Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Ans den Pfaden der ?ozicrlisier"ng

weiterhin vor der unlösbaren Aufgabe, die Arbeitsbeschaffung für Millionen
Menschen einer sozialistischen Jndustricleitung zuzumuten, und zwar zu einer
.Zeit, wo nicht wenige Großunternehmer geneigt sind, die Verantwortung für die
gewaltige Betriebsumschichtung und Arbeitsbeschaffung auf andere Schultern ab¬
zuladen. "Wer die grvßindustriellen Verhältnisse nicht lediglich theoretisch, sondern
aus der Praxis kennt, der weiß, daß der Sozialismus eine unabsehbare Nieder¬
lage erleiden würde, wenn wir uns zetzt die Verantwortung für total umwälzende
Eingriffe in die komplizierte Verfassung unserer industriellen Produktionsverhältnisse
aufhalsen würden/' Der Sozialismus müsse sich hüten, die Rolle eines Konknrs-
verwalters in der deutschen Volkswirtschaft zu übernehmen. Der Genosse Huc
bar hiermit natürlich seinen Glauben an die Segnungen der sozialistischen Wirt-
schaft für die Menschheit nicht abschwören wollen, möchte aber die Heilswirkungen
des Sozialismus nicht an einer völlig verwüsteten Volkswirtschaft erproben. Man
darf wohl annehmen, daß er wie viele andere Genossen infolge des Verlaufs der
Dinge auf dem innerpolitischen Kampffelde in raschem Wechsel anderen Sinnes
geworden ist.

In den ersten Monaten^ dieses Jahres folgten bürgerliche und soziale
Demokraten in Sachen der Vergesellschaftung von wirtschaftlichen Großbetrieben
ungefähr derselben Fahrtrichtung. Gemeinsam war ihnen die Überzeugung, daß
zur Wiederaufrichtung der Volkswirtschaft alle als zweckmäßig erkannten Mittel
anzuwenden wären. Daß die Produktions- und Absatzverhältnisse durch die
Nutzbarmachung von gemeinwirtschaftlichen Grundsätzen in vielen Beziehungen
verbessert werden könnten, war zu einleuchtend, um durch die Berufung auf die
Vorteile individueller Wirtschaftsfreiheit widerlegt zu werden. Auf dem abge¬
grenzten Boden der Gemeinwirtschaft ließen sich selbst weitgehende Reformen der
nationalen Wirtschaftsweise verwirklichen, ohne in das fast uferlose Fahrwasser
sozialistischer Träumereien einzulenken. Auch die Mehrheitssozialisten schienen
vorläufig nicht geneigt, unter dem Drucke der Gegenwartssorgen sür einen
Wirtschaftssozialismus sich einzusetzen, bei dem eine, ganze Anzahl unbekannter
Größen in Rechnung kam.

Der revolutionäre Sturmwind war inzwischen zum Orkan angewachsen
und hatte die Geister des Sozialismus zu wilder Leidenschaftlichkeit und unge¬
stümem Begehren hingerissen. Die von gewissenlosen Vvlksdemagogen ange-
stachelien Arbeitermassen wollten mit den politischen "Errungenschaften" der
Revolution sich nichl zufriedengeben und drängten mit unheimlicher Gewalt auf
die Befriedigung ihrer wirtschaftlichen MachtausprüÄc. Die Lohnbewegung hatte
ihren Gipfelpunkt erreicht, verbürgte aber den Arbeitern nicht einen dauernden
Anteil am Produktion<?ertrage. Im Zeichen des Sozialismus und im Kampfe
gegen den Kapitalismus sollte dem Faktor Arbeit unverweilt zum mindesten die
volle Gleichberechtigung neben den kapitalistischen Kräften erstritten werden..
"Sozialisierung" wurde das Losungswort für diese Bestrebungen der von radikalen
Trieben erfüllten Arbeiter und die zusammenfassende Formel sür den wirtschaft¬
lichen Inhalt des sozialdemokratischen Parteiprogramms. Was bezweckt wurde,
legte der Parteitag der Unabhängigen in folgender Entschließung fest:


"Die Vergesellschaftung der kapitalistischen Unternehmungen ist sofort zu
beginnen, Sie ist unverzüglich durchzuführen auf den Gebieten des Bergbaues
und der Energicerzeugung, der kvnzetnricrten Eisen- und Stahlprodultion sowie
anderer hochentwickelter Industrien und des Bank- und Versicherungswesens;
Großgrundbesitz und Forsten sind sofort in gesellschaftliches Eigentum überzu¬
führen. In den Städten ist das private Eigentum an Grund und Boden in
Gemeindeeigentum überzuführen. Ausreichende Wohnungen sind von der
Gemeinde auf eigene Rechnung herzustellen."

Das in diesen Forderungen aufgefahrene schwere Geschütz, war keine bloße
Drohung, die von den verantwortlichen Negierungshäuptern mit der gleichen Ent¬
schiedenheit abgefertigt werden konnte wie etwa die kommunistischen Verstiegen-
Heiten der.Spartakisten. Die Werbetrommel der Unabhängigen hatte Hundert-


Ans den Pfaden der ?ozicrlisier»ng

weiterhin vor der unlösbaren Aufgabe, die Arbeitsbeschaffung für Millionen
Menschen einer sozialistischen Jndustricleitung zuzumuten, und zwar zu einer
.Zeit, wo nicht wenige Großunternehmer geneigt sind, die Verantwortung für die
gewaltige Betriebsumschichtung und Arbeitsbeschaffung auf andere Schultern ab¬
zuladen. „Wer die grvßindustriellen Verhältnisse nicht lediglich theoretisch, sondern
aus der Praxis kennt, der weiß, daß der Sozialismus eine unabsehbare Nieder¬
lage erleiden würde, wenn wir uns zetzt die Verantwortung für total umwälzende
Eingriffe in die komplizierte Verfassung unserer industriellen Produktionsverhältnisse
aufhalsen würden/' Der Sozialismus müsse sich hüten, die Rolle eines Konknrs-
verwalters in der deutschen Volkswirtschaft zu übernehmen. Der Genosse Huc
bar hiermit natürlich seinen Glauben an die Segnungen der sozialistischen Wirt-
schaft für die Menschheit nicht abschwören wollen, möchte aber die Heilswirkungen
des Sozialismus nicht an einer völlig verwüsteten Volkswirtschaft erproben. Man
darf wohl annehmen, daß er wie viele andere Genossen infolge des Verlaufs der
Dinge auf dem innerpolitischen Kampffelde in raschem Wechsel anderen Sinnes
geworden ist.

In den ersten Monaten^ dieses Jahres folgten bürgerliche und soziale
Demokraten in Sachen der Vergesellschaftung von wirtschaftlichen Großbetrieben
ungefähr derselben Fahrtrichtung. Gemeinsam war ihnen die Überzeugung, daß
zur Wiederaufrichtung der Volkswirtschaft alle als zweckmäßig erkannten Mittel
anzuwenden wären. Daß die Produktions- und Absatzverhältnisse durch die
Nutzbarmachung von gemeinwirtschaftlichen Grundsätzen in vielen Beziehungen
verbessert werden könnten, war zu einleuchtend, um durch die Berufung auf die
Vorteile individueller Wirtschaftsfreiheit widerlegt zu werden. Auf dem abge¬
grenzten Boden der Gemeinwirtschaft ließen sich selbst weitgehende Reformen der
nationalen Wirtschaftsweise verwirklichen, ohne in das fast uferlose Fahrwasser
sozialistischer Träumereien einzulenken. Auch die Mehrheitssozialisten schienen
vorläufig nicht geneigt, unter dem Drucke der Gegenwartssorgen sür einen
Wirtschaftssozialismus sich einzusetzen, bei dem eine, ganze Anzahl unbekannter
Größen in Rechnung kam.

Der revolutionäre Sturmwind war inzwischen zum Orkan angewachsen
und hatte die Geister des Sozialismus zu wilder Leidenschaftlichkeit und unge¬
stümem Begehren hingerissen. Die von gewissenlosen Vvlksdemagogen ange-
stachelien Arbeitermassen wollten mit den politischen „Errungenschaften" der
Revolution sich nichl zufriedengeben und drängten mit unheimlicher Gewalt auf
die Befriedigung ihrer wirtschaftlichen MachtausprüÄc. Die Lohnbewegung hatte
ihren Gipfelpunkt erreicht, verbürgte aber den Arbeitern nicht einen dauernden
Anteil am Produktion<?ertrage. Im Zeichen des Sozialismus und im Kampfe
gegen den Kapitalismus sollte dem Faktor Arbeit unverweilt zum mindesten die
volle Gleichberechtigung neben den kapitalistischen Kräften erstritten werden..
„Sozialisierung" wurde das Losungswort für diese Bestrebungen der von radikalen
Trieben erfüllten Arbeiter und die zusammenfassende Formel sür den wirtschaft¬
lichen Inhalt des sozialdemokratischen Parteiprogramms. Was bezweckt wurde,
legte der Parteitag der Unabhängigen in folgender Entschließung fest:


„Die Vergesellschaftung der kapitalistischen Unternehmungen ist sofort zu
beginnen, Sie ist unverzüglich durchzuführen auf den Gebieten des Bergbaues
und der Energicerzeugung, der kvnzetnricrten Eisen- und Stahlprodultion sowie
anderer hochentwickelter Industrien und des Bank- und Versicherungswesens;
Großgrundbesitz und Forsten sind sofort in gesellschaftliches Eigentum überzu¬
führen. In den Städten ist das private Eigentum an Grund und Boden in
Gemeindeeigentum überzuführen. Ausreichende Wohnungen sind von der
Gemeinde auf eigene Rechnung herzustellen."

Das in diesen Forderungen aufgefahrene schwere Geschütz, war keine bloße
Drohung, die von den verantwortlichen Negierungshäuptern mit der gleichen Ent¬
schiedenheit abgefertigt werden konnte wie etwa die kommunistischen Verstiegen-
Heiten der.Spartakisten. Die Werbetrommel der Unabhängigen hatte Hundert-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0023" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335431"/>
          <fw type="header" place="top"> Ans den Pfaden der ?ozicrlisier»ng</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_31" prev="#ID_30"> weiterhin vor der unlösbaren Aufgabe, die Arbeitsbeschaffung für Millionen<lb/>
Menschen einer sozialistischen Jndustricleitung zuzumuten, und zwar zu einer<lb/>
.Zeit, wo nicht wenige Großunternehmer geneigt sind, die Verantwortung für die<lb/>
gewaltige Betriebsumschichtung und Arbeitsbeschaffung auf andere Schultern ab¬<lb/>
zuladen. &#x201E;Wer die grvßindustriellen Verhältnisse nicht lediglich theoretisch, sondern<lb/>
aus der Praxis kennt, der weiß, daß der Sozialismus eine unabsehbare Nieder¬<lb/>
lage erleiden würde, wenn wir uns zetzt die Verantwortung für total umwälzende<lb/>
Eingriffe in die komplizierte Verfassung unserer industriellen Produktionsverhältnisse<lb/>
aufhalsen würden/' Der Sozialismus müsse sich hüten, die Rolle eines Konknrs-<lb/>
verwalters in der deutschen Volkswirtschaft zu übernehmen. Der Genosse Huc<lb/>
bar hiermit natürlich seinen Glauben an die Segnungen der sozialistischen Wirt-<lb/>
schaft für die Menschheit nicht abschwören wollen, möchte aber die Heilswirkungen<lb/>
des Sozialismus nicht an einer völlig verwüsteten Volkswirtschaft erproben. Man<lb/>
darf wohl annehmen, daß er wie viele andere Genossen infolge des Verlaufs der<lb/>
Dinge auf dem innerpolitischen Kampffelde in raschem Wechsel anderen Sinnes<lb/>
geworden ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_32"> In den ersten Monaten^ dieses Jahres folgten bürgerliche und soziale<lb/>
Demokraten in Sachen der Vergesellschaftung von wirtschaftlichen Großbetrieben<lb/>
ungefähr derselben Fahrtrichtung. Gemeinsam war ihnen die Überzeugung, daß<lb/>
zur Wiederaufrichtung der Volkswirtschaft alle als zweckmäßig erkannten Mittel<lb/>
anzuwenden wären. Daß die Produktions- und Absatzverhältnisse durch die<lb/>
Nutzbarmachung von gemeinwirtschaftlichen Grundsätzen in vielen Beziehungen<lb/>
verbessert werden könnten, war zu einleuchtend, um durch die Berufung auf die<lb/>
Vorteile individueller Wirtschaftsfreiheit widerlegt zu werden. Auf dem abge¬<lb/>
grenzten Boden der Gemeinwirtschaft ließen sich selbst weitgehende Reformen der<lb/>
nationalen Wirtschaftsweise verwirklichen, ohne in das fast uferlose Fahrwasser<lb/>
sozialistischer Träumereien einzulenken. Auch die Mehrheitssozialisten schienen<lb/>
vorläufig nicht geneigt, unter dem Drucke der Gegenwartssorgen sür einen<lb/>
Wirtschaftssozialismus sich einzusetzen, bei dem eine, ganze Anzahl unbekannter<lb/>
Größen in Rechnung kam.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_33"> Der revolutionäre Sturmwind war inzwischen zum Orkan angewachsen<lb/>
und hatte die Geister des Sozialismus zu wilder Leidenschaftlichkeit und unge¬<lb/>
stümem Begehren hingerissen. Die von gewissenlosen Vvlksdemagogen ange-<lb/>
stachelien Arbeitermassen wollten mit den politischen &#x201E;Errungenschaften" der<lb/>
Revolution sich nichl zufriedengeben und drängten mit unheimlicher Gewalt auf<lb/>
die Befriedigung ihrer wirtschaftlichen MachtausprüÄc. Die Lohnbewegung hatte<lb/>
ihren Gipfelpunkt erreicht, verbürgte aber den Arbeitern nicht einen dauernden<lb/>
Anteil am Produktion&lt;?ertrage. Im Zeichen des Sozialismus und im Kampfe<lb/>
gegen den Kapitalismus sollte dem Faktor Arbeit unverweilt zum mindesten die<lb/>
volle Gleichberechtigung neben den kapitalistischen Kräften erstritten werden..<lb/>
&#x201E;Sozialisierung" wurde das Losungswort für diese Bestrebungen der von radikalen<lb/>
Trieben erfüllten Arbeiter und die zusammenfassende Formel sür den wirtschaft¬<lb/>
lichen Inhalt des sozialdemokratischen Parteiprogramms. Was bezweckt wurde,<lb/>
legte der Parteitag der Unabhängigen in folgender Entschließung fest:</p><lb/>
          <quote> &#x201E;Die Vergesellschaftung der kapitalistischen Unternehmungen ist sofort zu<lb/>
beginnen, Sie ist unverzüglich durchzuführen auf den Gebieten des Bergbaues<lb/>
und der Energicerzeugung, der kvnzetnricrten Eisen- und Stahlprodultion sowie<lb/>
anderer hochentwickelter Industrien und des Bank- und Versicherungswesens;<lb/>
Großgrundbesitz und Forsten sind sofort in gesellschaftliches Eigentum überzu¬<lb/>
führen. In den Städten ist das private Eigentum an Grund und Boden in<lb/>
Gemeindeeigentum überzuführen. Ausreichende Wohnungen sind von der<lb/>
Gemeinde auf eigene Rechnung herzustellen."</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_34" next="#ID_35"> Das in diesen Forderungen aufgefahrene schwere Geschütz, war keine bloße<lb/>
Drohung, die von den verantwortlichen Negierungshäuptern mit der gleichen Ent¬<lb/>
schiedenheit abgefertigt werden konnte wie etwa die kommunistischen Verstiegen-<lb/>
Heiten der.Spartakisten. Die Werbetrommel der Unabhängigen hatte Hundert-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0023] Ans den Pfaden der ?ozicrlisier»ng weiterhin vor der unlösbaren Aufgabe, die Arbeitsbeschaffung für Millionen Menschen einer sozialistischen Jndustricleitung zuzumuten, und zwar zu einer .Zeit, wo nicht wenige Großunternehmer geneigt sind, die Verantwortung für die gewaltige Betriebsumschichtung und Arbeitsbeschaffung auf andere Schultern ab¬ zuladen. „Wer die grvßindustriellen Verhältnisse nicht lediglich theoretisch, sondern aus der Praxis kennt, der weiß, daß der Sozialismus eine unabsehbare Nieder¬ lage erleiden würde, wenn wir uns zetzt die Verantwortung für total umwälzende Eingriffe in die komplizierte Verfassung unserer industriellen Produktionsverhältnisse aufhalsen würden/' Der Sozialismus müsse sich hüten, die Rolle eines Konknrs- verwalters in der deutschen Volkswirtschaft zu übernehmen. Der Genosse Huc bar hiermit natürlich seinen Glauben an die Segnungen der sozialistischen Wirt- schaft für die Menschheit nicht abschwören wollen, möchte aber die Heilswirkungen des Sozialismus nicht an einer völlig verwüsteten Volkswirtschaft erproben. Man darf wohl annehmen, daß er wie viele andere Genossen infolge des Verlaufs der Dinge auf dem innerpolitischen Kampffelde in raschem Wechsel anderen Sinnes geworden ist. In den ersten Monaten^ dieses Jahres folgten bürgerliche und soziale Demokraten in Sachen der Vergesellschaftung von wirtschaftlichen Großbetrieben ungefähr derselben Fahrtrichtung. Gemeinsam war ihnen die Überzeugung, daß zur Wiederaufrichtung der Volkswirtschaft alle als zweckmäßig erkannten Mittel anzuwenden wären. Daß die Produktions- und Absatzverhältnisse durch die Nutzbarmachung von gemeinwirtschaftlichen Grundsätzen in vielen Beziehungen verbessert werden könnten, war zu einleuchtend, um durch die Berufung auf die Vorteile individueller Wirtschaftsfreiheit widerlegt zu werden. Auf dem abge¬ grenzten Boden der Gemeinwirtschaft ließen sich selbst weitgehende Reformen der nationalen Wirtschaftsweise verwirklichen, ohne in das fast uferlose Fahrwasser sozialistischer Träumereien einzulenken. Auch die Mehrheitssozialisten schienen vorläufig nicht geneigt, unter dem Drucke der Gegenwartssorgen sür einen Wirtschaftssozialismus sich einzusetzen, bei dem eine, ganze Anzahl unbekannter Größen in Rechnung kam. Der revolutionäre Sturmwind war inzwischen zum Orkan angewachsen und hatte die Geister des Sozialismus zu wilder Leidenschaftlichkeit und unge¬ stümem Begehren hingerissen. Die von gewissenlosen Vvlksdemagogen ange- stachelien Arbeitermassen wollten mit den politischen „Errungenschaften" der Revolution sich nichl zufriedengeben und drängten mit unheimlicher Gewalt auf die Befriedigung ihrer wirtschaftlichen MachtausprüÄc. Die Lohnbewegung hatte ihren Gipfelpunkt erreicht, verbürgte aber den Arbeitern nicht einen dauernden Anteil am Produktion<?ertrage. Im Zeichen des Sozialismus und im Kampfe gegen den Kapitalismus sollte dem Faktor Arbeit unverweilt zum mindesten die volle Gleichberechtigung neben den kapitalistischen Kräften erstritten werden.. „Sozialisierung" wurde das Losungswort für diese Bestrebungen der von radikalen Trieben erfüllten Arbeiter und die zusammenfassende Formel sür den wirtschaft¬ lichen Inhalt des sozialdemokratischen Parteiprogramms. Was bezweckt wurde, legte der Parteitag der Unabhängigen in folgender Entschließung fest: „Die Vergesellschaftung der kapitalistischen Unternehmungen ist sofort zu beginnen, Sie ist unverzüglich durchzuführen auf den Gebieten des Bergbaues und der Energicerzeugung, der kvnzetnricrten Eisen- und Stahlprodultion sowie anderer hochentwickelter Industrien und des Bank- und Versicherungswesens; Großgrundbesitz und Forsten sind sofort in gesellschaftliches Eigentum überzu¬ führen. In den Städten ist das private Eigentum an Grund und Boden in Gemeindeeigentum überzuführen. Ausreichende Wohnungen sind von der Gemeinde auf eigene Rechnung herzustellen." Das in diesen Forderungen aufgefahrene schwere Geschütz, war keine bloße Drohung, die von den verantwortlichen Negierungshäuptern mit der gleichen Ent¬ schiedenheit abgefertigt werden konnte wie etwa die kommunistischen Verstiegen- Heiten der.Spartakisten. Die Werbetrommel der Unabhängigen hatte Hundert-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/23
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/23>, abgerufen am 18.12.2024.