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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Pressestimmen

[Beginn Spaltensatz]

Während seiner Reise erklärte Paderewski
dem Vertreter der Agentur Havas, daß er
ca. 15 Tage in Paris bleiben will, da die
jetzige Lage Polens nicht seine Anwesenheit
durchaus verlange. Mit Rücksicht auf die
äußerste Empfindlichkeit der öffentlichen Mei¬
nung, sagte Paderewskj, würden alle un¬
günstigen Nachrichten über irgendwelche
Vorkommnisse im Lande starken Widerhall
haben, und sofort ausgenutzt werden seitens
der Opposition gegen diejenigen, die zu¬
sammen die jetzige Ordnung der Dinge
verteidigen. Unser: grundsätzlichen For¬
derungen bezwecken Danzig zusammen mit
der Seeküste, das Teschener Schlesien und
Lemberg an Polen anzugliedern. Der Besitz
Danzigs ist für uns eine Existenzfrage, da
ohne diese Stadt der Zutritt Polens zum
Meer erstickt würde. Die Geschichte beweist,
daß zwischen Polen und Deutschland kein
dauerndes Kondominium existieren könne.
Man muß also diese Frage klar erledigen
und Danzig vollständig der einen oder der
anderen Partei übergeben. Die Gerechtigkeit
fordert, daß man Polen das zuerkennt, was
während vergangener Jahrhunderte sein
Eigentum gewesen ist. Polen würde die
Aussicht, daß die Gebiete unter fremde
Herrschaft kommen, welche mit Herz, Mund
und Vergangenheit verbunden sind mit dem
Mutterlande und immer nur in der Hoffnung
auf einen Befreiungskrieg lebten, welchen alle
polnischen Dichter Prophezeiten, nicht ertragen.
Das Polnische Volk befand sich bis zum
jetzigen Moment ständig in patriotischer
Wallung, die sich heute in gefährliche Zweifel
umwandeln könnte, wenn nicht alle Hoff¬
nungen in Erfüllung gingen, zu welchen
Polen durch seine Leiden, Tapferkeit und
gehabtenBemühungen undOpfer berechtigt ist.
(Wessen Tapferkeit verdankt eigentlich der
neue Polenstaat sein Leben? Anm. d. Red.)

Eine wertvolle Ergänzung für das Ver¬
ständnis der Pariser Verhandlungen über
die Danziger Frage bildet nachstehender Be¬
ratungsbericht (vom 20. März) des "Kurjer
Warszawski" (nach Krz.-Ztg. 156 v. 5. April).

Cambon: "Wir müßten Polen nicht
nur diese Meeresküste zusichern, sondern
gleichfalls einen gewissen Zugang zu ihr in
wirtschaftlicher und strategischer Hinsicht.

[Spaltenumbruch]

Daher liegt die unbedingte Notwendigkeit
vor, innerhalb der Grenzen der Polnischen
Gebiete Landstriche einzuschließen, die durch
eine verhältnismäßig zahlreiche Bevölkerung
deutscher Nationalität bewohnt werden. Vor
allen Dingen hat die Kommission für polnische
Angelegenheiten einstimmig für notwendig
erkannt, dem neuen Staate Marienwerder
anzuschließen. Es ist dies ein wichtiger
Punkt, der den Flußlauf der Weichsel be¬
herrscht; seine Überlassung,an die Deutschen
würde der Überlassung der Kontrolle über
die Verkehrslinien Polens an sie gleich¬
kommen."

Lloyd George: "Nach der durch die
Kommission für polnische Angelegenheiten
vorgelegten Karte wird der polnische Staat
fast zwei Millionen Bevölkerung deutscher
Nationalität umfassen. Ich bin genötigt,
die Aufmerksamkeit des Obersten Rates
dringend auf die Gefahr zu lenken, mit der
eine solche Lösung in der nahen Zukunft
drohen wird. Wir werden auf diese Weise
mit einem Male den deutschen Jrredentis-
mus in Polen schaffen, einen doppelten
Jrredentismus seitens der Deutschen, die
Ostpreußen bewohnen und von der Mark
Brandenburg losgerissen sind, sowie selbst¬
verständlich auch unter denjenigen, denen die
polnische Staatszugehörigkeit mit Gewalt
aufgezwungen werden würde."

Cambon: "Ich lenke die Aufmerksam¬
keit darauf, daß der Beschluß, über den ich
berichte, einstimmig durch alle Mitglieder
der polnischen Kommission gefaßt ist, die
fünf große Mächte vertreten. Wir haben
diese Frage allseitig geprüft. Nach unserer
Ansicht wäre es ganz ungerecht, die An¬
wesenheit einer gewissen Anzahl von Deutschen
im polnischen Gebiete als entscheidend sür
die Bestimmung der zukünftigen Staats¬
grenzen anzusehen. Lassen sie uns nicht
vergessen, daß sich diese Deutschen infolge
der Jmmigrations- und Ansiedlungspolitik
Preußens in den geschichtlichen polnischen
Gebieten befinden. Die Anerkennung ihrer
Rechte auf dieses Gebiet wäre die Anerkennung
einer geschichtlichen Gewalttat."

Lloyd George: "Man muß mit der
vollendeten Tatsache rechnen, und daher be¬
stehe ich bei dem Gedanken, Polen die

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Pressestimmen

[Beginn Spaltensatz]

Während seiner Reise erklärte Paderewski
dem Vertreter der Agentur Havas, daß er
ca. 15 Tage in Paris bleiben will, da die
jetzige Lage Polens nicht seine Anwesenheit
durchaus verlange. Mit Rücksicht auf die
äußerste Empfindlichkeit der öffentlichen Mei¬
nung, sagte Paderewskj, würden alle un¬
günstigen Nachrichten über irgendwelche
Vorkommnisse im Lande starken Widerhall
haben, und sofort ausgenutzt werden seitens
der Opposition gegen diejenigen, die zu¬
sammen die jetzige Ordnung der Dinge
verteidigen. Unser: grundsätzlichen For¬
derungen bezwecken Danzig zusammen mit
der Seeküste, das Teschener Schlesien und
Lemberg an Polen anzugliedern. Der Besitz
Danzigs ist für uns eine Existenzfrage, da
ohne diese Stadt der Zutritt Polens zum
Meer erstickt würde. Die Geschichte beweist,
daß zwischen Polen und Deutschland kein
dauerndes Kondominium existieren könne.
Man muß also diese Frage klar erledigen
und Danzig vollständig der einen oder der
anderen Partei übergeben. Die Gerechtigkeit
fordert, daß man Polen das zuerkennt, was
während vergangener Jahrhunderte sein
Eigentum gewesen ist. Polen würde die
Aussicht, daß die Gebiete unter fremde
Herrschaft kommen, welche mit Herz, Mund
und Vergangenheit verbunden sind mit dem
Mutterlande und immer nur in der Hoffnung
auf einen Befreiungskrieg lebten, welchen alle
polnischen Dichter Prophezeiten, nicht ertragen.
Das Polnische Volk befand sich bis zum
jetzigen Moment ständig in patriotischer
Wallung, die sich heute in gefährliche Zweifel
umwandeln könnte, wenn nicht alle Hoff¬
nungen in Erfüllung gingen, zu welchen
Polen durch seine Leiden, Tapferkeit und
gehabtenBemühungen undOpfer berechtigt ist.
(Wessen Tapferkeit verdankt eigentlich der
neue Polenstaat sein Leben? Anm. d. Red.)

Eine wertvolle Ergänzung für das Ver¬
ständnis der Pariser Verhandlungen über
die Danziger Frage bildet nachstehender Be¬
ratungsbericht (vom 20. März) des „Kurjer
Warszawski" (nach Krz.-Ztg. 156 v. 5. April).

Cambon: „Wir müßten Polen nicht
nur diese Meeresküste zusichern, sondern
gleichfalls einen gewissen Zugang zu ihr in
wirtschaftlicher und strategischer Hinsicht.

[Spaltenumbruch]

Daher liegt die unbedingte Notwendigkeit
vor, innerhalb der Grenzen der Polnischen
Gebiete Landstriche einzuschließen, die durch
eine verhältnismäßig zahlreiche Bevölkerung
deutscher Nationalität bewohnt werden. Vor
allen Dingen hat die Kommission für polnische
Angelegenheiten einstimmig für notwendig
erkannt, dem neuen Staate Marienwerder
anzuschließen. Es ist dies ein wichtiger
Punkt, der den Flußlauf der Weichsel be¬
herrscht; seine Überlassung,an die Deutschen
würde der Überlassung der Kontrolle über
die Verkehrslinien Polens an sie gleich¬
kommen."

Lloyd George: „Nach der durch die
Kommission für polnische Angelegenheiten
vorgelegten Karte wird der polnische Staat
fast zwei Millionen Bevölkerung deutscher
Nationalität umfassen. Ich bin genötigt,
die Aufmerksamkeit des Obersten Rates
dringend auf die Gefahr zu lenken, mit der
eine solche Lösung in der nahen Zukunft
drohen wird. Wir werden auf diese Weise
mit einem Male den deutschen Jrredentis-
mus in Polen schaffen, einen doppelten
Jrredentismus seitens der Deutschen, die
Ostpreußen bewohnen und von der Mark
Brandenburg losgerissen sind, sowie selbst¬
verständlich auch unter denjenigen, denen die
polnische Staatszugehörigkeit mit Gewalt
aufgezwungen werden würde."

Cambon: „Ich lenke die Aufmerksam¬
keit darauf, daß der Beschluß, über den ich
berichte, einstimmig durch alle Mitglieder
der polnischen Kommission gefaßt ist, die
fünf große Mächte vertreten. Wir haben
diese Frage allseitig geprüft. Nach unserer
Ansicht wäre es ganz ungerecht, die An¬
wesenheit einer gewissen Anzahl von Deutschen
im polnischen Gebiete als entscheidend sür
die Bestimmung der zukünftigen Staats¬
grenzen anzusehen. Lassen sie uns nicht
vergessen, daß sich diese Deutschen infolge
der Jmmigrations- und Ansiedlungspolitik
Preußens in den geschichtlichen polnischen
Gebieten befinden. Die Anerkennung ihrer
Rechte auf dieses Gebiet wäre die Anerkennung
einer geschichtlichen Gewalttat."

Lloyd George: „Man muß mit der
vollendeten Tatsache rechnen, und daher be¬
stehe ich bei dem Gedanken, Polen die

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[0446] Pressestimmen Während seiner Reise erklärte Paderewski dem Vertreter der Agentur Havas, daß er ca. 15 Tage in Paris bleiben will, da die jetzige Lage Polens nicht seine Anwesenheit durchaus verlange. Mit Rücksicht auf die äußerste Empfindlichkeit der öffentlichen Mei¬ nung, sagte Paderewskj, würden alle un¬ günstigen Nachrichten über irgendwelche Vorkommnisse im Lande starken Widerhall haben, und sofort ausgenutzt werden seitens der Opposition gegen diejenigen, die zu¬ sammen die jetzige Ordnung der Dinge verteidigen. Unser: grundsätzlichen For¬ derungen bezwecken Danzig zusammen mit der Seeküste, das Teschener Schlesien und Lemberg an Polen anzugliedern. Der Besitz Danzigs ist für uns eine Existenzfrage, da ohne diese Stadt der Zutritt Polens zum Meer erstickt würde. Die Geschichte beweist, daß zwischen Polen und Deutschland kein dauerndes Kondominium existieren könne. Man muß also diese Frage klar erledigen und Danzig vollständig der einen oder der anderen Partei übergeben. Die Gerechtigkeit fordert, daß man Polen das zuerkennt, was während vergangener Jahrhunderte sein Eigentum gewesen ist. Polen würde die Aussicht, daß die Gebiete unter fremde Herrschaft kommen, welche mit Herz, Mund und Vergangenheit verbunden sind mit dem Mutterlande und immer nur in der Hoffnung auf einen Befreiungskrieg lebten, welchen alle polnischen Dichter Prophezeiten, nicht ertragen. Das Polnische Volk befand sich bis zum jetzigen Moment ständig in patriotischer Wallung, die sich heute in gefährliche Zweifel umwandeln könnte, wenn nicht alle Hoff¬ nungen in Erfüllung gingen, zu welchen Polen durch seine Leiden, Tapferkeit und gehabtenBemühungen undOpfer berechtigt ist. (Wessen Tapferkeit verdankt eigentlich der neue Polenstaat sein Leben? Anm. d. Red.) Eine wertvolle Ergänzung für das Ver¬ ständnis der Pariser Verhandlungen über die Danziger Frage bildet nachstehender Be¬ ratungsbericht (vom 20. März) des „Kurjer Warszawski" (nach Krz.-Ztg. 156 v. 5. April). Cambon: „Wir müßten Polen nicht nur diese Meeresküste zusichern, sondern gleichfalls einen gewissen Zugang zu ihr in wirtschaftlicher und strategischer Hinsicht. Daher liegt die unbedingte Notwendigkeit vor, innerhalb der Grenzen der Polnischen Gebiete Landstriche einzuschließen, die durch eine verhältnismäßig zahlreiche Bevölkerung deutscher Nationalität bewohnt werden. Vor allen Dingen hat die Kommission für polnische Angelegenheiten einstimmig für notwendig erkannt, dem neuen Staate Marienwerder anzuschließen. Es ist dies ein wichtiger Punkt, der den Flußlauf der Weichsel be¬ herrscht; seine Überlassung,an die Deutschen würde der Überlassung der Kontrolle über die Verkehrslinien Polens an sie gleich¬ kommen." Lloyd George: „Nach der durch die Kommission für polnische Angelegenheiten vorgelegten Karte wird der polnische Staat fast zwei Millionen Bevölkerung deutscher Nationalität umfassen. Ich bin genötigt, die Aufmerksamkeit des Obersten Rates dringend auf die Gefahr zu lenken, mit der eine solche Lösung in der nahen Zukunft drohen wird. Wir werden auf diese Weise mit einem Male den deutschen Jrredentis- mus in Polen schaffen, einen doppelten Jrredentismus seitens der Deutschen, die Ostpreußen bewohnen und von der Mark Brandenburg losgerissen sind, sowie selbst¬ verständlich auch unter denjenigen, denen die polnische Staatszugehörigkeit mit Gewalt aufgezwungen werden würde." Cambon: „Ich lenke die Aufmerksam¬ keit darauf, daß der Beschluß, über den ich berichte, einstimmig durch alle Mitglieder der polnischen Kommission gefaßt ist, die fünf große Mächte vertreten. Wir haben diese Frage allseitig geprüft. Nach unserer Ansicht wäre es ganz ungerecht, die An¬ wesenheit einer gewissen Anzahl von Deutschen im polnischen Gebiete als entscheidend sür die Bestimmung der zukünftigen Staats¬ grenzen anzusehen. Lassen sie uns nicht vergessen, daß sich diese Deutschen infolge der Jmmigrations- und Ansiedlungspolitik Preußens in den geschichtlichen polnischen Gebieten befinden. Die Anerkennung ihrer Rechte auf dieses Gebiet wäre die Anerkennung einer geschichtlichen Gewalttat." Lloyd George: „Man muß mit der vollendeten Tatsache rechnen, und daher be¬ stehe ich bei dem Gedanken, Polen die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/446>, abgerufen am 27.07.2024.