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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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daß es nur Wunder nimmt, daß sich nicht vorher genügend gewichtige Stimmen
erhoben, um rechtzeitig zur Wandlung zu raten. Es erscheint nach dieser Be¬
trachtung auch nickt mehr als Zufall oder als eine Verhöhnung des "Schicksals,
das; gerade Deutschland das Unglück treffen mußte, und daß Nußland das Land
war, welches den Bolschewismus gebar.

Mit der Erfindung der Kraftmaschine wuchs die Industrie über unsere
Macht hinaus. Die Zusammenballung der Menschen in das Abhängigkeits- und
Hörigkeitsverhältnis nahm immer schneller zu. Sie griff über auf Gebiete, aus
welchen dies nicht notwendig war. Bankgewerbe, Kaufhäuser, Brauereien wurden
Großbetriebe, welche immer mehr selbständige Existenzen vernichteten und zu An¬
gestellten stempelten. Im Verwaltungsdienst das gleiche, zwei kleine Schulen
wurden zu einer großen vereinigt, Verwaltungen zusammengelegt und immer
mehr wurden die Bureauleiter nur noch Vorarbeiter unter dem Druck einer
rissigen Organisation.

Die Marxisten jubelten I Die Welt wird reif für den Zukunftsstaat, bald
wird die Frucht der darbenden Menschheit, dem Proletariat zufallen----
Marx hatte von seinen Verhältnissen aus geurteilt. Die Entwicklung, welche die
Industrie und Wirtschaft fünfzig Jahre später nehmen würde, konnte er nicht
ahnen. Seine Nachfolger haben den Fehler begangen, daß sie seine Lehre als
Evangelium aufnahmen, aber nicht nut der veränderten Zeit den neuen Verhält¬
nissen anpaßten.

Marx war der Ansicht, daß, wenn der Unternehmergewinn dem Arbeiter
zufalle, statt dem Kapital, und wenn der Arbeiter die Arbeit leiste im Gefühl, daß es
für ihn selbst sei, daß dann die Zeit der Gerechtigkeit, des menschenwürdigen
Daseins, sowie der Glückseligkeit des Volkes gekommen sei. Marx war gegen jeden
gewaltsamen Umsturz. Der Augenblick der Reise mußte nach ihm kommen, wenn
alle Wirtschaft so vergesellschaftet sei, daß es nur noch der Entfernung der
kapitalistischen Führer bedürfe, um das Proletariat in seine Rechte einzusetzen.
Je schneller also die Vertrustung und Vergemeinschaftung der Wirtschaft kam,
desto schneller kam die Reife. Schon vor dem Kriege ballten sich die Machtmittel
der Arbeiter zusammen, offen trat man der alten Gesellschaft gegenüber und der
Krieg war vielleicht nur ein -- mehr unbewußtes --Hilfsmittel der alten Macht,
um den Umsturz zu verhindern. Es kam anders, der Weltkrieg hat den Damm
gebrochen. Die Massensehnsucht überflutet die Wirtschaft, und vergeblich scheinen
wir nach Rettung aus.---

Der große Führer der Massen hat in seinen Thesen zwei große und grund¬
legende Fehler begangen. Auf den einen, der hier nicht weiter verfolgt werden
soll, hat Professor Franz Oppenheimer in seinen Schriften hingewiesen. Marx
hat die Verhältnisse der Landwirtschaft vollkommen falsch beurteilt. Den anderen
Fehler konnte er nicht sehen, denn keinem Menschen ist es gegeben, die Entwicklung
auf ein halbes oder ganzes Jahrhundert im Voraus zu schauen. Seine Nachfolger
haben den weit schlimmeren Fehler begangen, seine Lehre als etwas unumstößlich
Gegebenes aufzufassen und nicht der Zeitenfolge gemäß auszubauen, zu erweitern
und anzupassen.

Es ist vollkommen verkehrt, daß es nur der Abführung des Unternchmer-
gcwinnes an die Arbeiter bedarf, und der Kontrolle der Werkstätten durch den
Staat, um die soziale Frage zu lösen, den Proletarierstaat aufzurichten und der
Erde den Frieden wieder zu schenken. Der Unternehmergewinn auf die Masse
oder den Staat verteilt ist ein nichts. Selbst die Arbeiterführer, sind hierüber in
ganz falschen Illusionen verfangen. Auch das Schlagwort, daß der Ertrag der
Arbeit dem Arbeiter gehören müsse, ist nicht viel mehr als ein schönes und
wirkungsvolles Schlagwort. Tatsächlich hat der Arbeiter auch jetzt schon 90 bis
95 Prozent des Ertrages erhalten, und nur die Multiplikation mit soviel Tausend
Arbeitern ließ für den Unternehmer und das .Kapital diese Rieseugewinne ent¬
stehen. Also die 5--10 Prozent mehr machen den Arbeiter nicht glücklich.
Außerdem, der soziale Staat will auch leben, und noch mehr leisten als der alte..


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daß es nur Wunder nimmt, daß sich nicht vorher genügend gewichtige Stimmen
erhoben, um rechtzeitig zur Wandlung zu raten. Es erscheint nach dieser Be¬
trachtung auch nickt mehr als Zufall oder als eine Verhöhnung des «Schicksals,
das; gerade Deutschland das Unglück treffen mußte, und daß Nußland das Land
war, welches den Bolschewismus gebar.

Mit der Erfindung der Kraftmaschine wuchs die Industrie über unsere
Macht hinaus. Die Zusammenballung der Menschen in das Abhängigkeits- und
Hörigkeitsverhältnis nahm immer schneller zu. Sie griff über auf Gebiete, aus
welchen dies nicht notwendig war. Bankgewerbe, Kaufhäuser, Brauereien wurden
Großbetriebe, welche immer mehr selbständige Existenzen vernichteten und zu An¬
gestellten stempelten. Im Verwaltungsdienst das gleiche, zwei kleine Schulen
wurden zu einer großen vereinigt, Verwaltungen zusammengelegt und immer
mehr wurden die Bureauleiter nur noch Vorarbeiter unter dem Druck einer
rissigen Organisation.

Die Marxisten jubelten I Die Welt wird reif für den Zukunftsstaat, bald
wird die Frucht der darbenden Menschheit, dem Proletariat zufallen----
Marx hatte von seinen Verhältnissen aus geurteilt. Die Entwicklung, welche die
Industrie und Wirtschaft fünfzig Jahre später nehmen würde, konnte er nicht
ahnen. Seine Nachfolger haben den Fehler begangen, daß sie seine Lehre als
Evangelium aufnahmen, aber nicht nut der veränderten Zeit den neuen Verhält¬
nissen anpaßten.

Marx war der Ansicht, daß, wenn der Unternehmergewinn dem Arbeiter
zufalle, statt dem Kapital, und wenn der Arbeiter die Arbeit leiste im Gefühl, daß es
für ihn selbst sei, daß dann die Zeit der Gerechtigkeit, des menschenwürdigen
Daseins, sowie der Glückseligkeit des Volkes gekommen sei. Marx war gegen jeden
gewaltsamen Umsturz. Der Augenblick der Reise mußte nach ihm kommen, wenn
alle Wirtschaft so vergesellschaftet sei, daß es nur noch der Entfernung der
kapitalistischen Führer bedürfe, um das Proletariat in seine Rechte einzusetzen.
Je schneller also die Vertrustung und Vergemeinschaftung der Wirtschaft kam,
desto schneller kam die Reife. Schon vor dem Kriege ballten sich die Machtmittel
der Arbeiter zusammen, offen trat man der alten Gesellschaft gegenüber und der
Krieg war vielleicht nur ein — mehr unbewußtes —Hilfsmittel der alten Macht,
um den Umsturz zu verhindern. Es kam anders, der Weltkrieg hat den Damm
gebrochen. Die Massensehnsucht überflutet die Wirtschaft, und vergeblich scheinen
wir nach Rettung aus.---

Der große Führer der Massen hat in seinen Thesen zwei große und grund¬
legende Fehler begangen. Auf den einen, der hier nicht weiter verfolgt werden
soll, hat Professor Franz Oppenheimer in seinen Schriften hingewiesen. Marx
hat die Verhältnisse der Landwirtschaft vollkommen falsch beurteilt. Den anderen
Fehler konnte er nicht sehen, denn keinem Menschen ist es gegeben, die Entwicklung
auf ein halbes oder ganzes Jahrhundert im Voraus zu schauen. Seine Nachfolger
haben den weit schlimmeren Fehler begangen, seine Lehre als etwas unumstößlich
Gegebenes aufzufassen und nicht der Zeitenfolge gemäß auszubauen, zu erweitern
und anzupassen.

Es ist vollkommen verkehrt, daß es nur der Abführung des Unternchmer-
gcwinnes an die Arbeiter bedarf, und der Kontrolle der Werkstätten durch den
Staat, um die soziale Frage zu lösen, den Proletarierstaat aufzurichten und der
Erde den Frieden wieder zu schenken. Der Unternehmergewinn auf die Masse
oder den Staat verteilt ist ein nichts. Selbst die Arbeiterführer, sind hierüber in
ganz falschen Illusionen verfangen. Auch das Schlagwort, daß der Ertrag der
Arbeit dem Arbeiter gehören müsse, ist nicht viel mehr als ein schönes und
wirkungsvolles Schlagwort. Tatsächlich hat der Arbeiter auch jetzt schon 90 bis
95 Prozent des Ertrages erhalten, und nur die Multiplikation mit soviel Tausend
Arbeitern ließ für den Unternehmer und das .Kapital diese Rieseugewinne ent¬
stehen. Also die 5—10 Prozent mehr machen den Arbeiter nicht glücklich.
Außerdem, der soziale Staat will auch leben, und noch mehr leisten als der alte..


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[0062] Zusammenbruch und Aufbau daß es nur Wunder nimmt, daß sich nicht vorher genügend gewichtige Stimmen erhoben, um rechtzeitig zur Wandlung zu raten. Es erscheint nach dieser Be¬ trachtung auch nickt mehr als Zufall oder als eine Verhöhnung des «Schicksals, das; gerade Deutschland das Unglück treffen mußte, und daß Nußland das Land war, welches den Bolschewismus gebar. Mit der Erfindung der Kraftmaschine wuchs die Industrie über unsere Macht hinaus. Die Zusammenballung der Menschen in das Abhängigkeits- und Hörigkeitsverhältnis nahm immer schneller zu. Sie griff über auf Gebiete, aus welchen dies nicht notwendig war. Bankgewerbe, Kaufhäuser, Brauereien wurden Großbetriebe, welche immer mehr selbständige Existenzen vernichteten und zu An¬ gestellten stempelten. Im Verwaltungsdienst das gleiche, zwei kleine Schulen wurden zu einer großen vereinigt, Verwaltungen zusammengelegt und immer mehr wurden die Bureauleiter nur noch Vorarbeiter unter dem Druck einer rissigen Organisation. Die Marxisten jubelten I Die Welt wird reif für den Zukunftsstaat, bald wird die Frucht der darbenden Menschheit, dem Proletariat zufallen---- Marx hatte von seinen Verhältnissen aus geurteilt. Die Entwicklung, welche die Industrie und Wirtschaft fünfzig Jahre später nehmen würde, konnte er nicht ahnen. Seine Nachfolger haben den Fehler begangen, daß sie seine Lehre als Evangelium aufnahmen, aber nicht nut der veränderten Zeit den neuen Verhält¬ nissen anpaßten. Marx war der Ansicht, daß, wenn der Unternehmergewinn dem Arbeiter zufalle, statt dem Kapital, und wenn der Arbeiter die Arbeit leiste im Gefühl, daß es für ihn selbst sei, daß dann die Zeit der Gerechtigkeit, des menschenwürdigen Daseins, sowie der Glückseligkeit des Volkes gekommen sei. Marx war gegen jeden gewaltsamen Umsturz. Der Augenblick der Reise mußte nach ihm kommen, wenn alle Wirtschaft so vergesellschaftet sei, daß es nur noch der Entfernung der kapitalistischen Führer bedürfe, um das Proletariat in seine Rechte einzusetzen. Je schneller also die Vertrustung und Vergemeinschaftung der Wirtschaft kam, desto schneller kam die Reife. Schon vor dem Kriege ballten sich die Machtmittel der Arbeiter zusammen, offen trat man der alten Gesellschaft gegenüber und der Krieg war vielleicht nur ein — mehr unbewußtes —Hilfsmittel der alten Macht, um den Umsturz zu verhindern. Es kam anders, der Weltkrieg hat den Damm gebrochen. Die Massensehnsucht überflutet die Wirtschaft, und vergeblich scheinen wir nach Rettung aus.--- Der große Führer der Massen hat in seinen Thesen zwei große und grund¬ legende Fehler begangen. Auf den einen, der hier nicht weiter verfolgt werden soll, hat Professor Franz Oppenheimer in seinen Schriften hingewiesen. Marx hat die Verhältnisse der Landwirtschaft vollkommen falsch beurteilt. Den anderen Fehler konnte er nicht sehen, denn keinem Menschen ist es gegeben, die Entwicklung auf ein halbes oder ganzes Jahrhundert im Voraus zu schauen. Seine Nachfolger haben den weit schlimmeren Fehler begangen, seine Lehre als etwas unumstößlich Gegebenes aufzufassen und nicht der Zeitenfolge gemäß auszubauen, zu erweitern und anzupassen. Es ist vollkommen verkehrt, daß es nur der Abführung des Unternchmer- gcwinnes an die Arbeiter bedarf, und der Kontrolle der Werkstätten durch den Staat, um die soziale Frage zu lösen, den Proletarierstaat aufzurichten und der Erde den Frieden wieder zu schenken. Der Unternehmergewinn auf die Masse oder den Staat verteilt ist ein nichts. Selbst die Arbeiterführer, sind hierüber in ganz falschen Illusionen verfangen. Auch das Schlagwort, daß der Ertrag der Arbeit dem Arbeiter gehören müsse, ist nicht viel mehr als ein schönes und wirkungsvolles Schlagwort. Tatsächlich hat der Arbeiter auch jetzt schon 90 bis 95 Prozent des Ertrages erhalten, und nur die Multiplikation mit soviel Tausend Arbeitern ließ für den Unternehmer und das .Kapital diese Rieseugewinne ent¬ stehen. Also die 5—10 Prozent mehr machen den Arbeiter nicht glücklich. Außerdem, der soziale Staat will auch leben, und noch mehr leisten als der alte..

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/62>, abgerufen am 06.10.2024.