Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
zurück zum Akkord

bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoße der alten Gesell¬
schaft selbst ausgebrütet worden sind". (Karl Marx in seiner "Kritik der politischen
Ökonomie".)

Die Arbeiterschaft suchte vergebens nach den Früchten der gegebenen Ver¬
sprechungen- sie sah sich indessen enttäuscht. Kein Wunder, wenn der Monopol¬
despotismus, gestützt auf die Macht des Streiks, von links heraufzog und jegliches
Verantwortungsgefühl erstickte. Aus der politischen Bewegung wurde eine reine
Lohnbewegung. Ein zügelloser Massenegoismus brach sich Bahn. "Ich wollte,
die Unternehmer hätten nur einen Hals und ich meine Finger drum", so kann
man die Psyche dieser Zeit kennzeichnen. Fest krampften sich die Finger um die
Kehle der Betriebe. Die Akkordarbeit fiel dein Drängen der Arbeiterschaft zum
Opfer. Unmögliches wurde erpreßt, die Betriebe schnappten nach Luft, sehr viele
ehemals leistungsfähige Firmen sind dem Despotismus inzwischen erlegen, fo das
Oppauer Werk, das bayrische Kruppwerk usw.

Daß durch die ins Ungemessene gestiegenen Lohnforderungen und die gesunkene
Arbeitsleistung, die Konkurrenzfähigkeit und Produktionskraft unserer Industrie
gefährdet wird, ist auch den radikalen Elementen klar. Aber gerade den Ruin
streben sie an, um im Leninschen Sinne wieder aufbauen zu können. Aus rein
Politischen Gründen wird die Arbeitsleistung eingeschränkt, siehe Atlaswerke in
Bremen, welche die Stahlgießerei, Metallgießerei und die beiden Eisengießereien
schließen mußten, weil die ungenügende Arbeit und das Nichtanschreiben der
Arbeitszeit es unmöglich machte, den Kunden feste Preise zu nennen, noch ihnen
Lieferungstermin e aufzug eben.

Der Ernst unserer Lage tritt ganz besonders kraß beim Lesen der industriellen
Geschäftsberichte in Erscheinung. Völliger Dividendenausfall ist nichts Neues. Pro¬
duktionsverteuerung, allgemeine Teuerung laufen um die Wette. Noch im
zweiten Quartal 1918 wurden im Niederlausitzer Braunkohlenrevier mit 13 700
Arbeitern, die damals 4 300 000 Mark erhielten, 1826 000 Tonnen Briketts
erzeugt. Der Lohnanteil auf die Tonne betrug 2.35 Mark. Im zweiten Quartal
W19 erzeugte dasselbe Revier mit 28 300 Arbeitern, die 26 Millionen Mark
Lohn erhielten, nur 1 313 000 Tonnen Briketts. Der Lohnanteil auf die Tonne
betrug damit 19,83 Mark. So sieht man überall ein Mehrfaches der Summen,
die vor dem Kriege für die Herstellima der gleichen Einheiten ausgegeben wurden.

Selbstverständlich spielen bei der gesamten Teuerung auch noch andere
Momente eine Rolle, wie Rohstoffmangel, Kohlsnknappheit, ungünstige Verkehrs¬
lage, niedriger Stand der Valuta, Beeinträchtigung durch die feindliche Besetzung
der westlichen Teile Deutschlands. Ein ausschlaggebendes Moment bilden aber
die Arbeitsverhciltnisse. Streiks, Arbeitsunlust, passive Resistenz sind die Mittel,
deren man sich seit einem Jahr beim Aderlaß unserer Volkswirtschaft bedient.
Treffend kennzeichnet Ludendorff in seinen Erinnerungen die gesamte Situation,
wenn er schreibt: "Die gesunkene Moral des deutschen Volkes sinkt haltlos in
der ,Freiheit' der Revolution- die niedrigen Instinkte des Menschen suchen sich
unbeschränkt und ohne jede Rücksicht auszuleben. Überall herrschen Unordnung,
Arbeitsscheu, Trug und Übervorteilung, dabei an vielen Stellen der widerlichste
Gemütstaumel -- dies neben den Gräbern der Millionen für ihr Vaterland
Gebliebenen und im Angesicht der vielen Verstümmelten, auf denen unser
Auge ruht."

Die unter der Arbeiterschaft herrschende Arbeitsunlust wird durch das nach¬
stehende Beispiel, welches der Eisenbahnminister Oeser unlängst den Mitgliedern
der Hamburger Handelskammer mitteilte, recht trefflich erhellt. Hiernach ist es
infolge der mangelhaften Arbeit in den Werkstätten der Eisenbahn noch nicht
gelungen, den seit dem Kriege bestehenden Lokomotivmangel zu beheben. Dieser
Lokomotivmangel ist einer der Grundursachen für die Schwierigkeiten der Betrievs-
lage. Die Zahl der vorhandenen Lokomotiven ist so groß, daß der jetzige schwache
Verkehr spielend damit bewältigt werden könnte. Dagegen ist die Zahl der
wirklich arbeitsfähigen Lokomotiven unzureichend. Der Reparaturbestand, der vor


zurück zum Akkord

bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoße der alten Gesell¬
schaft selbst ausgebrütet worden sind". (Karl Marx in seiner „Kritik der politischen
Ökonomie".)

Die Arbeiterschaft suchte vergebens nach den Früchten der gegebenen Ver¬
sprechungen- sie sah sich indessen enttäuscht. Kein Wunder, wenn der Monopol¬
despotismus, gestützt auf die Macht des Streiks, von links heraufzog und jegliches
Verantwortungsgefühl erstickte. Aus der politischen Bewegung wurde eine reine
Lohnbewegung. Ein zügelloser Massenegoismus brach sich Bahn. „Ich wollte,
die Unternehmer hätten nur einen Hals und ich meine Finger drum", so kann
man die Psyche dieser Zeit kennzeichnen. Fest krampften sich die Finger um die
Kehle der Betriebe. Die Akkordarbeit fiel dein Drängen der Arbeiterschaft zum
Opfer. Unmögliches wurde erpreßt, die Betriebe schnappten nach Luft, sehr viele
ehemals leistungsfähige Firmen sind dem Despotismus inzwischen erlegen, fo das
Oppauer Werk, das bayrische Kruppwerk usw.

Daß durch die ins Ungemessene gestiegenen Lohnforderungen und die gesunkene
Arbeitsleistung, die Konkurrenzfähigkeit und Produktionskraft unserer Industrie
gefährdet wird, ist auch den radikalen Elementen klar. Aber gerade den Ruin
streben sie an, um im Leninschen Sinne wieder aufbauen zu können. Aus rein
Politischen Gründen wird die Arbeitsleistung eingeschränkt, siehe Atlaswerke in
Bremen, welche die Stahlgießerei, Metallgießerei und die beiden Eisengießereien
schließen mußten, weil die ungenügende Arbeit und das Nichtanschreiben der
Arbeitszeit es unmöglich machte, den Kunden feste Preise zu nennen, noch ihnen
Lieferungstermin e aufzug eben.

Der Ernst unserer Lage tritt ganz besonders kraß beim Lesen der industriellen
Geschäftsberichte in Erscheinung. Völliger Dividendenausfall ist nichts Neues. Pro¬
duktionsverteuerung, allgemeine Teuerung laufen um die Wette. Noch im
zweiten Quartal 1918 wurden im Niederlausitzer Braunkohlenrevier mit 13 700
Arbeitern, die damals 4 300 000 Mark erhielten, 1826 000 Tonnen Briketts
erzeugt. Der Lohnanteil auf die Tonne betrug 2.35 Mark. Im zweiten Quartal
W19 erzeugte dasselbe Revier mit 28 300 Arbeitern, die 26 Millionen Mark
Lohn erhielten, nur 1 313 000 Tonnen Briketts. Der Lohnanteil auf die Tonne
betrug damit 19,83 Mark. So sieht man überall ein Mehrfaches der Summen,
die vor dem Kriege für die Herstellima der gleichen Einheiten ausgegeben wurden.

Selbstverständlich spielen bei der gesamten Teuerung auch noch andere
Momente eine Rolle, wie Rohstoffmangel, Kohlsnknappheit, ungünstige Verkehrs¬
lage, niedriger Stand der Valuta, Beeinträchtigung durch die feindliche Besetzung
der westlichen Teile Deutschlands. Ein ausschlaggebendes Moment bilden aber
die Arbeitsverhciltnisse. Streiks, Arbeitsunlust, passive Resistenz sind die Mittel,
deren man sich seit einem Jahr beim Aderlaß unserer Volkswirtschaft bedient.
Treffend kennzeichnet Ludendorff in seinen Erinnerungen die gesamte Situation,
wenn er schreibt: „Die gesunkene Moral des deutschen Volkes sinkt haltlos in
der ,Freiheit' der Revolution- die niedrigen Instinkte des Menschen suchen sich
unbeschränkt und ohne jede Rücksicht auszuleben. Überall herrschen Unordnung,
Arbeitsscheu, Trug und Übervorteilung, dabei an vielen Stellen der widerlichste
Gemütstaumel — dies neben den Gräbern der Millionen für ihr Vaterland
Gebliebenen und im Angesicht der vielen Verstümmelten, auf denen unser
Auge ruht."

Die unter der Arbeiterschaft herrschende Arbeitsunlust wird durch das nach¬
stehende Beispiel, welches der Eisenbahnminister Oeser unlängst den Mitgliedern
der Hamburger Handelskammer mitteilte, recht trefflich erhellt. Hiernach ist es
infolge der mangelhaften Arbeit in den Werkstätten der Eisenbahn noch nicht
gelungen, den seit dem Kriege bestehenden Lokomotivmangel zu beheben. Dieser
Lokomotivmangel ist einer der Grundursachen für die Schwierigkeiten der Betrievs-
lage. Die Zahl der vorhandenen Lokomotiven ist so groß, daß der jetzige schwache
Verkehr spielend damit bewältigt werden könnte. Dagegen ist die Zahl der
wirklich arbeitsfähigen Lokomotiven unzureichend. Der Reparaturbestand, der vor


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0207" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336497"/>
          <fw type="header" place="top"> zurück zum Akkord</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_765" prev="#ID_764"> bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoße der alten Gesell¬<lb/>
schaft selbst ausgebrütet worden sind". (Karl Marx in seiner &#x201E;Kritik der politischen<lb/>
Ökonomie".)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_766"> Die Arbeiterschaft suchte vergebens nach den Früchten der gegebenen Ver¬<lb/>
sprechungen- sie sah sich indessen enttäuscht. Kein Wunder, wenn der Monopol¬<lb/>
despotismus, gestützt auf die Macht des Streiks, von links heraufzog und jegliches<lb/>
Verantwortungsgefühl erstickte. Aus der politischen Bewegung wurde eine reine<lb/>
Lohnbewegung. Ein zügelloser Massenegoismus brach sich Bahn. &#x201E;Ich wollte,<lb/>
die Unternehmer hätten nur einen Hals und ich meine Finger drum", so kann<lb/>
man die Psyche dieser Zeit kennzeichnen. Fest krampften sich die Finger um die<lb/>
Kehle der Betriebe. Die Akkordarbeit fiel dein Drängen der Arbeiterschaft zum<lb/>
Opfer. Unmögliches wurde erpreßt, die Betriebe schnappten nach Luft, sehr viele<lb/>
ehemals leistungsfähige Firmen sind dem Despotismus inzwischen erlegen, fo das<lb/>
Oppauer Werk, das bayrische Kruppwerk usw.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_767"> Daß durch die ins Ungemessene gestiegenen Lohnforderungen und die gesunkene<lb/>
Arbeitsleistung, die Konkurrenzfähigkeit und Produktionskraft unserer Industrie<lb/>
gefährdet wird, ist auch den radikalen Elementen klar. Aber gerade den Ruin<lb/>
streben sie an, um im Leninschen Sinne wieder aufbauen zu können. Aus rein<lb/>
Politischen Gründen wird die Arbeitsleistung eingeschränkt, siehe Atlaswerke in<lb/>
Bremen, welche die Stahlgießerei, Metallgießerei und die beiden Eisengießereien<lb/>
schließen mußten, weil die ungenügende Arbeit und das Nichtanschreiben der<lb/>
Arbeitszeit es unmöglich machte, den Kunden feste Preise zu nennen, noch ihnen<lb/>
Lieferungstermin e aufzug eben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_768"> Der Ernst unserer Lage tritt ganz besonders kraß beim Lesen der industriellen<lb/>
Geschäftsberichte in Erscheinung. Völliger Dividendenausfall ist nichts Neues. Pro¬<lb/>
duktionsverteuerung, allgemeine Teuerung laufen um die Wette. Noch im<lb/>
zweiten Quartal 1918 wurden im Niederlausitzer Braunkohlenrevier mit 13 700<lb/>
Arbeitern, die damals 4 300 000 Mark erhielten, 1826 000 Tonnen Briketts<lb/>
erzeugt. Der Lohnanteil auf die Tonne betrug 2.35 Mark. Im zweiten Quartal<lb/>
W19 erzeugte dasselbe Revier mit 28 300 Arbeitern, die 26 Millionen Mark<lb/>
Lohn erhielten, nur 1 313 000 Tonnen Briketts. Der Lohnanteil auf die Tonne<lb/>
betrug damit 19,83 Mark. So sieht man überall ein Mehrfaches der Summen,<lb/>
die vor dem Kriege für die Herstellima der gleichen Einheiten ausgegeben wurden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_769"> Selbstverständlich spielen bei der gesamten Teuerung auch noch andere<lb/>
Momente eine Rolle, wie Rohstoffmangel, Kohlsnknappheit, ungünstige Verkehrs¬<lb/>
lage, niedriger Stand der Valuta, Beeinträchtigung durch die feindliche Besetzung<lb/>
der westlichen Teile Deutschlands. Ein ausschlaggebendes Moment bilden aber<lb/>
die Arbeitsverhciltnisse. Streiks, Arbeitsunlust, passive Resistenz sind die Mittel,<lb/>
deren man sich seit einem Jahr beim Aderlaß unserer Volkswirtschaft bedient.<lb/>
Treffend kennzeichnet Ludendorff in seinen Erinnerungen die gesamte Situation,<lb/>
wenn er schreibt: &#x201E;Die gesunkene Moral des deutschen Volkes sinkt haltlos in<lb/>
der ,Freiheit' der Revolution- die niedrigen Instinkte des Menschen suchen sich<lb/>
unbeschränkt und ohne jede Rücksicht auszuleben. Überall herrschen Unordnung,<lb/>
Arbeitsscheu, Trug und Übervorteilung, dabei an vielen Stellen der widerlichste<lb/>
Gemütstaumel &#x2014; dies neben den Gräbern der Millionen für ihr Vaterland<lb/>
Gebliebenen und im Angesicht der vielen Verstümmelten, auf denen unser<lb/>
Auge ruht."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_770" next="#ID_771"> Die unter der Arbeiterschaft herrschende Arbeitsunlust wird durch das nach¬<lb/>
stehende Beispiel, welches der Eisenbahnminister Oeser unlängst den Mitgliedern<lb/>
der Hamburger Handelskammer mitteilte, recht trefflich erhellt. Hiernach ist es<lb/>
infolge der mangelhaften Arbeit in den Werkstätten der Eisenbahn noch nicht<lb/>
gelungen, den seit dem Kriege bestehenden Lokomotivmangel zu beheben. Dieser<lb/>
Lokomotivmangel ist einer der Grundursachen für die Schwierigkeiten der Betrievs-<lb/>
lage. Die Zahl der vorhandenen Lokomotiven ist so groß, daß der jetzige schwache<lb/>
Verkehr spielend damit bewältigt werden könnte. Dagegen ist die Zahl der<lb/>
wirklich arbeitsfähigen Lokomotiven unzureichend. Der Reparaturbestand, der vor</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0207] zurück zum Akkord bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoße der alten Gesell¬ schaft selbst ausgebrütet worden sind". (Karl Marx in seiner „Kritik der politischen Ökonomie".) Die Arbeiterschaft suchte vergebens nach den Früchten der gegebenen Ver¬ sprechungen- sie sah sich indessen enttäuscht. Kein Wunder, wenn der Monopol¬ despotismus, gestützt auf die Macht des Streiks, von links heraufzog und jegliches Verantwortungsgefühl erstickte. Aus der politischen Bewegung wurde eine reine Lohnbewegung. Ein zügelloser Massenegoismus brach sich Bahn. „Ich wollte, die Unternehmer hätten nur einen Hals und ich meine Finger drum", so kann man die Psyche dieser Zeit kennzeichnen. Fest krampften sich die Finger um die Kehle der Betriebe. Die Akkordarbeit fiel dein Drängen der Arbeiterschaft zum Opfer. Unmögliches wurde erpreßt, die Betriebe schnappten nach Luft, sehr viele ehemals leistungsfähige Firmen sind dem Despotismus inzwischen erlegen, fo das Oppauer Werk, das bayrische Kruppwerk usw. Daß durch die ins Ungemessene gestiegenen Lohnforderungen und die gesunkene Arbeitsleistung, die Konkurrenzfähigkeit und Produktionskraft unserer Industrie gefährdet wird, ist auch den radikalen Elementen klar. Aber gerade den Ruin streben sie an, um im Leninschen Sinne wieder aufbauen zu können. Aus rein Politischen Gründen wird die Arbeitsleistung eingeschränkt, siehe Atlaswerke in Bremen, welche die Stahlgießerei, Metallgießerei und die beiden Eisengießereien schließen mußten, weil die ungenügende Arbeit und das Nichtanschreiben der Arbeitszeit es unmöglich machte, den Kunden feste Preise zu nennen, noch ihnen Lieferungstermin e aufzug eben. Der Ernst unserer Lage tritt ganz besonders kraß beim Lesen der industriellen Geschäftsberichte in Erscheinung. Völliger Dividendenausfall ist nichts Neues. Pro¬ duktionsverteuerung, allgemeine Teuerung laufen um die Wette. Noch im zweiten Quartal 1918 wurden im Niederlausitzer Braunkohlenrevier mit 13 700 Arbeitern, die damals 4 300 000 Mark erhielten, 1826 000 Tonnen Briketts erzeugt. Der Lohnanteil auf die Tonne betrug 2.35 Mark. Im zweiten Quartal W19 erzeugte dasselbe Revier mit 28 300 Arbeitern, die 26 Millionen Mark Lohn erhielten, nur 1 313 000 Tonnen Briketts. Der Lohnanteil auf die Tonne betrug damit 19,83 Mark. So sieht man überall ein Mehrfaches der Summen, die vor dem Kriege für die Herstellima der gleichen Einheiten ausgegeben wurden. Selbstverständlich spielen bei der gesamten Teuerung auch noch andere Momente eine Rolle, wie Rohstoffmangel, Kohlsnknappheit, ungünstige Verkehrs¬ lage, niedriger Stand der Valuta, Beeinträchtigung durch die feindliche Besetzung der westlichen Teile Deutschlands. Ein ausschlaggebendes Moment bilden aber die Arbeitsverhciltnisse. Streiks, Arbeitsunlust, passive Resistenz sind die Mittel, deren man sich seit einem Jahr beim Aderlaß unserer Volkswirtschaft bedient. Treffend kennzeichnet Ludendorff in seinen Erinnerungen die gesamte Situation, wenn er schreibt: „Die gesunkene Moral des deutschen Volkes sinkt haltlos in der ,Freiheit' der Revolution- die niedrigen Instinkte des Menschen suchen sich unbeschränkt und ohne jede Rücksicht auszuleben. Überall herrschen Unordnung, Arbeitsscheu, Trug und Übervorteilung, dabei an vielen Stellen der widerlichste Gemütstaumel — dies neben den Gräbern der Millionen für ihr Vaterland Gebliebenen und im Angesicht der vielen Verstümmelten, auf denen unser Auge ruht." Die unter der Arbeiterschaft herrschende Arbeitsunlust wird durch das nach¬ stehende Beispiel, welches der Eisenbahnminister Oeser unlängst den Mitgliedern der Hamburger Handelskammer mitteilte, recht trefflich erhellt. Hiernach ist es infolge der mangelhaften Arbeit in den Werkstätten der Eisenbahn noch nicht gelungen, den seit dem Kriege bestehenden Lokomotivmangel zu beheben. Dieser Lokomotivmangel ist einer der Grundursachen für die Schwierigkeiten der Betrievs- lage. Die Zahl der vorhandenen Lokomotiven ist so groß, daß der jetzige schwache Verkehr spielend damit bewältigt werden könnte. Dagegen ist die Zahl der wirklich arbeitsfähigen Lokomotiven unzureichend. Der Reparaturbestand, der vor

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/207
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/207>, abgerufen am 15.01.2025.