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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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geliebt zu sein. Wo die Truppe das Abbild ihres Führers war, wo dieser seine
von unten stammende Qualifikation höher wertete, als die von oben erteilte, wo
unerläßliche Strenge neben sorgenden Wohlwollen, höchste Anforderung neben
kraftvollem Eintreten für die Truppe das offene Verständnis richtig Erzogener
und Geführter fand, da reihte sich Erfolg an Erfolg, da reiften in der Stille die
"lege, die uns vorwärts trugen und die Heimat im Ausharren stärkten.

Aber die Übermacht einer feindlichen Welt gebot uns Halt, der unselige
Stellungskrieg begann! an das feldgraue Volk und seine Führer stellte er in un¬
sagbaren Dulden erhöhte Forderungen zwischen Drahtverhau und Graben, indes
mit dem Stocken des Siegeslaufes mancherlei Schwächen daheim ihr Haupt er¬
hoben, wo nicht richtig geführt und regiert wurde. Auch vordem erschwerte die
Eigenart des Kampfes die enge Fühlung zwischen Führer und Truppe; aber wo
warmherzige Fürsorge sich nunmehr verdoppelte, Lob und Anerkennung auch bei
kleinsten Anlaß die lähmende Eintönigkeit, das nervenzerreibende Dasein im
Graben belebten, der Führer jede Gelegenheit nützte, die Ersatzleute für Verlust-
cinsfall kennen zu lernen, persönlich mit ihnen zu sprechen, da lebte der gute Geist
auch in jenen Jahren passiven Ausharrens, da blieb der Führer dem feldgrauen
Volke trotz allein innerlich nahe. Doch galt es für ihn, überall zu sein, des
Morgens in den Gräben, des Mittags auf der Kommandostelle, des Abends und
auf nächtlichen Gängen bei der Prüfung der Unterkunft und Ruhe zurückgezoge¬
ner Kompagnien, ohne zu stören, ohne zu nörgeln, sorgend und plaudernd, lobend
und doch prüfend und wo nötig rügend und mahnend. Geschah dies alles in
echtem Führergeist, trat dazu noch das leider nicht überall herrschende Verständ¬
nis für das steigende Ruhebedürfnis der Truppe, dann blieb diese fest in Führers
Hand und das Band innerer Zusammengehörigkeit riß auch unter schwierigsten
Verhältnissen des StellungsLampfes nicht ab.

Dort, >wo es so war, entstiegen die Kämpfer im Vertrauen auf Gott und
ihre Führer kraftbewußt und siegesfveudig dem verruchten Graben, als es er¬
neuten gewaltigen Ansturm galt. So war es vor Jahresfrist, so im Hochsommer
des eiitschwnndenen Jahres. Was mußte abermals gefordert und geleistet
werden, um dein ersehnten Ende des Ringens näher zu kommen, wie schwer fiel
oft .dem warmen Herzen des Führers der Sturmbefehl! Mit ihren Getreuen
sanken diese Führer wie 1914 in Scharen in den Staub durchwühlter Kampf¬
gefilde.

Die Führer der alterprobten Schule deckte in der Mehrzahl der kühle
Rasen. Neue, rasch gebildete, Wohl gutwillige und meist auch begeisterte, aber
wenig erfahrene Führerschaft trat an ihre Stelle. Zufolge des vielfachen
Wechsels, 'der neuen .Mmpfesweise und oft wochenlang lähmenden Kampfes läge,
der nachlassenden Spannkraft und Leistungsfähigkeit der Truppe, des da und dort
naturgemäß mangelnden Verständnisses für wahres Führertum 'ward das Band
innerer Zusammengehörigkeit lockerer. Bei aller Hingabe und gutem Willen des
Führererfatzes fragte man sich damals oft, ob alle im Lause des Krieges zur
Führerschaft Berufenen dem Volke im Frieden innerlich so nahe getreten waren,
wie die Aufgaben es erforderten, die wir nun lösen mußten. Mancher war Wohl,
ob aus gehobenem Stande, oder ans schlichtem Bürger- und Bauernhaus
stammend, bisher allzu achtlos an dein schlichten Mann, am Seelenleben und der
Gedankenwelt des einfachen Volkes vorübergegangen, hatte nicht jede Gelegen¬
heit genützt, mit ihn: enge innere Fühlung zu gewinnen, war abseits gestanden.
Und nun galt es alles, bis zum Opfertod, tagtäglich zu fordern.

In jenen Wochen der kritischen Wendung, der Nervenerschöpsung durch
die lange Kriegsdauer, der gesteigerten Sorge um Heim und Beruf und
hungernde Lieben zu Hause kroch der giftige Lindwurm der Verhetzung und Zer¬
setzung durch die Kämpserreihen. Die Waffe, die allein ihn sieghaft' bezwingen
konnte, wäre Vertrauen gegen Vertrauen gewesen. In der Heimat wurde sie
stumpf gemacht, und daß sie versagte, dafür wird heilte in zielbewußter Irre¬
führung dem "Militarismus" und seinen Trägern, den Berufsosfizieren allein


vom wcchrcn Führertum

geliebt zu sein. Wo die Truppe das Abbild ihres Führers war, wo dieser seine
von unten stammende Qualifikation höher wertete, als die von oben erteilte, wo
unerläßliche Strenge neben sorgenden Wohlwollen, höchste Anforderung neben
kraftvollem Eintreten für die Truppe das offene Verständnis richtig Erzogener
und Geführter fand, da reihte sich Erfolg an Erfolg, da reiften in der Stille die
«lege, die uns vorwärts trugen und die Heimat im Ausharren stärkten.

Aber die Übermacht einer feindlichen Welt gebot uns Halt, der unselige
Stellungskrieg begann! an das feldgraue Volk und seine Führer stellte er in un¬
sagbaren Dulden erhöhte Forderungen zwischen Drahtverhau und Graben, indes
mit dem Stocken des Siegeslaufes mancherlei Schwächen daheim ihr Haupt er¬
hoben, wo nicht richtig geführt und regiert wurde. Auch vordem erschwerte die
Eigenart des Kampfes die enge Fühlung zwischen Führer und Truppe; aber wo
warmherzige Fürsorge sich nunmehr verdoppelte, Lob und Anerkennung auch bei
kleinsten Anlaß die lähmende Eintönigkeit, das nervenzerreibende Dasein im
Graben belebten, der Führer jede Gelegenheit nützte, die Ersatzleute für Verlust-
cinsfall kennen zu lernen, persönlich mit ihnen zu sprechen, da lebte der gute Geist
auch in jenen Jahren passiven Ausharrens, da blieb der Führer dem feldgrauen
Volke trotz allein innerlich nahe. Doch galt es für ihn, überall zu sein, des
Morgens in den Gräben, des Mittags auf der Kommandostelle, des Abends und
auf nächtlichen Gängen bei der Prüfung der Unterkunft und Ruhe zurückgezoge¬
ner Kompagnien, ohne zu stören, ohne zu nörgeln, sorgend und plaudernd, lobend
und doch prüfend und wo nötig rügend und mahnend. Geschah dies alles in
echtem Führergeist, trat dazu noch das leider nicht überall herrschende Verständ¬
nis für das steigende Ruhebedürfnis der Truppe, dann blieb diese fest in Führers
Hand und das Band innerer Zusammengehörigkeit riß auch unter schwierigsten
Verhältnissen des StellungsLampfes nicht ab.

Dort, >wo es so war, entstiegen die Kämpfer im Vertrauen auf Gott und
ihre Führer kraftbewußt und siegesfveudig dem verruchten Graben, als es er¬
neuten gewaltigen Ansturm galt. So war es vor Jahresfrist, so im Hochsommer
des eiitschwnndenen Jahres. Was mußte abermals gefordert und geleistet
werden, um dein ersehnten Ende des Ringens näher zu kommen, wie schwer fiel
oft .dem warmen Herzen des Führers der Sturmbefehl! Mit ihren Getreuen
sanken diese Führer wie 1914 in Scharen in den Staub durchwühlter Kampf¬
gefilde.

Die Führer der alterprobten Schule deckte in der Mehrzahl der kühle
Rasen. Neue, rasch gebildete, Wohl gutwillige und meist auch begeisterte, aber
wenig erfahrene Führerschaft trat an ihre Stelle. Zufolge des vielfachen
Wechsels, 'der neuen .Mmpfesweise und oft wochenlang lähmenden Kampfes läge,
der nachlassenden Spannkraft und Leistungsfähigkeit der Truppe, des da und dort
naturgemäß mangelnden Verständnisses für wahres Führertum 'ward das Band
innerer Zusammengehörigkeit lockerer. Bei aller Hingabe und gutem Willen des
Führererfatzes fragte man sich damals oft, ob alle im Lause des Krieges zur
Führerschaft Berufenen dem Volke im Frieden innerlich so nahe getreten waren,
wie die Aufgaben es erforderten, die wir nun lösen mußten. Mancher war Wohl,
ob aus gehobenem Stande, oder ans schlichtem Bürger- und Bauernhaus
stammend, bisher allzu achtlos an dein schlichten Mann, am Seelenleben und der
Gedankenwelt des einfachen Volkes vorübergegangen, hatte nicht jede Gelegen¬
heit genützt, mit ihn: enge innere Fühlung zu gewinnen, war abseits gestanden.
Und nun galt es alles, bis zum Opfertod, tagtäglich zu fordern.

In jenen Wochen der kritischen Wendung, der Nervenerschöpsung durch
die lange Kriegsdauer, der gesteigerten Sorge um Heim und Beruf und
hungernde Lieben zu Hause kroch der giftige Lindwurm der Verhetzung und Zer¬
setzung durch die Kämpserreihen. Die Waffe, die allein ihn sieghaft' bezwingen
konnte, wäre Vertrauen gegen Vertrauen gewesen. In der Heimat wurde sie
stumpf gemacht, und daß sie versagte, dafür wird heilte in zielbewußter Irre¬
führung dem „Militarismus" und seinen Trägern, den Berufsosfizieren allein


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[0196] vom wcchrcn Führertum geliebt zu sein. Wo die Truppe das Abbild ihres Führers war, wo dieser seine von unten stammende Qualifikation höher wertete, als die von oben erteilte, wo unerläßliche Strenge neben sorgenden Wohlwollen, höchste Anforderung neben kraftvollem Eintreten für die Truppe das offene Verständnis richtig Erzogener und Geführter fand, da reihte sich Erfolg an Erfolg, da reiften in der Stille die «lege, die uns vorwärts trugen und die Heimat im Ausharren stärkten. Aber die Übermacht einer feindlichen Welt gebot uns Halt, der unselige Stellungskrieg begann! an das feldgraue Volk und seine Führer stellte er in un¬ sagbaren Dulden erhöhte Forderungen zwischen Drahtverhau und Graben, indes mit dem Stocken des Siegeslaufes mancherlei Schwächen daheim ihr Haupt er¬ hoben, wo nicht richtig geführt und regiert wurde. Auch vordem erschwerte die Eigenart des Kampfes die enge Fühlung zwischen Führer und Truppe; aber wo warmherzige Fürsorge sich nunmehr verdoppelte, Lob und Anerkennung auch bei kleinsten Anlaß die lähmende Eintönigkeit, das nervenzerreibende Dasein im Graben belebten, der Führer jede Gelegenheit nützte, die Ersatzleute für Verlust- cinsfall kennen zu lernen, persönlich mit ihnen zu sprechen, da lebte der gute Geist auch in jenen Jahren passiven Ausharrens, da blieb der Führer dem feldgrauen Volke trotz allein innerlich nahe. Doch galt es für ihn, überall zu sein, des Morgens in den Gräben, des Mittags auf der Kommandostelle, des Abends und auf nächtlichen Gängen bei der Prüfung der Unterkunft und Ruhe zurückgezoge¬ ner Kompagnien, ohne zu stören, ohne zu nörgeln, sorgend und plaudernd, lobend und doch prüfend und wo nötig rügend und mahnend. Geschah dies alles in echtem Führergeist, trat dazu noch das leider nicht überall herrschende Verständ¬ nis für das steigende Ruhebedürfnis der Truppe, dann blieb diese fest in Führers Hand und das Band innerer Zusammengehörigkeit riß auch unter schwierigsten Verhältnissen des StellungsLampfes nicht ab. Dort, >wo es so war, entstiegen die Kämpfer im Vertrauen auf Gott und ihre Führer kraftbewußt und siegesfveudig dem verruchten Graben, als es er¬ neuten gewaltigen Ansturm galt. So war es vor Jahresfrist, so im Hochsommer des eiitschwnndenen Jahres. Was mußte abermals gefordert und geleistet werden, um dein ersehnten Ende des Ringens näher zu kommen, wie schwer fiel oft .dem warmen Herzen des Führers der Sturmbefehl! Mit ihren Getreuen sanken diese Führer wie 1914 in Scharen in den Staub durchwühlter Kampf¬ gefilde. Die Führer der alterprobten Schule deckte in der Mehrzahl der kühle Rasen. Neue, rasch gebildete, Wohl gutwillige und meist auch begeisterte, aber wenig erfahrene Führerschaft trat an ihre Stelle. Zufolge des vielfachen Wechsels, 'der neuen .Mmpfesweise und oft wochenlang lähmenden Kampfes läge, der nachlassenden Spannkraft und Leistungsfähigkeit der Truppe, des da und dort naturgemäß mangelnden Verständnisses für wahres Führertum 'ward das Band innerer Zusammengehörigkeit lockerer. Bei aller Hingabe und gutem Willen des Führererfatzes fragte man sich damals oft, ob alle im Lause des Krieges zur Führerschaft Berufenen dem Volke im Frieden innerlich so nahe getreten waren, wie die Aufgaben es erforderten, die wir nun lösen mußten. Mancher war Wohl, ob aus gehobenem Stande, oder ans schlichtem Bürger- und Bauernhaus stammend, bisher allzu achtlos an dein schlichten Mann, am Seelenleben und der Gedankenwelt des einfachen Volkes vorübergegangen, hatte nicht jede Gelegen¬ heit genützt, mit ihn: enge innere Fühlung zu gewinnen, war abseits gestanden. Und nun galt es alles, bis zum Opfertod, tagtäglich zu fordern. In jenen Wochen der kritischen Wendung, der Nervenerschöpsung durch die lange Kriegsdauer, der gesteigerten Sorge um Heim und Beruf und hungernde Lieben zu Hause kroch der giftige Lindwurm der Verhetzung und Zer¬ setzung durch die Kämpserreihen. Die Waffe, die allein ihn sieghaft' bezwingen konnte, wäre Vertrauen gegen Vertrauen gewesen. In der Heimat wurde sie stumpf gemacht, und daß sie versagte, dafür wird heilte in zielbewußter Irre¬ führung dem „Militarismus" und seinen Trägern, den Berufsosfizieren allein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/196>, abgerufen am 18.12.2024.