Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Verbrauchssteuer statt Reichsemkommensteuer Produktion trifft aber unmittelbar das Proletariat. Ich verweise auf meinen Doch damit wird bereits dem Folgenden vorgegriffen. Zunächst ist Oder will jemand bezweifeln, daß wirklich durch eine solche Steuer eine Verbrauchssteuer statt Reichsemkommensteuer Produktion trifft aber unmittelbar das Proletariat. Ich verweise auf meinen Doch damit wird bereits dem Folgenden vorgegriffen. Zunächst ist Oder will jemand bezweifeln, daß wirklich durch eine solche Steuer eine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0108" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336398"/> <fw type="header" place="top"> Verbrauchssteuer statt Reichsemkommensteuer</fw><lb/> <p xml:id="ID_368" prev="#ID_367"> Produktion trifft aber unmittelbar das Proletariat. Ich verweise auf meinen<lb/> Aufsatz in den Grenzboten Ur. 41 dieses Jahrgangs: „Solidarität von Besitz<lb/> und Proletariat in Steuersachen", in welchem näher auf diese Wirkung ein¬<lb/> gegangen ist. Hier sei nur hervorgehoben: Iste Steuer aus Besitz und Ein¬<lb/> kommen beschränkt entsprechend ihrer Höhe die Produktion und wirkt damit als<lb/> Last für den Arbeiter durch Vetriebseinschränkung und Drückung der Löhne, als<lb/> Last für die Allgemeinheit, und damit wieder für das Proletariat durch Erhöhung<lb/> der Preise der Produkte oder Minderung der Kaufkraft des Geldes. Die Ver-<lb/> brauchsfleuer aber wirkt, wie wir gesehen haben, nicht produktionsbeschränkend,<lb/> sondern im Gegenteil produktionsfördernd. Damit aber wirkt sie indirekt nicht<lb/> auf Verschlechterung, sondern auf Hebung der Lebensbedingungen des Proletariats.</p><lb/> <p xml:id="ID_369"> Doch damit wird bereits dem Folgenden vorgegriffen. Zunächst ist<lb/> noch bei den unmittelbaren Wirkungen zu verweilen. Neben dem Antrieb<lb/> zur Förderung der Produktion ist die augenfälligste Wirkung, die hiermit<lb/> untrennbar zusammenhängt, eine neue Belebung des Spartriebes. Die schlimmste<lb/> Wirkung der Kriegs- und Revolutiousentwicklung ist ein allgemeines unwirtschaft¬<lb/> liches Gebahren im deutschen Volke, das man als sinkende wirtschaftliche Moral<lb/> bezeichnen kann. Niemand glaubt, daß es noch einen Sinn habe, vorwärts zu<lb/> arbeiten und zu sparen. Man glaubt, daß die beste Verwendung des Geldes<lb/> seine sofortige Umsetzung in Genuß sei. Die Furcht vor den hohen Steuer-<lb/> abgaben auf Besitz und Einkommen spielt eine wesentliche Rolle hierbei: Was ich<lb/> jetzt von meinem Gelde genieße, brauche ich später nicht abzugeben, der Dumme<lb/> aber kann später die Kosten tragen. Ungeheurer Luxus, der durchweg in keinem<lb/> Verhältnis zur wirtschaftlichen Lage des Volkes steht, ist die notwendige Folge<lb/> dieser allgemeiner Leichtfertigkeit. Der egoistische Trieb, der nun einmal das<lb/> Wirtschaftsleben beherrscht, ist in die falsche Bahn geworfen worden. Statt Sorge<lb/> für die Zukunft ist die Auskostung des Augenblicks sein Ziel geworden. Das<lb/> wirtschaftliche Gebühren des einzelnen und der Allgemeinheit ist dadurch demo¬<lb/> ralisiert. Im Geschäftsleben herrscht Wucher und Unsolidität. Sie sind nicht<lb/> mehr Ausnahmeerscheinungen, sondern üblich, sie erregen nicht mehr Vorwurf,<lb/> sondern jeder rechnet mit ihnen als etwas selbstverständlichen. Das Sinken des<lb/> Wertes des Geldes und die allgemeine llberteuerung haben zu einem wesentlichen<lb/> Grade ihre Ursache in dem Sinken der wirtschaftlichen Moral. Es ist hohe Zeit,<lb/> daß in dieser Richtung eine Bremse angelegt wird. Das geschieht aber nicht<lb/> durch patriotische Phrasen oder moralische Entnistnng, sondern nur durch<lb/> materiellen Zwang. Nur durch die Forderung: Willst du Luxus treiben und<lb/> verschwenden, so zahle dafür. Die Bremse, die hier eine zweckmäßige Verbrauchs¬<lb/> steuer anlegen würde, ist in erster Linie ihr moralischer Wert, der nicht hoch<lb/> genug angeschlagen werden kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_370"> Oder will jemand bezweifeln, daß wirklich durch eine solche Steuer eine<lb/> kräftige Belebung des Spartriebes eintreten wird? Allerdings ist es richtig: Der<lb/> wirklich große Luxus wird sich durch die Steuer nicht beengen lassen, im Gegen¬<lb/> teil, der Umstand, daß für Aufwendungen in bestimmter Höhe das doppelte Geld<lb/> wie früher notwendig ist, und daß infolgedessen nur ein kleinerer Kreis von<lb/> Reichen, wie früher, sich die Aufwendungen leisten kann, bildet für den großen<lb/> Luxus nur einen Anreiz mehr. Für die steuerliche Rentabilität der Verbrauchs¬<lb/> steuer mag dies gern mit in den Kauf genommen werden. Dagegen ist un¬<lb/> bestreitbar, daß auf die mittleren Einkommen von 30 000 bis 100 000 Mark und<lb/> wohl auch noch etwas darüber und darunter von der Steuer ein unmittelbarer<lb/> Druck ausgeübt wird. Diejenigen, welche bisher ihr gesamtes Einkommen ver¬<lb/> braucht haben, müssen mindestens insoweit der Steuer Rechnung tragen, als sie<lb/> entsprechend der Abgabe ihr Einkommen einschränken. Der Druck zum Sparen<lb/> ist also vorhanden. Ist aber überhaupt einmal die Spartätigkeit ausgelöst, so wirkt<lb/> sie psychologisch weiter. Die Abneigung gegen das unbedingt Unproduktive, welches<lb/> für den einzelnen die Steuerabgabe auch gegenüber der Ausgabe für Lebensgenuß hat,<lb/> die Abneigung gegen das Steuerzahler wird zu einem psychologischen Zwang in der<lb/> Richtung, lieber zu sparen, als dem Staate das Geld in den Rachen zu schmeißen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0108]
Verbrauchssteuer statt Reichsemkommensteuer
Produktion trifft aber unmittelbar das Proletariat. Ich verweise auf meinen
Aufsatz in den Grenzboten Ur. 41 dieses Jahrgangs: „Solidarität von Besitz
und Proletariat in Steuersachen", in welchem näher auf diese Wirkung ein¬
gegangen ist. Hier sei nur hervorgehoben: Iste Steuer aus Besitz und Ein¬
kommen beschränkt entsprechend ihrer Höhe die Produktion und wirkt damit als
Last für den Arbeiter durch Vetriebseinschränkung und Drückung der Löhne, als
Last für die Allgemeinheit, und damit wieder für das Proletariat durch Erhöhung
der Preise der Produkte oder Minderung der Kaufkraft des Geldes. Die Ver-
brauchsfleuer aber wirkt, wie wir gesehen haben, nicht produktionsbeschränkend,
sondern im Gegenteil produktionsfördernd. Damit aber wirkt sie indirekt nicht
auf Verschlechterung, sondern auf Hebung der Lebensbedingungen des Proletariats.
Doch damit wird bereits dem Folgenden vorgegriffen. Zunächst ist
noch bei den unmittelbaren Wirkungen zu verweilen. Neben dem Antrieb
zur Förderung der Produktion ist die augenfälligste Wirkung, die hiermit
untrennbar zusammenhängt, eine neue Belebung des Spartriebes. Die schlimmste
Wirkung der Kriegs- und Revolutiousentwicklung ist ein allgemeines unwirtschaft¬
liches Gebahren im deutschen Volke, das man als sinkende wirtschaftliche Moral
bezeichnen kann. Niemand glaubt, daß es noch einen Sinn habe, vorwärts zu
arbeiten und zu sparen. Man glaubt, daß die beste Verwendung des Geldes
seine sofortige Umsetzung in Genuß sei. Die Furcht vor den hohen Steuer-
abgaben auf Besitz und Einkommen spielt eine wesentliche Rolle hierbei: Was ich
jetzt von meinem Gelde genieße, brauche ich später nicht abzugeben, der Dumme
aber kann später die Kosten tragen. Ungeheurer Luxus, der durchweg in keinem
Verhältnis zur wirtschaftlichen Lage des Volkes steht, ist die notwendige Folge
dieser allgemeiner Leichtfertigkeit. Der egoistische Trieb, der nun einmal das
Wirtschaftsleben beherrscht, ist in die falsche Bahn geworfen worden. Statt Sorge
für die Zukunft ist die Auskostung des Augenblicks sein Ziel geworden. Das
wirtschaftliche Gebühren des einzelnen und der Allgemeinheit ist dadurch demo¬
ralisiert. Im Geschäftsleben herrscht Wucher und Unsolidität. Sie sind nicht
mehr Ausnahmeerscheinungen, sondern üblich, sie erregen nicht mehr Vorwurf,
sondern jeder rechnet mit ihnen als etwas selbstverständlichen. Das Sinken des
Wertes des Geldes und die allgemeine llberteuerung haben zu einem wesentlichen
Grade ihre Ursache in dem Sinken der wirtschaftlichen Moral. Es ist hohe Zeit,
daß in dieser Richtung eine Bremse angelegt wird. Das geschieht aber nicht
durch patriotische Phrasen oder moralische Entnistnng, sondern nur durch
materiellen Zwang. Nur durch die Forderung: Willst du Luxus treiben und
verschwenden, so zahle dafür. Die Bremse, die hier eine zweckmäßige Verbrauchs¬
steuer anlegen würde, ist in erster Linie ihr moralischer Wert, der nicht hoch
genug angeschlagen werden kann.
Oder will jemand bezweifeln, daß wirklich durch eine solche Steuer eine
kräftige Belebung des Spartriebes eintreten wird? Allerdings ist es richtig: Der
wirklich große Luxus wird sich durch die Steuer nicht beengen lassen, im Gegen¬
teil, der Umstand, daß für Aufwendungen in bestimmter Höhe das doppelte Geld
wie früher notwendig ist, und daß infolgedessen nur ein kleinerer Kreis von
Reichen, wie früher, sich die Aufwendungen leisten kann, bildet für den großen
Luxus nur einen Anreiz mehr. Für die steuerliche Rentabilität der Verbrauchs¬
steuer mag dies gern mit in den Kauf genommen werden. Dagegen ist un¬
bestreitbar, daß auf die mittleren Einkommen von 30 000 bis 100 000 Mark und
wohl auch noch etwas darüber und darunter von der Steuer ein unmittelbarer
Druck ausgeübt wird. Diejenigen, welche bisher ihr gesamtes Einkommen ver¬
braucht haben, müssen mindestens insoweit der Steuer Rechnung tragen, als sie
entsprechend der Abgabe ihr Einkommen einschränken. Der Druck zum Sparen
ist also vorhanden. Ist aber überhaupt einmal die Spartätigkeit ausgelöst, so wirkt
sie psychologisch weiter. Die Abneigung gegen das unbedingt Unproduktive, welches
für den einzelnen die Steuerabgabe auch gegenüber der Ausgabe für Lebensgenuß hat,
die Abneigung gegen das Steuerzahler wird zu einem psychologischen Zwang in der
Richtung, lieber zu sparen, als dem Staate das Geld in den Rachen zu schmeißen.
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