Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Materialien zur ostdeutschen F^ge

Die Marienburger (Entschließung
der Deutschen Volksräte

Mit der Überreichung des deutschen Gegenvorschlages in Versailles fiel
zeitlich die Tagung der Deutschen Volksräte Posens und Westpreußens in Marien-
burg zusammen. Die dort von den Volksräten gefaßte Entschließung bildet eine
Ergänzung und Fortsetzung der Grundsätze, von denen sich die Regierung bei den
Zugeständnissen in der Friedensfrage leiten lassen will. Die Reichsregierung stellt
such bei ihrem Gcgenentwurf strikt auf den Boden des Wilsonschen Programms,
das auf den Fundamentaliätzen des Selbstbestimnurrgsrechts und des Nationalitäten-
pnnzips fußt. Der Versailler Gewaltfriedensentwurf hat sich als ein untauglicher
Versuch erwiesen, der Lösung der Ostfrage näher zu kommen, weil er den deutsch-
pvlnischcn Gegensatz nicht durch einen Ausgleich, sondern durch Vernichtung, zum
mindesten aber durch willenlose Knebelung der deutschen Seite herbeiführen wollte.
Führt nun die Reichsregierung in ihrem Gegenvorschlag die Wahl der Mittel zur
Lösung des Ostproblems auf die unzweideutige Anwendung der Wilsonschen
Fundamentalsätze -- unter Wahrung der indiskutabler, weil niemals mit Polen
in Konflikt gewesenen deutschen Rechte auf Ostpreußen und Schlesien -- zurück,
so gibt die Volksratsresolution neben den Mitteln auch das Ziel an, das erreicht
werden soll; nämlich den deutsch-polnischen Ausgleich. Darauf kommt es an;

Es handelt sich in der Ostmark nicht darum, Prinzipien um ihrer selbst
willen oder zu Nutz und Frommen einer Partei zum Siege zu verhelfen, sondern
den Endzweck dieser Prinzipien zu verwirklichen. Von dem Friedensentwurf der
Entente kann man sagen, daß sein wahrer Zweck -- die unverhüllte Schwächung
Deutschlands durch ein übermächtiges, Frankreich im Osten denkendes Polen --
die Mittel heiligt: bald wurden zur Erfüllung der polnischen Ansprüche historische
Gründe, bald wirtschaftliche Interessen, bald ethnographische Prinzipien, bald
strategische Notwendigkeiten und hin und wieder auch die beiden. Wilsonschen
Fundamentalsätze herangezogen. Damit war die Lösung der ganzen Frage in
eine Sackgasse hineingeraten, aus der es eine Umkehr ausschließlich mit Hilfe der
von Deutschland und der Entente allein als maßgeblich anerkannten Prinzipien
Wilsons geben kann, aber auch dann nur, wenn Einigkeit über das Ziel besteht.

Die Lösung, die die Deutschen Volksräte in ihrer Marienburger Entschließung
der Ostfragen zu geben gedenken, erschöpft sich jedoch nicht allein in der Schaffung
eines Ausgleichs. Einen Ausgleich erstrebt die deutsche Regierung desgleichen an,
was die Deutschen Volksräte jedoch über die Formulierungen dir Regierung
hinaus klarstellen, ist die Grundlage, die Möglichkeit, der Umfang des Ausgleichs,
kurzum sein Wesen überhaupt. Hierin liegt der springende Punkt, der bis jetzt
als verkannt erschien. Das Problem dreht sich keineswegs darum, einen Aus¬
gleich der Interessen zwischen Deutschland und Polen zu finden und die bisherige
ausschließliche Festlegung des Streitfalles auf diesen Angelpunkt hat zu der jetzt
herrschenden Verwirrung und Ratlosigkeit erheblich beigetragen. Was daneben in
erster Linie steht, ist die Notwendigkeit, eine Auseinandersetzung der innerhalb der
Ostmark mit- und nebeneinander lebenden deutschen und polnischen Bevölkerung
herbeizuführen. Nur die Berücksichtigung auch dieser Notwendigkeit schasst erst die
Möglichkeit einer Grundlage für den angestrebten Ausgleich. Es steht nicht so,
daß zwei Interessenten über die politische und wirtschaftliche Zugehörigkeit eines
Gebietes verhandeln, und es handelt sich ferner nicht darum, daß die Bevölkerung
dieses Gebietes darüber entscheiden soll, denn beides würde mit den Grundsätzen
des Selbstbestimmungsrechts und des Nationalitätenprinzips in Widerspruch stehen I
So paradox dieser Satz auch klingen mag, so nahe liegt doch seine Wahrheit,
wenn man von den Voraussetzungen der beiden Prinzipien ausgeht.

Die Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes auf der Grundlage des
Nationalitätenprinzips setzt aber voraus, daß die eine Nationalität innerhalb des
strittigen Gebietes sich in einem dermaßen großen Übergewicht befindet, daß sich


Materialien zur ostdeutschen F^ge

Die Marienburger (Entschließung
der Deutschen Volksräte

Mit der Überreichung des deutschen Gegenvorschlages in Versailles fiel
zeitlich die Tagung der Deutschen Volksräte Posens und Westpreußens in Marien-
burg zusammen. Die dort von den Volksräten gefaßte Entschließung bildet eine
Ergänzung und Fortsetzung der Grundsätze, von denen sich die Regierung bei den
Zugeständnissen in der Friedensfrage leiten lassen will. Die Reichsregierung stellt
such bei ihrem Gcgenentwurf strikt auf den Boden des Wilsonschen Programms,
das auf den Fundamentaliätzen des Selbstbestimnurrgsrechts und des Nationalitäten-
pnnzips fußt. Der Versailler Gewaltfriedensentwurf hat sich als ein untauglicher
Versuch erwiesen, der Lösung der Ostfrage näher zu kommen, weil er den deutsch-
pvlnischcn Gegensatz nicht durch einen Ausgleich, sondern durch Vernichtung, zum
mindesten aber durch willenlose Knebelung der deutschen Seite herbeiführen wollte.
Führt nun die Reichsregierung in ihrem Gegenvorschlag die Wahl der Mittel zur
Lösung des Ostproblems auf die unzweideutige Anwendung der Wilsonschen
Fundamentalsätze — unter Wahrung der indiskutabler, weil niemals mit Polen
in Konflikt gewesenen deutschen Rechte auf Ostpreußen und Schlesien — zurück,
so gibt die Volksratsresolution neben den Mitteln auch das Ziel an, das erreicht
werden soll; nämlich den deutsch-polnischen Ausgleich. Darauf kommt es an;

Es handelt sich in der Ostmark nicht darum, Prinzipien um ihrer selbst
willen oder zu Nutz und Frommen einer Partei zum Siege zu verhelfen, sondern
den Endzweck dieser Prinzipien zu verwirklichen. Von dem Friedensentwurf der
Entente kann man sagen, daß sein wahrer Zweck — die unverhüllte Schwächung
Deutschlands durch ein übermächtiges, Frankreich im Osten denkendes Polen —
die Mittel heiligt: bald wurden zur Erfüllung der polnischen Ansprüche historische
Gründe, bald wirtschaftliche Interessen, bald ethnographische Prinzipien, bald
strategische Notwendigkeiten und hin und wieder auch die beiden. Wilsonschen
Fundamentalsätze herangezogen. Damit war die Lösung der ganzen Frage in
eine Sackgasse hineingeraten, aus der es eine Umkehr ausschließlich mit Hilfe der
von Deutschland und der Entente allein als maßgeblich anerkannten Prinzipien
Wilsons geben kann, aber auch dann nur, wenn Einigkeit über das Ziel besteht.

Die Lösung, die die Deutschen Volksräte in ihrer Marienburger Entschließung
der Ostfragen zu geben gedenken, erschöpft sich jedoch nicht allein in der Schaffung
eines Ausgleichs. Einen Ausgleich erstrebt die deutsche Regierung desgleichen an,
was die Deutschen Volksräte jedoch über die Formulierungen dir Regierung
hinaus klarstellen, ist die Grundlage, die Möglichkeit, der Umfang des Ausgleichs,
kurzum sein Wesen überhaupt. Hierin liegt der springende Punkt, der bis jetzt
als verkannt erschien. Das Problem dreht sich keineswegs darum, einen Aus¬
gleich der Interessen zwischen Deutschland und Polen zu finden und die bisherige
ausschließliche Festlegung des Streitfalles auf diesen Angelpunkt hat zu der jetzt
herrschenden Verwirrung und Ratlosigkeit erheblich beigetragen. Was daneben in
erster Linie steht, ist die Notwendigkeit, eine Auseinandersetzung der innerhalb der
Ostmark mit- und nebeneinander lebenden deutschen und polnischen Bevölkerung
herbeizuführen. Nur die Berücksichtigung auch dieser Notwendigkeit schasst erst die
Möglichkeit einer Grundlage für den angestrebten Ausgleich. Es steht nicht so,
daß zwei Interessenten über die politische und wirtschaftliche Zugehörigkeit eines
Gebietes verhandeln, und es handelt sich ferner nicht darum, daß die Bevölkerung
dieses Gebietes darüber entscheiden soll, denn beides würde mit den Grundsätzen
des Selbstbestimmungsrechts und des Nationalitätenprinzips in Widerspruch stehen I
So paradox dieser Satz auch klingen mag, so nahe liegt doch seine Wahrheit,
wenn man von den Voraussetzungen der beiden Prinzipien ausgeht.

Die Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes auf der Grundlage des
Nationalitätenprinzips setzt aber voraus, daß die eine Nationalität innerhalb des
strittigen Gebietes sich in einem dermaßen großen Übergewicht befindet, daß sich


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <div n="4">
                <pb facs="#f0278" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335688"/>
                <fw type="header" place="top"> Materialien zur ostdeutschen F^ge</fw><lb/>
              </div>
            </div>
            <div n="3">
              <head> Die Marienburger (Entschließung<lb/>
der Deutschen Volksräte</head><lb/>
              <p xml:id="ID_1183"> Mit der Überreichung des deutschen Gegenvorschlages in Versailles fiel<lb/>
zeitlich die Tagung der Deutschen Volksräte Posens und Westpreußens in Marien-<lb/>
burg zusammen. Die dort von den Volksräten gefaßte Entschließung bildet eine<lb/>
Ergänzung und Fortsetzung der Grundsätze, von denen sich die Regierung bei den<lb/>
Zugeständnissen in der Friedensfrage leiten lassen will. Die Reichsregierung stellt<lb/>
such bei ihrem Gcgenentwurf strikt auf den Boden des Wilsonschen Programms,<lb/>
das auf den Fundamentaliätzen des Selbstbestimnurrgsrechts und des Nationalitäten-<lb/>
pnnzips fußt. Der Versailler Gewaltfriedensentwurf hat sich als ein untauglicher<lb/>
Versuch erwiesen, der Lösung der Ostfrage näher zu kommen, weil er den deutsch-<lb/>
pvlnischcn Gegensatz nicht durch einen Ausgleich, sondern durch Vernichtung, zum<lb/>
mindesten aber durch willenlose Knebelung der deutschen Seite herbeiführen wollte.<lb/>
Führt nun die Reichsregierung in ihrem Gegenvorschlag die Wahl der Mittel zur<lb/>
Lösung des Ostproblems auf die unzweideutige Anwendung der Wilsonschen<lb/>
Fundamentalsätze &#x2014; unter Wahrung der indiskutabler, weil niemals mit Polen<lb/>
in Konflikt gewesenen deutschen Rechte auf Ostpreußen und Schlesien &#x2014; zurück,<lb/>
so gibt die Volksratsresolution neben den Mitteln auch das Ziel an, das erreicht<lb/>
werden soll; nämlich den deutsch-polnischen Ausgleich.  Darauf kommt es an;</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1184"> Es handelt sich in der Ostmark nicht darum, Prinzipien um ihrer selbst<lb/>
willen oder zu Nutz und Frommen einer Partei zum Siege zu verhelfen, sondern<lb/>
den Endzweck dieser Prinzipien zu verwirklichen. Von dem Friedensentwurf der<lb/>
Entente kann man sagen, daß sein wahrer Zweck &#x2014; die unverhüllte Schwächung<lb/>
Deutschlands durch ein übermächtiges, Frankreich im Osten denkendes Polen &#x2014;<lb/>
die Mittel heiligt: bald wurden zur Erfüllung der polnischen Ansprüche historische<lb/>
Gründe, bald wirtschaftliche Interessen, bald ethnographische Prinzipien, bald<lb/>
strategische Notwendigkeiten und hin und wieder auch die beiden. Wilsonschen<lb/>
Fundamentalsätze herangezogen. Damit war die Lösung der ganzen Frage in<lb/>
eine Sackgasse hineingeraten, aus der es eine Umkehr ausschließlich mit Hilfe der<lb/>
von Deutschland und der Entente allein als maßgeblich anerkannten Prinzipien<lb/>
Wilsons geben kann, aber auch dann nur, wenn Einigkeit über das Ziel besteht.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1185"> Die Lösung, die die Deutschen Volksräte in ihrer Marienburger Entschließung<lb/>
der Ostfragen zu geben gedenken, erschöpft sich jedoch nicht allein in der Schaffung<lb/>
eines Ausgleichs. Einen Ausgleich erstrebt die deutsche Regierung desgleichen an,<lb/>
was die Deutschen Volksräte jedoch über die Formulierungen dir Regierung<lb/>
hinaus klarstellen, ist die Grundlage, die Möglichkeit, der Umfang des Ausgleichs,<lb/>
kurzum sein Wesen überhaupt. Hierin liegt der springende Punkt, der bis jetzt<lb/>
als verkannt erschien. Das Problem dreht sich keineswegs darum, einen Aus¬<lb/>
gleich der Interessen zwischen Deutschland und Polen zu finden und die bisherige<lb/>
ausschließliche Festlegung des Streitfalles auf diesen Angelpunkt hat zu der jetzt<lb/>
herrschenden Verwirrung und Ratlosigkeit erheblich beigetragen. Was daneben in<lb/>
erster Linie steht, ist die Notwendigkeit, eine Auseinandersetzung der innerhalb der<lb/>
Ostmark mit- und nebeneinander lebenden deutschen und polnischen Bevölkerung<lb/>
herbeizuführen. Nur die Berücksichtigung auch dieser Notwendigkeit schasst erst die<lb/>
Möglichkeit einer Grundlage für den angestrebten Ausgleich. Es steht nicht so,<lb/>
daß zwei Interessenten über die politische und wirtschaftliche Zugehörigkeit eines<lb/>
Gebietes verhandeln, und es handelt sich ferner nicht darum, daß die Bevölkerung<lb/>
dieses Gebietes darüber entscheiden soll, denn beides würde mit den Grundsätzen<lb/>
des Selbstbestimmungsrechts und des Nationalitätenprinzips in Widerspruch stehen I<lb/>
So paradox dieser Satz auch klingen mag, so nahe liegt doch seine Wahrheit,<lb/>
wenn man von den Voraussetzungen der beiden Prinzipien ausgeht.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1186" next="#ID_1187"> Die Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes auf der Grundlage des<lb/>
Nationalitätenprinzips setzt aber voraus, daß die eine Nationalität innerhalb des<lb/>
strittigen Gebietes sich in einem dermaßen großen Übergewicht befindet, daß sich</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0278] Materialien zur ostdeutschen F^ge Die Marienburger (Entschließung der Deutschen Volksräte Mit der Überreichung des deutschen Gegenvorschlages in Versailles fiel zeitlich die Tagung der Deutschen Volksräte Posens und Westpreußens in Marien- burg zusammen. Die dort von den Volksräten gefaßte Entschließung bildet eine Ergänzung und Fortsetzung der Grundsätze, von denen sich die Regierung bei den Zugeständnissen in der Friedensfrage leiten lassen will. Die Reichsregierung stellt such bei ihrem Gcgenentwurf strikt auf den Boden des Wilsonschen Programms, das auf den Fundamentaliätzen des Selbstbestimnurrgsrechts und des Nationalitäten- pnnzips fußt. Der Versailler Gewaltfriedensentwurf hat sich als ein untauglicher Versuch erwiesen, der Lösung der Ostfrage näher zu kommen, weil er den deutsch- pvlnischcn Gegensatz nicht durch einen Ausgleich, sondern durch Vernichtung, zum mindesten aber durch willenlose Knebelung der deutschen Seite herbeiführen wollte. Führt nun die Reichsregierung in ihrem Gegenvorschlag die Wahl der Mittel zur Lösung des Ostproblems auf die unzweideutige Anwendung der Wilsonschen Fundamentalsätze — unter Wahrung der indiskutabler, weil niemals mit Polen in Konflikt gewesenen deutschen Rechte auf Ostpreußen und Schlesien — zurück, so gibt die Volksratsresolution neben den Mitteln auch das Ziel an, das erreicht werden soll; nämlich den deutsch-polnischen Ausgleich. Darauf kommt es an; Es handelt sich in der Ostmark nicht darum, Prinzipien um ihrer selbst willen oder zu Nutz und Frommen einer Partei zum Siege zu verhelfen, sondern den Endzweck dieser Prinzipien zu verwirklichen. Von dem Friedensentwurf der Entente kann man sagen, daß sein wahrer Zweck — die unverhüllte Schwächung Deutschlands durch ein übermächtiges, Frankreich im Osten denkendes Polen — die Mittel heiligt: bald wurden zur Erfüllung der polnischen Ansprüche historische Gründe, bald wirtschaftliche Interessen, bald ethnographische Prinzipien, bald strategische Notwendigkeiten und hin und wieder auch die beiden. Wilsonschen Fundamentalsätze herangezogen. Damit war die Lösung der ganzen Frage in eine Sackgasse hineingeraten, aus der es eine Umkehr ausschließlich mit Hilfe der von Deutschland und der Entente allein als maßgeblich anerkannten Prinzipien Wilsons geben kann, aber auch dann nur, wenn Einigkeit über das Ziel besteht. Die Lösung, die die Deutschen Volksräte in ihrer Marienburger Entschließung der Ostfragen zu geben gedenken, erschöpft sich jedoch nicht allein in der Schaffung eines Ausgleichs. Einen Ausgleich erstrebt die deutsche Regierung desgleichen an, was die Deutschen Volksräte jedoch über die Formulierungen dir Regierung hinaus klarstellen, ist die Grundlage, die Möglichkeit, der Umfang des Ausgleichs, kurzum sein Wesen überhaupt. Hierin liegt der springende Punkt, der bis jetzt als verkannt erschien. Das Problem dreht sich keineswegs darum, einen Aus¬ gleich der Interessen zwischen Deutschland und Polen zu finden und die bisherige ausschließliche Festlegung des Streitfalles auf diesen Angelpunkt hat zu der jetzt herrschenden Verwirrung und Ratlosigkeit erheblich beigetragen. Was daneben in erster Linie steht, ist die Notwendigkeit, eine Auseinandersetzung der innerhalb der Ostmark mit- und nebeneinander lebenden deutschen und polnischen Bevölkerung herbeizuführen. Nur die Berücksichtigung auch dieser Notwendigkeit schasst erst die Möglichkeit einer Grundlage für den angestrebten Ausgleich. Es steht nicht so, daß zwei Interessenten über die politische und wirtschaftliche Zugehörigkeit eines Gebietes verhandeln, und es handelt sich ferner nicht darum, daß die Bevölkerung dieses Gebietes darüber entscheiden soll, denn beides würde mit den Grundsätzen des Selbstbestimmungsrechts und des Nationalitätenprinzips in Widerspruch stehen I So paradox dieser Satz auch klingen mag, so nahe liegt doch seine Wahrheit, wenn man von den Voraussetzungen der beiden Prinzipien ausgeht. Die Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes auf der Grundlage des Nationalitätenprinzips setzt aber voraus, daß die eine Nationalität innerhalb des strittigen Gebietes sich in einem dermaßen großen Übergewicht befindet, daß sich

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/278
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/278>, abgerufen am 18.12.2024.