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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Aktive Außenpolitik!

politischer Fragen und 2. Einstellung der Außenpolitik auf den
Wiederaufbau unseres Wirtschaftslebens. Drei weitere Punkte: Re¬
vision des Friedensvertrages, Reform des auswärtigen Dienstes und die Um¬
wandlung des gegenwärtigen Bundes der Sieger in einen wirklichen Völker¬
bund zeigen bestimmte Ziele, auf die loszusteuern ist, während ein sechster
Punkt den Versuch macht, die gesamten Auslandsbeziehungen Deutschlands im
Augenblick zu erklären. Dieser interessanteste Teil des Aufsatzes gipfelt in
dem durchaus zu befolgenden Rat „von einer sogenannten antienglischen
Kontinentalpoliti! wie überhaupt von jedem anderen hochtönenden
Programm wie Ostorientierung, Westorientierung, ausschließliche
Völkerbundsvolittk oder wie sie sonst alle heißen mögen" abzusehen.
Dieser Rat entspricht durchaus unserer gebundenen Lage. Dann aber kommt
der Autor zu dem Satz, „daß ohne ein wirtschaftliches Zusammen¬
kommen Deutschlands und Rußlands beide Reiche Objekte des
angelsächsischen Kapitalismus bleiben werden und auf den Wieder¬
aufbau ihrer Wirtschaft verzichten müssen", und tut damit gerade das,
wovor er eben noch warnte, — er „orientiert" die deutsche Politik nach Osten-
Ich sehe hierin einen Rückfall in Illusionen oder anders ausgedrückt: ich sehe
in diesem Satz eine Zielsetzung, die nicht mehr praktisch genannt werden kann,
da sie weder der Lage bei uns im Innern noch den tatsächlichen Verhältnissen
im Osten entspricht, noch auch der Tatsache gerecht wird, daß wir > uns für
lange Jahre nie werden gegen den englischen Kapitalismus wehren können.
Der Autor überspringt eine lange Entwicklungsreihe, die er übrigens sehr gut
kennt, wie aus der Art der Behandlung Polens in seinem Bilde hervorgeht.
Er kommt zu seinem Sprung, weil an einer Stelle sein tief verletztes nationales
Gefühl die Oberhand über den kühlen Verstand gewann: er ruine, Polen
scheine aus eigenem Willen dazu bestimmt, „der" Feind im Osten zu werden.
Kann es in der Tat etwas Demütigerendes und zugleich Herausforderndes
für einen Deutschen geben, wie das, was sich in Posen, West- und Ostpreußen
und Obsrschlesien abspielt? I Wir sind eben gefesselte Halbtote und werden als
solche behandelt I

Doch sort mit den Gefühlen. Prüfen wir kühlen Sinnes, was uns
Rußland in seinem heutigen Zustande, der noch ein halbes Dutzend
Jahre bestehen bleiben dürste, bedeutet. Die in unserm Zusammenhange
wichtige Vorfrage ist, ob Polen wirklich der Feind im Osten ist und
durch eigenen Willen werden muß. Dies Polen, das sich, von der
Entente auf die Beine gestellt und geschützt, zwischen deutsche und russische
Lande geschoben hat, beide schädigend. Es wird mir aus der Geschichte
der letzten Jahrzehnte eingeworfen werden können, die Polen sind bereits der
Deutschen Feind, und ich selber hätte sie noch 1918 als solchen bezeichnet.
Die Polen sind tatsächlich unter den bekannten bestimmten Verhältnissen
unsere Feinde gewesen und ich brauche von meinen früheren Darlegungen nichts
zurückzunehmen. Die Polen mußten sogar logischerweise unsere gefährlichsten
Gegner im Osten fein, solange sie Preußen nicht nur für die Teilungen
glaubten in erster Linie verantwortlich machen zu müssen, sondern auch für
alle Unbill, die ihnen von Rußland später geschah. Sie wurden bewußt
unsere nationalen Feinde, nach dem Deutschland gelegentlich des russisch¬
japanischen Krieges und der Revolution von 1905 verabsäumte, ihnen die
Hand zu reichen und Preußen 1903 trotz der Abwendung Petersburgs von
Berlin mit dem Enteignungsgesetz gegen sie auf den Plan trat. König Eduards
Einkreisungspolitik begann Früchte zu tragen. Die Polen waren in ihren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/258>, abgerufen am 22.01.2025.