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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Neupolens wirtschaftliche Aräfte

nicht genügen würden, hierüber Klarheit zu gewinnen. Fest steht nur, daß die
rechnerisch ermittelte Kopfbelastung wertlos und nicht geeignet ist, zur Beurteilung
des wirtschaftlichen Druckes auf die einzelnen Haushaltungen herangezogen zu
werden. Diese Kopfziffer stellt sich auf annähernd 23 Mark, der Rohertrag an
Staatssteuern im preußischen Staatsgebiete wurde in Friedenszeiten auf rund
13 Mark für den Kopf berechnet, schlägt man hierzu als Durchschnitt 125 Prozent
als Kommunalsteuern, so ergäbe sich eine rechnungsmäßige Belastung von 65,25 Mark
für den Kopf, denen allein an staatlichen Steuern in Polen 75 Mark gegenüber zu stellen
sein würden. Eine Entlastung seines Staatshaushalts durch Zölle wird Polen kaum
erreichen können, da die eigenen Hilfsquellen des Landes zu gering sind, als daß
Schutzzölle anwendbar wären, während indirekte Steuern hier mit unverhältnis'
mäßiger Schwere drücken, und eine Abwälzung auf tragfähige Schultern kaum
zu erreichen sein würde.¬

In den Abtretungsgebieten stellte sich aber, wie oben erläutert, die steuer
liche Kopfbelastung bisher nur auf durchschnittlich 7 Mark, sie blieb also hinter
der sonstigen Durchschnittsbelastung um 6 Mark zurück. Rechnet man hierzu den
Kopfzoll und die 125 Prozent Kommunalsteuern, so gelangt man zu einer Kopf'
belastung von 42 Mark, die bisher getragen, und nach Zitzlaff als sehr drückend
befunden wurde. Zieht man gegenüber dieser Kopfbelastung die Einkommens¬
verhältnisse der Bevölkerung in Betracht, bei denen für die Einkommen über
3000 Mark nur durchschnittlich drei Prozent der Steuerträger übrig bleiben, so
ergibt sich, daß schon die dem Gesetz entsprechende Verteilung einer Kopfbelastung
von 42 Mark ihre sehr großen Schwierigkeiten haben mußte, während eine solche
von 75 Mark an die dünne wohlhabende Oberschicht vollkommen unerträgliche
Anforderungen stellen müßte.

Muß diese Sachlage als zutreffend angenommen werden, und eine wesentlich
günstigere Beurteilung dürfte auch mit anderen rechnerischem Unterlagen kaum ,zu
erreichen sein, so ergibt sich als nächste Folge, daß das gegenwärtig in Polen sich
betätigende fremde Kapital in größter Eile versuchen wird, diesen ungastlichen
Strand zu verlassen, auf dem es eine reiche Ernte goldener Früchte einzuheimsen
erhofft hatte. Den Zurückbleibenden aber droht der Voraussicht nach in gar nicht
allzu weiter Ferne der völlige Zusammenbruch, den auch eine noch so kühne An-
leihepolitik nur für die kürzeste Frist wird aufhalten können.

Könnten wir einen solchen Tatbestand mit einiger Schadenfreude begrüßen,
so müßten wir um so mehr unsere deutschen Landsleute in den Abtretungsgebieten
bedauern, die den Verlust, ihrer deutschen Staatsangehörigkeit noch außerdem M"
einer nahezu unerträglichen Steuerbelastung werden bezahlen müssen. Auch für
die Arbeiterschaft deutscher sowohl wie polnischer Abstammung träte eine sehr
bedauerliche Verschlechterung ein, da eine Sozialgesetzgebung für Russisch-Polen
jedenfalls bisher nicht vorhanden war, und bei der Unzulänglichkeit der staatlichen
Mittel die Gleichmacherei jedenfalls sich nicht in einer Ausdehnung der staatlichen
Fürsorge, sondern in einem allmählichen Verfall der aus Deutschland übernommenen
Einrichtungen äußern würde.

Moritz Jaffe schloß seine Geschichte der Stadt Posen mit einem Ausblick
auf die Zukunft ab, deren Herannahen man nur mit verschränkten Armen erwarten
könne; daß diese Zukunft so bald schon in so verhängnisvoller Weise über uns
hereinbrechen würde, hat auch er nicht voraussehen können.¬

Für das deutsche Reich und die preußische Regierung bleibt jetzt, nach der Preis
gabe der Ostmark, tatsächlich kaum etwas anderes übrig, als der Entwicklung wu
verschränkten Armen zuzusehen. Wohin die Entwicklung führen wird, liegt verborgen
in der Zeiten Schoß. Sie wird im wesentlichen beeinflußt werden von den Be'
Ziehungen der Deutschen und Polen in Neupolen selbst. Je besser die Polen no
der deutschen Bevölkerung verfahren werden und je weniger sie sie in ihrem Besty
an materiellen und geistigen Gütern antasten, um so größer wird die AussM
sein, das Land schon in wenigen Jahren zu polvnisieren, da ein zufriedenes
Deutschtum auch der beste Mitarbeiter am Aufbau des polnischen Staates sein uno-




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nicht genügen würden, hierüber Klarheit zu gewinnen. Fest steht nur, daß die
rechnerisch ermittelte Kopfbelastung wertlos und nicht geeignet ist, zur Beurteilung
des wirtschaftlichen Druckes auf die einzelnen Haushaltungen herangezogen zu
werden. Diese Kopfziffer stellt sich auf annähernd 23 Mark, der Rohertrag an
Staatssteuern im preußischen Staatsgebiete wurde in Friedenszeiten auf rund
13 Mark für den Kopf berechnet, schlägt man hierzu als Durchschnitt 125 Prozent
als Kommunalsteuern, so ergäbe sich eine rechnungsmäßige Belastung von 65,25 Mark
für den Kopf, denen allein an staatlichen Steuern in Polen 75 Mark gegenüber zu stellen
sein würden. Eine Entlastung seines Staatshaushalts durch Zölle wird Polen kaum
erreichen können, da die eigenen Hilfsquellen des Landes zu gering sind, als daß
Schutzzölle anwendbar wären, während indirekte Steuern hier mit unverhältnis'
mäßiger Schwere drücken, und eine Abwälzung auf tragfähige Schultern kaum
zu erreichen sein würde.¬

In den Abtretungsgebieten stellte sich aber, wie oben erläutert, die steuer
liche Kopfbelastung bisher nur auf durchschnittlich 7 Mark, sie blieb also hinter
der sonstigen Durchschnittsbelastung um 6 Mark zurück. Rechnet man hierzu den
Kopfzoll und die 125 Prozent Kommunalsteuern, so gelangt man zu einer Kopf'
belastung von 42 Mark, die bisher getragen, und nach Zitzlaff als sehr drückend
befunden wurde. Zieht man gegenüber dieser Kopfbelastung die Einkommens¬
verhältnisse der Bevölkerung in Betracht, bei denen für die Einkommen über
3000 Mark nur durchschnittlich drei Prozent der Steuerträger übrig bleiben, so
ergibt sich, daß schon die dem Gesetz entsprechende Verteilung einer Kopfbelastung
von 42 Mark ihre sehr großen Schwierigkeiten haben mußte, während eine solche
von 75 Mark an die dünne wohlhabende Oberschicht vollkommen unerträgliche
Anforderungen stellen müßte.

Muß diese Sachlage als zutreffend angenommen werden, und eine wesentlich
günstigere Beurteilung dürfte auch mit anderen rechnerischem Unterlagen kaum ,zu
erreichen sein, so ergibt sich als nächste Folge, daß das gegenwärtig in Polen sich
betätigende fremde Kapital in größter Eile versuchen wird, diesen ungastlichen
Strand zu verlassen, auf dem es eine reiche Ernte goldener Früchte einzuheimsen
erhofft hatte. Den Zurückbleibenden aber droht der Voraussicht nach in gar nicht
allzu weiter Ferne der völlige Zusammenbruch, den auch eine noch so kühne An-
leihepolitik nur für die kürzeste Frist wird aufhalten können.

Könnten wir einen solchen Tatbestand mit einiger Schadenfreude begrüßen,
so müßten wir um so mehr unsere deutschen Landsleute in den Abtretungsgebieten
bedauern, die den Verlust, ihrer deutschen Staatsangehörigkeit noch außerdem M"
einer nahezu unerträglichen Steuerbelastung werden bezahlen müssen. Auch für
die Arbeiterschaft deutscher sowohl wie polnischer Abstammung träte eine sehr
bedauerliche Verschlechterung ein, da eine Sozialgesetzgebung für Russisch-Polen
jedenfalls bisher nicht vorhanden war, und bei der Unzulänglichkeit der staatlichen
Mittel die Gleichmacherei jedenfalls sich nicht in einer Ausdehnung der staatlichen
Fürsorge, sondern in einem allmählichen Verfall der aus Deutschland übernommenen
Einrichtungen äußern würde.

Moritz Jaffe schloß seine Geschichte der Stadt Posen mit einem Ausblick
auf die Zukunft ab, deren Herannahen man nur mit verschränkten Armen erwarten
könne; daß diese Zukunft so bald schon in so verhängnisvoller Weise über uns
hereinbrechen würde, hat auch er nicht voraussehen können.¬

Für das deutsche Reich und die preußische Regierung bleibt jetzt, nach der Preis
gabe der Ostmark, tatsächlich kaum etwas anderes übrig, als der Entwicklung wu
verschränkten Armen zuzusehen. Wohin die Entwicklung führen wird, liegt verborgen
in der Zeiten Schoß. Sie wird im wesentlichen beeinflußt werden von den Be'
Ziehungen der Deutschen und Polen in Neupolen selbst. Je besser die Polen no
der deutschen Bevölkerung verfahren werden und je weniger sie sie in ihrem Besty
an materiellen und geistigen Gütern antasten, um so größer wird die AussM
sein, das Land schon in wenigen Jahren zu polvnisieren, da ein zufriedenes
Deutschtum auch der beste Mitarbeiter am Aufbau des polnischen Staates sein uno-




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[0278] Neupolens wirtschaftliche Aräfte nicht genügen würden, hierüber Klarheit zu gewinnen. Fest steht nur, daß die rechnerisch ermittelte Kopfbelastung wertlos und nicht geeignet ist, zur Beurteilung des wirtschaftlichen Druckes auf die einzelnen Haushaltungen herangezogen zu werden. Diese Kopfziffer stellt sich auf annähernd 23 Mark, der Rohertrag an Staatssteuern im preußischen Staatsgebiete wurde in Friedenszeiten auf rund 13 Mark für den Kopf berechnet, schlägt man hierzu als Durchschnitt 125 Prozent als Kommunalsteuern, so ergäbe sich eine rechnungsmäßige Belastung von 65,25 Mark für den Kopf, denen allein an staatlichen Steuern in Polen 75 Mark gegenüber zu stellen sein würden. Eine Entlastung seines Staatshaushalts durch Zölle wird Polen kaum erreichen können, da die eigenen Hilfsquellen des Landes zu gering sind, als daß Schutzzölle anwendbar wären, während indirekte Steuern hier mit unverhältnis' mäßiger Schwere drücken, und eine Abwälzung auf tragfähige Schultern kaum zu erreichen sein würde.¬ In den Abtretungsgebieten stellte sich aber, wie oben erläutert, die steuer liche Kopfbelastung bisher nur auf durchschnittlich 7 Mark, sie blieb also hinter der sonstigen Durchschnittsbelastung um 6 Mark zurück. Rechnet man hierzu den Kopfzoll und die 125 Prozent Kommunalsteuern, so gelangt man zu einer Kopf' belastung von 42 Mark, die bisher getragen, und nach Zitzlaff als sehr drückend befunden wurde. Zieht man gegenüber dieser Kopfbelastung die Einkommens¬ verhältnisse der Bevölkerung in Betracht, bei denen für die Einkommen über 3000 Mark nur durchschnittlich drei Prozent der Steuerträger übrig bleiben, so ergibt sich, daß schon die dem Gesetz entsprechende Verteilung einer Kopfbelastung von 42 Mark ihre sehr großen Schwierigkeiten haben mußte, während eine solche von 75 Mark an die dünne wohlhabende Oberschicht vollkommen unerträgliche Anforderungen stellen müßte. Muß diese Sachlage als zutreffend angenommen werden, und eine wesentlich günstigere Beurteilung dürfte auch mit anderen rechnerischem Unterlagen kaum ,zu erreichen sein, so ergibt sich als nächste Folge, daß das gegenwärtig in Polen sich betätigende fremde Kapital in größter Eile versuchen wird, diesen ungastlichen Strand zu verlassen, auf dem es eine reiche Ernte goldener Früchte einzuheimsen erhofft hatte. Den Zurückbleibenden aber droht der Voraussicht nach in gar nicht allzu weiter Ferne der völlige Zusammenbruch, den auch eine noch so kühne An- leihepolitik nur für die kürzeste Frist wird aufhalten können. Könnten wir einen solchen Tatbestand mit einiger Schadenfreude begrüßen, so müßten wir um so mehr unsere deutschen Landsleute in den Abtretungsgebieten bedauern, die den Verlust, ihrer deutschen Staatsangehörigkeit noch außerdem M" einer nahezu unerträglichen Steuerbelastung werden bezahlen müssen. Auch für die Arbeiterschaft deutscher sowohl wie polnischer Abstammung träte eine sehr bedauerliche Verschlechterung ein, da eine Sozialgesetzgebung für Russisch-Polen jedenfalls bisher nicht vorhanden war, und bei der Unzulänglichkeit der staatlichen Mittel die Gleichmacherei jedenfalls sich nicht in einer Ausdehnung der staatlichen Fürsorge, sondern in einem allmählichen Verfall der aus Deutschland übernommenen Einrichtungen äußern würde. Moritz Jaffe schloß seine Geschichte der Stadt Posen mit einem Ausblick auf die Zukunft ab, deren Herannahen man nur mit verschränkten Armen erwarten könne; daß diese Zukunft so bald schon in so verhängnisvoller Weise über uns hereinbrechen würde, hat auch er nicht voraussehen können.¬ Für das deutsche Reich und die preußische Regierung bleibt jetzt, nach der Preis gabe der Ostmark, tatsächlich kaum etwas anderes übrig, als der Entwicklung wu verschränkten Armen zuzusehen. Wohin die Entwicklung führen wird, liegt verborgen in der Zeiten Schoß. Sie wird im wesentlichen beeinflußt werden von den Be' Ziehungen der Deutschen und Polen in Neupolen selbst. Je besser die Polen no der deutschen Bevölkerung verfahren werden und je weniger sie sie in ihrem Besty an materiellen und geistigen Gütern antasten, um so größer wird die AussM sein, das Land schon in wenigen Jahren zu polvnisieren, da ein zufriedenes Deutschtum auch der beste Mitarbeiter am Aufbau des polnischen Staates sein uno-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/278>, abgerufen am 15.01.2025.