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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Materialien zur ostdeutschen Frage

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Ortschaften des Kreises Meseritz besondere
Beachtung portiere.

Nicht nur Stadt und Schloß Meseritz,
sondern das Land bis zur Seenkette, die
heute die Stellung des Heimatschutzes be¬
zeichnet, waren an Brandenburg gekommen.
Diese Zugehörigkeit dauerte zwar nur einige
Ja hrzehnte, doch hatte das Deutschtum, welches
im Laufe des dreizehnten Jahrhunderts bei
der Hochflut der Einwanderung, die sich aus
dem germanischen Westen nach Polen ergosz
und "überall eine zum Besseren treibende
Kraft" in den posenschen Stadien hervorrief,
solche Stärkung erfahren, daß Meseritz,
namentlich nach der Verleihung des Magde¬
burgischen Rechts im Jahre 12S9, trotz aller
Wechselfälle in späteren Jahrhunderten seinen
deutschen Charakter stets bewahrte. Deutscher
Gewerbefleiß und Bürgerstnn hoben das An¬
sehen und die Wohlhabenheit unserer Heimat¬
stadt zu solcher Blüte, daß die Geschäftsver¬
bindungen der Tuchmacher sogar bis China
reichten und jährlich bis 60 000 Stück Tuch
in das Reich der Mitte gingen. Die be¬
zopften Söhne des Himmels kauften nur noch
solche Stoffe, die mit den Buchstaben I. I. V.
lBvllmcr) auf einer Vleikapsel als "Meseritz-
koe" bezeichnet waren. Trotz ihrer Zuge¬
hörigkeit zum Polnischen Königreiche hegte
und Pflegte die Stadt ihr deutsches Denken
und Fühlen. Groß war daher der Jubel
der Bevölkerung, als bei der zweiten Teilung
Polens auch Meseritz an Preußen kam, und
mit Herzlichkeit und Freude wurde am 3. Ok¬
tober 1793 der neue Landesherr, König
Friedrich Wilhelm der Zweite, am Mühltore
begrüßt.

Die Stadt Meseritz hat also einen voll¬
begründeten Anspruch auf dauernde Zuge¬
hörigkeit zum Deutschen Reiche. Sie ist nicht
nur jetzt eine vollständig deutsche Stadt,
sondern war dies bereis vor 700 Jahren.
Wie lebendig und kräftig sich diese Gesinnung
much in der unserer heutigen so ähnlichen
Zeit vor 60 Jahren gezeigt hat, läßt das
damalige Verhalten und Vorgehen der Bürger¬
schaft erkennen.

Wuttke schreibt darüber:

"In der Bewegung des Jahres 1848
trat Meseritz entschieden deutsch auf, und
Versuche, die Katholischen gegen die Protestan-

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ten aufzureizen, hatten geringen Erfolg. Ein
"deutsches Komitee" bildete sich und drang
der Reorganisation gegenüber ans Abtren¬
nung voni Großhorzogthum Posen und Ein¬
verleibung in die Mark. Die dohinzielende
Bittschrift wurde "Mann für Mann" unter¬
zeichnet, die Dorfbewohner, sogar die Polen
drängten sich zum Beitritt. Auch die Städte
Tirschtiegel, Vrätz und Schwerin schlossen sich
an. Zugleich waffnete man sich, um die Er¬
klärungen, wenn es sein müßte, durch das
Schwert aufrecht zu erhalten.

Am 11. April wurde auch gegen den
Neorganisator Willisen erklärt und zwar
folgendes: ""Sie wollen uns trennen, für
immer trennen von unserm großen Bater¬
lande Deutschland? Sie wollen uns um
unsere höchste Hoffnung bringen, teilzu¬
nehmen an der großen Zukunft unseres Ge-
samtvnterlandes? Sie wollen uns einem
Volke unterwerfen, dessen Sprache, dessen
Sitten uns fremd sind, das laut erklärt hat,
an Deutschlands Zukunft sich nicht beteiligen
zu wollen? Herr General, wir halten et
für unsere heilige Pflicht, Ihnen offen und
unumwunden zu erklären, daß wir auch nicht
eine Stunde das hohe Gut entbehren wollen,
Preußen, welches in Deutschland aufgegangen
ist, und seinem erhabenen Königshause anzu¬
gehören, uns als Deutsche zu fühlen, von
deutschen Behörden regiert, als Soldaten von
Deutschen kommandiert zu werden, keiner
anderen Fahne zu folgen als einer deutschen,
mit deutschen Brüdern im Bunde für eine
rein deutsche Sache, daß wir keinen Augen¬
blick das höchste Gut entbehren wollen, im
Rate der Volksvertreter zu Berlin und in
der höchsten Reichsversammlung zu Frank¬
furt a. M. anzuraten, mit deutschen Brüdern
freie deutsche Männer zu sein.""

Gleichzeitig wurde öffentlich kundgegeben:
daß man die Regierung in Posen als unter
dem Einflüsse einer feindlichen Faktion stehend
ansehe und ihr, wenn sie das Meseritzer
Deutschtum gefährde, länger nicht Folg"
leisten könne. Ohne abzuwarten stellte
Meseritz selbst sich unter die Regierung in
Frankfurt a. O., ordnete am 17. April den
Gynmcisialdirettor Kerse nach Frankfurt a. M.
zum Fünfziger-Ausschuß ab und forderte die
Städte Fraustadt, Lissa, Bomst, Karge, Ra"

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Ortschaften des Kreises Meseritz besondere
Beachtung portiere.

Nicht nur Stadt und Schloß Meseritz,
sondern das Land bis zur Seenkette, die
heute die Stellung des Heimatschutzes be¬
zeichnet, waren an Brandenburg gekommen.
Diese Zugehörigkeit dauerte zwar nur einige
Ja hrzehnte, doch hatte das Deutschtum, welches
im Laufe des dreizehnten Jahrhunderts bei
der Hochflut der Einwanderung, die sich aus
dem germanischen Westen nach Polen ergosz
und „überall eine zum Besseren treibende
Kraft" in den posenschen Stadien hervorrief,
solche Stärkung erfahren, daß Meseritz,
namentlich nach der Verleihung des Magde¬
burgischen Rechts im Jahre 12S9, trotz aller
Wechselfälle in späteren Jahrhunderten seinen
deutschen Charakter stets bewahrte. Deutscher
Gewerbefleiß und Bürgerstnn hoben das An¬
sehen und die Wohlhabenheit unserer Heimat¬
stadt zu solcher Blüte, daß die Geschäftsver¬
bindungen der Tuchmacher sogar bis China
reichten und jährlich bis 60 000 Stück Tuch
in das Reich der Mitte gingen. Die be¬
zopften Söhne des Himmels kauften nur noch
solche Stoffe, die mit den Buchstaben I. I. V.
lBvllmcr) auf einer Vleikapsel als „Meseritz-
koe" bezeichnet waren. Trotz ihrer Zuge¬
hörigkeit zum Polnischen Königreiche hegte
und Pflegte die Stadt ihr deutsches Denken
und Fühlen. Groß war daher der Jubel
der Bevölkerung, als bei der zweiten Teilung
Polens auch Meseritz an Preußen kam, und
mit Herzlichkeit und Freude wurde am 3. Ok¬
tober 1793 der neue Landesherr, König
Friedrich Wilhelm der Zweite, am Mühltore
begrüßt.

Die Stadt Meseritz hat also einen voll¬
begründeten Anspruch auf dauernde Zuge¬
hörigkeit zum Deutschen Reiche. Sie ist nicht
nur jetzt eine vollständig deutsche Stadt,
sondern war dies bereis vor 700 Jahren.
Wie lebendig und kräftig sich diese Gesinnung
much in der unserer heutigen so ähnlichen
Zeit vor 60 Jahren gezeigt hat, läßt das
damalige Verhalten und Vorgehen der Bürger¬
schaft erkennen.

Wuttke schreibt darüber:

„In der Bewegung des Jahres 1848
trat Meseritz entschieden deutsch auf, und
Versuche, die Katholischen gegen die Protestan-

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ten aufzureizen, hatten geringen Erfolg. Ein
„deutsches Komitee" bildete sich und drang
der Reorganisation gegenüber ans Abtren¬
nung voni Großhorzogthum Posen und Ein¬
verleibung in die Mark. Die dohinzielende
Bittschrift wurde „Mann für Mann" unter¬
zeichnet, die Dorfbewohner, sogar die Polen
drängten sich zum Beitritt. Auch die Städte
Tirschtiegel, Vrätz und Schwerin schlossen sich
an. Zugleich waffnete man sich, um die Er¬
klärungen, wenn es sein müßte, durch das
Schwert aufrecht zu erhalten.

Am 11. April wurde auch gegen den
Neorganisator Willisen erklärt und zwar
folgendes: „„Sie wollen uns trennen, für
immer trennen von unserm großen Bater¬
lande Deutschland? Sie wollen uns um
unsere höchste Hoffnung bringen, teilzu¬
nehmen an der großen Zukunft unseres Ge-
samtvnterlandes? Sie wollen uns einem
Volke unterwerfen, dessen Sprache, dessen
Sitten uns fremd sind, das laut erklärt hat,
an Deutschlands Zukunft sich nicht beteiligen
zu wollen? Herr General, wir halten et
für unsere heilige Pflicht, Ihnen offen und
unumwunden zu erklären, daß wir auch nicht
eine Stunde das hohe Gut entbehren wollen,
Preußen, welches in Deutschland aufgegangen
ist, und seinem erhabenen Königshause anzu¬
gehören, uns als Deutsche zu fühlen, von
deutschen Behörden regiert, als Soldaten von
Deutschen kommandiert zu werden, keiner
anderen Fahne zu folgen als einer deutschen,
mit deutschen Brüdern im Bunde für eine
rein deutsche Sache, daß wir keinen Augen¬
blick das höchste Gut entbehren wollen, im
Rate der Volksvertreter zu Berlin und in
der höchsten Reichsversammlung zu Frank¬
furt a. M. anzuraten, mit deutschen Brüdern
freie deutsche Männer zu sein.""

Gleichzeitig wurde öffentlich kundgegeben:
daß man die Regierung in Posen als unter
dem Einflüsse einer feindlichen Faktion stehend
ansehe und ihr, wenn sie das Meseritzer
Deutschtum gefährde, länger nicht Folg«
leisten könne. Ohne abzuwarten stellte
Meseritz selbst sich unter die Regierung in
Frankfurt a. O., ordnete am 17. April den
Gynmcisialdirettor Kerse nach Frankfurt a. M.
zum Fünfziger-Ausschuß ab und forderte die
Städte Fraustadt, Lissa, Bomst, Karge, Ra»

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[0534] Materialien zur ostdeutschen Frage Ortschaften des Kreises Meseritz besondere Beachtung portiere. Nicht nur Stadt und Schloß Meseritz, sondern das Land bis zur Seenkette, die heute die Stellung des Heimatschutzes be¬ zeichnet, waren an Brandenburg gekommen. Diese Zugehörigkeit dauerte zwar nur einige Ja hrzehnte, doch hatte das Deutschtum, welches im Laufe des dreizehnten Jahrhunderts bei der Hochflut der Einwanderung, die sich aus dem germanischen Westen nach Polen ergosz und „überall eine zum Besseren treibende Kraft" in den posenschen Stadien hervorrief, solche Stärkung erfahren, daß Meseritz, namentlich nach der Verleihung des Magde¬ burgischen Rechts im Jahre 12S9, trotz aller Wechselfälle in späteren Jahrhunderten seinen deutschen Charakter stets bewahrte. Deutscher Gewerbefleiß und Bürgerstnn hoben das An¬ sehen und die Wohlhabenheit unserer Heimat¬ stadt zu solcher Blüte, daß die Geschäftsver¬ bindungen der Tuchmacher sogar bis China reichten und jährlich bis 60 000 Stück Tuch in das Reich der Mitte gingen. Die be¬ zopften Söhne des Himmels kauften nur noch solche Stoffe, die mit den Buchstaben I. I. V. lBvllmcr) auf einer Vleikapsel als „Meseritz- koe" bezeichnet waren. Trotz ihrer Zuge¬ hörigkeit zum Polnischen Königreiche hegte und Pflegte die Stadt ihr deutsches Denken und Fühlen. Groß war daher der Jubel der Bevölkerung, als bei der zweiten Teilung Polens auch Meseritz an Preußen kam, und mit Herzlichkeit und Freude wurde am 3. Ok¬ tober 1793 der neue Landesherr, König Friedrich Wilhelm der Zweite, am Mühltore begrüßt. Die Stadt Meseritz hat also einen voll¬ begründeten Anspruch auf dauernde Zuge¬ hörigkeit zum Deutschen Reiche. Sie ist nicht nur jetzt eine vollständig deutsche Stadt, sondern war dies bereis vor 700 Jahren. Wie lebendig und kräftig sich diese Gesinnung much in der unserer heutigen so ähnlichen Zeit vor 60 Jahren gezeigt hat, läßt das damalige Verhalten und Vorgehen der Bürger¬ schaft erkennen. Wuttke schreibt darüber: „In der Bewegung des Jahres 1848 trat Meseritz entschieden deutsch auf, und Versuche, die Katholischen gegen die Protestan- ten aufzureizen, hatten geringen Erfolg. Ein „deutsches Komitee" bildete sich und drang der Reorganisation gegenüber ans Abtren¬ nung voni Großhorzogthum Posen und Ein¬ verleibung in die Mark. Die dohinzielende Bittschrift wurde „Mann für Mann" unter¬ zeichnet, die Dorfbewohner, sogar die Polen drängten sich zum Beitritt. Auch die Städte Tirschtiegel, Vrätz und Schwerin schlossen sich an. Zugleich waffnete man sich, um die Er¬ klärungen, wenn es sein müßte, durch das Schwert aufrecht zu erhalten. Am 11. April wurde auch gegen den Neorganisator Willisen erklärt und zwar folgendes: „„Sie wollen uns trennen, für immer trennen von unserm großen Bater¬ lande Deutschland? Sie wollen uns um unsere höchste Hoffnung bringen, teilzu¬ nehmen an der großen Zukunft unseres Ge- samtvnterlandes? Sie wollen uns einem Volke unterwerfen, dessen Sprache, dessen Sitten uns fremd sind, das laut erklärt hat, an Deutschlands Zukunft sich nicht beteiligen zu wollen? Herr General, wir halten et für unsere heilige Pflicht, Ihnen offen und unumwunden zu erklären, daß wir auch nicht eine Stunde das hohe Gut entbehren wollen, Preußen, welches in Deutschland aufgegangen ist, und seinem erhabenen Königshause anzu¬ gehören, uns als Deutsche zu fühlen, von deutschen Behörden regiert, als Soldaten von Deutschen kommandiert zu werden, keiner anderen Fahne zu folgen als einer deutschen, mit deutschen Brüdern im Bunde für eine rein deutsche Sache, daß wir keinen Augen¬ blick das höchste Gut entbehren wollen, im Rate der Volksvertreter zu Berlin und in der höchsten Reichsversammlung zu Frank¬ furt a. M. anzuraten, mit deutschen Brüdern freie deutsche Männer zu sein."" Gleichzeitig wurde öffentlich kundgegeben: daß man die Regierung in Posen als unter dem Einflüsse einer feindlichen Faktion stehend ansehe und ihr, wenn sie das Meseritzer Deutschtum gefährde, länger nicht Folg« leisten könne. Ohne abzuwarten stellte Meseritz selbst sich unter die Regierung in Frankfurt a. O., ordnete am 17. April den Gynmcisialdirettor Kerse nach Frankfurt a. M. zum Fünfziger-Ausschuß ab und forderte die Städte Fraustadt, Lissa, Bomst, Karge, Ra»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/534>, abgerufen am 09.11.2024.