Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.Pressestimmen [Beginn Spaltensatz] wiedergegeben worden, der sich gegen die "Die Frage über die Grenzen der Pol¬ Wenn es irgend ein Gebiet gibt, aus weitere Bedeutung, denn diese beiden Distrikte Es ist der Wahrheit gemäß behauptet Die Einverleibung Danzigs in den Pol¬ Pressestimmen [Beginn Spaltensatz] wiedergegeben worden, der sich gegen die „Die Frage über die Grenzen der Pol¬ Wenn es irgend ein Gebiet gibt, aus weitere Bedeutung, denn diese beiden Distrikte Es ist der Wahrheit gemäß behauptet Die Einverleibung Danzigs in den Pol¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0461" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335873"/> <fw type="header" place="top"> Pressestimmen</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_2413" prev="#ID_2412"> wiedergegeben worden, der sich gegen die<lb/> unberechtigten polnischen Ansprüche und ihre<lb/> offensichtliche Verletzung des Nationalitäten-<lb/> grundsatzes wendet. Die „Deutsche Allg.<lb/> Zeitung" bringt den nachfolgenden Wortlaut<lb/> des Artikels-</p> <p xml:id="ID_2414"> „Die Frage über die Grenzen der Pol¬<lb/> nischen Republik wird demnächst vor der<lb/> Friedenskonferenz zur Entscheidung gelangen.<lb/> In dem „House os Lords" gab es eine kurze<lb/> Besprechung hierüber am Donnerstagabend,<lb/> während Lord Curzon einige nicht unbedeu¬<lb/> tende Bemerkungen machte. Lord Curzons<lb/> Bezugnahme auf die wichtige Angelegenheit<lb/> der Zukunft Danzigs ist auf verschiedene Art<lb/> und Weise wiedergegeben worden. Nach<lb/> einem Bericht soll er gesagt haben, „er hielte<lb/> es für wahrscheinlich, daß die endgültigen<lb/> Vereinbarungen die Übergabe des Danziger<lb/> Hafens an Polen einschließen würden". Ein<lb/> anderer Bericht sagt: „Die Zukunft Danzigs<lb/> sei eine Angelegenheit, die jetzt in Paris be¬<lb/> sprochen würde, und die Ansprüche Polens<lb/> würden sorgfältigst in Erwägung gezogen<lb/> werden." Der Widerspruch ist offensichtlich.<lb/> Wenn Lord Curzon bei seiner Meinung ge¬<lb/> blieben ist, so muß die zweite Wiedergabe<lb/> die richtigere sein, denn alle Berichte lauten<lb/> dahin, daß Lord Curzon Polen gemahnt<lb/> hätte, seiue Ansprüche innerhalb vernünftiger<lb/> Grenzen zu halten und nicht zu versuchen,<lb/> Nachbarvölker aufzunehmen, welch« keine<lb/> verwandtschaftlichen oder andere Beziehungen<lb/> zu den Polen hätten.</p> <p xml:id="ID_2415" next="#ID_2416"> Wenn es irgend ein Gebiet gibt, aus<lb/> welches die Polen ihre Ansprüche erheben,<lb/> ohne eine Berechtigung dafür in der Ver¬<lb/> wandtschaft, der Sprache oder Gesinnung der<lb/> Bevölkerung zu haben, so ist es der Stadt-<lb/> "ut Landbezirk Danzig. Von den 160000<lb/> Einwohnern DcmzigS sind weniger als<lb/> ^ Prozent Polen.' Danzig ist eine durchaus<lb/> deutsche Stadt; sie ist es seit Jahrhunderten<lb/> gewesen. Sie war stets deutsch in bezug auf<lb/> Nasse, Kultur und Sprache, während sie<lb/> °>um Teil der alten polnischen Republik<lb/> bildete'ver deutsche Charakter Danzigs ist<lb/> weht das Ergebnis der Teilung Polens und<lb/> ^ gegen die Polen gerichteten Verfolgungs-<lb/> politik Preußens nach dieser Teilung. Der<lb/> Wol- und Landbezirk Danzig hat eine</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_2416" prev="#ID_2415"> weitere Bedeutung, denn diese beiden Distrikte<lb/> bilden einen Teil der deutschen Brücke, die<lb/> vorwiegend deutschen und sicher nicht Pol¬<lb/> nischen Charakter hat und welche die rein<lb/> deutschen Gebiete Ostpreußens mit dem<lb/> übrigen Deutschland, westlich der Weichsel,<lb/> verbindet. Wenn daher Danzig (Stadt und<lb/> Land) dem Polnischen Staat einverleibt<lb/> würde, dann würden nicht nur zahlreiche<lb/> Deutsche und deutsche Gebiete gegen ihren<lb/> Willen unter polnische Herrschaft kommen,<lb/> sondern es würde auch die ausgedehnte<lb/> deutsche Provinz Ostpreußen gänzlich von<lb/> dem übrigen Deutschland abgeschnitten werden.<lb/> Was für Vorwände sind dann also für eine<lb/> derartig offensichtliche Verletzung des Natio-<lb/> ualitätengrundsatzes vorhanden?</p> <p xml:id="ID_2417"> Es ist der Wahrheit gemäß behauptet<lb/> worden, daß Danzig der natürliche Hosen<lb/> Polens ist und- daß die Alliierten Polen einen<lb/> Zugang zur See versprochen haben. Zugang<lb/> zur See bedeutet nun nicht notwendigerweise<lb/> den Besitz eines Hafens, welcher nach Natio¬<lb/> nalität, Sprache und Denkweise der Ein¬<lb/> wohner einem anderen Volk gehört. Es<lb/> bedeutet vielmehr, daß volle und freie Ver¬<lb/> bindung rin der See herzustellen ist, und<lb/> zwar so gesichert, daß das Tor zur See nicht<lb/> je nach Laune eines anderen Staates geöffnet<lb/> oder geschlossen werden kann. Wir glauben,<lb/> daß die Alliierten auf alle Fälle Polen einen<lb/> Zugang zur See in diesem Sinne sichern<lb/> werden. Die Erwägung, daß Polen in einem<lb/> solchen Fall ein Staat ohne eine eigene Küste<lb/> sein würde, ist nicht von Belang, denn Polen<lb/> wird diese Eigentümlichkeit mit verschiedenen<lb/> anderen neuen wie alten Staaten teilen: mit<lb/> der Schweiz z. B., mit Böhmen; vielleicht<lb/> mit dein zukünftigen Araberstant und bis zu<lb/> einem bestimmten Grade mit dem Jugo¬<lb/> slawischen Staat, dessen Haupthafen am<lb/> Adrintischen Meer Trieft und Fiume sein<lb/> werden. Die Beschaffung eines freien Zu¬<lb/> gangs zur See für Staaten, die tatsächlich<lb/> oder Praktisch von der See getrennt sind, ist<lb/> eine der Hauptaufgaben der Friedenskonferenz,<lb/> eine Aufgabe, deren Lösung vornehmlich dem<lb/> Völkerbunde obliegen wird.</p> <p xml:id="ID_2418" next="#ID_2419"> Die Einverleibung Danzigs in den Pol¬<lb/> nischen Staat wird auch durch historische Er¬<lb/> wägungen unterstützt. Es heißt, Danzig war</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0461]
Pressestimmen
wiedergegeben worden, der sich gegen die
unberechtigten polnischen Ansprüche und ihre
offensichtliche Verletzung des Nationalitäten-
grundsatzes wendet. Die „Deutsche Allg.
Zeitung" bringt den nachfolgenden Wortlaut
des Artikels-
„Die Frage über die Grenzen der Pol¬
nischen Republik wird demnächst vor der
Friedenskonferenz zur Entscheidung gelangen.
In dem „House os Lords" gab es eine kurze
Besprechung hierüber am Donnerstagabend,
während Lord Curzon einige nicht unbedeu¬
tende Bemerkungen machte. Lord Curzons
Bezugnahme auf die wichtige Angelegenheit
der Zukunft Danzigs ist auf verschiedene Art
und Weise wiedergegeben worden. Nach
einem Bericht soll er gesagt haben, „er hielte
es für wahrscheinlich, daß die endgültigen
Vereinbarungen die Übergabe des Danziger
Hafens an Polen einschließen würden". Ein
anderer Bericht sagt: „Die Zukunft Danzigs
sei eine Angelegenheit, die jetzt in Paris be¬
sprochen würde, und die Ansprüche Polens
würden sorgfältigst in Erwägung gezogen
werden." Der Widerspruch ist offensichtlich.
Wenn Lord Curzon bei seiner Meinung ge¬
blieben ist, so muß die zweite Wiedergabe
die richtigere sein, denn alle Berichte lauten
dahin, daß Lord Curzon Polen gemahnt
hätte, seiue Ansprüche innerhalb vernünftiger
Grenzen zu halten und nicht zu versuchen,
Nachbarvölker aufzunehmen, welch« keine
verwandtschaftlichen oder andere Beziehungen
zu den Polen hätten.
Wenn es irgend ein Gebiet gibt, aus
welches die Polen ihre Ansprüche erheben,
ohne eine Berechtigung dafür in der Ver¬
wandtschaft, der Sprache oder Gesinnung der
Bevölkerung zu haben, so ist es der Stadt-
"ut Landbezirk Danzig. Von den 160000
Einwohnern DcmzigS sind weniger als
^ Prozent Polen.' Danzig ist eine durchaus
deutsche Stadt; sie ist es seit Jahrhunderten
gewesen. Sie war stets deutsch in bezug auf
Nasse, Kultur und Sprache, während sie
°>um Teil der alten polnischen Republik
bildete'ver deutsche Charakter Danzigs ist
weht das Ergebnis der Teilung Polens und
^ gegen die Polen gerichteten Verfolgungs-
politik Preußens nach dieser Teilung. Der
Wol- und Landbezirk Danzig hat eine
weitere Bedeutung, denn diese beiden Distrikte
bilden einen Teil der deutschen Brücke, die
vorwiegend deutschen und sicher nicht Pol¬
nischen Charakter hat und welche die rein
deutschen Gebiete Ostpreußens mit dem
übrigen Deutschland, westlich der Weichsel,
verbindet. Wenn daher Danzig (Stadt und
Land) dem Polnischen Staat einverleibt
würde, dann würden nicht nur zahlreiche
Deutsche und deutsche Gebiete gegen ihren
Willen unter polnische Herrschaft kommen,
sondern es würde auch die ausgedehnte
deutsche Provinz Ostpreußen gänzlich von
dem übrigen Deutschland abgeschnitten werden.
Was für Vorwände sind dann also für eine
derartig offensichtliche Verletzung des Natio-
ualitätengrundsatzes vorhanden?
Es ist der Wahrheit gemäß behauptet
worden, daß Danzig der natürliche Hosen
Polens ist und- daß die Alliierten Polen einen
Zugang zur See versprochen haben. Zugang
zur See bedeutet nun nicht notwendigerweise
den Besitz eines Hafens, welcher nach Natio¬
nalität, Sprache und Denkweise der Ein¬
wohner einem anderen Volk gehört. Es
bedeutet vielmehr, daß volle und freie Ver¬
bindung rin der See herzustellen ist, und
zwar so gesichert, daß das Tor zur See nicht
je nach Laune eines anderen Staates geöffnet
oder geschlossen werden kann. Wir glauben,
daß die Alliierten auf alle Fälle Polen einen
Zugang zur See in diesem Sinne sichern
werden. Die Erwägung, daß Polen in einem
solchen Fall ein Staat ohne eine eigene Küste
sein würde, ist nicht von Belang, denn Polen
wird diese Eigentümlichkeit mit verschiedenen
anderen neuen wie alten Staaten teilen: mit
der Schweiz z. B., mit Böhmen; vielleicht
mit dein zukünftigen Araberstant und bis zu
einem bestimmten Grade mit dem Jugo¬
slawischen Staat, dessen Haupthafen am
Adrintischen Meer Trieft und Fiume sein
werden. Die Beschaffung eines freien Zu¬
gangs zur See für Staaten, die tatsächlich
oder Praktisch von der See getrennt sind, ist
eine der Hauptaufgaben der Friedenskonferenz,
eine Aufgabe, deren Lösung vornehmlich dem
Völkerbunde obliegen wird.
Die Einverleibung Danzigs in den Pol¬
nischen Staat wird auch durch historische Er¬
wägungen unterstützt. Es heißt, Danzig war
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