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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Michael. W., Englands Friedensschlüsse. W. Rothschild, Berlin 1918.

Der Freiburger Historiker hat sich wohl die Nutzanwendung seiner Unter,
suchung anders vorgestellt, als er Mitte Oktober das Vorwort zu ihr schrieb.
Trotzdem bleibt sie nach der Umwälzung -- und wieder gerade in der jüngsten
Gegenwart -- wertvoll genug, wenn wir auch wahrscheinlich ihre Lehren nur
theoretisch ack notam nehmen und trübselig bestätigen werden. Was hier ein
Kenner der Materie -- soeben erscheint seine gros; angelegte englische Geschichte
des 18. Jahrhunderts -- in knappen Rahmen bietet, ist beileibe nicht etwa eine
Zusammenstellung der unzähligen Friedenstraktate mit ihrem Länderschacher,
dessen Varitations- und Kombwationsrcchnung uns in der Schule Pein verur¬
sachte, kein nüchternerer Auszug aus Mariens nüchternem "KeLueil". sondern
eine Geschichte des europäischen Staatensystems der neueren Zeit, zwar in engster
Kompression, aber mit der günstigen Blickeinstcllung vom Standpunkte der eng¬
lischen Politik aus, wo mon ja bekanntlich seinen Stolz darin setzte, das Zünglein
an der Wage zu sein. Eine Fülle von historischen Beziehungen und Verpflich¬
tungen, Persönlichkeiten und Situationen leuchten im Fluge durch die Jahr¬
hunderte aus. Und die Moral? "Die Zähigkeit in der Weiterführung des
Krieges, die erbarmungslose Ausnutzung des Sieges über einen völlig geschlagenen
Feind, die kühle Preisgabe der Bundesgenossen, die Neigung einen oder den
anderen aus dem Ring der Gegner herauszulocken, um ihn zur Sonderverhand¬
lung oder zum Friedensschlüsse zu vermögen," diese Züge treten "nirgends so
oft, unverhüllt, so selbstverständlich" auf wie bei der englischen Politik. Nach
einem Naturgesetz, sagt Chamberlain, wird England stets zuerst geschlagen, um am
Ende umso vollständiger zu triumphieren. Dann aber soll der Gegner nicht nur
überwunden werden, sondern seine Demütigung wird zum Selbstzweck. Wahrlich
ein prophetisches Wort. Werden die anderen historischen Erfahrungen sich auch
"naturgesetzlich" wiederholen? Der Streich von 1762, die "abscheuliche, ich kann
wohl sagen niederträchtige Art", wie es der damals im Stich gelassene Preusien-
könig nannte, hatte "Präzedcntien": so 1674 gegenüber Frankreich, 1713 und 1748
gegenüber Osterreich; was werden wir im 20. Jahrhundert erleben?


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Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden kann.




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Verantwortlich: der Herausgeber Beorg TIeinow in Berlin-Lichterselbe West. -- Manuslriptsendungen unt
Bricke werden erbeten unter der Adresse:
An die "chriftleituu" der Grenzb-den i" Berlin SW U, T-mpelhofer Ufer W".
Fernipi-cher des Herausgebers: Amt Lichterlelde 4"3, des Verlags und der Schristlcitung: Amt "ni>o" "Ki0.
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Michael. W., Englands Friedensschlüsse. W. Rothschild, Berlin 1918.

Der Freiburger Historiker hat sich wohl die Nutzanwendung seiner Unter,
suchung anders vorgestellt, als er Mitte Oktober das Vorwort zu ihr schrieb.
Trotzdem bleibt sie nach der Umwälzung — und wieder gerade in der jüngsten
Gegenwart — wertvoll genug, wenn wir auch wahrscheinlich ihre Lehren nur
theoretisch ack notam nehmen und trübselig bestätigen werden. Was hier ein
Kenner der Materie — soeben erscheint seine gros; angelegte englische Geschichte
des 18. Jahrhunderts — in knappen Rahmen bietet, ist beileibe nicht etwa eine
Zusammenstellung der unzähligen Friedenstraktate mit ihrem Länderschacher,
dessen Varitations- und Kombwationsrcchnung uns in der Schule Pein verur¬
sachte, kein nüchternerer Auszug aus Mariens nüchternem „KeLueil". sondern
eine Geschichte des europäischen Staatensystems der neueren Zeit, zwar in engster
Kompression, aber mit der günstigen Blickeinstcllung vom Standpunkte der eng¬
lischen Politik aus, wo mon ja bekanntlich seinen Stolz darin setzte, das Zünglein
an der Wage zu sein. Eine Fülle von historischen Beziehungen und Verpflich¬
tungen, Persönlichkeiten und Situationen leuchten im Fluge durch die Jahr¬
hunderte aus. Und die Moral? „Die Zähigkeit in der Weiterführung des
Krieges, die erbarmungslose Ausnutzung des Sieges über einen völlig geschlagenen
Feind, die kühle Preisgabe der Bundesgenossen, die Neigung einen oder den
anderen aus dem Ring der Gegner herauszulocken, um ihn zur Sonderverhand¬
lung oder zum Friedensschlüsse zu vermögen," diese Züge treten „nirgends so
oft, unverhüllt, so selbstverständlich" auf wie bei der englischen Politik. Nach
einem Naturgesetz, sagt Chamberlain, wird England stets zuerst geschlagen, um am
Ende umso vollständiger zu triumphieren. Dann aber soll der Gegner nicht nur
überwunden werden, sondern seine Demütigung wird zum Selbstzweck. Wahrlich
ein prophetisches Wort. Werden die anderen historischen Erfahrungen sich auch
„naturgesetzlich" wiederholen? Der Streich von 1762, die „abscheuliche, ich kann
wohl sagen niederträchtige Art", wie es der damals im Stich gelassene Preusien-
könig nannte, hatte „Präzedcntien": so 1674 gegenüber Frankreich, 1713 und 1748
gegenüber Osterreich; was werden wir im 20. Jahrhundert erleben?


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Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
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Verantwortlich: der Herausgeber Beorg TIeinow in Berlin-Lichterselbe West. — Manuslriptsendungen unt
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Fernipi-cher des Herausgebers: Amt Lichterlelde 4«3, des Verlags und der Schristlcitung: Amt «ni>o« «Ki0.
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[0180] Neue Bücher Neue Vücher Michael. W., Englands Friedensschlüsse. W. Rothschild, Berlin 1918. Der Freiburger Historiker hat sich wohl die Nutzanwendung seiner Unter, suchung anders vorgestellt, als er Mitte Oktober das Vorwort zu ihr schrieb. Trotzdem bleibt sie nach der Umwälzung — und wieder gerade in der jüngsten Gegenwart — wertvoll genug, wenn wir auch wahrscheinlich ihre Lehren nur theoretisch ack notam nehmen und trübselig bestätigen werden. Was hier ein Kenner der Materie — soeben erscheint seine gros; angelegte englische Geschichte des 18. Jahrhunderts — in knappen Rahmen bietet, ist beileibe nicht etwa eine Zusammenstellung der unzähligen Friedenstraktate mit ihrem Länderschacher, dessen Varitations- und Kombwationsrcchnung uns in der Schule Pein verur¬ sachte, kein nüchternerer Auszug aus Mariens nüchternem „KeLueil". sondern eine Geschichte des europäischen Staatensystems der neueren Zeit, zwar in engster Kompression, aber mit der günstigen Blickeinstcllung vom Standpunkte der eng¬ lischen Politik aus, wo mon ja bekanntlich seinen Stolz darin setzte, das Zünglein an der Wage zu sein. Eine Fülle von historischen Beziehungen und Verpflich¬ tungen, Persönlichkeiten und Situationen leuchten im Fluge durch die Jahr¬ hunderte aus. Und die Moral? „Die Zähigkeit in der Weiterführung des Krieges, die erbarmungslose Ausnutzung des Sieges über einen völlig geschlagenen Feind, die kühle Preisgabe der Bundesgenossen, die Neigung einen oder den anderen aus dem Ring der Gegner herauszulocken, um ihn zur Sonderverhand¬ lung oder zum Friedensschlüsse zu vermögen," diese Züge treten „nirgends so oft, unverhüllt, so selbstverständlich" auf wie bei der englischen Politik. Nach einem Naturgesetz, sagt Chamberlain, wird England stets zuerst geschlagen, um am Ende umso vollständiger zu triumphieren. Dann aber soll der Gegner nicht nur überwunden werden, sondern seine Demütigung wird zum Selbstzweck. Wahrlich ein prophetisches Wort. Werden die anderen historischen Erfahrungen sich auch „naturgesetzlich" wiederholen? Der Streich von 1762, die „abscheuliche, ich kann wohl sagen niederträchtige Art", wie es der damals im Stich gelassene Preusien- könig nannte, hatte „Präzedcntien": so 1674 gegenüber Frankreich, 1713 und 1748 gegenüber Osterreich; was werden wir im 20. Jahrhundert erleben? Dr. Heinrich (veto Meisncr Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung nicht verbürgt werden kann. Nachdr«« sämtlicher Aufsatz« n«r mit »»«drticklicher Erlnnlini« des Verlags gestattet. Verantwortlich: der Herausgeber Beorg TIeinow in Berlin-Lichterselbe West. — Manuslriptsendungen unt Bricke werden erbeten unter der Adresse: An die «chriftleituu» der Grenzb-den i« Berlin SW U, T-mpelhofer Ufer W». Fernipi-cher des Herausgebers: Amt Lichterlelde 4«3, des Verlags und der Schristlcitung: Amt «ni>o« «Ki0. Ber'.ng: Bering der Grenzbote» G, in, b. H, in Berlin SW 11, Tempelhofer Ufer SS>z. T-xit: .Der R-ichSbote" »> in, », H> in Berlin SW 11. »«flauer Straf,« M/S7.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/180>, abgerufen am 18.12.2024.