Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.vom wahren Führertuni der Verantwortung und der Fürsorge und schuf die Grundlage für alles Spätere. Nach fast anderthalb Jahrzehnten folgte die Kompagniechefszeit. Jahre vom wahren Führertuni der Verantwortung und der Fürsorge und schuf die Grundlage für alles Spätere. Nach fast anderthalb Jahrzehnten folgte die Kompagniechefszeit. Jahre <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0194" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335604"/> <fw type="header" place="top"> vom wahren Führertuni</fw><lb/> <p xml:id="ID_811" prev="#ID_810"> der Verantwortung und der Fürsorge und schuf die Grundlage für alles Spätere.<lb/> Im inneren Dienst immer mitten drin, im äußeren stets voraus war Parole<lb/> und blieb Wogweiser bis ans Ende. Mochte dann der junge Leutnant knabenhaft<lb/> vor den damals oft recht schwer zu behandelnden „Dreijährigen" stehen, er hatte<lb/> gelernt für sie zu sorgen und führte damit. Was er falsch aus Unerfahrenheit<lb/> anordnete, ste machten es von selbst richtig, weil sie ihn achteten. Bei allen<lb/> Körperübungen gab er das Beispiel; er kannte, was er forderte und unter-<lb/> chätzte keine Leistung., Das blieb ihm unvergessen. Der ergraute Mann freut<lb/> ich noch heute, wenn er seinen ehemaligen Leutnant wiedersieht. So gingen im<lb/> Lauf der langen Jahre Tausende um Taufende durch die Hand des einen,<lb/> Millionen durch die Hände von Tausenden seiner Führer-Kameraden. Mau<lb/> verlangte von uns nicht nur Namenskenntnis; Herkunft und Beruf, Lebenslauf,<lb/> Familien- und Einkommensverhältnisse mußte man von jedem Untergebenen<lb/> wissen. Wie leicht «wurde dies zum Schema! Doch wo das Herz, das Führerherz<lb/> schlug, da wurzelte in solch gegenseitigem Kennen die Hingabe an Führer und<lb/> Pflicht zum Wohl des 'Gängen; Mannsgucht und Kameradschalst lebten auf und<lb/> die Vorschrift bekam Seele und Sinn. Nicht im Unterricht allein, überall auf<lb/> Schritt und Tritt suchten Herz und Gemüt, Interesse und Anteilnahme des<lb/> werdenden Führers enge innere Fühlung mit den ihm anvertrauten Leuten,<lb/> nicht eintönig lehrend, sondern aus ihrem Gedaubengang und Empfinden<lb/> schöpfend und fragend und derart sie immer tiefer in die neue, ihnen fremde<lb/> Gedankenwelt militärischen Wesens führend. Undenkbar ist ein rechter Führer<lb/> ohne pädagogisches Geschick. Dies zu «wecken und zu Pflegen, gilt es heute mehr<lb/> als je, sei vornehmste Ausgabe künftiger Führerschulen.</p><lb/> <p xml:id="ID_812" next="#ID_813"> Nach fast anderthalb Jahrzehnten folgte die Kompagniechefszeit. Jahre<lb/> schwerer, kräftezerreibender Arbeit und doch die schönsten der Laufbahn. Der<lb/> sorgende Vater seiner Leute zu sein, Verantwortlicher als jeder andere, und Ver¬<lb/> trauensmann aller, das schuf ein hohes Glücksgefühl. Alljährlich sich steigernde<lb/> dienstliche Anforderungen, die der Laie nicht ahnt, die auch dem Soldaten in<lb/> Reih und Glied so leicht unverständlich blieben, forderten die dauernde Weckung<lb/> und Belebung des -Verständnisses für so mancherlei starr und leblos erscheinen¬<lb/> des Wesen. Es galt zugleich nervösen Tadel zu mildern, die Dienstfreudigkeit zu<lb/> erhalten, ohne Unterlaß für gute Unterkunft, saubere Bekleidung, Ordnung und<lb/> reichliche Verpflegung zu sorgen, gerechte Behandlung zu überwachen, Schutz<lb/> gegen vorschriftswidrige Behandlung zu bieten und den Unteroffizierstand zur<lb/> Denkweise wahrer Führerschaft emporzuheben. Als der erste und der letzte im<lb/> Dienst -weckte der Hauptmann das Vertrauen der Seinen, gab und nahm mehr<lb/> als jeder andere, -was der Führer braucht. Sagten die Leute unter sich: „Mein<lb/> Hauptmann weiß um alles, denkt an alles und sorgt für alles, er fordert viel,<lb/> aber gerecht und -er lobt, wo er kann," — dann war -es gut bestellt. Das Lobe»<lb/> und Anerkennen freilich, seien wir ehrlich, war leider in der Armee, wohl auch<lb/> sonst, allzusehr «außer Gebrauch gekommen, das -war ein gewaltiger Fehler. Lob<lb/> nud Tadel standen im Mißverhältnis -zu einander, zu viel treue Pflichterfüllung<lb/> wurde als selbstverständlich betrachtet. Gewaltige Kräfte -wurden durch Tadel<lb/> gelähmt, statt durch Lob zur Höchstleistung beflügelt. Wie aber, wenn die Kom¬<lb/> pagnie für vortreffliche Leistung bei der Übung unter Abbruch des Programms<lb/> zur Belohnung um Stunden früher als andere singend heimkehrte? Wenn der<lb/> Turner für erstmalige Selbstüberwindung durch Befreiung von der Fortsetzung<lb/> des Turnunterrichts -ausgezeichnet wurde? Wenn man den aufmerksamen Zu¬<lb/> hörer vorzeitig von der Instruktion entließ, und bei der Austeilung des Urlaubes<lb/> den Willigen, nicht nur den Tüchtigen gerecht bedachte? Kleine Anlässe, große<lb/> Wirkungen: in der Tiefe all der schlichten Menschenherzen sproßten der freudige,<lb/> freiwillige Gehorsam, Dankbarkeit, Treue und Gerechtigkeitsgefühl, da wurde in<lb/> der Kleinarbeit des Alltags und der Fürsorge die Truppe zur treuen Gefolgschaft<lb/> für ihren Führer, in ihren Reihen wuchs, von den Kameraden selbst bewacht<lb/> und immer mehr von den Zwangsmitteln der Rüge und Strafe befreit, die über¬<lb/> zeugte Manneszucht empor, über ihre Unentbehrlichkeit zum Erfolg bedürfte</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0194]
vom wahren Führertuni
der Verantwortung und der Fürsorge und schuf die Grundlage für alles Spätere.
Im inneren Dienst immer mitten drin, im äußeren stets voraus war Parole
und blieb Wogweiser bis ans Ende. Mochte dann der junge Leutnant knabenhaft
vor den damals oft recht schwer zu behandelnden „Dreijährigen" stehen, er hatte
gelernt für sie zu sorgen und führte damit. Was er falsch aus Unerfahrenheit
anordnete, ste machten es von selbst richtig, weil sie ihn achteten. Bei allen
Körperübungen gab er das Beispiel; er kannte, was er forderte und unter-
chätzte keine Leistung., Das blieb ihm unvergessen. Der ergraute Mann freut
ich noch heute, wenn er seinen ehemaligen Leutnant wiedersieht. So gingen im
Lauf der langen Jahre Tausende um Taufende durch die Hand des einen,
Millionen durch die Hände von Tausenden seiner Führer-Kameraden. Mau
verlangte von uns nicht nur Namenskenntnis; Herkunft und Beruf, Lebenslauf,
Familien- und Einkommensverhältnisse mußte man von jedem Untergebenen
wissen. Wie leicht «wurde dies zum Schema! Doch wo das Herz, das Führerherz
schlug, da wurzelte in solch gegenseitigem Kennen die Hingabe an Führer und
Pflicht zum Wohl des 'Gängen; Mannsgucht und Kameradschalst lebten auf und
die Vorschrift bekam Seele und Sinn. Nicht im Unterricht allein, überall auf
Schritt und Tritt suchten Herz und Gemüt, Interesse und Anteilnahme des
werdenden Führers enge innere Fühlung mit den ihm anvertrauten Leuten,
nicht eintönig lehrend, sondern aus ihrem Gedaubengang und Empfinden
schöpfend und fragend und derart sie immer tiefer in die neue, ihnen fremde
Gedankenwelt militärischen Wesens führend. Undenkbar ist ein rechter Führer
ohne pädagogisches Geschick. Dies zu «wecken und zu Pflegen, gilt es heute mehr
als je, sei vornehmste Ausgabe künftiger Führerschulen.
Nach fast anderthalb Jahrzehnten folgte die Kompagniechefszeit. Jahre
schwerer, kräftezerreibender Arbeit und doch die schönsten der Laufbahn. Der
sorgende Vater seiner Leute zu sein, Verantwortlicher als jeder andere, und Ver¬
trauensmann aller, das schuf ein hohes Glücksgefühl. Alljährlich sich steigernde
dienstliche Anforderungen, die der Laie nicht ahnt, die auch dem Soldaten in
Reih und Glied so leicht unverständlich blieben, forderten die dauernde Weckung
und Belebung des -Verständnisses für so mancherlei starr und leblos erscheinen¬
des Wesen. Es galt zugleich nervösen Tadel zu mildern, die Dienstfreudigkeit zu
erhalten, ohne Unterlaß für gute Unterkunft, saubere Bekleidung, Ordnung und
reichliche Verpflegung zu sorgen, gerechte Behandlung zu überwachen, Schutz
gegen vorschriftswidrige Behandlung zu bieten und den Unteroffizierstand zur
Denkweise wahrer Führerschaft emporzuheben. Als der erste und der letzte im
Dienst -weckte der Hauptmann das Vertrauen der Seinen, gab und nahm mehr
als jeder andere, -was der Führer braucht. Sagten die Leute unter sich: „Mein
Hauptmann weiß um alles, denkt an alles und sorgt für alles, er fordert viel,
aber gerecht und -er lobt, wo er kann," — dann war -es gut bestellt. Das Lobe»
und Anerkennen freilich, seien wir ehrlich, war leider in der Armee, wohl auch
sonst, allzusehr «außer Gebrauch gekommen, das -war ein gewaltiger Fehler. Lob
nud Tadel standen im Mißverhältnis -zu einander, zu viel treue Pflichterfüllung
wurde als selbstverständlich betrachtet. Gewaltige Kräfte -wurden durch Tadel
gelähmt, statt durch Lob zur Höchstleistung beflügelt. Wie aber, wenn die Kom¬
pagnie für vortreffliche Leistung bei der Übung unter Abbruch des Programms
zur Belohnung um Stunden früher als andere singend heimkehrte? Wenn der
Turner für erstmalige Selbstüberwindung durch Befreiung von der Fortsetzung
des Turnunterrichts -ausgezeichnet wurde? Wenn man den aufmerksamen Zu¬
hörer vorzeitig von der Instruktion entließ, und bei der Austeilung des Urlaubes
den Willigen, nicht nur den Tüchtigen gerecht bedachte? Kleine Anlässe, große
Wirkungen: in der Tiefe all der schlichten Menschenherzen sproßten der freudige,
freiwillige Gehorsam, Dankbarkeit, Treue und Gerechtigkeitsgefühl, da wurde in
der Kleinarbeit des Alltags und der Fürsorge die Truppe zur treuen Gefolgschaft
für ihren Führer, in ihren Reihen wuchs, von den Kameraden selbst bewacht
und immer mehr von den Zwangsmitteln der Rüge und Strafe befreit, die über¬
zeugte Manneszucht empor, über ihre Unentbehrlichkeit zum Erfolg bedürfte
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |