Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.Die Aufgaben der Museen in der neuen Zeit schritte erzielt, aber die systematische Behandlung der Altertümer des Mittelalters Mit diesen wissenschaftlichen Aufgaben ist die Nutzbarmachung der Samm¬ Was die Kunstgewerbemuseen angeht, so kann man nicht sagen, daß mit Fast am unbegreiflichsten liegen die Verhältnisse bei den historischen Die schriftliche Behandlung, von der hier die Rede war, ist aber nicht das Die Aufgaben der Museen in der neuen Zeit schritte erzielt, aber die systematische Behandlung der Altertümer des Mittelalters Mit diesen wissenschaftlichen Aufgaben ist die Nutzbarmachung der Samm¬ Was die Kunstgewerbemuseen angeht, so kann man nicht sagen, daß mit Fast am unbegreiflichsten liegen die Verhältnisse bei den historischen Die schriftliche Behandlung, von der hier die Rede war, ist aber nicht das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0257" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335667"/> <fw type="header" place="top"> Die Aufgaben der Museen in der neuen Zeit</fw><lb/> <p xml:id="ID_1067" prev="#ID_1066"> schritte erzielt, aber die systematische Behandlung der Altertümer des Mittelalters<lb/> und der neueren Zeit steckt trotz vieler ortsgcschichtlichen Vorarbeiten noch ganz in<lb/> den Anfängen. Hier eröffnet sich der wissenschaftlichen Arbeit noch ein weites<lb/> Gebiet, dessen ernstliche Inangriffnahme eine dringende Verpflichtung der historischen<lb/> Museen ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1068"> Mit diesen wissenschaftlichen Aufgaben ist die Nutzbarmachung der Samm¬<lb/> lungen für das große Publikum — wenigstens zu einem bestimmten Teile —<lb/> unmittelbar verbunden. Die wissenschaftliche Verarbeitung der Sammlungen ist<lb/> die Voraussetzung für die volkstümliche Behandlung, die allein auf die weiteren<lb/> Kreise der Bevölkerung einzuwirken vermag. In dieser Beziehung haben die<lb/> Kuustsanunlungen und die naturhistorischen Museen insofern mit den günstigsten<lb/> Voraussetzungen zu rechnen, als den von ihnen vertretenen Interessen schon durch<lb/> die Schule der Boden bereitet wird. Aus diesen Gebieten ist daher von selten<lb/> des Publikums eine starke Nachfrage, und die Museen haben sich mit anerkennens¬<lb/> werten Eifer und vielfach mit gutem Erfolg bemüht, dieser Nachfrage gerecht zu<lb/> werden. In der gleichen Richtung ist — wenn auch nicht mit gleich günstigen<lb/> Voraussetzungen in bezug auf die Schule — in den letzten Jahrzehnten die Ent-<lb/> Wicklung bei den Völkerkundemuseen gegangen. Van ihnen ist fast die gesamte<lb/> Populäre völkerkundliche Literatur, über die wir heute verfügen, ausgegangen.<lb/> Dennoch muß nach dieser Richtung noch erheblich mehr geschehen. Die zu¬<lb/> nehmende Erstarkung der llbersecinteressen im deutschen Publikum verlangt<lb/> dringend danach.</p><lb/> <p xml:id="ID_1069"> Was die Kunstgewerbemuseen angeht, so kann man nicht sagen, daß mit<lb/> ihrer stark entwickelten Fachliteratur auch die populäre Darstellung gleichem Schritt<lb/> gehalten hätte. Vielleicht zeigt sich hier am deutlichsten, daß die stilgeschichllich-<lb/> iechnologischo Betrachtungsweise, auch dann, wenn es sich dabei um Qualitnts-<lb/> stücke handelt, in den breiten Schichten der Bevölkerung einen starken Widerhall<lb/> nicht findet, und daß infolgedessen auch eine populäre Behandlung keiner großen<lb/> Nachfrage begegnet. Aber die Kunstgewerbemuseen müssen nach dieser Richtung<lb/> in Zukunft sehr viel stärkere Versuche machen. Ihre ganze Stellung wird, wie<lb/> wir gesehen haben, zwischen den berechtigten Ansprüchen der Kunstsammlungen<lb/> und der historischen Museen vielfach in starke Bedrängnis kommen, und ob sie<lb/> sich in der alten Form werden behaupten können, das wird in erster Linie von<lb/> dem abhängen, was sie für die Allgemeinheit leisten, von dem Widerhall, den<lb/> ihre Arbeit in den weiten Kreisen der Bevölkerung findet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1070"> Fast am unbegreiflichsten liegen die Verhältnisse bei den historischen<lb/> Muster. Ihre Arbeitsgebiete verlangen schon seit langer Zeit uach volkstümlichen<lb/> Darstellungen für Schule und Haus. Aber statt nach dieser Richtung die ihnen<lb/> gewiesenen eigenen Wege zu gehen, haben die historischen Museen sich — wenn<lb/> >nan von der Vorgeschickte absieht — ein halbes Jahrhundert lang so gut wie<lb/> vollständig in die Gefolgschaft der Kunstgewerbemuseen begeben und die altertumS-<lb/> kundliche Arbeit fast ganz den Geschichtsvereincn mit ihrer örtlichen Nrbeits-<lb/> vegrcnznng überlassen. Zusammenfassende Darstellungen allertumskundlicher Art<lb/> fehlen deshalb wie in wissenschaftlicher so auch in populärer Form fast gänzlich.<lb/> Hier muß also so bald wie möglich Abhilfe geschaffen werden. Das deutsche Volk<lb/> hat einen Anspruch darauf, in leicht faßlicher Form über die Kulturerscheinungen<lb/> seiner eigenen Vergangenheit belehrt zu werden, und es bleibt die unweigerliche<lb/> Aufgabe'der historischen Museen, diesen Anspruch zu erfüllen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1071" next="#ID_1072"> Die schriftliche Behandlung, von der hier die Rede war, ist aber nicht das<lb/> einzige Mittel, das die Museen zur Popularisierung ihrer Sammlungen anzu¬<lb/> wenden haben. Vor der schriftlichen Behandlung stehen auch hier die Sammlungs-<lb/> klegenstände. Der Aufbau der Museumssammluugen selbst ist es, der sich am<lb/> unmittelbarsten an das Publikum wendet, der selbst da, wo ursprünglich das<lb/> Interesse noch gering ist, die Aufmerksamkeit zu wecken und zu wiederholter Be¬<lb/> frachtung zu erziehen vermag. Alle Museen, die überhaupt Anspruch auf diesen<lb/> nennen haben, sind schon längst zu dieser Erkenntnis gekommen. Fragen der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0257]
Die Aufgaben der Museen in der neuen Zeit
schritte erzielt, aber die systematische Behandlung der Altertümer des Mittelalters
und der neueren Zeit steckt trotz vieler ortsgcschichtlichen Vorarbeiten noch ganz in
den Anfängen. Hier eröffnet sich der wissenschaftlichen Arbeit noch ein weites
Gebiet, dessen ernstliche Inangriffnahme eine dringende Verpflichtung der historischen
Museen ist.
Mit diesen wissenschaftlichen Aufgaben ist die Nutzbarmachung der Samm¬
lungen für das große Publikum — wenigstens zu einem bestimmten Teile —
unmittelbar verbunden. Die wissenschaftliche Verarbeitung der Sammlungen ist
die Voraussetzung für die volkstümliche Behandlung, die allein auf die weiteren
Kreise der Bevölkerung einzuwirken vermag. In dieser Beziehung haben die
Kuustsanunlungen und die naturhistorischen Museen insofern mit den günstigsten
Voraussetzungen zu rechnen, als den von ihnen vertretenen Interessen schon durch
die Schule der Boden bereitet wird. Aus diesen Gebieten ist daher von selten
des Publikums eine starke Nachfrage, und die Museen haben sich mit anerkennens¬
werten Eifer und vielfach mit gutem Erfolg bemüht, dieser Nachfrage gerecht zu
werden. In der gleichen Richtung ist — wenn auch nicht mit gleich günstigen
Voraussetzungen in bezug auf die Schule — in den letzten Jahrzehnten die Ent-
Wicklung bei den Völkerkundemuseen gegangen. Van ihnen ist fast die gesamte
Populäre völkerkundliche Literatur, über die wir heute verfügen, ausgegangen.
Dennoch muß nach dieser Richtung noch erheblich mehr geschehen. Die zu¬
nehmende Erstarkung der llbersecinteressen im deutschen Publikum verlangt
dringend danach.
Was die Kunstgewerbemuseen angeht, so kann man nicht sagen, daß mit
ihrer stark entwickelten Fachliteratur auch die populäre Darstellung gleichem Schritt
gehalten hätte. Vielleicht zeigt sich hier am deutlichsten, daß die stilgeschichllich-
iechnologischo Betrachtungsweise, auch dann, wenn es sich dabei um Qualitnts-
stücke handelt, in den breiten Schichten der Bevölkerung einen starken Widerhall
nicht findet, und daß infolgedessen auch eine populäre Behandlung keiner großen
Nachfrage begegnet. Aber die Kunstgewerbemuseen müssen nach dieser Richtung
in Zukunft sehr viel stärkere Versuche machen. Ihre ganze Stellung wird, wie
wir gesehen haben, zwischen den berechtigten Ansprüchen der Kunstsammlungen
und der historischen Museen vielfach in starke Bedrängnis kommen, und ob sie
sich in der alten Form werden behaupten können, das wird in erster Linie von
dem abhängen, was sie für die Allgemeinheit leisten, von dem Widerhall, den
ihre Arbeit in den weiten Kreisen der Bevölkerung findet.
Fast am unbegreiflichsten liegen die Verhältnisse bei den historischen
Muster. Ihre Arbeitsgebiete verlangen schon seit langer Zeit uach volkstümlichen
Darstellungen für Schule und Haus. Aber statt nach dieser Richtung die ihnen
gewiesenen eigenen Wege zu gehen, haben die historischen Museen sich — wenn
>nan von der Vorgeschickte absieht — ein halbes Jahrhundert lang so gut wie
vollständig in die Gefolgschaft der Kunstgewerbemuseen begeben und die altertumS-
kundliche Arbeit fast ganz den Geschichtsvereincn mit ihrer örtlichen Nrbeits-
vegrcnznng überlassen. Zusammenfassende Darstellungen allertumskundlicher Art
fehlen deshalb wie in wissenschaftlicher so auch in populärer Form fast gänzlich.
Hier muß also so bald wie möglich Abhilfe geschaffen werden. Das deutsche Volk
hat einen Anspruch darauf, in leicht faßlicher Form über die Kulturerscheinungen
seiner eigenen Vergangenheit belehrt zu werden, und es bleibt die unweigerliche
Aufgabe'der historischen Museen, diesen Anspruch zu erfüllen.
Die schriftliche Behandlung, von der hier die Rede war, ist aber nicht das
einzige Mittel, das die Museen zur Popularisierung ihrer Sammlungen anzu¬
wenden haben. Vor der schriftlichen Behandlung stehen auch hier die Sammlungs-
klegenstände. Der Aufbau der Museumssammluugen selbst ist es, der sich am
unmittelbarsten an das Publikum wendet, der selbst da, wo ursprünglich das
Interesse noch gering ist, die Aufmerksamkeit zu wecken und zu wiederholter Be¬
frachtung zu erziehen vermag. Alle Museen, die überhaupt Anspruch auf diesen
nennen haben, sind schon längst zu dieser Erkenntnis gekommen. Fragen der
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