
so bleiben ja die Kommissionen. Es ist möglich, daß beabsichtigt wird, diesen die
erforderlichen Aufschlüsse zu geben. Wir haben seit der Revolution den Parla¬
mentarismus in seiner weitgehendsten Form. D. h. die Volksvertretung ist für
die getroffenen Entscheidungen verantwortlich, sie macht die Gesetze, sie lehnt es
ab. auf die Autorität und das Vertrauen hin, das die Negierung bei der Mehrheu
genießt. Regierungsvorlagen lediglich zuzustimmen, sie will sachlich prüfen und
entscheiden. Darum vollkommene Klarheit und Offenheit bis in die letzten Konse¬
quenzen I Mit sogenannten politischen Gründen für die Entscheidung ist in der
verzweifelten Lage, in der wir uns befinden, nichts getan. Nur ernste, sachliche
Arbeit kann n.us nutzen.
Qver die Einzelheiten des Einkommensteuergesetzes mag folgendes bemerkt
werden. ^
Der Entwurf bricht mit dem herkömmlichen Einkommensbegriff, wie er stet)
in der früheren Gesetzgebung durchgesetzt hat. Danach gelten als Einkommen
nur die aus dauernden Quellen regelmäßig fließenden Einnahmen. Der Entwurf
stellt grundsätzlich jede, auch die einmalige größere Einnahme unter die Steuer,
auch die Gewinneinnahmen aus der Veräußerung von Grundstücken, von Wert¬
papieren, Patenten. Firmenrechten, verkaufter Praxis, Lotteriegewinnen und ähnliches^-
Das Bedenkliche bei dieser Erweiterung des Einkommensbegriffs ist, daß es few
bei solchen Rechtsgeschäften vielfach um Änderung lediglich in der Vermögens-
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