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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Europa. Millionen sterben Hungers. Soll
das so weiter gehen."(Times,16.Mai1919.)

"Was versieht Britannien? Kinder ver¬
hungern lassen, Frauen foltern, alte
Menschen tötenI" Dieser der Zensur
nicht vorgelegte Wortlaut solcher durch
"National Labour Preß" verbreiteten Pla¬
kate und Flugblätter brachte der Zeitung
in der Gerichtsverhandlung im Manfion
House am, 15. Mai 1919 eine Geldstrafe
von 80 Pfund ein". (Daily Expreß, 16. Mai.)

"Die kaltherzige Blockade mit dem end¬
losen Sterben Unschuldiger." (Nation
sLondoi^, 10. Mai).

"Das englische Volk ist durch das Getöse
betäubt. Nirgends wird ihm gesagt, daß
Wir die Zusagen des Waffenstillstandes
brechen, der auf Grund der vierzehn Punkte
angenommen wurde; daß wir dadurch
unsere Ehre ebenso schwer gefährden, wie
unsere ganze Stellung in den Augen
sämtlicher Neutralen und aller rechtlich
denkender Menschen geschädigt wird."
(Daily Herald, 15. Mai.)

"Jetzt, wo das Verbrechen und der
kolossale Fehler der Aufrechterhaltung der
Blockade gegen Deutschland seit dem
Waffenstillstand anerkannt wird, beginnt
der Prozeß der Selbstreinigung von Schuld.
Der dabei gemachte Versuch, die Schuld
auf die Bereinigten Staaten abzuwälzen,
wird sicher als das böswilligste Verbrechen
in der Erinnerung haften, das auf Zivili¬
sation Anspruch machende Völker je be¬
gangen haben. Es bleibt Tntsache, daß
Hoover (der amerikanische Ernährungs¬
minister) gleich nach Abschluß des Waffen¬
stillstands erklärte, die Ernährung Europas
sei eine dringende Notwendigkeit, gleich¬
viel ob es sich um Feind oder Freund
handle. Wilson, durch dessen Vermittlung
und auf Grund von dessen Punkten
der Waffenstillstand abgeschlossen wurde,
hatte sich dafür verbürgt, daß Deutschland
die nötigen Lebensmittel bekommen solle.
Der Verband verhinderte jedoch Woche
auf Woche die Ernährung Deutschlands.
Die englischen Behörden unterdrückten
den wesentlichen Teil von Hoovers ur¬
sprünglichen Äußerungen . . . Der Ur¬
sprung der Verhinderung der rechtzeitigen

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Lieferung muß in Europa, nicht in den
Vereinigten Staaten gesucht werden."
(Nation fLondon). 22. März.)

Wenn schon in England, das sonst
anderen Völkern gegenüber nicht eben leicht
von Gewissensskrupeln und Gemütsauf¬
wallungen belastet wird, so entrüstete Urteile
über die Unmenschlichkeit der fortgesetzten
Blockade erklingen, so kann man sich nicht
Wundern, daß in neutralen Ländern die
Kritik z. T. noch wesentlich schärfer erklingt
Zumal in Skandinavien hat England sich
durch die fortgesetzte Blockade und die wahn¬
witzigen Friedensbedingungen einen sehr
großen Teil der Sympathien, die es im
Kriege, vornehmlich in Norwegen besaß,
gründlich verscherzt. Heut hört man in
Schweden und Norwegen manche einstige
Ententefreunde versichern, daß sie sich ihrer
bisherigen Sympathien für England und
Frankreich zu schämen beginnen. Zweifellos
das vernichtendste Urteil hat der Norweger
Herman Aali schon am 28. März in dem in
Christiania erscheinenden Blatt "Ulcus Revy"
ausgesprochen:

"Lloyd George erklärt: Wir können die
Blockade nicht aufheben, wir können auf
dies Mittel nicht verzichten, wenn wir der
Welt einen gerechten Frieden sichern
wollen. Das ist nicht wahr, -Herr Lloyd
George I Sie selber haben am 14. De¬
zember 1917 (unrichtig; muß heißen: 1916)
die Aufforderung der Mittelmächte, des
Papstes und der Neutralen, einen gerechten
Frieden zu schließen, abgelehnt . . . Sie
haben abgelehnt, weil England die Macht
anstelle des Rechts setzen wollte... Deshalb
waren sie genötigt, die Bitte der Mensch¬
heit um Frieden abzuschlagen. Deshalb
noch weiteres Blutvergießen I Deshalb
beschlossen Sie, daß noch einige weitere
Millionen sterben müßten. Deshalb müssen
Sie das deutsche Volk noch weiter auf die
Folterbank spannen, bis es unter dem
Druck der Hungersnot alles annimmt.
Die englischen Herren haben eine lange
und nützliche Erfahrung in dieser Aus¬
hungerungspolitik von Irland, Indien und
den Burenrepubliken her, ja, vom eng¬
lischen Proletariat selbst her. Sie Wissen-
wer lange genug gehungert hat, wird

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Europa. Millionen sterben Hungers. Soll
das so weiter gehen."(Times,16.Mai1919.)

„Was versieht Britannien? Kinder ver¬
hungern lassen, Frauen foltern, alte
Menschen tötenI" Dieser der Zensur
nicht vorgelegte Wortlaut solcher durch
„National Labour Preß" verbreiteten Pla¬
kate und Flugblätter brachte der Zeitung
in der Gerichtsverhandlung im Manfion
House am, 15. Mai 1919 eine Geldstrafe
von 80 Pfund ein". (Daily Expreß, 16. Mai.)

„Die kaltherzige Blockade mit dem end¬
losen Sterben Unschuldiger." (Nation
sLondoi^, 10. Mai).

„Das englische Volk ist durch das Getöse
betäubt. Nirgends wird ihm gesagt, daß
Wir die Zusagen des Waffenstillstandes
brechen, der auf Grund der vierzehn Punkte
angenommen wurde; daß wir dadurch
unsere Ehre ebenso schwer gefährden, wie
unsere ganze Stellung in den Augen
sämtlicher Neutralen und aller rechtlich
denkender Menschen geschädigt wird."
(Daily Herald, 15. Mai.)

„Jetzt, wo das Verbrechen und der
kolossale Fehler der Aufrechterhaltung der
Blockade gegen Deutschland seit dem
Waffenstillstand anerkannt wird, beginnt
der Prozeß der Selbstreinigung von Schuld.
Der dabei gemachte Versuch, die Schuld
auf die Bereinigten Staaten abzuwälzen,
wird sicher als das böswilligste Verbrechen
in der Erinnerung haften, das auf Zivili¬
sation Anspruch machende Völker je be¬
gangen haben. Es bleibt Tntsache, daß
Hoover (der amerikanische Ernährungs¬
minister) gleich nach Abschluß des Waffen¬
stillstands erklärte, die Ernährung Europas
sei eine dringende Notwendigkeit, gleich¬
viel ob es sich um Feind oder Freund
handle. Wilson, durch dessen Vermittlung
und auf Grund von dessen Punkten
der Waffenstillstand abgeschlossen wurde,
hatte sich dafür verbürgt, daß Deutschland
die nötigen Lebensmittel bekommen solle.
Der Verband verhinderte jedoch Woche
auf Woche die Ernährung Deutschlands.
Die englischen Behörden unterdrückten
den wesentlichen Teil von Hoovers ur¬
sprünglichen Äußerungen . . . Der Ur¬
sprung der Verhinderung der rechtzeitigen

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Lieferung muß in Europa, nicht in den
Vereinigten Staaten gesucht werden."
(Nation fLondon). 22. März.)

Wenn schon in England, das sonst
anderen Völkern gegenüber nicht eben leicht
von Gewissensskrupeln und Gemütsauf¬
wallungen belastet wird, so entrüstete Urteile
über die Unmenschlichkeit der fortgesetzten
Blockade erklingen, so kann man sich nicht
Wundern, daß in neutralen Ländern die
Kritik z. T. noch wesentlich schärfer erklingt
Zumal in Skandinavien hat England sich
durch die fortgesetzte Blockade und die wahn¬
witzigen Friedensbedingungen einen sehr
großen Teil der Sympathien, die es im
Kriege, vornehmlich in Norwegen besaß,
gründlich verscherzt. Heut hört man in
Schweden und Norwegen manche einstige
Ententefreunde versichern, daß sie sich ihrer
bisherigen Sympathien für England und
Frankreich zu schämen beginnen. Zweifellos
das vernichtendste Urteil hat der Norweger
Herman Aali schon am 28. März in dem in
Christiania erscheinenden Blatt „Ulcus Revy"
ausgesprochen:

„Lloyd George erklärt: Wir können die
Blockade nicht aufheben, wir können auf
dies Mittel nicht verzichten, wenn wir der
Welt einen gerechten Frieden sichern
wollen. Das ist nicht wahr, -Herr Lloyd
George I Sie selber haben am 14. De¬
zember 1917 (unrichtig; muß heißen: 1916)
die Aufforderung der Mittelmächte, des
Papstes und der Neutralen, einen gerechten
Frieden zu schließen, abgelehnt . . . Sie
haben abgelehnt, weil England die Macht
anstelle des Rechts setzen wollte... Deshalb
waren sie genötigt, die Bitte der Mensch¬
heit um Frieden abzuschlagen. Deshalb
noch weiteres Blutvergießen I Deshalb
beschlossen Sie, daß noch einige weitere
Millionen sterben müßten. Deshalb müssen
Sie das deutsche Volk noch weiter auf die
Folterbank spannen, bis es unter dem
Druck der Hungersnot alles annimmt.
Die englischen Herren haben eine lange
und nützliche Erfahrung in dieser Aus¬
hungerungspolitik von Irland, Indien und
den Burenrepubliken her, ja, vom eng¬
lischen Proletariat selbst her. Sie Wissen-
wer lange genug gehungert hat, wird

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[0308] Maßgebliches und Unmaßgebliches Europa. Millionen sterben Hungers. Soll das so weiter gehen."(Times,16.Mai1919.) „Was versieht Britannien? Kinder ver¬ hungern lassen, Frauen foltern, alte Menschen tötenI" Dieser der Zensur nicht vorgelegte Wortlaut solcher durch „National Labour Preß" verbreiteten Pla¬ kate und Flugblätter brachte der Zeitung in der Gerichtsverhandlung im Manfion House am, 15. Mai 1919 eine Geldstrafe von 80 Pfund ein". (Daily Expreß, 16. Mai.) „Die kaltherzige Blockade mit dem end¬ losen Sterben Unschuldiger." (Nation sLondoi^, 10. Mai). „Das englische Volk ist durch das Getöse betäubt. Nirgends wird ihm gesagt, daß Wir die Zusagen des Waffenstillstandes brechen, der auf Grund der vierzehn Punkte angenommen wurde; daß wir dadurch unsere Ehre ebenso schwer gefährden, wie unsere ganze Stellung in den Augen sämtlicher Neutralen und aller rechtlich denkender Menschen geschädigt wird." (Daily Herald, 15. Mai.) „Jetzt, wo das Verbrechen und der kolossale Fehler der Aufrechterhaltung der Blockade gegen Deutschland seit dem Waffenstillstand anerkannt wird, beginnt der Prozeß der Selbstreinigung von Schuld. Der dabei gemachte Versuch, die Schuld auf die Bereinigten Staaten abzuwälzen, wird sicher als das böswilligste Verbrechen in der Erinnerung haften, das auf Zivili¬ sation Anspruch machende Völker je be¬ gangen haben. Es bleibt Tntsache, daß Hoover (der amerikanische Ernährungs¬ minister) gleich nach Abschluß des Waffen¬ stillstands erklärte, die Ernährung Europas sei eine dringende Notwendigkeit, gleich¬ viel ob es sich um Feind oder Freund handle. Wilson, durch dessen Vermittlung und auf Grund von dessen Punkten der Waffenstillstand abgeschlossen wurde, hatte sich dafür verbürgt, daß Deutschland die nötigen Lebensmittel bekommen solle. Der Verband verhinderte jedoch Woche auf Woche die Ernährung Deutschlands. Die englischen Behörden unterdrückten den wesentlichen Teil von Hoovers ur¬ sprünglichen Äußerungen . . . Der Ur¬ sprung der Verhinderung der rechtzeitigen Lieferung muß in Europa, nicht in den Vereinigten Staaten gesucht werden." (Nation fLondon). 22. März.) Wenn schon in England, das sonst anderen Völkern gegenüber nicht eben leicht von Gewissensskrupeln und Gemütsauf¬ wallungen belastet wird, so entrüstete Urteile über die Unmenschlichkeit der fortgesetzten Blockade erklingen, so kann man sich nicht Wundern, daß in neutralen Ländern die Kritik z. T. noch wesentlich schärfer erklingt Zumal in Skandinavien hat England sich durch die fortgesetzte Blockade und die wahn¬ witzigen Friedensbedingungen einen sehr großen Teil der Sympathien, die es im Kriege, vornehmlich in Norwegen besaß, gründlich verscherzt. Heut hört man in Schweden und Norwegen manche einstige Ententefreunde versichern, daß sie sich ihrer bisherigen Sympathien für England und Frankreich zu schämen beginnen. Zweifellos das vernichtendste Urteil hat der Norweger Herman Aali schon am 28. März in dem in Christiania erscheinenden Blatt „Ulcus Revy" ausgesprochen: „Lloyd George erklärt: Wir können die Blockade nicht aufheben, wir können auf dies Mittel nicht verzichten, wenn wir der Welt einen gerechten Frieden sichern wollen. Das ist nicht wahr, -Herr Lloyd George I Sie selber haben am 14. De¬ zember 1917 (unrichtig; muß heißen: 1916) die Aufforderung der Mittelmächte, des Papstes und der Neutralen, einen gerechten Frieden zu schließen, abgelehnt . . . Sie haben abgelehnt, weil England die Macht anstelle des Rechts setzen wollte... Deshalb waren sie genötigt, die Bitte der Mensch¬ heit um Frieden abzuschlagen. Deshalb noch weiteres Blutvergießen I Deshalb beschlossen Sie, daß noch einige weitere Millionen sterben müßten. Deshalb müssen Sie das deutsche Volk noch weiter auf die Folterbank spannen, bis es unter dem Druck der Hungersnot alles annimmt. Die englischen Herren haben eine lange und nützliche Erfahrung in dieser Aus¬ hungerungspolitik von Irland, Indien und den Burenrepubliken her, ja, vom eng¬ lischen Proletariat selbst her. Sie Wissen- wer lange genug gehungert hat, wird

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/308>, abgerufen am 18.12.2024.