Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Im Wendenland

manu zum wendischen Staatspräsidenten ausersehen sein, doch würde Wohl auch
in diesem Falle Barth die ausschlaggebende Rolle spielen. Er hält nach dein,
was er bei der Pariser Konferenz von den Entente-Bevollmächtigten gehört hat,
die Aussichten seiner Sache für günstig. Man habe ihm zugesichert, so meldet er
der Versammlung, daß den Lausitzer Wenden ihr berechtigter nationaler An¬
spruch auf Selbständigkeit erfüllt werden solle. Es sei den Wenden das Recht
zugestanden worden, eigene Vertreter zur Friedenskonferenz zu entsenden; damit
sei schon dokumentiert, daß die wendische Frage nicht als deutsche innerpolitische
Angelegenheit, sondern als internationale angesehen werde. Die kürzliche Meldung
eines Prager Blattes, daß die Ententestaaten und besonders England den wendi¬
schen Wünschen ablehnend gegenüberstanden, bezeichnet er als falsch und ganz
aus der Lust gegriffen. Man erfährt nicht, mit welchen Ententegöttern zweiten
oder dritten Grades er verhandelt hat, aber er weiß zu erzählen, daß Wilson die
von jenen gemachten Zusagen durch einen Handschlag bekräftigt habe. Auch die
gesamte Presse der Ententeländer trete rückhaltlos für seine Forderungen ein.
Dann kommt für einen Augenblick der Pferdefuß der wendischen Selbständig¬
keitswünsche zum Vorschein: allgemeines Bravo antwortet ihm auf die Eröff¬
nung, daß einer selbständigen Wendet kein Anteil an der Kriegsentschädigung
auferlegt werden solle. Es betrübt und ernüchtert, zu erkennen, wie hinter einer
idealistischen Maske Wünsche fo realer Art lauern, die allein Ausgangspunkt der
Bewegung und Quelle ihrer werbenden Kraft sind. Wir werden darauf noch
zurückkommen.

Für die wendischen Kriegsgefangenen will Barth bereits Ausuahmc-
oergünstigungen erzielt haben; er hofft zuversichtlich, ihre baldige Rückkehr in die
Heimat durchsetzen zu können. Eine selbständige Wendet braucht, wie er weiter
ausführt, für ihre Industrie und Landwirtschaft nichts zu fürchten: die En¬
tente gewähre alle Sicherheiten, daß Gewerbe und Industrie mit Rohmaterial
und Aufträgen ausreichend versorgt und daß den Landwirten dieser fruchtbaren
Gegenden ihre Produkte auch außerhalb der zukünftigen wendischen Landes¬
grenzen abgenommen würden. Letzteres kann er allerdings leicht ver¬
sprechen: das landarme, bevölkerungsreiche Sachsen ist von jeher darauf an¬
gewiesen, Lebensmittel zu nehmen, wo es sie nur irgend bekommen kann; eS
wird in Zukunft noch nilehr auf solches Zusammenraffen angewiesen sein, wenn
die jetzt verschlossenen Tore der Provinz Posen, aus der es die meisten Vorräte
bezog, ihm nicht bald wieder geöffnet werden. Von dem deutschen Sozialismus
jedweder Schattierung will Barth nichts wissen, und zumal Sachsen ist ihm zu
rot geworden; alle Sozialisierungsbeftrebungen, mögen sie auch noch so gemäßigt
und berechtigt sein, flößen ihm Grauen ein (man merkt wieder den Pferde¬
fuß!). Diese Sorge scheint sehr an den Haaren herbeigezogen, denn die Regie¬
rung Gradnauer neigt ans diesem Gebiete ganz und gar nicht zu waghalsigen
Experimenten. Aber er ist so gnädig, zu versprechen, daß die Wenden auch in
Zukunft mit den Deutschen in der Lausitz gute Nachbarschaft halten Wollen. "Es
lebe unser Präsident Barth!" Hat es einer gerufen? Nein, so weit gingen sie
doch nicht, Barth sieht auch einstweilen gar zu wenig präsidentlich aus, selbst
gemessen an den geringen Anforderungen, die man heutzutage nach dieser Rich¬
tung stellt. Aber große Ovationen wurden ihm von seinen Bauern zuteil, wäh¬
rend die Klänge der wendischen Nationalhymne, von dreitausend Stimmen
nicht unschön gesungen, in den Rauch und Dunst unter der Decke emporstiegen
und die schwarz-weiß-roten und grün-weißen Papierfähnchen der Saaldekoration
in leise, zitternde Bewegung brachten. Und man beschloß auf Antrag eines
Niederlausitzers, der Pariser Konferenz ,/Dank und Anerkennung" auszu-
sprechen. (Die wird sich sehr geehrt suhlen!) Womit bewiesen wurde, daß ihr
doch immer noch rechte Deutsche seid, ihr Wenden, mehr als ihr glaubt und eS
wahr haben wollt. So dankt der Hammel den versammelten Raubtieren, die,
ehe sie ihm den Rest geben, sein Vließ verteilen.




Im Wendenland

manu zum wendischen Staatspräsidenten ausersehen sein, doch würde Wohl auch
in diesem Falle Barth die ausschlaggebende Rolle spielen. Er hält nach dein,
was er bei der Pariser Konferenz von den Entente-Bevollmächtigten gehört hat,
die Aussichten seiner Sache für günstig. Man habe ihm zugesichert, so meldet er
der Versammlung, daß den Lausitzer Wenden ihr berechtigter nationaler An¬
spruch auf Selbständigkeit erfüllt werden solle. Es sei den Wenden das Recht
zugestanden worden, eigene Vertreter zur Friedenskonferenz zu entsenden; damit
sei schon dokumentiert, daß die wendische Frage nicht als deutsche innerpolitische
Angelegenheit, sondern als internationale angesehen werde. Die kürzliche Meldung
eines Prager Blattes, daß die Ententestaaten und besonders England den wendi¬
schen Wünschen ablehnend gegenüberstanden, bezeichnet er als falsch und ganz
aus der Lust gegriffen. Man erfährt nicht, mit welchen Ententegöttern zweiten
oder dritten Grades er verhandelt hat, aber er weiß zu erzählen, daß Wilson die
von jenen gemachten Zusagen durch einen Handschlag bekräftigt habe. Auch die
gesamte Presse der Ententeländer trete rückhaltlos für seine Forderungen ein.
Dann kommt für einen Augenblick der Pferdefuß der wendischen Selbständig¬
keitswünsche zum Vorschein: allgemeines Bravo antwortet ihm auf die Eröff¬
nung, daß einer selbständigen Wendet kein Anteil an der Kriegsentschädigung
auferlegt werden solle. Es betrübt und ernüchtert, zu erkennen, wie hinter einer
idealistischen Maske Wünsche fo realer Art lauern, die allein Ausgangspunkt der
Bewegung und Quelle ihrer werbenden Kraft sind. Wir werden darauf noch
zurückkommen.

Für die wendischen Kriegsgefangenen will Barth bereits Ausuahmc-
oergünstigungen erzielt haben; er hofft zuversichtlich, ihre baldige Rückkehr in die
Heimat durchsetzen zu können. Eine selbständige Wendet braucht, wie er weiter
ausführt, für ihre Industrie und Landwirtschaft nichts zu fürchten: die En¬
tente gewähre alle Sicherheiten, daß Gewerbe und Industrie mit Rohmaterial
und Aufträgen ausreichend versorgt und daß den Landwirten dieser fruchtbaren
Gegenden ihre Produkte auch außerhalb der zukünftigen wendischen Landes¬
grenzen abgenommen würden. Letzteres kann er allerdings leicht ver¬
sprechen: das landarme, bevölkerungsreiche Sachsen ist von jeher darauf an¬
gewiesen, Lebensmittel zu nehmen, wo es sie nur irgend bekommen kann; eS
wird in Zukunft noch nilehr auf solches Zusammenraffen angewiesen sein, wenn
die jetzt verschlossenen Tore der Provinz Posen, aus der es die meisten Vorräte
bezog, ihm nicht bald wieder geöffnet werden. Von dem deutschen Sozialismus
jedweder Schattierung will Barth nichts wissen, und zumal Sachsen ist ihm zu
rot geworden; alle Sozialisierungsbeftrebungen, mögen sie auch noch so gemäßigt
und berechtigt sein, flößen ihm Grauen ein (man merkt wieder den Pferde¬
fuß!). Diese Sorge scheint sehr an den Haaren herbeigezogen, denn die Regie¬
rung Gradnauer neigt ans diesem Gebiete ganz und gar nicht zu waghalsigen
Experimenten. Aber er ist so gnädig, zu versprechen, daß die Wenden auch in
Zukunft mit den Deutschen in der Lausitz gute Nachbarschaft halten Wollen. „Es
lebe unser Präsident Barth!" Hat es einer gerufen? Nein, so weit gingen sie
doch nicht, Barth sieht auch einstweilen gar zu wenig präsidentlich aus, selbst
gemessen an den geringen Anforderungen, die man heutzutage nach dieser Rich¬
tung stellt. Aber große Ovationen wurden ihm von seinen Bauern zuteil, wäh¬
rend die Klänge der wendischen Nationalhymne, von dreitausend Stimmen
nicht unschön gesungen, in den Rauch und Dunst unter der Decke emporstiegen
und die schwarz-weiß-roten und grün-weißen Papierfähnchen der Saaldekoration
in leise, zitternde Bewegung brachten. Und man beschloß auf Antrag eines
Niederlausitzers, der Pariser Konferenz ,/Dank und Anerkennung" auszu-
sprechen. (Die wird sich sehr geehrt suhlen!) Womit bewiesen wurde, daß ihr
doch immer noch rechte Deutsche seid, ihr Wenden, mehr als ihr glaubt und eS
wahr haben wollt. So dankt der Hammel den versammelten Raubtieren, die,
ehe sie ihm den Rest geben, sein Vließ verteilen.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0092" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335502"/>
          <fw type="header" place="top"> Im Wendenland</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_376" prev="#ID_375"> manu zum wendischen Staatspräsidenten ausersehen sein, doch würde Wohl auch<lb/>
in diesem Falle Barth die ausschlaggebende Rolle spielen. Er hält nach dein,<lb/>
was er bei der Pariser Konferenz von den Entente-Bevollmächtigten gehört hat,<lb/>
die Aussichten seiner Sache für günstig. Man habe ihm zugesichert, so meldet er<lb/>
der Versammlung, daß den Lausitzer Wenden ihr berechtigter nationaler An¬<lb/>
spruch auf Selbständigkeit erfüllt werden solle. Es sei den Wenden das Recht<lb/>
zugestanden worden, eigene Vertreter zur Friedenskonferenz zu entsenden; damit<lb/>
sei schon dokumentiert, daß die wendische Frage nicht als deutsche innerpolitische<lb/>
Angelegenheit, sondern als internationale angesehen werde. Die kürzliche Meldung<lb/>
eines Prager Blattes, daß die Ententestaaten und besonders England den wendi¬<lb/>
schen Wünschen ablehnend gegenüberstanden, bezeichnet er als falsch und ganz<lb/>
aus der Lust gegriffen. Man erfährt nicht, mit welchen Ententegöttern zweiten<lb/>
oder dritten Grades er verhandelt hat, aber er weiß zu erzählen, daß Wilson die<lb/>
von jenen gemachten Zusagen durch einen Handschlag bekräftigt habe. Auch die<lb/>
gesamte Presse der Ententeländer trete rückhaltlos für seine Forderungen ein.<lb/>
Dann kommt für einen Augenblick der Pferdefuß der wendischen Selbständig¬<lb/>
keitswünsche zum Vorschein: allgemeines Bravo antwortet ihm auf die Eröff¬<lb/>
nung, daß einer selbständigen Wendet kein Anteil an der Kriegsentschädigung<lb/>
auferlegt werden solle. Es betrübt und ernüchtert, zu erkennen, wie hinter einer<lb/>
idealistischen Maske Wünsche fo realer Art lauern, die allein Ausgangspunkt der<lb/>
Bewegung und Quelle ihrer werbenden Kraft sind. Wir werden darauf noch<lb/>
zurückkommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_377"> Für die wendischen Kriegsgefangenen will Barth bereits Ausuahmc-<lb/>
oergünstigungen erzielt haben; er hofft zuversichtlich, ihre baldige Rückkehr in die<lb/>
Heimat durchsetzen zu können. Eine selbständige Wendet braucht, wie er weiter<lb/>
ausführt, für ihre Industrie und Landwirtschaft nichts zu fürchten: die En¬<lb/>
tente gewähre alle Sicherheiten, daß Gewerbe und Industrie mit Rohmaterial<lb/>
und Aufträgen ausreichend versorgt und daß den Landwirten dieser fruchtbaren<lb/>
Gegenden ihre Produkte auch außerhalb der zukünftigen wendischen Landes¬<lb/>
grenzen abgenommen würden. Letzteres kann er allerdings leicht ver¬<lb/>
sprechen: das landarme, bevölkerungsreiche Sachsen ist von jeher darauf an¬<lb/>
gewiesen, Lebensmittel zu nehmen, wo es sie nur irgend bekommen kann; eS<lb/>
wird in Zukunft noch nilehr auf solches Zusammenraffen angewiesen sein, wenn<lb/>
die jetzt verschlossenen Tore der Provinz Posen, aus der es die meisten Vorräte<lb/>
bezog, ihm nicht bald wieder geöffnet werden. Von dem deutschen Sozialismus<lb/>
jedweder Schattierung will Barth nichts wissen, und zumal Sachsen ist ihm zu<lb/>
rot geworden; alle Sozialisierungsbeftrebungen, mögen sie auch noch so gemäßigt<lb/>
und berechtigt sein, flößen ihm Grauen ein (man merkt wieder den Pferde¬<lb/>
fuß!). Diese Sorge scheint sehr an den Haaren herbeigezogen, denn die Regie¬<lb/>
rung Gradnauer neigt ans diesem Gebiete ganz und gar nicht zu waghalsigen<lb/>
Experimenten. Aber er ist so gnädig, zu versprechen, daß die Wenden auch in<lb/>
Zukunft mit den Deutschen in der Lausitz gute Nachbarschaft halten Wollen. &#x201E;Es<lb/>
lebe unser Präsident Barth!" Hat es einer gerufen? Nein, so weit gingen sie<lb/>
doch nicht, Barth sieht auch einstweilen gar zu wenig präsidentlich aus, selbst<lb/>
gemessen an den geringen Anforderungen, die man heutzutage nach dieser Rich¬<lb/>
tung stellt. Aber große Ovationen wurden ihm von seinen Bauern zuteil, wäh¬<lb/>
rend die Klänge der wendischen Nationalhymne, von dreitausend Stimmen<lb/>
nicht unschön gesungen, in den Rauch und Dunst unter der Decke emporstiegen<lb/>
und die schwarz-weiß-roten und grün-weißen Papierfähnchen der Saaldekoration<lb/>
in leise, zitternde Bewegung brachten. Und man beschloß auf Antrag eines<lb/>
Niederlausitzers, der Pariser Konferenz ,/Dank und Anerkennung" auszu-<lb/>
sprechen. (Die wird sich sehr geehrt suhlen!) Womit bewiesen wurde, daß ihr<lb/>
doch immer noch rechte Deutsche seid, ihr Wenden, mehr als ihr glaubt und eS<lb/>
wahr haben wollt. So dankt der Hammel den versammelten Raubtieren, die,<lb/>
ehe sie ihm den Rest geben, sein Vließ verteilen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0092] Im Wendenland manu zum wendischen Staatspräsidenten ausersehen sein, doch würde Wohl auch in diesem Falle Barth die ausschlaggebende Rolle spielen. Er hält nach dein, was er bei der Pariser Konferenz von den Entente-Bevollmächtigten gehört hat, die Aussichten seiner Sache für günstig. Man habe ihm zugesichert, so meldet er der Versammlung, daß den Lausitzer Wenden ihr berechtigter nationaler An¬ spruch auf Selbständigkeit erfüllt werden solle. Es sei den Wenden das Recht zugestanden worden, eigene Vertreter zur Friedenskonferenz zu entsenden; damit sei schon dokumentiert, daß die wendische Frage nicht als deutsche innerpolitische Angelegenheit, sondern als internationale angesehen werde. Die kürzliche Meldung eines Prager Blattes, daß die Ententestaaten und besonders England den wendi¬ schen Wünschen ablehnend gegenüberstanden, bezeichnet er als falsch und ganz aus der Lust gegriffen. Man erfährt nicht, mit welchen Ententegöttern zweiten oder dritten Grades er verhandelt hat, aber er weiß zu erzählen, daß Wilson die von jenen gemachten Zusagen durch einen Handschlag bekräftigt habe. Auch die gesamte Presse der Ententeländer trete rückhaltlos für seine Forderungen ein. Dann kommt für einen Augenblick der Pferdefuß der wendischen Selbständig¬ keitswünsche zum Vorschein: allgemeines Bravo antwortet ihm auf die Eröff¬ nung, daß einer selbständigen Wendet kein Anteil an der Kriegsentschädigung auferlegt werden solle. Es betrübt und ernüchtert, zu erkennen, wie hinter einer idealistischen Maske Wünsche fo realer Art lauern, die allein Ausgangspunkt der Bewegung und Quelle ihrer werbenden Kraft sind. Wir werden darauf noch zurückkommen. Für die wendischen Kriegsgefangenen will Barth bereits Ausuahmc- oergünstigungen erzielt haben; er hofft zuversichtlich, ihre baldige Rückkehr in die Heimat durchsetzen zu können. Eine selbständige Wendet braucht, wie er weiter ausführt, für ihre Industrie und Landwirtschaft nichts zu fürchten: die En¬ tente gewähre alle Sicherheiten, daß Gewerbe und Industrie mit Rohmaterial und Aufträgen ausreichend versorgt und daß den Landwirten dieser fruchtbaren Gegenden ihre Produkte auch außerhalb der zukünftigen wendischen Landes¬ grenzen abgenommen würden. Letzteres kann er allerdings leicht ver¬ sprechen: das landarme, bevölkerungsreiche Sachsen ist von jeher darauf an¬ gewiesen, Lebensmittel zu nehmen, wo es sie nur irgend bekommen kann; eS wird in Zukunft noch nilehr auf solches Zusammenraffen angewiesen sein, wenn die jetzt verschlossenen Tore der Provinz Posen, aus der es die meisten Vorräte bezog, ihm nicht bald wieder geöffnet werden. Von dem deutschen Sozialismus jedweder Schattierung will Barth nichts wissen, und zumal Sachsen ist ihm zu rot geworden; alle Sozialisierungsbeftrebungen, mögen sie auch noch so gemäßigt und berechtigt sein, flößen ihm Grauen ein (man merkt wieder den Pferde¬ fuß!). Diese Sorge scheint sehr an den Haaren herbeigezogen, denn die Regie¬ rung Gradnauer neigt ans diesem Gebiete ganz und gar nicht zu waghalsigen Experimenten. Aber er ist so gnädig, zu versprechen, daß die Wenden auch in Zukunft mit den Deutschen in der Lausitz gute Nachbarschaft halten Wollen. „Es lebe unser Präsident Barth!" Hat es einer gerufen? Nein, so weit gingen sie doch nicht, Barth sieht auch einstweilen gar zu wenig präsidentlich aus, selbst gemessen an den geringen Anforderungen, die man heutzutage nach dieser Rich¬ tung stellt. Aber große Ovationen wurden ihm von seinen Bauern zuteil, wäh¬ rend die Klänge der wendischen Nationalhymne, von dreitausend Stimmen nicht unschön gesungen, in den Rauch und Dunst unter der Decke emporstiegen und die schwarz-weiß-roten und grün-weißen Papierfähnchen der Saaldekoration in leise, zitternde Bewegung brachten. Und man beschloß auf Antrag eines Niederlausitzers, der Pariser Konferenz ,/Dank und Anerkennung" auszu- sprechen. (Die wird sich sehr geehrt suhlen!) Womit bewiesen wurde, daß ihr doch immer noch rechte Deutsche seid, ihr Wenden, mehr als ihr glaubt und eS wahr haben wollt. So dankt der Hammel den versammelten Raubtieren, die, ehe sie ihm den Rest geben, sein Vließ verteilen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/92
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/92>, abgerufen am 09.11.2024.