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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Materialien zur ostdeutschen Frage

Der deutsche Gewerbestand überwiegt also den polnischen nicht blosz der
Kopfzahl nach, er übertrifft ihn in seinen Leistungen um mehr als das Vierfache.
1885/86 war der Anteil am Gewerbesteueraufkommen bei den Deutschen
86,3 Prozent, bei den Polen 13,6 Prozent; 1896/97 war der deutsche Anteil
86 8 Prozent, der polnische 13,1 Prozent. Von eingetragenen Firmen waren
bereits 1894 760 deutsch und nur 115 polnisch. Ähnlich liegen und lagen die
Verhältnisse bet den Einkommen- und den übrigen Steuern. Schon 1880 brachten
die Deutschen an Gemeindesteuern 376 394 Mark, die Polen nur 96 775 Mark
auf. (Vgl. Jaffe. Die Stadt Posen unter preußischer Herrschaft, S. 310). Aus
diesen Sieuerverhältnissen ergibt sich ohne weiteres, daß die deutsche Einwohner¬
schaft die Oberschicht und den größeren Teil der Mittelschicht bildet, während die
polnische Bevölkerung leistungsunfähig ist und in der Hauptsache die Unterschicht
bildet. Daraus ergab sich von selbst, daß die Stadtverordnetenversammlung sich
die längste Zeit aus 48 Deutschen und 12 Polen zusammensetzte. Alle polnischen
Stadtverordneten sind Mandantaren der III. Wahlklasse. Es fehlt in der Siade
Posen vollständig ein polnisches Patriziat. Von den größeren.industriellen Unter¬
nehmungen ist nur eine Maschinenfabrik, eine Zigarettenfabrik und eine Dünge¬
mittelfabrik in polnischer Hand, alle anderen, insbesondere z. B, alle Großmühien
in deutscher Hand. Ebenso ist es im Handel. Alle bedeutenden Geschäfte des
Groß- und Detailhandels sind deutsch.

So liegt auf deutscher Seite das wirtschaftliche und kulturelle Übergewicht.
Berücksichtigt man aber nicht nur die bloße Bevölkerungszahl, sondern auch die
soziale, wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung der Bevölkerung, so ist ohne
weiteres der Schluß berechtigt: Posen ist eine deutsche Stadt.

In der kurzen Zeit der polnischen Besetzung der Provinz versuchten die
Polen wie das Land, so erst recht die Stadt Posen rasch und gewaltsam zu
polonisieren. Sie haben die deutsche Bevölkerung eingeschüchtert, drangsaliert und
boykottiert und so viele deutsche Gewerbetreibende zum Verkauf ihrer Grundstücke
und Geschäfte an Polen gedrängt. So ist das erste Speditionsgeschäft Carl Hartig
mit einem bedeutenden Grundstückskomplex in die Hände einer polnischen Aktien-
Gesellschaft übergegangen. Das erste Konsektionsgeschäft von Petersdorf ist eben¬
falls von einer polnischen Gesellschaft gekauft worden. Der wohlhabende Bäcker
Leute hat Geschäft und Grundstück an Polen verkaufen müssen, ebenso der Gold¬
schmied Nehfeld und viele andere. Wie die eingangs angeführten Bevölkerungs-
ziffern ergaben, hat sich die polnische Bevölkerung der Stadt Posen im Laufe der
Jahre beträchtlich vermehrt. Das ist ein Veweis, daß die Politik der preußischen
Regierung die Entwicklung der polnischen Bevölkerung nicht hintenangehalün hat,
während das Polentum sofort zu Gewaltmaßuahmen greift, so bald es die Macht
in der Hand hat.

Sollte die Stadt Posen mit einem Teile der Provinz an den polnischen
Staat fallen, dann ist der Rückgang der Stadt besiegelt. Das kapitalkräftige und
leistungsfähige Deutschtum wird ihr deu Rücken kehren. Die Grundstücke müssen
im Werte sinken, da die Stadt ihre natürlichen Verkehrsverbindungen verliert.
Sie wird auf die Bedeutung etwa von Kalisch herabsinken, eine polnische Pro-
vinzialstadt werden, die nicht einmal eine direkte Verbindung mit der Hauptstadt
Warschau hat. Die Loslösung der Provinz Posen von Preußen bedeutet so nicht blosz
für diese, sondern erst recht für die Stadt Posen eine wirtschaftliche Katastrophe.


Zur Geschichte der ^ode und des Preises Nolmar
in Posen

Aus dem Berichte Ottos von Bamberg, des Apostels der Pommern über
eine Reise nach Gnesen -- um das Jahr 1100 -- erhellt, daß Asch als einzige
Siedelung im Kreise Kolmar bestand. Auch um 1200 ist es trotz der Privilegien,
die Odonicz den Zisterzienser-Klöstern Leubus und Heinrichau für die Kolonisation


Materialien zur ostdeutschen Frage

Der deutsche Gewerbestand überwiegt also den polnischen nicht blosz der
Kopfzahl nach, er übertrifft ihn in seinen Leistungen um mehr als das Vierfache.
1885/86 war der Anteil am Gewerbesteueraufkommen bei den Deutschen
86,3 Prozent, bei den Polen 13,6 Prozent; 1896/97 war der deutsche Anteil
86 8 Prozent, der polnische 13,1 Prozent. Von eingetragenen Firmen waren
bereits 1894 760 deutsch und nur 115 polnisch. Ähnlich liegen und lagen die
Verhältnisse bet den Einkommen- und den übrigen Steuern. Schon 1880 brachten
die Deutschen an Gemeindesteuern 376 394 Mark, die Polen nur 96 775 Mark
auf. (Vgl. Jaffe. Die Stadt Posen unter preußischer Herrschaft, S. 310). Aus
diesen Sieuerverhältnissen ergibt sich ohne weiteres, daß die deutsche Einwohner¬
schaft die Oberschicht und den größeren Teil der Mittelschicht bildet, während die
polnische Bevölkerung leistungsunfähig ist und in der Hauptsache die Unterschicht
bildet. Daraus ergab sich von selbst, daß die Stadtverordnetenversammlung sich
die längste Zeit aus 48 Deutschen und 12 Polen zusammensetzte. Alle polnischen
Stadtverordneten sind Mandantaren der III. Wahlklasse. Es fehlt in der Siade
Posen vollständig ein polnisches Patriziat. Von den größeren.industriellen Unter¬
nehmungen ist nur eine Maschinenfabrik, eine Zigarettenfabrik und eine Dünge¬
mittelfabrik in polnischer Hand, alle anderen, insbesondere z. B, alle Großmühien
in deutscher Hand. Ebenso ist es im Handel. Alle bedeutenden Geschäfte des
Groß- und Detailhandels sind deutsch.

So liegt auf deutscher Seite das wirtschaftliche und kulturelle Übergewicht.
Berücksichtigt man aber nicht nur die bloße Bevölkerungszahl, sondern auch die
soziale, wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung der Bevölkerung, so ist ohne
weiteres der Schluß berechtigt: Posen ist eine deutsche Stadt.

In der kurzen Zeit der polnischen Besetzung der Provinz versuchten die
Polen wie das Land, so erst recht die Stadt Posen rasch und gewaltsam zu
polonisieren. Sie haben die deutsche Bevölkerung eingeschüchtert, drangsaliert und
boykottiert und so viele deutsche Gewerbetreibende zum Verkauf ihrer Grundstücke
und Geschäfte an Polen gedrängt. So ist das erste Speditionsgeschäft Carl Hartig
mit einem bedeutenden Grundstückskomplex in die Hände einer polnischen Aktien-
Gesellschaft übergegangen. Das erste Konsektionsgeschäft von Petersdorf ist eben¬
falls von einer polnischen Gesellschaft gekauft worden. Der wohlhabende Bäcker
Leute hat Geschäft und Grundstück an Polen verkaufen müssen, ebenso der Gold¬
schmied Nehfeld und viele andere. Wie die eingangs angeführten Bevölkerungs-
ziffern ergaben, hat sich die polnische Bevölkerung der Stadt Posen im Laufe der
Jahre beträchtlich vermehrt. Das ist ein Veweis, daß die Politik der preußischen
Regierung die Entwicklung der polnischen Bevölkerung nicht hintenangehalün hat,
während das Polentum sofort zu Gewaltmaßuahmen greift, so bald es die Macht
in der Hand hat.

Sollte die Stadt Posen mit einem Teile der Provinz an den polnischen
Staat fallen, dann ist der Rückgang der Stadt besiegelt. Das kapitalkräftige und
leistungsfähige Deutschtum wird ihr deu Rücken kehren. Die Grundstücke müssen
im Werte sinken, da die Stadt ihre natürlichen Verkehrsverbindungen verliert.
Sie wird auf die Bedeutung etwa von Kalisch herabsinken, eine polnische Pro-
vinzialstadt werden, die nicht einmal eine direkte Verbindung mit der Hauptstadt
Warschau hat. Die Loslösung der Provinz Posen von Preußen bedeutet so nicht blosz
für diese, sondern erst recht für die Stadt Posen eine wirtschaftliche Katastrophe.


Zur Geschichte der ^ode und des Preises Nolmar
in Posen

Aus dem Berichte Ottos von Bamberg, des Apostels der Pommern über
eine Reise nach Gnesen — um das Jahr 1100 — erhellt, daß Asch als einzige
Siedelung im Kreise Kolmar bestand. Auch um 1200 ist es trotz der Privilegien,
die Odonicz den Zisterzienser-Klöstern Leubus und Heinrichau für die Kolonisation


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[0408] Materialien zur ostdeutschen Frage Der deutsche Gewerbestand überwiegt also den polnischen nicht blosz der Kopfzahl nach, er übertrifft ihn in seinen Leistungen um mehr als das Vierfache. 1885/86 war der Anteil am Gewerbesteueraufkommen bei den Deutschen 86,3 Prozent, bei den Polen 13,6 Prozent; 1896/97 war der deutsche Anteil 86 8 Prozent, der polnische 13,1 Prozent. Von eingetragenen Firmen waren bereits 1894 760 deutsch und nur 115 polnisch. Ähnlich liegen und lagen die Verhältnisse bet den Einkommen- und den übrigen Steuern. Schon 1880 brachten die Deutschen an Gemeindesteuern 376 394 Mark, die Polen nur 96 775 Mark auf. (Vgl. Jaffe. Die Stadt Posen unter preußischer Herrschaft, S. 310). Aus diesen Sieuerverhältnissen ergibt sich ohne weiteres, daß die deutsche Einwohner¬ schaft die Oberschicht und den größeren Teil der Mittelschicht bildet, während die polnische Bevölkerung leistungsunfähig ist und in der Hauptsache die Unterschicht bildet. Daraus ergab sich von selbst, daß die Stadtverordnetenversammlung sich die längste Zeit aus 48 Deutschen und 12 Polen zusammensetzte. Alle polnischen Stadtverordneten sind Mandantaren der III. Wahlklasse. Es fehlt in der Siade Posen vollständig ein polnisches Patriziat. Von den größeren.industriellen Unter¬ nehmungen ist nur eine Maschinenfabrik, eine Zigarettenfabrik und eine Dünge¬ mittelfabrik in polnischer Hand, alle anderen, insbesondere z. B, alle Großmühien in deutscher Hand. Ebenso ist es im Handel. Alle bedeutenden Geschäfte des Groß- und Detailhandels sind deutsch. So liegt auf deutscher Seite das wirtschaftliche und kulturelle Übergewicht. Berücksichtigt man aber nicht nur die bloße Bevölkerungszahl, sondern auch die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung der Bevölkerung, so ist ohne weiteres der Schluß berechtigt: Posen ist eine deutsche Stadt. In der kurzen Zeit der polnischen Besetzung der Provinz versuchten die Polen wie das Land, so erst recht die Stadt Posen rasch und gewaltsam zu polonisieren. Sie haben die deutsche Bevölkerung eingeschüchtert, drangsaliert und boykottiert und so viele deutsche Gewerbetreibende zum Verkauf ihrer Grundstücke und Geschäfte an Polen gedrängt. So ist das erste Speditionsgeschäft Carl Hartig mit einem bedeutenden Grundstückskomplex in die Hände einer polnischen Aktien- Gesellschaft übergegangen. Das erste Konsektionsgeschäft von Petersdorf ist eben¬ falls von einer polnischen Gesellschaft gekauft worden. Der wohlhabende Bäcker Leute hat Geschäft und Grundstück an Polen verkaufen müssen, ebenso der Gold¬ schmied Nehfeld und viele andere. Wie die eingangs angeführten Bevölkerungs- ziffern ergaben, hat sich die polnische Bevölkerung der Stadt Posen im Laufe der Jahre beträchtlich vermehrt. Das ist ein Veweis, daß die Politik der preußischen Regierung die Entwicklung der polnischen Bevölkerung nicht hintenangehalün hat, während das Polentum sofort zu Gewaltmaßuahmen greift, so bald es die Macht in der Hand hat. Sollte die Stadt Posen mit einem Teile der Provinz an den polnischen Staat fallen, dann ist der Rückgang der Stadt besiegelt. Das kapitalkräftige und leistungsfähige Deutschtum wird ihr deu Rücken kehren. Die Grundstücke müssen im Werte sinken, da die Stadt ihre natürlichen Verkehrsverbindungen verliert. Sie wird auf die Bedeutung etwa von Kalisch herabsinken, eine polnische Pro- vinzialstadt werden, die nicht einmal eine direkte Verbindung mit der Hauptstadt Warschau hat. Die Loslösung der Provinz Posen von Preußen bedeutet so nicht blosz für diese, sondern erst recht für die Stadt Posen eine wirtschaftliche Katastrophe. Zur Geschichte der ^ode und des Preises Nolmar in Posen Aus dem Berichte Ottos von Bamberg, des Apostels der Pommern über eine Reise nach Gnesen — um das Jahr 1100 — erhellt, daß Asch als einzige Siedelung im Kreise Kolmar bestand. Auch um 1200 ist es trotz der Privilegien, die Odonicz den Zisterzienser-Klöstern Leubus und Heinrichau für die Kolonisation

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/408>, abgerufen am 09.11.2024.