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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Das französische Buch im Ausland

Der Lesesaal war seiner Einrichtung und Verwaltung nach als Treffpunkt der
kulturell interessierten holländischen und französischen Kreise gedacht. Er stellte nicht
nur die übliche französische Propagandaliteratur zur Schau, sondern bot auch die besten
französischen Zeitschriften und die Neuerscheinungen des belletristischen Buchhandels,
so daß den Holländern auf angenehmste Weise die französische Literatur nahe
gebracht wurde.

Auch die Buchhändlerwege nach Holland wurden im Kriege schon eifrig auf
ihre Eignung und Verbesserungsmöglichkeit von Frankreich geprüft. So wurde
eine Rundfrage an holländische Buchhändler geschickt, die sich mit allen Fragen
des französischen Buchabsatzes in Holland befaßte. Eine gleiche Umfrage soll auch
in den skandinavischen Ländern veranstaltet worden sein. Vor allem aber in
Holland hat Frankreich seit vielen Jahren den Kampf gegen das deutsche Buch
besonders gegen die deutsche wissenschaftliche Literatur aufgenommen. Durch
Studentenaustausch und durch Vortrüge im Ausland wird von französischer Seite
planmäßig gegen die Ansicht aufgetreten, daß Deutschland die besten wissenschaft¬
lichen Lehrbücher besitzt, um entsprechenden französischen Erzeugnissen mehr Zugang
zu den ausländischen Lehrstätten zu verschaffen.

Die Lage des französischen Buchhandels ist aber keineswegs günstig, denn
er hat im Kriege anscheinend noch weit mehr unter dem Papiermangel gelitten,
als der deutsche. Es konnten in den letzten Jahren im neutralen Ausland ein"
große Anzahl Bestellungen auf französische Bücher nicht erledigt werden, weil
keine Neuauflagen in Frankreich hergestellt wurden. Ebenso klagten neutrale
Buchhändler sehr über den geringen Eingang neuer französischer Romane, den sie
ausschließlich dem Papiermangel zuschrieben, denn am guten Willen Frankreichs-
das Ausland mit Büchern zu beliefern, fehlte es wirklich nicht. Die Ende 191?
in Paris bei Flammarion erschienenen Auflagen des in der ganzen Welt begehrten
französischen Kriegsbuches von Barbusse: 5en, die über 150 000 Exemplare
verzeichnen konnten, waren auf so minderwertigem Papier gedruckt, wie wir eS
in Deutschland in einem guten Verlage überhaupt nicht kennen gelernt haben.
Durch die unerhört steigenden Arbeitslöhne sah sich auch der französische
Buchhandel zur Aufgabe alt gewohnter Bücherpreiss gezwungen und nahm
erhebliche Preissteigerungen vor. Die niedrige deutsche Valuta läßt dagegen das
deutsche Buch im Ausland verhältnismäßig billig erscheinen, wenn auch die ungeheuren
Spesen den Valutagewinn beträchtlich schmälern.

Es liegt eine sehr starke Unternehmungskraft und Konsequenz in Frank¬
reichs Werbearbeit im Ausland für die Verbreitung seiner Bücher. Nichts kann
so leicht alle Schichten eines Volkes erreichen und durchdringen, wie das Buch ist
all seinen Gestaltungen. Musik und bildende Kunst finden nur ein begrenztes
Publikum, die Filme wenden sich vornehmlich an geistig weniger maßgebende
Kreise, nur das Buch bietet als Vermittler der Dichtung, der Wissenschaft und
der Unterhaltung so viele Möglichkeiten, daß aus ihm die größte Werbearbeit für
das Wesen eines Volkes fußen kann.




Das französische Buch im Ausland

Der Lesesaal war seiner Einrichtung und Verwaltung nach als Treffpunkt der
kulturell interessierten holländischen und französischen Kreise gedacht. Er stellte nicht
nur die übliche französische Propagandaliteratur zur Schau, sondern bot auch die besten
französischen Zeitschriften und die Neuerscheinungen des belletristischen Buchhandels,
so daß den Holländern auf angenehmste Weise die französische Literatur nahe
gebracht wurde.

Auch die Buchhändlerwege nach Holland wurden im Kriege schon eifrig auf
ihre Eignung und Verbesserungsmöglichkeit von Frankreich geprüft. So wurde
eine Rundfrage an holländische Buchhändler geschickt, die sich mit allen Fragen
des französischen Buchabsatzes in Holland befaßte. Eine gleiche Umfrage soll auch
in den skandinavischen Ländern veranstaltet worden sein. Vor allem aber in
Holland hat Frankreich seit vielen Jahren den Kampf gegen das deutsche Buch
besonders gegen die deutsche wissenschaftliche Literatur aufgenommen. Durch
Studentenaustausch und durch Vortrüge im Ausland wird von französischer Seite
planmäßig gegen die Ansicht aufgetreten, daß Deutschland die besten wissenschaft¬
lichen Lehrbücher besitzt, um entsprechenden französischen Erzeugnissen mehr Zugang
zu den ausländischen Lehrstätten zu verschaffen.

Die Lage des französischen Buchhandels ist aber keineswegs günstig, denn
er hat im Kriege anscheinend noch weit mehr unter dem Papiermangel gelitten,
als der deutsche. Es konnten in den letzten Jahren im neutralen Ausland ein«
große Anzahl Bestellungen auf französische Bücher nicht erledigt werden, weil
keine Neuauflagen in Frankreich hergestellt wurden. Ebenso klagten neutrale
Buchhändler sehr über den geringen Eingang neuer französischer Romane, den sie
ausschließlich dem Papiermangel zuschrieben, denn am guten Willen Frankreichs-
das Ausland mit Büchern zu beliefern, fehlte es wirklich nicht. Die Ende 191?
in Paris bei Flammarion erschienenen Auflagen des in der ganzen Welt begehrten
französischen Kriegsbuches von Barbusse: 5en, die über 150 000 Exemplare
verzeichnen konnten, waren auf so minderwertigem Papier gedruckt, wie wir eS
in Deutschland in einem guten Verlage überhaupt nicht kennen gelernt haben.
Durch die unerhört steigenden Arbeitslöhne sah sich auch der französische
Buchhandel zur Aufgabe alt gewohnter Bücherpreiss gezwungen und nahm
erhebliche Preissteigerungen vor. Die niedrige deutsche Valuta läßt dagegen das
deutsche Buch im Ausland verhältnismäßig billig erscheinen, wenn auch die ungeheuren
Spesen den Valutagewinn beträchtlich schmälern.

Es liegt eine sehr starke Unternehmungskraft und Konsequenz in Frank¬
reichs Werbearbeit im Ausland für die Verbreitung seiner Bücher. Nichts kann
so leicht alle Schichten eines Volkes erreichen und durchdringen, wie das Buch ist
all seinen Gestaltungen. Musik und bildende Kunst finden nur ein begrenztes
Publikum, die Filme wenden sich vornehmlich an geistig weniger maßgebende
Kreise, nur das Buch bietet als Vermittler der Dichtung, der Wissenschaft und
der Unterhaltung so viele Möglichkeiten, daß aus ihm die größte Werbearbeit für
das Wesen eines Volkes fußen kann.




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[0246] Das französische Buch im Ausland Der Lesesaal war seiner Einrichtung und Verwaltung nach als Treffpunkt der kulturell interessierten holländischen und französischen Kreise gedacht. Er stellte nicht nur die übliche französische Propagandaliteratur zur Schau, sondern bot auch die besten französischen Zeitschriften und die Neuerscheinungen des belletristischen Buchhandels, so daß den Holländern auf angenehmste Weise die französische Literatur nahe gebracht wurde. Auch die Buchhändlerwege nach Holland wurden im Kriege schon eifrig auf ihre Eignung und Verbesserungsmöglichkeit von Frankreich geprüft. So wurde eine Rundfrage an holländische Buchhändler geschickt, die sich mit allen Fragen des französischen Buchabsatzes in Holland befaßte. Eine gleiche Umfrage soll auch in den skandinavischen Ländern veranstaltet worden sein. Vor allem aber in Holland hat Frankreich seit vielen Jahren den Kampf gegen das deutsche Buch besonders gegen die deutsche wissenschaftliche Literatur aufgenommen. Durch Studentenaustausch und durch Vortrüge im Ausland wird von französischer Seite planmäßig gegen die Ansicht aufgetreten, daß Deutschland die besten wissenschaft¬ lichen Lehrbücher besitzt, um entsprechenden französischen Erzeugnissen mehr Zugang zu den ausländischen Lehrstätten zu verschaffen. Die Lage des französischen Buchhandels ist aber keineswegs günstig, denn er hat im Kriege anscheinend noch weit mehr unter dem Papiermangel gelitten, als der deutsche. Es konnten in den letzten Jahren im neutralen Ausland ein« große Anzahl Bestellungen auf französische Bücher nicht erledigt werden, weil keine Neuauflagen in Frankreich hergestellt wurden. Ebenso klagten neutrale Buchhändler sehr über den geringen Eingang neuer französischer Romane, den sie ausschließlich dem Papiermangel zuschrieben, denn am guten Willen Frankreichs- das Ausland mit Büchern zu beliefern, fehlte es wirklich nicht. Die Ende 191? in Paris bei Flammarion erschienenen Auflagen des in der ganzen Welt begehrten französischen Kriegsbuches von Barbusse: 5en, die über 150 000 Exemplare verzeichnen konnten, waren auf so minderwertigem Papier gedruckt, wie wir eS in Deutschland in einem guten Verlage überhaupt nicht kennen gelernt haben. Durch die unerhört steigenden Arbeitslöhne sah sich auch der französische Buchhandel zur Aufgabe alt gewohnter Bücherpreiss gezwungen und nahm erhebliche Preissteigerungen vor. Die niedrige deutsche Valuta läßt dagegen das deutsche Buch im Ausland verhältnismäßig billig erscheinen, wenn auch die ungeheuren Spesen den Valutagewinn beträchtlich schmälern. Es liegt eine sehr starke Unternehmungskraft und Konsequenz in Frank¬ reichs Werbearbeit im Ausland für die Verbreitung seiner Bücher. Nichts kann so leicht alle Schichten eines Volkes erreichen und durchdringen, wie das Buch ist all seinen Gestaltungen. Musik und bildende Kunst finden nur ein begrenztes Publikum, die Filme wenden sich vornehmlich an geistig weniger maßgebende Kreise, nur das Buch bietet als Vermittler der Dichtung, der Wissenschaft und der Unterhaltung so viele Möglichkeiten, daß aus ihm die größte Werbearbeit für das Wesen eines Volkes fußen kann.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/246>, abgerufen am 15.01.2025.