Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus den deutschen Volksräten

Aus den Deutschen UolKsritten



[Beginn Spaltensatz]

Der Entschluß der Deutschen Bolksriite.

Bromberg, 16. Mai. Auf Einladung
der Deutschen Vereinigung hatten sich gestern
in Bromberg 300 Vertreter der Deutschen
Volksräte, die nach Ausweis ihrer Vollmachten
mehr als 600 Ortschaften der Provinzen
Posen und Westpreußen vertraten, versammelt,
um über das schwere Geschick zu beraten,
das der Versailler Gewaltfrieden den beiden
Provinzen bereiten will.

Geheimrat Cleinow legte in längerer,
von stürmischen Beifallskundgebungen unter¬
brochener Ansprache die Ziele der Volksrats¬
bewegung und die Auswirkungen der augen¬
blicklichen Politischen Lage auf die Ostmark
dar' Er führte unter anderem aus:

Die Volksratsbewegung erstrebe die
Zusammenfassung aller Deutschen der be¬
drohten Ostmark auf breiter demokratischer
Grundlage unter Ausschluß jeder Partei-
Politik und Parteiinteressen zur Sicherung
der Kulturgüter und der wirtschaftlichen
Interessen des deutschen Volkstums. Die
jetzige Stunde erfordere mehr denn je die
Einigkeit und Einheit des vom Polnischen
Vernichtungswillen bedrohten Deutschtums.
Der Versailler Gewaltfriede bedeutet das
langsame Hinsiechen des deutschen Volkes
und das Todesurteil für die deutsche Ost¬
mark. AlleKräfte müßten angespannt werden,
um die Widerstandskraft des Volkes gegen
die drohende Schmach nicht erlahmen zu
lassen. Nur wenn das deutsche Volk sich
auch in dieser gefährlichsten Stunde als
stark erweise, könnte es sich Freunde erwerben,
die ihm bei der Wiederaufrichtung behilflich
wären. Einem Leichnam aber -- und der
Gewaltfriede bedeute für das deutsche Volk
den Tod -- könnte niemand mehr helfen,
aber sehr wohl einem Schwerkranken, der
das Gift verschmäht und mit aller Willens¬
kraft nach einem Heilmittel langt. Dieses
Heilmittel sei der Widerstand gegen jeden
Frieden, der das deutsche Volk für immer
entkräften wolle.

Cleinow rechnete scharf mit dem hiesigen
angeblich mehrheitssozialdemokratischenFührer

[Spaltenumbruch]

Stoeßel ab, der sich durch sein schwankendes
und unaufrichtiges Verhalten nicht als
Wahrer Führer deS Volkes erweise. Hinter
seiner Politik stände auch nur ein kleiner
Bruchteil der Arbeiterschaft; ihre über¬
wiegende Mehrheit sei jedoch deutsch gesinnt
und wisse Wohl, daß sie nichts von dem
internationalen Proletariat, nichts von Pol¬
nischer Brüderlichkeit sondern alles von einem
starken sozialistischen Deutschland zu erwarten
habe. Es wäre Zeit, daß sich auch die
Bürgerschaft von dem Banne dieses Mannes
befreie, dem nur ihre Furcht zu seiner jetzigen
Stelle verholfen habe. Furcht habe große
Augen und mache aus kleinen Geistern große
Helden. Die Worte, die Stoeßel am
13. Mai im Vollzugsausschuß des A." und
S.-Rates gesprochen habe, seien geeignet,
die Widerstandskraft der deutschen Be¬
völkerung Brombergs zu lähmen. Stoeßel
habe im eigenen Interesse gesprochen, nicht
zum Vorteil der großen deutschen Sache.
Cleinow forderte die Anwesenden auf, nicht
die kleinlichen materiellen Interessen im
Auge zu haben, sondern das große Ganze.
Komme die Stunde, wo die Regierung die
Verhandlungen abbrechen müsse, dann habe
jeder sich hinter die Regierung zu stellen,
seine Pflicht zu tun, und, wenn nötig, mit
der Waffe in der Hand. Cleinow warnte
dabei ausdrücklich, Provokationen zu begehen
oder feindliche Handlungen gegen polnische
Mitbürger zu unternehmen.

Im zweiten Teil der Tagung wurden
Organisationsfragen der Volksräte behandelt,
zum Friedensschluß und zu den sich aus
ihm ergebenden Möglichkeiten Stellung ge¬
nommen und wichtige Beschlüsse gefaßt. Die
Aussprache währte bis in die späten Abend¬
stunden. In der Auffassung über die Lage
und über die Abwendung aller Gefahren
bekundeten die Vertreter von Stadt und
Land Einmütigkeit und unbeugsame Ent¬
schlossenheit. In von hohem Ernst getragenen
Ausführungen bekannten sich die sozial¬
demokratischen Redner zu dem Standpunkt
des Referenten und forderten leidenschaftlich

[Ende Spaltensatz]
Aus den deutschen Volksräten

Aus den Deutschen UolKsritten



[Beginn Spaltensatz]

Der Entschluß der Deutschen Bolksriite.

Bromberg, 16. Mai. Auf Einladung
der Deutschen Vereinigung hatten sich gestern
in Bromberg 300 Vertreter der Deutschen
Volksräte, die nach Ausweis ihrer Vollmachten
mehr als 600 Ortschaften der Provinzen
Posen und Westpreußen vertraten, versammelt,
um über das schwere Geschick zu beraten,
das der Versailler Gewaltfrieden den beiden
Provinzen bereiten will.

Geheimrat Cleinow legte in längerer,
von stürmischen Beifallskundgebungen unter¬
brochener Ansprache die Ziele der Volksrats¬
bewegung und die Auswirkungen der augen¬
blicklichen Politischen Lage auf die Ostmark
dar' Er führte unter anderem aus:

Die Volksratsbewegung erstrebe die
Zusammenfassung aller Deutschen der be¬
drohten Ostmark auf breiter demokratischer
Grundlage unter Ausschluß jeder Partei-
Politik und Parteiinteressen zur Sicherung
der Kulturgüter und der wirtschaftlichen
Interessen des deutschen Volkstums. Die
jetzige Stunde erfordere mehr denn je die
Einigkeit und Einheit des vom Polnischen
Vernichtungswillen bedrohten Deutschtums.
Der Versailler Gewaltfriede bedeutet das
langsame Hinsiechen des deutschen Volkes
und das Todesurteil für die deutsche Ost¬
mark. AlleKräfte müßten angespannt werden,
um die Widerstandskraft des Volkes gegen
die drohende Schmach nicht erlahmen zu
lassen. Nur wenn das deutsche Volk sich
auch in dieser gefährlichsten Stunde als
stark erweise, könnte es sich Freunde erwerben,
die ihm bei der Wiederaufrichtung behilflich
wären. Einem Leichnam aber — und der
Gewaltfriede bedeute für das deutsche Volk
den Tod — könnte niemand mehr helfen,
aber sehr wohl einem Schwerkranken, der
das Gift verschmäht und mit aller Willens¬
kraft nach einem Heilmittel langt. Dieses
Heilmittel sei der Widerstand gegen jeden
Frieden, der das deutsche Volk für immer
entkräften wolle.

Cleinow rechnete scharf mit dem hiesigen
angeblich mehrheitssozialdemokratischenFührer

[Spaltenumbruch]

Stoeßel ab, der sich durch sein schwankendes
und unaufrichtiges Verhalten nicht als
Wahrer Führer deS Volkes erweise. Hinter
seiner Politik stände auch nur ein kleiner
Bruchteil der Arbeiterschaft; ihre über¬
wiegende Mehrheit sei jedoch deutsch gesinnt
und wisse Wohl, daß sie nichts von dem
internationalen Proletariat, nichts von Pol¬
nischer Brüderlichkeit sondern alles von einem
starken sozialistischen Deutschland zu erwarten
habe. Es wäre Zeit, daß sich auch die
Bürgerschaft von dem Banne dieses Mannes
befreie, dem nur ihre Furcht zu seiner jetzigen
Stelle verholfen habe. Furcht habe große
Augen und mache aus kleinen Geistern große
Helden. Die Worte, die Stoeßel am
13. Mai im Vollzugsausschuß des A.« und
S.-Rates gesprochen habe, seien geeignet,
die Widerstandskraft der deutschen Be¬
völkerung Brombergs zu lähmen. Stoeßel
habe im eigenen Interesse gesprochen, nicht
zum Vorteil der großen deutschen Sache.
Cleinow forderte die Anwesenden auf, nicht
die kleinlichen materiellen Interessen im
Auge zu haben, sondern das große Ganze.
Komme die Stunde, wo die Regierung die
Verhandlungen abbrechen müsse, dann habe
jeder sich hinter die Regierung zu stellen,
seine Pflicht zu tun, und, wenn nötig, mit
der Waffe in der Hand. Cleinow warnte
dabei ausdrücklich, Provokationen zu begehen
oder feindliche Handlungen gegen polnische
Mitbürger zu unternehmen.

Im zweiten Teil der Tagung wurden
Organisationsfragen der Volksräte behandelt,
zum Friedensschluß und zu den sich aus
ihm ergebenden Möglichkeiten Stellung ge¬
nommen und wichtige Beschlüsse gefaßt. Die
Aussprache währte bis in die späten Abend¬
stunden. In der Auffassung über die Lage
und über die Abwendung aller Gefahren
bekundeten die Vertreter von Stadt und
Land Einmütigkeit und unbeugsame Ent¬
schlossenheit. In von hohem Ernst getragenen
Ausführungen bekannten sich die sozial¬
demokratischen Redner zu dem Standpunkt
des Referenten und forderten leidenschaftlich

[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0504" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335916"/>
              <fw type="header" place="top"> Aus den deutschen Volksräten</fw><lb/>
            </div>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Aus den Deutschen UolKsritten</head><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <cb type="start"/>
            <p xml:id="ID_2800"> Der Entschluß der Deutschen Bolksriite.</p>
            <p xml:id="ID_2801"> Bromberg, 16. Mai. Auf Einladung<lb/>
der Deutschen Vereinigung hatten sich gestern<lb/>
in Bromberg 300 Vertreter der Deutschen<lb/>
Volksräte, die nach Ausweis ihrer Vollmachten<lb/>
mehr als 600 Ortschaften der Provinzen<lb/>
Posen und Westpreußen vertraten, versammelt,<lb/>
um über das schwere Geschick zu beraten,<lb/>
das der Versailler Gewaltfrieden den beiden<lb/>
Provinzen bereiten will.</p>
            <p xml:id="ID_2802"> Geheimrat Cleinow legte in längerer,<lb/>
von stürmischen Beifallskundgebungen unter¬<lb/>
brochener Ansprache die Ziele der Volksrats¬<lb/>
bewegung und die Auswirkungen der augen¬<lb/>
blicklichen Politischen Lage auf die Ostmark<lb/>
dar'  Er führte unter anderem aus:</p>
            <p xml:id="ID_2803"> Die Volksratsbewegung erstrebe die<lb/>
Zusammenfassung aller Deutschen der be¬<lb/>
drohten Ostmark auf breiter demokratischer<lb/>
Grundlage unter Ausschluß jeder Partei-<lb/>
Politik und Parteiinteressen zur Sicherung<lb/>
der Kulturgüter und der wirtschaftlichen<lb/>
Interessen des deutschen Volkstums. Die<lb/>
jetzige Stunde erfordere mehr denn je die<lb/>
Einigkeit und Einheit des vom Polnischen<lb/>
Vernichtungswillen bedrohten Deutschtums.<lb/>
Der Versailler Gewaltfriede bedeutet das<lb/>
langsame Hinsiechen des deutschen Volkes<lb/>
und das Todesurteil für die deutsche Ost¬<lb/>
mark. AlleKräfte müßten angespannt werden,<lb/>
um die Widerstandskraft des Volkes gegen<lb/>
die drohende Schmach nicht erlahmen zu<lb/>
lassen. Nur wenn das deutsche Volk sich<lb/>
auch in dieser gefährlichsten Stunde als<lb/>
stark erweise, könnte es sich Freunde erwerben,<lb/>
die ihm bei der Wiederaufrichtung behilflich<lb/>
wären. Einem Leichnam aber &#x2014; und der<lb/>
Gewaltfriede bedeute für das deutsche Volk<lb/>
den Tod &#x2014; könnte niemand mehr helfen,<lb/>
aber sehr wohl einem Schwerkranken, der<lb/>
das Gift verschmäht und mit aller Willens¬<lb/>
kraft nach einem Heilmittel langt. Dieses<lb/>
Heilmittel sei der Widerstand gegen jeden<lb/>
Frieden, der das deutsche Volk für immer<lb/>
entkräften wolle.</p>
            <p xml:id="ID_2804" next="#ID_2805"> Cleinow rechnete scharf mit dem hiesigen<lb/>
angeblich mehrheitssozialdemokratischenFührer</p>
            <cb/><lb/>
            <p xml:id="ID_2805" prev="#ID_2804"> Stoeßel ab, der sich durch sein schwankendes<lb/>
und unaufrichtiges Verhalten nicht als<lb/>
Wahrer Führer deS Volkes erweise. Hinter<lb/>
seiner Politik stände auch nur ein kleiner<lb/>
Bruchteil der Arbeiterschaft; ihre über¬<lb/>
wiegende Mehrheit sei jedoch deutsch gesinnt<lb/>
und wisse Wohl, daß sie nichts von dem<lb/>
internationalen Proletariat, nichts von Pol¬<lb/>
nischer Brüderlichkeit sondern alles von einem<lb/>
starken sozialistischen Deutschland zu erwarten<lb/>
habe. Es wäre Zeit, daß sich auch die<lb/>
Bürgerschaft von dem Banne dieses Mannes<lb/>
befreie, dem nur ihre Furcht zu seiner jetzigen<lb/>
Stelle verholfen habe. Furcht habe große<lb/>
Augen und mache aus kleinen Geistern große<lb/>
Helden. Die Worte, die Stoeßel am<lb/>
13. Mai im Vollzugsausschuß des A.« und<lb/>
S.-Rates gesprochen habe, seien geeignet,<lb/>
die Widerstandskraft der deutschen Be¬<lb/>
völkerung Brombergs zu lähmen. Stoeßel<lb/>
habe im eigenen Interesse gesprochen, nicht<lb/>
zum Vorteil der großen deutschen Sache.<lb/>
Cleinow forderte die Anwesenden auf, nicht<lb/>
die kleinlichen materiellen Interessen im<lb/>
Auge zu haben, sondern das große Ganze.<lb/>
Komme die Stunde, wo die Regierung die<lb/>
Verhandlungen abbrechen müsse, dann habe<lb/>
jeder sich hinter die Regierung zu stellen,<lb/>
seine Pflicht zu tun, und, wenn nötig, mit<lb/>
der Waffe in der Hand. Cleinow warnte<lb/>
dabei ausdrücklich, Provokationen zu begehen<lb/>
oder feindliche Handlungen gegen polnische<lb/>
Mitbürger zu unternehmen.</p>
            <p xml:id="ID_2806" next="#ID_2807"> Im zweiten Teil der Tagung wurden<lb/>
Organisationsfragen der Volksräte behandelt,<lb/>
zum Friedensschluß und zu den sich aus<lb/>
ihm ergebenden Möglichkeiten Stellung ge¬<lb/>
nommen und wichtige Beschlüsse gefaßt. Die<lb/>
Aussprache währte bis in die späten Abend¬<lb/>
stunden. In der Auffassung über die Lage<lb/>
und über die Abwendung aller Gefahren<lb/>
bekundeten die Vertreter von Stadt und<lb/>
Land Einmütigkeit und unbeugsame Ent¬<lb/>
schlossenheit. In von hohem Ernst getragenen<lb/>
Ausführungen bekannten sich die sozial¬<lb/>
demokratischen Redner zu dem Standpunkt<lb/>
des Referenten und forderten leidenschaftlich</p>
            <cb type="end"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0504] Aus den deutschen Volksräten Aus den Deutschen UolKsritten Der Entschluß der Deutschen Bolksriite. Bromberg, 16. Mai. Auf Einladung der Deutschen Vereinigung hatten sich gestern in Bromberg 300 Vertreter der Deutschen Volksräte, die nach Ausweis ihrer Vollmachten mehr als 600 Ortschaften der Provinzen Posen und Westpreußen vertraten, versammelt, um über das schwere Geschick zu beraten, das der Versailler Gewaltfrieden den beiden Provinzen bereiten will. Geheimrat Cleinow legte in längerer, von stürmischen Beifallskundgebungen unter¬ brochener Ansprache die Ziele der Volksrats¬ bewegung und die Auswirkungen der augen¬ blicklichen Politischen Lage auf die Ostmark dar' Er führte unter anderem aus: Die Volksratsbewegung erstrebe die Zusammenfassung aller Deutschen der be¬ drohten Ostmark auf breiter demokratischer Grundlage unter Ausschluß jeder Partei- Politik und Parteiinteressen zur Sicherung der Kulturgüter und der wirtschaftlichen Interessen des deutschen Volkstums. Die jetzige Stunde erfordere mehr denn je die Einigkeit und Einheit des vom Polnischen Vernichtungswillen bedrohten Deutschtums. Der Versailler Gewaltfriede bedeutet das langsame Hinsiechen des deutschen Volkes und das Todesurteil für die deutsche Ost¬ mark. AlleKräfte müßten angespannt werden, um die Widerstandskraft des Volkes gegen die drohende Schmach nicht erlahmen zu lassen. Nur wenn das deutsche Volk sich auch in dieser gefährlichsten Stunde als stark erweise, könnte es sich Freunde erwerben, die ihm bei der Wiederaufrichtung behilflich wären. Einem Leichnam aber — und der Gewaltfriede bedeute für das deutsche Volk den Tod — könnte niemand mehr helfen, aber sehr wohl einem Schwerkranken, der das Gift verschmäht und mit aller Willens¬ kraft nach einem Heilmittel langt. Dieses Heilmittel sei der Widerstand gegen jeden Frieden, der das deutsche Volk für immer entkräften wolle. Cleinow rechnete scharf mit dem hiesigen angeblich mehrheitssozialdemokratischenFührer Stoeßel ab, der sich durch sein schwankendes und unaufrichtiges Verhalten nicht als Wahrer Führer deS Volkes erweise. Hinter seiner Politik stände auch nur ein kleiner Bruchteil der Arbeiterschaft; ihre über¬ wiegende Mehrheit sei jedoch deutsch gesinnt und wisse Wohl, daß sie nichts von dem internationalen Proletariat, nichts von Pol¬ nischer Brüderlichkeit sondern alles von einem starken sozialistischen Deutschland zu erwarten habe. Es wäre Zeit, daß sich auch die Bürgerschaft von dem Banne dieses Mannes befreie, dem nur ihre Furcht zu seiner jetzigen Stelle verholfen habe. Furcht habe große Augen und mache aus kleinen Geistern große Helden. Die Worte, die Stoeßel am 13. Mai im Vollzugsausschuß des A.« und S.-Rates gesprochen habe, seien geeignet, die Widerstandskraft der deutschen Be¬ völkerung Brombergs zu lähmen. Stoeßel habe im eigenen Interesse gesprochen, nicht zum Vorteil der großen deutschen Sache. Cleinow forderte die Anwesenden auf, nicht die kleinlichen materiellen Interessen im Auge zu haben, sondern das große Ganze. Komme die Stunde, wo die Regierung die Verhandlungen abbrechen müsse, dann habe jeder sich hinter die Regierung zu stellen, seine Pflicht zu tun, und, wenn nötig, mit der Waffe in der Hand. Cleinow warnte dabei ausdrücklich, Provokationen zu begehen oder feindliche Handlungen gegen polnische Mitbürger zu unternehmen. Im zweiten Teil der Tagung wurden Organisationsfragen der Volksräte behandelt, zum Friedensschluß und zu den sich aus ihm ergebenden Möglichkeiten Stellung ge¬ nommen und wichtige Beschlüsse gefaßt. Die Aussprache währte bis in die späten Abend¬ stunden. In der Auffassung über die Lage und über die Abwendung aller Gefahren bekundeten die Vertreter von Stadt und Land Einmütigkeit und unbeugsame Ent¬ schlossenheit. In von hohem Ernst getragenen Ausführungen bekannten sich die sozial¬ demokratischen Redner zu dem Standpunkt des Referenten und forderten leidenschaftlich

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/504
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/504>, abgerufen am 18.12.2024.