Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.pressest! Minen [Beginn Spaltensatz] 1. polnische presss Ein für alle Teilnehmer der machtvollen "Die Beerdigung des deutschen Danzigs Nach der wahrhaft amerikanischen Reklame Die Stimmung war traurig, geradezu Übrigens: Wenn nicht die Sozialiste" Schade, daß ihre Politik mit einemmale Aber auch in den Sozialisten scheint dies" Augenzeugen versichern uns, daß nur pressest! Minen [Beginn Spaltensatz] 1. polnische presss Ein für alle Teilnehmer der machtvollen »Die Beerdigung des deutschen Danzigs Nach der wahrhaft amerikanischen Reklame Die Stimmung war traurig, geradezu Übrigens: Wenn nicht die Sozialiste« Schade, daß ihre Politik mit einemmale Aber auch in den Sozialisten scheint dies« Augenzeugen versichern uns, daß nur <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <p> <pb facs="#f0398" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335810"/> <fw type="header" place="top"> pressest! 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Der<lb/> ungemeine Frost hatte die Nasen rot gefärbt,<lb/> und der unerträgliche Wind war so ungeneigt<lb/> zu diesem Begräbnis aller deutschen Hoff¬<lb/> nungen auf Danzig, daß er blies, als wäre<lb/> er dazu angestellt, und deshalb könnte man<lb/> schon auf zwanzig Schritte nichts mehr von<lb/> dem hören, was jeder einzelne Redner von<lb/> der Zugehörigkeit zu Deutschland sprach.<lb/> Jeder konnte nur erraten, daß Danzig eine<lb/> urdeutsche Stadt ist und in Ewigkeit bleibt.<lb/> Ameni ES war auch kein außerordentliches<lb/> Interesse vorhanden.</p> <p xml:id="ID_1935"> Nach der wahrhaft amerikanischen Reklame<lb/> der letzten Tage, die hier in Danzig von<lb/> deutscher Seite veranstaltet wurde, kannte<lb/> man glauben, daß der arme Heumarkt von<lb/> der deutschen Demonstration zerspringen<lb/> würde, weil er nicht alle Deutschen fassen<lb/> wird. Indessen sammelten sich auf dem<lb/> Heumarkt von den 200 000 Deutschen, die<lb/> hier in Danzig nach der deutschen Statistik<lb/> sein müssen, nur ein paar tausend. Darunter<lb/> befanden sich auch noch sehr viele neugierige<lb/> Polen, auch Amerikaner und Franzosen von den<lb/> hier weilenden Kommissionen. Das meiste<lb/> Interesse zeigten die Amerikaner; sie kauften<lb/> Broschüren und nahmen die deutschen Auf¬<lb/> rufe entgegen, die bei dieser Gelegenheit<lb/> trotz des großen Papiermangels verkauft und<lb/> reichlich verteilt wurden.</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_1936"> Die Stimmung war traurig, geradezu<lb/> bedrückt, und wa?> am wichtigsten ist: >d!«<lb/> Teilnehmer an dem Protest schienen meistens<lb/> auf dein Markt zu stehen wie Leute, die<lb/> dazu gezwungen worden sind, denen es schon<lb/> ganz gleich ist, ob eS so oder anders werden<lb/> wird. Es war nicht zu ersehen, daß >nefer<lb/> unbedingte Protest ihre Ansicht sei. Es liotze«<lb/> sich auch Stimmen hören: „Hauptfachs, d.es<lb/> Wir was zu fressen bekommenI" — als die<lb/> Rede von neuern weiteren „Durchhalten" war.<lb/> Dieses Durchholten hat das Boll schon fatt.<lb/> Denn es hat genug Beweise, wie. oft und<lb/> lange, nämlich während aller Kriegsjahre, es<lb/> betrogen wurde.</p> <p xml:id="ID_1937"> Übrigens: Wenn nicht die Sozialiste«<lb/> wären, die ihre Leute amtlich aufgefordert<lb/> hatten, wären sehr wenige dagewesen; denn<lb/> die Sozialisten fanden sich massenweise, wie<lb/> auf Kommando, ein.</p> <p xml:id="ID_1938"> Schade, daß ihre Politik mit einemmale<lb/> so schwarz-weiß-rot geworden istl Ohne sie<lb/> hätten sich alle alldeutschen Kropftauben aus¬<lb/> drücklich überzeugt, wie wenig sie in Danzig<lb/> bedeuten.</p> <p xml:id="ID_1939"> Aber auch in den Sozialisten scheint dies«<lb/> Patriotische Stimmung nicht tief zu sitzen.<lb/> Denn ein deutscher Patriot kroch auf das<lb/> Denkmal des Kaisers Wilhelm und wollte<lb/> ihm das Haupt bekränzen. Er hatte aber<lb/> seine Kräfte nur nach seiner Absicht gemessen:<lb/> denn er konnte nicht hinaufklettern und hing<lb/> deshalb den Kranz dem Denkmalsroß des<lb/> Kaisers an die Füße. Als man zuletzt an¬<lb/> fing, das Lied „Deutschland, Deutschland<lb/> über alles" zu singen, da klang das Lied<lb/> etwas elendiglich trotz des Orchesters, das<lb/> vorbereitet war, ime zum Zeichen, daß<lb/> Deutschland schon nicht mehr über alles ist,<lb/> denn nach den Prophetischen Worten der<lb/> „Rotte" von Maria Konopnicka ist der Nitter-<lb/> kopf von den hochmütigen Höhen in Staub und'<lb/> Asche herabgestürzt.</p> <p xml:id="ID_1940" next="#ID_1941"> Augenzeugen versichern uns, daß nur<lb/> Kinder und alte Weiber sangen, und jener<lb/> Sozialist hat es sich so überlegt, daß er auf</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0398]
pressest! Minen
1. polnische presss Ein für alle Teilnehmer der machtvollen
Danziger Kundgebung vom 23, März außer¬
ordentlich belustigender Bericht in der Dan-
ziger „Gazeta Gdaiifw" vom SS, März
verdient es um deswillen, was er widerwillig
oder unbewußt zugibt, als Dokument einer
breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu
werden:
»Die Beerdigung des deutschen Danzigs
fand am Sonntag bei sehr zahlreicher Teil¬
nahme der rechtgläubigen Deutschen statt.
Aus dem Heumarkt hatten sich ein Paar
tausend! aller derjenigen versammelt, die
„kerndeutsch" sind. Es wurde gleichzeitig
eine ganze Reihe von Reden gehalten. Der
ungemeine Frost hatte die Nasen rot gefärbt,
und der unerträgliche Wind war so ungeneigt
zu diesem Begräbnis aller deutschen Hoff¬
nungen auf Danzig, daß er blies, als wäre
er dazu angestellt, und deshalb könnte man
schon auf zwanzig Schritte nichts mehr von
dem hören, was jeder einzelne Redner von
der Zugehörigkeit zu Deutschland sprach.
Jeder konnte nur erraten, daß Danzig eine
urdeutsche Stadt ist und in Ewigkeit bleibt.
Ameni ES war auch kein außerordentliches
Interesse vorhanden.
Nach der wahrhaft amerikanischen Reklame
der letzten Tage, die hier in Danzig von
deutscher Seite veranstaltet wurde, kannte
man glauben, daß der arme Heumarkt von
der deutschen Demonstration zerspringen
würde, weil er nicht alle Deutschen fassen
wird. Indessen sammelten sich auf dem
Heumarkt von den 200 000 Deutschen, die
hier in Danzig nach der deutschen Statistik
sein müssen, nur ein paar tausend. Darunter
befanden sich auch noch sehr viele neugierige
Polen, auch Amerikaner und Franzosen von den
hier weilenden Kommissionen. Das meiste
Interesse zeigten die Amerikaner; sie kauften
Broschüren und nahmen die deutschen Auf¬
rufe entgegen, die bei dieser Gelegenheit
trotz des großen Papiermangels verkauft und
reichlich verteilt wurden.
Die Stimmung war traurig, geradezu
bedrückt, und wa?> am wichtigsten ist: >d!«
Teilnehmer an dem Protest schienen meistens
auf dein Markt zu stehen wie Leute, die
dazu gezwungen worden sind, denen es schon
ganz gleich ist, ob eS so oder anders werden
wird. Es war nicht zu ersehen, daß >nefer
unbedingte Protest ihre Ansicht sei. Es liotze«
sich auch Stimmen hören: „Hauptfachs, d.es
Wir was zu fressen bekommenI" — als die
Rede von neuern weiteren „Durchhalten" war.
Dieses Durchholten hat das Boll schon fatt.
Denn es hat genug Beweise, wie. oft und
lange, nämlich während aller Kriegsjahre, es
betrogen wurde.
Übrigens: Wenn nicht die Sozialiste«
wären, die ihre Leute amtlich aufgefordert
hatten, wären sehr wenige dagewesen; denn
die Sozialisten fanden sich massenweise, wie
auf Kommando, ein.
Schade, daß ihre Politik mit einemmale
so schwarz-weiß-rot geworden istl Ohne sie
hätten sich alle alldeutschen Kropftauben aus¬
drücklich überzeugt, wie wenig sie in Danzig
bedeuten.
Aber auch in den Sozialisten scheint dies«
Patriotische Stimmung nicht tief zu sitzen.
Denn ein deutscher Patriot kroch auf das
Denkmal des Kaisers Wilhelm und wollte
ihm das Haupt bekränzen. Er hatte aber
seine Kräfte nur nach seiner Absicht gemessen:
denn er konnte nicht hinaufklettern und hing
deshalb den Kranz dem Denkmalsroß des
Kaisers an die Füße. Als man zuletzt an¬
fing, das Lied „Deutschland, Deutschland
über alles" zu singen, da klang das Lied
etwas elendiglich trotz des Orchesters, das
vorbereitet war, ime zum Zeichen, daß
Deutschland schon nicht mehr über alles ist,
denn nach den Prophetischen Worten der
„Rotte" von Maria Konopnicka ist der Nitter-
kopf von den hochmütigen Höhen in Staub und'
Asche herabgestürzt.
Augenzeugen versichern uns, daß nur
Kinder und alte Weiber sangen, und jener
Sozialist hat es sich so überlegt, daß er auf
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