Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.Idee und Ursprung deo Revolinioii mäßige Anlage und ihre im Bundesrat ausgedrückte dynastische Basis. Nun Ais es offenkundig 'wurde, daß diese Macht sich mit ihren militärischen Aber bevor diese friedliche Umwälzung noch richtig fertig sein konnte, fuhr Im praktischen Verlauf wurde aber die politisch-nationale Umwälzung von Idee und Ursprung deo Revolinioii mäßige Anlage und ihre im Bundesrat ausgedrückte dynastische Basis. Nun Ais es offenkundig 'wurde, daß diese Macht sich mit ihren militärischen Aber bevor diese friedliche Umwälzung noch richtig fertig sein konnte, fuhr Im praktischen Verlauf wurde aber die politisch-nationale Umwälzung von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0044" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335452"/> <fw type="header" place="top"> Idee und Ursprung deo Revolinioii</fw><lb/> <p xml:id="ID_118" prev="#ID_117"> mäßige Anlage und ihre im Bundesrat ausgedrückte dynastische Basis. Nun<lb/> wollte der junge Kaiser in die Lücke einspringen. Es ist zweifellos, daß er den<lb/> besten Willen gehabt hat, den Kaisergedanken ganz zu ergreifen und in der Rein¬<lb/> heit seiner nationalen Idee zu verwirklichen. Es wäre seine Aufgabe gewesen,<lb/> das Selbstschöpferische an Volksenergie, das in diesem Gedanken enthalten ist, sich<lb/> anzueignen, um es zu entbinden, mit Lebendigkeit anzufüllen und über die<lb/> dynastischen Geltungen der höfischen Überlieferung und der geschriebenen Reichs¬<lb/> verfassung zu heben. Aber er gelangte nicht zu dieser Erkenntnis. Am Ende ist<lb/> es gleichgültig, woran es lag, daß es so kam, ob mehr an einer verfassungsmäßig¬<lb/> legitim vorherbestimmten Befangenheit in dynastischer Denkweise oder mehr an<lb/> den höfischen Antrieben seines Temperaments: jedenfalls kam es fo, daß er die<lb/> nationale, in der geschichtlich gewordenen Selbsttätigkeit des Volkstums wur¬<lb/> zelnde Geltung der kaiserlichen Gewalt mit einer rein dynastischen Gewalt immer<lb/> wieder verwechselt hat. Beides schob sich" ihm ineinander, und das letztere<lb/> Moment behielt für ihn, den überbewußten Inhaber erblicher Kronen, fort¬<lb/> während das Übergewicht und verzehrte das aridere. Anstatt das alte Volks¬<lb/> kaisertum von neuem zu schaffe», schuf er nun erst recht ein dynastisches Kaiser¬<lb/> tum. Er schuf es so sehr, daß seine Regierungsart deu Eindruck erweckte, als ob<lb/> sie die höchste Zuspitzung der dynastisch gehaltenen Staatsidee, den Absolutismus,<lb/> wieder heraufbringen solle. Dieser dynastisch bewußte Charakter bestimmte die<lb/> Politik unter seiner Regierung nach innen und außen. Selbst die See- und<lb/> Weltpolitik, die er zum größeren Ruhme des Reiches ins Werk gesetzt hat, war<lb/> in ihren letzten'Motiven eine Aufführung dynastischen Glanzes.' Wilhelm der<lb/> Zweite trieb Übersee- und Kolonialpolitik nach denselben Gesichtspunkten, wie<lb/> die alten Portugiesischen und spanischen Könige des fünfzehnten und sechzehnten<lb/> Jahrhunderts Kolonialpolitik getrieben hatten. Sie blieb keine organische, aus<lb/> innerer Notwendigkeit geschiehende Entfaltung, sondern er wollte hastig und bei<lb/> zeder nur möglichen Gelegenheit eine pomphafte Macht in die weiten Welten hin¬<lb/> aussetzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_119"> Ais es offenkundig 'wurde, daß diese Macht sich mit ihren militärischen<lb/> Mitteln übernommen hatte, fühlte das Volk sich mißbraucht. Es wehrte sich,<lb/> keineswegs gegen das Kaisertum an und' für sich, dessen innerliche Bedeutung<lb/> der Kern der Nation nicht im geringsten anzutasten gedachte, sondern gegen die<lb/> dynastische Zurichtung der kaiserlichen Gewialt. Man wollte überhaupt die<lb/> dynastisch geartete Schichtung der ganzen NeichsaNlage abschaffen. Das Schwer- -<lb/> gewicht in den wägenden Kräften der Reichsfouveränität und Neichseinheit sollte<lb/> sich verschieben auf die Mittelpunktsenergie der Nation und in das Volk selbst<lb/> hineinverlegt werden, indem es sich verfassungsrechtlich im Reichstage festsetzte,<lb/> in der gegebenen Darstellungsform dieses Volkes. Dies bezweckte vermutlich der<lb/> echtere Sinn im geschichtlichen Willen der sogenannten Parlamentarisierung<lb/> während der kurzen Ära des Prinzen Max von Baden, die eigentlich schon ein«<lb/> innere Umwälzung war und eine friedliche Revolution.</p><lb/> <p xml:id="ID_120"> Aber bevor diese friedliche Umwälzung noch richtig fertig sein konnte, fuhr<lb/> die Klafsenrevolution der Novembertage -in sie hinein, -wodurch' auch jene erst zur<lb/> wirklichen „Revolution" wurde. Der glühende Fieberatem der revolutionären<lb/> Stimmung fegte hinauf bis in die mittleren Lagerungen der bürgerlich genann¬<lb/> ten Volksklassen und wirbelte sie durcheinander. Viele von ihnen empfanden<lb/> das Aufflackern einer unklaren Freude, weil sie das dunkle Gefühl hatten, daß<lb/> sie nun all den Plunder, der vom Wiener Kongreß, vom Neichsdeputationshaupt -<lb/> Schlusz von 1803 und vom Westfälischen Frieden von 1643 her noch übrig ge¬<lb/> blieben war, mit einem Male los werden konnten. Und in der Tat, die dynastisch-<lb/> territorialen Gebilde, deren -Gestänge das Leben der Nation seit Jahrhunderten<lb/> umklammert hielten, fielen -wie tote Gehäuse von dem zuckenden Leibe herunter.<lb/> Der Körper des Volkslebens bäumte sich und -warf sie ab.</p><lb/> <p xml:id="ID_121" next="#ID_122"> Im praktischen Verlauf wurde aber die politisch-nationale Umwälzung von<lb/> der sozialen Klassenrevolution in brutaler Weise hinweggeschnellt oder z-um</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0044]
Idee und Ursprung deo Revolinioii
mäßige Anlage und ihre im Bundesrat ausgedrückte dynastische Basis. Nun
wollte der junge Kaiser in die Lücke einspringen. Es ist zweifellos, daß er den
besten Willen gehabt hat, den Kaisergedanken ganz zu ergreifen und in der Rein¬
heit seiner nationalen Idee zu verwirklichen. Es wäre seine Aufgabe gewesen,
das Selbstschöpferische an Volksenergie, das in diesem Gedanken enthalten ist, sich
anzueignen, um es zu entbinden, mit Lebendigkeit anzufüllen und über die
dynastischen Geltungen der höfischen Überlieferung und der geschriebenen Reichs¬
verfassung zu heben. Aber er gelangte nicht zu dieser Erkenntnis. Am Ende ist
es gleichgültig, woran es lag, daß es so kam, ob mehr an einer verfassungsmäßig¬
legitim vorherbestimmten Befangenheit in dynastischer Denkweise oder mehr an
den höfischen Antrieben seines Temperaments: jedenfalls kam es fo, daß er die
nationale, in der geschichtlich gewordenen Selbsttätigkeit des Volkstums wur¬
zelnde Geltung der kaiserlichen Gewalt mit einer rein dynastischen Gewalt immer
wieder verwechselt hat. Beides schob sich" ihm ineinander, und das letztere
Moment behielt für ihn, den überbewußten Inhaber erblicher Kronen, fort¬
während das Übergewicht und verzehrte das aridere. Anstatt das alte Volks¬
kaisertum von neuem zu schaffe», schuf er nun erst recht ein dynastisches Kaiser¬
tum. Er schuf es so sehr, daß seine Regierungsart deu Eindruck erweckte, als ob
sie die höchste Zuspitzung der dynastisch gehaltenen Staatsidee, den Absolutismus,
wieder heraufbringen solle. Dieser dynastisch bewußte Charakter bestimmte die
Politik unter seiner Regierung nach innen und außen. Selbst die See- und
Weltpolitik, die er zum größeren Ruhme des Reiches ins Werk gesetzt hat, war
in ihren letzten'Motiven eine Aufführung dynastischen Glanzes.' Wilhelm der
Zweite trieb Übersee- und Kolonialpolitik nach denselben Gesichtspunkten, wie
die alten Portugiesischen und spanischen Könige des fünfzehnten und sechzehnten
Jahrhunderts Kolonialpolitik getrieben hatten. Sie blieb keine organische, aus
innerer Notwendigkeit geschiehende Entfaltung, sondern er wollte hastig und bei
zeder nur möglichen Gelegenheit eine pomphafte Macht in die weiten Welten hin¬
aussetzen.
Ais es offenkundig 'wurde, daß diese Macht sich mit ihren militärischen
Mitteln übernommen hatte, fühlte das Volk sich mißbraucht. Es wehrte sich,
keineswegs gegen das Kaisertum an und' für sich, dessen innerliche Bedeutung
der Kern der Nation nicht im geringsten anzutasten gedachte, sondern gegen die
dynastische Zurichtung der kaiserlichen Gewialt. Man wollte überhaupt die
dynastisch geartete Schichtung der ganzen NeichsaNlage abschaffen. Das Schwer- -
gewicht in den wägenden Kräften der Reichsfouveränität und Neichseinheit sollte
sich verschieben auf die Mittelpunktsenergie der Nation und in das Volk selbst
hineinverlegt werden, indem es sich verfassungsrechtlich im Reichstage festsetzte,
in der gegebenen Darstellungsform dieses Volkes. Dies bezweckte vermutlich der
echtere Sinn im geschichtlichen Willen der sogenannten Parlamentarisierung
während der kurzen Ära des Prinzen Max von Baden, die eigentlich schon ein«
innere Umwälzung war und eine friedliche Revolution.
Aber bevor diese friedliche Umwälzung noch richtig fertig sein konnte, fuhr
die Klafsenrevolution der Novembertage -in sie hinein, -wodurch' auch jene erst zur
wirklichen „Revolution" wurde. Der glühende Fieberatem der revolutionären
Stimmung fegte hinauf bis in die mittleren Lagerungen der bürgerlich genann¬
ten Volksklassen und wirbelte sie durcheinander. Viele von ihnen empfanden
das Aufflackern einer unklaren Freude, weil sie das dunkle Gefühl hatten, daß
sie nun all den Plunder, der vom Wiener Kongreß, vom Neichsdeputationshaupt -
Schlusz von 1803 und vom Westfälischen Frieden von 1643 her noch übrig ge¬
blieben war, mit einem Male los werden konnten. Und in der Tat, die dynastisch-
territorialen Gebilde, deren -Gestänge das Leben der Nation seit Jahrhunderten
umklammert hielten, fielen -wie tote Gehäuse von dem zuckenden Leibe herunter.
Der Körper des Volkslebens bäumte sich und -warf sie ab.
Im praktischen Verlauf wurde aber die politisch-nationale Umwälzung von
der sozialen Klassenrevolution in brutaler Weise hinweggeschnellt oder z-um
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