Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Verbrauchssteuer statt Reichseinkommensteuer Der Druck der Verbrauchssteuer wirkt, wie wir gesehen haben, auf Belebung Noch eine prinzipielle Erwägung sei gestattet: Der kleine Mann fordert Wer neue wirtschaftliche Vorschläge machen will, ist verpflichtet, zunächst Aus dem letzterem widerlegt sich auch ein Einwand, der diesem Steuer¬ Verbrauchssteuer statt Reichseinkommensteuer Der Druck der Verbrauchssteuer wirkt, wie wir gesehen haben, auf Belebung Noch eine prinzipielle Erwägung sei gestattet: Der kleine Mann fordert Wer neue wirtschaftliche Vorschläge machen will, ist verpflichtet, zunächst Aus dem letzterem widerlegt sich auch ein Einwand, der diesem Steuer¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0110" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336400"/> <fw type="header" place="top"> Verbrauchssteuer statt Reichseinkommensteuer</fw><lb/> <p xml:id="ID_373"> Der Druck der Verbrauchssteuer wirkt, wie wir gesehen haben, auf Belebung<lb/> des Spartriebes in den mittleren und unteren Schichten des Volkes. Was wir<lb/> von ihm erhoffen können, ist nicht die Bildung neuer, großer Vermögen, es ist<lb/> nur die Bildung kleinen und kleinsten Besitzes. Er begünstigt eine Entwicklung<lb/> auf Schaffung eines größeren Wohlstandes der breiten Masse. Das ist ja aber<lb/> wohl das Zukunftsideal der Sozialdemokratie, soweit sie nicht dem Kommunismus<lb/> huldigt. Nur daß die Sozialdemokratie dies Ziel teilweise mit Mitteln erstrebt,<lb/> die den Naturgesetzen der Menschheit zuwiderlaufen und daher unfruchtbar sind.<lb/> Darum könnte wohl auch für den Sozialdemokraten die Steuer erwägenswert sein.<lb/> Ebenso aber für die rechtsstehenden Parteien. Je schärfer man dort betont, daß<lb/> unsere gegenwärtige Situation nichts weiter sei, als die vorübergehende Niederlage<lb/> des deutschen Volkes im Kampf gegen das alles verzehrende internationale Gro߬<lb/> kapital, je schärfer dort der Gegensatz zwischen mobilem Großkapital und kon¬<lb/> solidiertem Besitz betont wird, desto klarer müßte auch aus diesem Gedankengang<lb/> die Folgerung gezogen werden, daß es nur einen wirksamen Weg zum Wieder¬<lb/> aufbau gibt: die Schaffung kleinen und kleinsten Besitzes in der größtmöglichen<lb/> Verallgemeinerung. Die Rechte und Linke, soweit sie aufbauen will, können<lb/> sich also hier die Hand reichen; und den Demokraten soll nicht vergessen werden,<lb/> daß einer der ihrigen einer der gewichtigsten Befürworter der Steuer in<lb/> neuer Zeit gewesen ist. Die Rechte hat stets die Mittelstandspolitik auf ihre<lb/> Fahne geschrieben. Welche kräftigere Förderung des Mittelstandes ließe sich aber<lb/> in heutiger Zeit denken, als ein solcher Antrieb auf Schaffung kleiner Vermögen.</p><lb/> <p xml:id="ID_374"> Noch eine prinzipielle Erwägung sei gestattet: Der kleine Mann fordert<lb/> immer stürmischer seinen Anteil bei der Aufteilung des Volksvermögens: die<lb/> Löhne steigen, das Produktionsvermögen aber wird von Tag zu Tag kleiner.<lb/> Die Produktion wehrt sich, solange es noch geht, und sucht das' Verlorene zu<lb/> ersetzen und den Zusammenbruch hinauszuschieben: Die Preise der Waren steigen und<lb/> steigen,derWaren werden aber weniger und weniger: und wieder steigen die Preise und<lb/> Löhne. Das ist die Schraube ohne Ende in der Richtung auf die Verteuerung<lb/> des Lebens oder Entwertung des Geldes, in der wir uns jetzt bewegen. (Daß<lb/> hier auch andere Ursachen mitspielen, soll selbstverständlich nicht verkannt werden.)<lb/> Nur der neu belebte Spartrieb der Masse kann hier Einhalt gebieten und die<lb/> Schraube in umgekehrter Richtung in Bewegung setzen: Die Verbrauchsausgabe<lb/> wird durch die Steuer beschränkt, der Spartrieb will zurücklegen, statt zu versteuern,<lb/> der Verbrauch selbst kann abgesehen vom Luxus, nnr in geringem Maße ein¬<lb/> geschränkt werden. Der Verbrauch hat den Ausweg in der Richtung der freien<lb/> Eigenproduktion. Die Eigenproduktion macht dem Massenprodukt Konkurrenz.<lb/> Sind sie aber billig zu haben, so will jeder gerne so viel wie möglich Anteil am<lb/> Massenprodukt und am Luxus haben. Die Großproduktion will weiter leben.<lb/> Ausweg: Verbilligung des Produkts. Sinken der Preise, Sinken der Löhne, da<lb/> das Leben billiger gestaltet werden kann. Rückkehr zu normalen Verhältnissen.</p><lb/> <p xml:id="ID_375"> Wer neue wirtschaftliche Vorschläge machen will, ist verpflichtet, zunächst<lb/> ihre Konsequenzen im weitesten Ausmaße zu ermessen. Torinsk aber wäre es,<lb/> diese Konsequenzen anders zu werten, als Möglichkeiten, außer acht zu lassen<lb/> die zahlreichen gegensätzlichen Strömungen und Hemmnisse, die jeder Verwirk¬<lb/> lichung eines Ideals sich entgegenstellen. Das muß ausgesprochen werden, denn<lb/> ein Allheilmittel kann von dieser Steuermaßnahme nicht erwartet werden. Ihr<lb/> Wert liegt allein in der Tatsache, daß endlich einmal praktisch der Versuch gemacht<lb/> wird, in anderer Richtung als bisher weiterzugehen. Die Wirkung wird nicht<lb/> sofort, sondern nur langsam eintreten. Die Steuer wird lediglich einen kleinen<lb/> Baustein zum Wiederaufbau abgeben. Die neue Richtung des Willens aber wird<lb/> in immer größeren Maße andere Bausteine heranschaffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_376" next="#ID_377"> Aus dem letzterem widerlegt sich auch ein Einwand, der diesem Steuer¬<lb/> vorschlag gegenüber mit Sicherheit zu erwarten ist: „Wir brauchet: Steuern,<lb/> hier aber wird eine Steuer vorgeschlagen, die in sich selbst antisteuerliche Tendenzen<lb/> birgt. Ihre Wirkung soll ja sein, die Allgemeinheit dazu anzureizen, der Steuer¬<lb/> zahlung auszuweichen. Sie mag volkswirtschaftlich wertvoll sein, ist aber heute</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0110]
Verbrauchssteuer statt Reichseinkommensteuer
Der Druck der Verbrauchssteuer wirkt, wie wir gesehen haben, auf Belebung
des Spartriebes in den mittleren und unteren Schichten des Volkes. Was wir
von ihm erhoffen können, ist nicht die Bildung neuer, großer Vermögen, es ist
nur die Bildung kleinen und kleinsten Besitzes. Er begünstigt eine Entwicklung
auf Schaffung eines größeren Wohlstandes der breiten Masse. Das ist ja aber
wohl das Zukunftsideal der Sozialdemokratie, soweit sie nicht dem Kommunismus
huldigt. Nur daß die Sozialdemokratie dies Ziel teilweise mit Mitteln erstrebt,
die den Naturgesetzen der Menschheit zuwiderlaufen und daher unfruchtbar sind.
Darum könnte wohl auch für den Sozialdemokraten die Steuer erwägenswert sein.
Ebenso aber für die rechtsstehenden Parteien. Je schärfer man dort betont, daß
unsere gegenwärtige Situation nichts weiter sei, als die vorübergehende Niederlage
des deutschen Volkes im Kampf gegen das alles verzehrende internationale Gro߬
kapital, je schärfer dort der Gegensatz zwischen mobilem Großkapital und kon¬
solidiertem Besitz betont wird, desto klarer müßte auch aus diesem Gedankengang
die Folgerung gezogen werden, daß es nur einen wirksamen Weg zum Wieder¬
aufbau gibt: die Schaffung kleinen und kleinsten Besitzes in der größtmöglichen
Verallgemeinerung. Die Rechte und Linke, soweit sie aufbauen will, können
sich also hier die Hand reichen; und den Demokraten soll nicht vergessen werden,
daß einer der ihrigen einer der gewichtigsten Befürworter der Steuer in
neuer Zeit gewesen ist. Die Rechte hat stets die Mittelstandspolitik auf ihre
Fahne geschrieben. Welche kräftigere Förderung des Mittelstandes ließe sich aber
in heutiger Zeit denken, als ein solcher Antrieb auf Schaffung kleiner Vermögen.
Noch eine prinzipielle Erwägung sei gestattet: Der kleine Mann fordert
immer stürmischer seinen Anteil bei der Aufteilung des Volksvermögens: die
Löhne steigen, das Produktionsvermögen aber wird von Tag zu Tag kleiner.
Die Produktion wehrt sich, solange es noch geht, und sucht das' Verlorene zu
ersetzen und den Zusammenbruch hinauszuschieben: Die Preise der Waren steigen und
steigen,derWaren werden aber weniger und weniger: und wieder steigen die Preise und
Löhne. Das ist die Schraube ohne Ende in der Richtung auf die Verteuerung
des Lebens oder Entwertung des Geldes, in der wir uns jetzt bewegen. (Daß
hier auch andere Ursachen mitspielen, soll selbstverständlich nicht verkannt werden.)
Nur der neu belebte Spartrieb der Masse kann hier Einhalt gebieten und die
Schraube in umgekehrter Richtung in Bewegung setzen: Die Verbrauchsausgabe
wird durch die Steuer beschränkt, der Spartrieb will zurücklegen, statt zu versteuern,
der Verbrauch selbst kann abgesehen vom Luxus, nnr in geringem Maße ein¬
geschränkt werden. Der Verbrauch hat den Ausweg in der Richtung der freien
Eigenproduktion. Die Eigenproduktion macht dem Massenprodukt Konkurrenz.
Sind sie aber billig zu haben, so will jeder gerne so viel wie möglich Anteil am
Massenprodukt und am Luxus haben. Die Großproduktion will weiter leben.
Ausweg: Verbilligung des Produkts. Sinken der Preise, Sinken der Löhne, da
das Leben billiger gestaltet werden kann. Rückkehr zu normalen Verhältnissen.
Wer neue wirtschaftliche Vorschläge machen will, ist verpflichtet, zunächst
ihre Konsequenzen im weitesten Ausmaße zu ermessen. Torinsk aber wäre es,
diese Konsequenzen anders zu werten, als Möglichkeiten, außer acht zu lassen
die zahlreichen gegensätzlichen Strömungen und Hemmnisse, die jeder Verwirk¬
lichung eines Ideals sich entgegenstellen. Das muß ausgesprochen werden, denn
ein Allheilmittel kann von dieser Steuermaßnahme nicht erwartet werden. Ihr
Wert liegt allein in der Tatsache, daß endlich einmal praktisch der Versuch gemacht
wird, in anderer Richtung als bisher weiterzugehen. Die Wirkung wird nicht
sofort, sondern nur langsam eintreten. Die Steuer wird lediglich einen kleinen
Baustein zum Wiederaufbau abgeben. Die neue Richtung des Willens aber wird
in immer größeren Maße andere Bausteine heranschaffen.
Aus dem letzterem widerlegt sich auch ein Einwand, der diesem Steuer¬
vorschlag gegenüber mit Sicherheit zu erwarten ist: „Wir brauchet: Steuern,
hier aber wird eine Steuer vorgeschlagen, die in sich selbst antisteuerliche Tendenzen
birgt. Ihre Wirkung soll ja sein, die Allgemeinheit dazu anzureizen, der Steuer¬
zahlung auszuweichen. Sie mag volkswirtschaftlich wertvoll sein, ist aber heute
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